"Sie kleidet und ernährt"

Wie in Preußen Wissenschaft und Künste sowie die Seidenindustrie durch Prämienmedaillen gefördert wurden



Der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. ab 1701 König Friedrich I. in Preußen,
zeichnete mit dieser Medaille von Raimund Faltz Verdienste um die Pferdezucht aus.




Die von Raimund Faltz geschaffene Preismedaille der Akademie
der Wissenschaften zeigt Herkules im Garten der Hesperiden
mit einem Apfel, der den Göttern ewige Jugend verspricht.




Friedrich der Große auf einer Preismedaille für erfolgreiche Textilfabrikanten.
Die numismatische Rarität aus dem Jahr 1755 wurde von Nils Georgi geschaffen.








Die Medaillen zur Beförderung des Seidenanbaues sind mit Bildnissen Friedrichs II.
und Friedrich Wilhelms II. und wurden 1783 sowie 1793 von Abraham Abramson geschaffen. (Fotos: Caspar)

Die Prägung von Prämienmedaillen zur Erzielung wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und kultureller Leistungen hat eine dreihundertjährige Tradition. Wir kennen neben Schul- und Universitätsmedaillen auch Schießprämien und Schützenmedaillen, außerdem Spezialanfertigungen für erfolgreiche Fabrikanten sowie Gelehrte und Künstler, die, weil sie nicht zum Adel und Offizierskaste gehörten, mit Ordenssternen und -kreuzen nicht ausgezeichnet werden konnten, aber irgendwie auch geehrt angespornt werden sollten. Ziel war es, Fleiß und Kreativität der Betreffenden zu fördern, sie aus dem Kreis der Kollegen herauszuheben und sie an den Staat zu binden, dem sie die Medaillen verdanken.

Um nur in Preußen zu bleiben, sei auf verschiedene in Silber und Gold ausgeführte Auszeichnungen der vom Kurfürsten Friedrich III. 1696 und 1700 gegründeten Akademien der Künste und der Wissenschaften sowie der Universitäten in Frankfurt an der Oder und Hal-le hingewiesen. Versehen mit Bildnissen des Landesherren, der sich 1701 zum König in Preußen krönte, als Protektor der Künstler- und Gelehrtenvereinigungen sowie Hochschu-len zeigen die sehr seltenen, weil in geringer Stückzahl geprägten Medaillen sinnreiche Allegorien, die das Lob auf den Nutzen der Musen und die Freigebigkeit des Monarchen anstimmen. Da man es für nötig hielt, die Pferdezucht anzukurbeln, weil sie für die Landwirtschaft, das Verkehrswesen und das Militär wichtig war, ließ der Kurfürst eine entsprechende Medaille mit seinem Bildnis und einem prächtigen Gaul prägen, die gelegentlich im Münzhandel angeboten wird. Die von Raimund Faltz geschaffene Medaille lobt, dass überall Pferdezuchtanstalten eingerichtet worden sind. Dem inzwischen zum preußischen König avancierten Friedrich I. war 1706 die Installierung einer aus dem Jahrmarkt hervorgegangenen Messe in Berlin eine Medaille wert. Die Residenzstadt an der Spree sollte damit als attraktiver Handelsplatz bekannt gemacht werden. Das Silberstück kombiniert das Bildnis des Königs mit einer Henne mit ihren Küken.

Der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., der seit seiner Thronbesteigung anno 1713 vor allem mit der Beseitigung des von seinem Vater und Vorgänger dank luxuriöser Hofhaltung und Mißwirtschaft verursachten Lochs im Landeshaushalt zu tun hatte, wies seine Amtsleute und die städtischen Magistrate an, Stadtwälle, Friedhöfe, Plätze und weitere Orte mit Maulbeerbäumen zu bepflanzen, um darauf Seide "wachsen" zu lassen. Das begehrte Gespinst wird vom raupenförmigen Seidenspinner erzeugt, der sich nach gehörigem Verspeisen von Blättern in einem Kokon einpuppt. Dieses Gehäuse wird aus einem bis 3000 Meter langen Seidenfaden gebildet, den man nur noch abwickeln muß. Um mit gutem Beispiel voran zu gehen, ließ der sparsame und rational denkende Herrscher in Königs Wusterhausen, seiner Nebenresidenz bei Berlin, große Maulbeeralleen anlegen (siehe dazu Beitrag auf dieser Internetseite/Geschichte). Überliefert ist, dass der Soldatenkönig aus Frankreich nach Preußen geflüchtete Hugenotten, die sich auf die Seidenproduktion verstanden, im Berliner Tiergarten Parzellen für Maulbeerplantagen zuwies. Er riet seinen Untertanen, "umb Ihre Plantage Gräben aufwerffen und selbige oben auf mit Dornen und anderen Buschwerk bepflantzen und mit der Zeit eine lebendige, beständige Hecke zu gewinnen". Das würde die empfindlichen Bäume vor Beschädigung schützen und außerdem Holz für Zäune sparen. Ein Edikt von 1718 bedroht Dieben, Vandalen und anderen Übeltätern Festungshaft und Staupenschlag an, die sich an Maulbeer- und anderen fruchtbaren Bäumen vergreifen.

