Bekenner des neuen Glaubens

Stiftung Stadtmuseum Berlin berichtet in der Nikolaikirche, wie Luthers Lehre in Kurbrandenburg eingeführt wurde



Vor der Spandauer Nikolaikirche steht seit 1889 ein Bronzedenkmal Joachims II. Hektor. Dargestellt ist der Kurfürst stehend mit Schwert und Kreuz, während die bronzenen Sockelreliefs Szenen aus seinem Leben schildern.



Joachim II. empfängt 1539 das Abendmahl in beiderlei Gestalt an. Relief vom Spandauer Denkmalsockel. Fotos: Caspar



Die 1540 in Berlin gedruckte Kirchenordnung legte fest, wie die Luthersche Lehre zu handhaben ist.



Eine Gedenktafel an der Außenmauer der Berliner Nikolaikirche würdigt den Pastor Paul Gerhardt und den Kantor Johann Crüger, denen wir auch heute vielfach gesungene Kirchenlieder zu verdanken haben. (Fotos/Repro: Caspar)

Von dem am 13. Januar 1505 in Berlin geborenen brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. Hektor wüsste man kaum noch etwas, hätte er sich nicht in die Geschichte als derjenige eingeschrieben, der das Luthersche Glaubensbekenntnis in seinem Herrschaftsbereich eingeführt hat. Nach dem berühmten Thesenanschlag von Martin Luther anno 1517 und der damit eingeleiteten Bewegung zur Erneuerung der katholischen Kirche ließ er sich damit Zeit. Denn erst 1539 bekannte sich Joachim II. durch Annahme des Abendmahls in beiderlei Gestalt zu dem, was im benachbarten Kursachsen und anderen Fürstentümern vor allem in Nord- und Mitteldeutschland sowie in Nordeuropa bereits vollzogen war. Ein von Erdmann Encke geschaffenes und 1889, zum 350. Jahrestag der Einführung der Reformation in Brandenburg, vor der Spandauer Nikolaikirche enthülltes Denkmal erinnert an den Herrscher, dessen Beinamen Hektor an einen Helden des trojanischen Krieges und an eigene Verdienste im Kampf gegen die Osmanen erinnert.

Die Stiftung Stadtmuseum erinnert in der Nikolaikirche mit einer neuen Ausstellung an das fünfhundertjährige Reformationsjubiläum und schildert, wie Joachim II., der 1535 den brandenburgischen Thron bestieg, manche katholischen Traditionen und Bräuche beibehielt. Der Vater dieses Kurfürsten, Joachim I. Nestor, stand den von Martin Luther und seinem Thesenanschlag von 1517 ausgehenden reformatorischen Bestrebungen schroff ablehnend gegenüber und lag deswegen mit seiner Gemahlin Elisabeth so sehr im Streit, dass sie zu ihrer Verwandtschaft ins protestantische Sachsen floh. In seinem Testament verpflichtete Joachim I. seinen Sohn und Nachfolger, treu am katholischen Glauben festzuhalten. Doch hat sich dieser eines anderen besonnen.

Mit dem Übertritt zum Lutheranertum und dem Erlass einer neuen Kirchenordnung wurde Joachim II. oberster Bischof des Landes. Mehr durch seine Familie gedrängt und einer starken Bewegung von unten nachgebend, vollzog er die Abkehr von der katholischen Kirche. Die Maßnahme hatte für ihn als Landesherren willkommene Wirkungen, denn er gewann nicht nur Sympathien im Volk, sondern konnte auch seine Finanzen sanieren. Wegen luxuriöser Hofhaltung stets klamm, schlug Joachim II. das Vermögen der nun aufgehobenen Klöster der eigenen Schatulle zu. Kostbares Kirchengerät aus Gold und Silber wanderte in die kurfürstliche Schatzkammer und in den Schmelztiegel, und auch klösterlicher Grundbesitz vermehrte die kurfürstlichen Ländereien. Außerdem verbesserte Joachim II. seine Position in Bezug auf Anwartschaften für das Erzbistum Magdeburg und das ferne Herzogtum Preußen, nach dem ab 1701 das Königreich der Hohenzollern benannt wurde.

Spandau erinnert sich freundlich des Kurfürsten, denn die vor den Toren Berlins gelegene und bis 1920 selbstständige Stadt wurde von Joachim II. und seinen Nachfolgern unter Verwendung von Resten einer mittelalterlichen Burg zu einer starken Festung ausgebaut. Ratgeber und Architekten waren Italiener, die die Spandauer Zitadelle zu einem uneinnehmbaren Bollwerk gegen belagernde Feinde, aber auch als Schatzhaus und gefürchtetes Staatsgefängnis ausbauten. Als Planer und Baumeister tat sich der italienische Graf Rochus von Lynar besonders hervor.

Als Joachim II. 1571 starb, hinterließ er einen großen Schuldenberg. Um ihn abzubauen und wieder "flüssig" zu werden, erlegte der der Alchemie und Goldmacherei verfallene Nachfolger Kurfürst Johann Georg den Juden im Lande unbezahlbare Steuern auf. Außerdem ließ er gegen führende Beamte Untersuchungen wegen des Vorwurfs der Korruption anstellen. Gegen alles Recht wurde ein Prozess gegen den jüdischen Münzmeister Lippold, einen Vertrauten seines Vaters, wegen Hexerei und Diebstahl, geführt. Als Lippold 1573 auf dem Neuen Markt im Schatten der Berliner Marienkirche auf grausame Weise unter schrecklichen Umständen hingerichtet wurde, nutzte Johann Georg den von ihm geschürten Antisemitismus, um von den wahren Ursachen der Verarmung im Lande abzulenken und sich als Retter aus der Not aufzuspielen.

Die eingangs erwähnte Ausstellung schildert unter dem Titel "Sankt Luther" die geschichtliche Rolle des Reformators zwischen Inszenierung und Marketing und enthält auch manche Merkwürdigkeiten der Lutherverehrung in Vergangenheit und Gegenwart einschließlich seines Missbrauchs durch autoritäre Regimes. Besucher können in der Nikolaikirche im gleichnamigen Viertel in Berlin-Mitte Spuren der frühen Stadtgeschichte und der Baugeschichte dieses heute als Museum genutzten Gotteshauses kennenlernen. Weitere Themen sind bekannte, von Paul Gerhardt und anderen geschaffene Kirchenlieder, die von St. Nikolai hinaus in die Welt gingen, aber auch sakrale Kunstwerke und liturgische Geräte, kostbar ausgestattete Grüfte sowie der Münz- und Medaillenschatz, der zwischen 1514 und 1734 von Vertretern der Berliner Oberschicht zur Niederlegung im Turmknauf der Nikolaikirche gestiftet wurde.

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