Zerstört, aber nicht vernichtet
Nur knapp fünf Jahre existierte von 1933 bis 1938 in der Oranienburger Straße das Berliner Jüdische Museum



Das Jüdische Museum in dem Ziegelbau links neben der Neuen Synagoge an der Oranienburger Straße in Berlin bestand nur von Anfang 1933 bis zur Zerstörung im Novemberpogrom 1938.



Der Hetze durch die Nationalsozialisten zum Trotz entfaltete das Jüdische Museum eine reiche Ausstellungstätigkeit.



Vor dem Portal der Neuen Synagoge werden Geschichte und Schicksal der Berliner Synagogen dokumentiert.



In der Neuen Synagoge Centrum Judaicum sind Zeugnisse aus der wechselvollen Geschichte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und ihres 1866 eröffneten Gotteshauses an der Oranienburger Straße zu sehen.



Als Edelstein in der Berliner Kulturlandschaft wird das Jüdische Museum an der Lindenstraße im Bezirk Kreuzberg gelobt, eine Kombination von altem Kammergerichtsgebäude und dem wie ein Blitz gestalteten Neubau, der von Daniel Liebeskind entworfen wurde. (Fotos/Repro: Caspar)

Unmittelbar vor der Errichtung der NS-Diktatur, am 24. Januar 1933, nach langwierigen Vorbereitungen eröffnet, besaß die bereits im Ersten Weltkrieg von Moritz Stern aufgebaute und danach systematisch durch Vermächtnisse, Schenkungen und Ankäufe erweiterte Sammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin zahlreiche Kultgegenstände, Gemälde, Grafiken, Plastiken, Münzen und Medaillen sowie Dokumente aller Art. Während des Novemberpogroms 1938, als die Neue Synagoge dank des beherzten Eingreifens des Polizeioffiziers Wilhelm Krützfeld der Vernichtung entging, wurde das Museum geplündert. Was aus den Sammlungen geworden ist und ob Stücke auf dem internationalen Kunstmarkt verkauft wurden, wie bereits während des Zweiten Weltkriegs behauptet wurde, ist angesichts fehlender Unterlagen nicht zu klären.

Mit dem Überfall und der Plünderung erlitt die Sammlung ein jähes Ende, wie Hermann Simon, der Direktor der Stiftung "Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum" in einem Buch über das Museum schreibt. 1979 war der Verfasser in der Berliner Stadtbibliothek auf ein unvollständiges Exemplar des zur Eröffnung der Sammlung erschienenen "Führers durch das Jüdische Museum" gestoßen, worauf er systematisch alle erreichbaren Nachrichten über dieses sammelte und 1983 erste Ergebnisse in einen Aufsatz zusammenfasste. Das Thema fand auch im Westteil Berlins Interesse, und so kam es, dass nach Überwindung bürokratischer Hürden auf beiden Seiten der geteilten Stadt ein Historiker aus Ostberlin die Festschrift für eine Veranstaltung in Westberlin schrieb, damals einer jener seltenen Fälle, dass es noch vor der Öffnung der Mauer auf "fachlicher Ebene" wie etwa im Museumswesen oder der Denkmalpflege zu deutsch-deutscher Zusammenarbeit kam.

Die Stiftung des Juweliers Albert Wolf

Als Buch erschienen Simons Untersuchungen 1988 im Union Verlag, doch damit hatte es der Verfasser, bis zu seiner Berufung in die Stiftung "Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum" wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berliner Münzkabinett, nicht bewenden lassen, sondern weiter geforscht, so dass er später weiteres Material über das Schicksal des ersten Jüdischen Museums und einzelner seiner Sammlungsteile veröffentlichen konnte. Die Bestände gehen auf eine von dem Dresdner Juwelier Albert Wolf (1841-1907) der Jüdischen Gemeinde Berlin testamentarisch vermachte Kunstsammlung zurück. Dass Zeugnisse jüdischer Kultur und Kunst systematisch gesammelt wurden, ist eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts, an dessen Ende in verschiedenen Städten des In- und Auslands schon erste Ausstellungen veranstaltet wurden. Bei all diesen Aktivitäten spielte stets die Frage eine Rolle, was unter jüdischer Kunst zu verstehen sei. Die Anfangsjahre der unter dem Namen "Wolf'sche Stiftung" firmierenden Kunstsammlung der Jüdischen Gemeinde waren nicht gerade glänzend, denn die Zeiten waren es auch nicht.

