Schwierigkeiten mit streitbarem Kirchenmann

Was sich hinter der Luther-Münze der DDR von 1983 und weiteren Prägungen verbirgt



Die Luthermünze der DDR zu 20 Mark kam 1983 zum 500. Geburtstag
des Theologen und Reformators. Seine Ehrung war nicht jedermanns Sache,
politische Hardliner befürchteten eine Aufweichung ihrer Ideologie.




Die Fünf-Mark-Stücke der DDR von 1983 zeigen die Lutherstätten in
Eisleben und Wittenberg sowie oben die Wartburg. Darunter ist
eine von Helmut König geschaffene Medaille mit dem bärtigen
Junker Jörg, als der Luther auf der Wartburg Zuflucht gefunden hatte.




Die Wartburg, wie wir sie kennen, wurde erst im 19. Jahrhundert von den
Großherzögen von Sachsen-Weimar und Eisenach umfassend saniert und historistisch ausgebaut.




Höhepunkt des Besuchs der Wartburg ist zweifellos ein Blick in die
Lutherstube mit dem Arbeitsplatz des Reformators und dem beschädigten Putz
an der Wand, auf die angeblich das Tintenfass geworfen wurde. (Fotos: Caspar)

Mit einem. silbernen Zwanzig-Mark-Stück beteiligte sich die DDR 1983 am Gedenken für den vor 500 Jahren, am 10. November 1483, in der mansfeldischen Stadt Eisleben geborenen Reformator Martin Luther. Gestaltet von Heinz Rodewald, lehnt sich das Münzbildnis an zeitgenössische Porträts des streitbaren Kirchenmannes an. Die Bibel in seiner Hand deutet darauf hin, dass der Theologe unter dem Schutz des sächsischen Kurfürsten Friedrich III., des Weisen, auf der Wartburg bei Eisenach das Neue Testament ins Deutsche übersetzt und damit ein großartiges Sprachdenkmal geschaffen hat. Luther hatte sich dort als Junker Jörg einquartiert und absolvierte die Arbeit binnen weniger Wochen.

Die Vorbereitungen für die Luther-Ehrung der DDR 1983 lagen in Händen eines hochkarätig mit Politikern, Kirchenführern und Wissenschaftlern besetzten Komitees. Vom Staats- und Parteichef Erich Honecker geleitet, versprach es sich von den Festsitzungen, Ausstellungen, Tagungen und Publikationen, aber wohl auch von der zu diesem Anlass geprägten Gedenkmünze und einer Serie von Medaillen internationale Aufmerksamkeit und in der DDR mehr Akzeptanz für die Politik der SED. Zwar wirkte sich das Lutherjubiläum positiv auf den Erhalt und die Restaurierung der mit dem Leben und Werk des Reformators verbundenen Bau- und Kunstdenkmäler aus. Doch standen die Mühen um das bauliche Erbe in krassem Gegensatz zu den zusammenstürzenden Altstädten in der DDR, denen der Staat nur geringe Aufmerksamkeit schenkte.

Christen in einem atheistischen Land

Parallel zu der silbernen Luthermünze zu 20 Mark erschienen drei weitere Werte aus Neusilber zu fünf Mark. Die erste Münze zeigt Luthers Geburtshaus in Eisleben und die zweite die Schlosskirche zu Wittenberg, an deren Tür Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine berühmten 95 Thesen wider die Missstände in der katholischen Kirche und den Ablasshandel angeschlagen hat. Die dritte Münze ist mit der Ansicht der Wartburg aus der Vogelperspektive geschmückt. Nach umfassender Restaurierung wurde sie am 21. April 1986 im Beisein von Staats- und Parteichef Erich Honecker feierlich eröffnet. Alle drei Münzen wurden von Heinz Rodewald gestaltet und dürfen in keiner Sammlung zum Thema Martin Luther und die Reformation fehlen. Der Handel bietet das Münztrio in einer Schatulle mit der Widmung "Martin Luther Ehrung 1983 der Deutschen Demokratischen Republik" an. Außerdem gibt es eine Dreierserie mit Medaillen, die Schadows Lutherdenkmal in Wittenberg, das Lutherbildnis mit Talar und Doktorhut sowie die Lutherhalle in Wittenberg präsentiert, die langjährige Wirkungsstätte des Reformators, die schon seit langem als Museum genutzt wird. Die Medaillen haben die Größe von alten Talern und wurden laut Inschrift auf der Innenseite der Holzschatulle "Überreicht vom Vorsitzenden des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik ERICH HONECKER".

So ansehnlich alle vier zum 500. Geburtstag von Martin Luther geprägten DDR-Münzen und die Medaillen auch sind und so gut sie zu einer von der Bundesrepublik Deutschland im gleichen Jahr emittierten Carl Vezerfi Clemm mit dem Bildnis des Reformators passen mögen, so können sie nicht darüber hinweg, dass Herausgeber ein atheistisches Land war, in dem Christen das Leben schwer gemacht wurde. In den frühen 1980-er Jahren entwickelte sich in dem Staat der Arbeiter und Bauern, wie sich die DDR nannte, eine von der Kirche unterstützte Oppositionsbewegung, die bedeutenden Zulauf vor allem auch von jungen Leuten hatte, sich über westliche Medien Gehör verschaffte und hektische Gegenmaßnahmen durch die Stasi, die Geheimpolizei der DDR, bewirkte.