Erst unter Friedrich dem Großen, der 1740 den Thron bestieg und unverkennbar einen Hang zu feiner französischer Lebensart hatte, erlebte die Seidenindustrie einen bedeuten-den Höhenflug. Er war der größte Abnehmer dieser Luxusware, denn überall in seinen Schlössern waren die Wände und Möbel mit Seidenstoffen bedeckt. Der Monarch forderte die Bevölkerung auf, in großem Stil Maulbeerbäume anzupflanzen. Erfolgreiche Seidenwurm-Züchter erhielten Geldprämien, und außerdem wurden Medaillen geprägt, um Aktivitäten auf diesem Gebiet zu fördern. Manchmal war eine solche Auszeichnung mit dem Bild des Königs und einer schönen Allegorie prestigeträchtiger als ein Geldbetrag, versprach sie doch Aufwertung in einer Gesellschaft, wo eigentlich nur die adlige Herkunft etwas zählte.

Bereits im Jahr 1755 schuf der bei Hofe angesehene Stempelschneider Nils Georgi eine Medaille mit dem Bildnis des Königs, auf deren Rückseite Minerva, die Göttin der Weisheit, die einen Schleier von seidenen Stoffballen zieht. Die repräsentative Prägung, eine der großen numismatischen Raritäten aus der zeit des Alten Fritzen, war für erfolgreiche Fabri-kanten gedacht, weniger für Leute, die sich draußen im Lande mit Seidenraupenzucht abplagten. Für diese Kategorie stiftete 1783 der Etatminister Ewald Friedrich von Hertzberg eine in zwei Versionen geprägte Medaille mit dem repräsentativen Bildnis des als "Instaurator", also Wiederhersteller oder Beförderer, genannten Königs und einem Mädchen, das unter einem Maulbeerbaum sitzt und Seide spinnt. Für die von Abraham Abramson geschaffene Medaille wurde in der Zeitung mit diesen Worten geworben: "Da einige Personen den Seidenau nicht um des Gewinnstes willen, sondern aus Vergnügen oder Vater-landsliebe treiben, so hat Freiherr von Hertzberg für gut befunden, zur Ehre und zum Andenken des preußischen Seidenbaues eine Medaille von Silber, 1e Lot schwer [...] von dem geschickten Künstler Abramson [...] prägen zu lassen, um sie an obgedachte Seidenbauer zu verteilen". Neben der Jahreszahl in römischen Zahlenzeichen liest man die Angabe BR, was auf das Gut Britz im heutigen Berliner Bezirk Neukölln weist. Hier unterhielt Hertzberg ein Mustergut, bei dem auch Maulbeerplantagen und Seidenraupenzucht eine große Rolle spielten. Der Stifter der Prämienmedaille, der auch die Landesseidenbaukommission leitete, besaß in Britz über eintausend Maulbeerbäume, die 20 bis 30 Pfund "gute Seide" ergaben. In seinem Schloß ließ er die Wände mit Seidenstoffen aus eigener Produktion bespannen, und auch die feinen Kleider, die er und seine Familie trugen, stammten von dort.

Ungeachtet vielfältiger Fördermaßnahmen erfüllten sich die Hoffnungen Friedrichs des Großen nicht, sein Land durch Eigenproduktion ausreichend mit Seide zu versorgen und sie sogar zu exportieren. Frosteinbrüche ließen ganze Maulbeerplantagen sterben, die Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren der Seidenindustrie auch nicht gerade förderlich. Außerdem ließ allgemeines Desinteresse die königlichen Pläne scheitern. Bauern hatten keine Zeit für die aufwendige und arbeitsintensive Produktion, die "von oben" zur Wurmpflege verdonnerten Schulmeister erfanden diverse Ausreden, und auch die Gutsbesitzer widmeten sich, von löblichen Ausnahmen abgesehen, nur ungern der Aufgabe. Das Ziel, jährlich 40 000 Pfund Rohseide durch Abwickeln der Kokons zu gewinnen, wurde nicht erreicht. So kam die einheimische Seidenindustrie nach dem Tod Friedrichs II. langsam zum Erliegen. Wiederbelebungsversuche im 19. und 20. Jahrhundert führten zu nichts, weil man Rohseide auf dem Weltmarkt preiswerter bekam als durch eigenen Anbau.

Eine ebenfalls von Abraham Abramson geschaffene Preismedaille für den Seidenbau von 1793 zeigt außer dem Bildnis des als "Belohner des Fleißes" charakterisierten König Friedrich Wilhelms II. auf der Rückseite eine Frau, die ein Stück Seidenstoff in Händen hält. Neben ihr stehen zwei Körbe mit Seidensträhnen und Konkons. Die Umschrift "Sie kleidet den Reichen - sie naehret den Armen" zeigt, wer alles vom Seidenanbau partizipiert. Damit man weiß, worum es geht, ist auf der Rückseite unten "Dem preuss. Seidenbau" zu lesen.

Zu den bekanntesten Berliner Seidenfabrikanten gehörten Johann Ernst Gotzkowsky, dem auch die Gründung der 1763 von Friedrich dem Großen übernommenen Porzellanmanu-faktur zu verdanken ist, und Moses Mendelssohn, der als Schriftsteller und Philosoph berühmt wurde. Obwohl der Jude Mendelssohn durch seine Werke zum Ruhm Berlins und Preußens beigetragen und auch zum Aufschwung der Seidenindustrie beigetragen hat, verweigerte Friedrich der Große, in dessen Reich angeblich jeder nach seiner "Fasson" selig werden durfte, seine Zustimmung zur Wahl als Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Erst nach zweimaligem Antrag gewährte der König ihm den Status eines "außerordentlichen Schutzjuden".

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