Raumnot und Geldmangel behinderten längere Zeit ein Erblühen der Sammlung, doch haben die Verantwortlichen sich davon nicht entmutigen lassen und gingen gegen "herrschende Interessenlosigkeit" an, wie Simon schreibt. Die Gründerväter des Jüdischen Museums waren überzeugt, dass die Sammlung für den Zusammenhalt "unserer eigenen Menschen" von unschätzbarem Wert ist. "Es müßte aber gleichzeitig die Einstellung der Nichtjuden zu Juden und Judentum ganz wesentlich beeinflussen können, da ja die mangelnde Kenntnis jüdischen Lebens eines der stärksten Motive der antijüdischen Haltung immer war und noch ist", heißt es in einem Aufsatz von 1928 über die Notwendigkeit, den Untergang alter jüdischer Kulturgüter aufzuhalten.

Nach der Errichtung der NS-Diktatur existierte das Jüdische Museum zwar weiter und war im Berliner Kulturleben durch Ausstellungen und andere Aktivitäten präsent, wie zeitgenössische Berichte und auch Zahlen über Besucher belegen. Doch waren seine Entfaltungsmöglichkeiten und seine kulturelle Ausstrahlung angesichts der nationalsozialistischen Rassengesetze stark eingeschränkt. Hinzu kam, dass politisch missliebige Künstler als entartet und jüdisch eingestuft wurden, was dazu führte, dass sie sich hilfesuchend auch an das Museum wandten. Allerdings grenzte sich die Museumsleitung von "Strebern und Nichtskönnern" ab, die unter Berufung auf ihre Zugehörigkeit zur Jüdischen Gemeinschaft Berücksichtigung verlangten, die sie niemals früher zu beanspruchen gewagt hätten. Soziale Künstlerfürsorge und sinnvolle Kunstpflege seien zwei grundverschiedene Angelegenheiten, sobald man sie verwechselt oder durcheinander mengt, werde Unfug gestiftet, schrieb der Kunstkritiker Max Osborn, einer der Mitbegründer des Museums, im Jahr 1935.

Suche nach verlorenen Kulturgütern

Die zwangsweise Schließung des Museums und die Zerstörung seiner Bestände drei Jahre später war nicht sein unwiderrufliches Ende, vielmehr wurden die von ihm ausgehenden Impulse in der heutigen Stiftung Centrum Judaicum und vom Jüdischen Museum im Berliner Libeskindbau aufgegriffen und weitergeführt. Ob Stücke, die als verloren gelten, irgendwann wieder auftauchen, wird sich zeigen. Das Buch nennt Beispiele für solche Überraschungen, und vielleicht hilft es, obwohl schon vor einigen Jahren erschienen, zusammen mit weiteren Publikationen, dass das eine oder andere Kunstwerk oder Kulturgut als in die Oranienburger Straße gehörig zu identifiziert wird und sogar an den angestammten Ort zurück kehrt. Auch andere Sammlungen hatten in den vergangenen bereits dieses Glück.

Die Erinnerung an das 1938 zerstörte Jüdische Museum neben der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße ist präsent, wenn man die dort ausgestellten Kunstwerke sowie Bilder, Skulpturen, Bücher, Dokumente und anderen Hinterlassenschaften aus der langen Geschichte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin betrachtet. Doch ist das 1866 eingeweihte Gotteshaus nicht der einzige Ort in Berlin, an dem die wechselvolle Geschichte der Juden in Deutschland dokumentiert wird. Das ist auch und noch viel umfassender im Jüdischen Museum an der Lindenstraße in Berlin-Kreuzberg möglich. Der von Daniel Liebeskind entworfene Neubau mit der silberglänzenden Außenhaut ist unterirdisch mit dem ehemaligen Kammergerichsgebäude verbunden und wird seit der Eröffnung im September 2001 als "Edelstein in der Berliner Kulturlandschaft" gefeiert, als ein Haus, in dem der Blick zurück geht, das aber auch ein Ort der fröhlichen Begegnung sein will. Das Jüdische Museum hat sich mit seiner Dauerausstellung und den vielen Sonderschauen zu einem polyglotten Treffpunkt und internationalen Begegnungszentrum in der Hauptstadt entwickelt, das eng mit der Neuen Synagoge Centrum Judaicum, dem Haus der Wannseekonferenz, der Topographie des Terrors sowie mit der Stiftung Stadtmuseum, dem Deutschen Historischen Museum und anderen Sammlungen und Forschungseinrichtungen zusammenarbeitet.

23. Mai 2017

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