Offiziell herrschte in der DDR Religionsfreiheit, doch wurde vielen Geistlichen und Gläubigen das Leben von engstirnigen Funktionären schwer gemacht. Manche Christen setzten sich mit Mut und Gottvertrauen über die Restriktionen hinweg und konnten einen ordentlichen Beruf ausüben. Allerdings hatten viele Menschen diese Kraft und dieses Glück nicht und verließen das Land, solange es möglich war, oder wandten sich auf lebensgefährlichen Wegen nach dem Mauerbau von 1961 zur Flucht. Nicht wenige kamen wegen ihrer oppositionellen Haltung, von der Stasi als "feindlich-negative Kräfte" diffamiert, ins Zuchthaus.

Auf keinen Fall wollte die DDR mit dem Lutherjahr 1983 die Kirche stärken. Inoffiziell mokierten sich Funktionäre über den Eifer, den die Partei- und Staatsführung bei der Realisierung des im SED-Politbüro beschlossenen Festprogramms. Erich Honecker ließ den 500. Geburtstag des Reformators feiern, um sein Ansehen international aufzuwerten und Sympathie bei seinen Untertanen zu gewinnen. Am 10. November 1983 fand in Berlin ein Festakt zum 500. Geburtstag von Martin Luther. Unter dem Motto "Friedenspolitik der DDR steht in einer großen progressiven Traditionslinie" wurden die Verdienste des Reformators weniger um die Achtung der christlichen Gebote und die Erneuerung der Kirche, sondern als Mitinitiator der frühbürgerlichen Revolution im Römisch-deutschen Reich des 16. Jahrhunderts gewürdigt.

Manchem Gast der Festveranstaltung in der Staatsoper mögen sonderbare Gefühle beschlichen haben, galt der Wittenberger Professor in der marxistisch-leninistischen Geschichtsschreibung doch bisher als übler "Fürstenknecht" und als einer, der die Aufständischen im Bauernkrieg von 1525 verraten hat und außerdem ein ausgewiesener Feind der Juden war. Ausgeblendet wurde auch, dass sich Luther "Wider die mörderischen Rotten der Bauern" gewandt und die Enthauptung ihres Anführers Thomas Müntzer als gerechte Strafe bewertet hat. Die DDR-Regierung kalkulierte ein, dass in manchen Staaten der Dritten Welt, zu denen sie gute Beziehungen pflegte oder anstrebte, protestantische Konfessionen gelten, weshalb dort die Einvernahme Luthers gut ankommen würde. Nicht zuletzt versuchte der hochverschuldete Arbeiter-und-Bauern-Staat, westliche Devisen durch Pilgerfahrten zur Wartburg sowie nach Eisenach und Wittenberg zu erwirtschaften. Letztenendes nutzten all die Feiern und die Gedenkmünzen zu "nationalen Jubiläen" (Dürer 1971, Cranach 1972, Schinkel 1981, Marx 1983, Thälmann 1986 usw.) nichts, um den Niedergang des zweiten deutschen Staates aufzuhalten. Sechs Jahre nach den pompösen Luther-Feiern war er am Ende, und Erich Honecker war mit seinen Politbürokraten im Orkus der Geschichte verschwunden.

Legenden um den Tintenfleck

Erwähnt sei, dass der Tintenfleck auf der Wartburg nicht echt ist, angeblich soll sich Luther durch beherzten Wurf teuflischer Versuchungen erwehrt haben. Von der Kirche mit einer Bannbulle zum Ketzer erklärt und exkommuniziert sowie von Kaiser Karl V. mit einer Reichsacht belegt und damit für vogelfrei erklärt, war der Mönch zu seinem eigenen Schutz im Mai 1521 auf Befehl des sächsischen Kurfürsten Friedrich den Weisen auf die Wartburg gebracht worden. Bei der Übersetzung des Neuen Testaments in die deutsche Sprache soll er vom Teufel belästigt und bedrängt worden sein. Um sich der Versuchungen des Antichristen zu erwehren, erzählt die Sage, habe er nach ihm mit einem Tintenfass geworfen, wobei ein Tintenfleck an der Wand entstand. Er wurde noch lange nach Luthers Tod gezeigt, doch nimmt man an, dass er immer wieder erneuert wurde. Die Stelle ist heute nicht mehr zu sehen, doch wird immer wieder nach ihr gefragt.

Was bei Luthers Thesen von 1517 zunächst gelehrtes Nachdenken über längst fällige Verbesserungen in der Kirche war, wurde schon bald ins Weltliche gewendet und richtete sich, ausgestattet mit Argumenten des Kirchenrebellen, gegen Fürstenwillkür und unmenschliche Lebensbedingungen, unter denen das einfache Volk zu leiden hatte. Luther erhielt zunächst eine Vorladung nach Rom, doch kam er ihr nicht nach, weil er Angst um sein Leben hatte. Papst Leo X., der auf deutsche Befindlichkeiten Rücksicht nehmen musste, genehmigte ein Verhör in im römisch-deutschen Reich. Bei dem Disput in Leipzig ließ sich Luther zu der geradezu revolutionären Äußerung hinreißen, auch Päpste und Konzilien könnten irren. Da er zum Widerruf nicht zu bewegen war und statt dessen seine Forderungen niederschrieb und mit Hilfe des neuen Mediums, des Buchdruckes, verbreiten ließ, war der Bruch mit Rom perfekt. Luther wurde nach Worms auf den Reichstag zitiert. Zum Widerruf aufgefordert, verteidigte er sich mutig vor dem erst einundzwanzigjährigen Kaiser Karl V. und den Fürsten des Reiches, berief sich auf Gott und wurde vom sächsischen Kurfürsten auf der Wartburg in Sicherheit gebracht.

13. Juli 2016

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