"Gegen das Vergessen - Für Demokratie"
Ein Museum in Berlin zur Erinnerung an Menschen, die ins Exil vertrieben wurden, ist überfällig, jetzt muss ein geeigneter Ort gefunden werden



Der Stein "Rahmen ohne Bilder" an der Hobrechtsfelder Chaussee im Berliner Ortsteil Buch erinnert daran, dass die Nationalsozialisten unzählige Künstler als "entartet" diffamiert und viele von ihnen ins Exil vertrieben haben.



Bertold Brecht gehörte zu den prominenten Schriftstellern, die 1933 das Deutsche Reich verließen, denn die Nazis hatten ihn auf ihre Fahndungsliste gesetzt. Das Bronzedenkmal von Fritz Cremer steht in der Nähe des Berliner Ensembles.



Die von Heinrich Vogeler gezeichnete Muse mit dem Hakenkreuz küsst einen von Hitlers Hofkünstlern, daraus kann nichts Gutes entstehen. Vogeler weilte seit 1931 in der Sowjetunion und kehrte nicht mehr in seine Heimat zurück. Nach dem deutschen Überfall von den sowjetischen Behörden interniert und zur Zwangsarbeit herangezogen, starb er 1942 in Kasachstan.



Vergeblich versuchte Propagandaminister Joseph Goebbels, die in Hollywood tätige Filmschauspielerin Marlene Dietrich ins Deutsche Reich zurückzuholen. Ihrer wird mit einem Stern auf dem Boulevard der Stars in der Potsdamer Straße gegenüber dem Filmmuseum gedacht.



Die von Heinrich Drake geschaffene Büste des Physiknobelpreisträgers Albert Einstein an der Straße der Erinnerung im Berliner Ortsteil Moabit ehrt Albert Einstein, der 1933 nach einer Auslandsreise nicht mehr nach Deutschland zurückkehrte.



Der Betonkubus neben dem Friedrichstadtpalast und eine Stele dahinter ehrt die Theaterleute Max Reinhardt und Erich Charell sowie den Architekten Hans Poelzig und andere Berliner Künstler, die nach 1933 aus rassistischen und politischen Gründen ihre Heimat verlassen mussten. (Fotos/Repro: Caspar)

Am 10. Mai 1933 veranstalteten die Nationalsozialisten unter dem Motto "Wider den undeutschen Geist" auf dem Berliner Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz, eine von Propagandaminister Goebbels vorbereitete Bücherverbrennung. Johlende Horden in braunen Hemden, zumeist Studenten, warfen Schriften von Heinrich Heine und Heinrich Mann, Karl Marx, Karl Kautsky und Erich Kästner, Magnus Hirschfeld und Sigmund Freud, Erich Maria Remarque, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky, Emil Ludwig und vielen anderen in die Flammen und riefen dabei Hetzparolen "gegen Klassenkampf und Materialismus, Dekadenz und moralischen Verfall, Gesinnungslumperei und Verrat, seelenzerfasernde Überschätzung des menschlichen Trieblebens, Verfälschung der Geschichte und Verhunzung der deutschen Sprache".

Die theatralisch inszenierte und auch im Rundfunk übertragene Bücherverbrennung war der Auftakt für die "Säuberung" der deutschen Verlage und Bibliotheken von angeblich undeutschem Schrifttum und die Ausgrenzung politisch missliebiger Autoren beziehungsweise von solchen jüdischen Glaubens. Nur vier Jahre später wurden auch die Museen im Hitlerreich von so genannter entarteter Kunst gesäubert. Vorangegangen war die durch wüste Schmähreden von Hitler, Goebbels und anderen Feinden der Moderne begleitete Entlassung und Ausgrenzung von Künstlern, die aus politischen und ideologischen Gründen, weil sie Juden waren oder weil ihre Werke nicht dem völkischen Geschmack der Nationalsozialisten entsprachen. Auch die damalige Kunstkritik bereitete mit diffamierenden Beiträgen in der Presse und im Rundfunk den Boden dafür vor, dass zehntausende Bilder, Grafiken und Skulpturen aus den Museen entfernt und dem allgemeinen Spott preisgegeben wurden.

Wer konnte, verließ noch 1933 das Deutsche Reich. Manche Exilanten schafften in Frankreich, den Niederlanden, in England und den USA einen Neustart und wurden durch ihre Romane, Bilder, Skulpturen, Filme und Kompositionen weltbekannt. Im Reich des Adolf Hitler waren die Geflohenen Unpersonen, ihre Namen wurden aus den Annalen der deutschen Kunst- und Literaturgeschichte gestrichen, in den von Propagandaminister Joseph Goebbels beherrschten Medien kamen sie nicht mehr vor, und wenn sie doch erwähnt wurden, hat man sie mit Dreck beworfen.

Über 70 Jahre nach dem Ende der Hitlerdiktatur wird in Berlin von der Gründung eines Museums gesprochen, in dem die nach 1933 geflohenen Künstler und Politiker gewürdigt werden sollen. Nachdem zunächst das Käthe-Kollwitz-Museum in der Charlottenburger Fasanenstraße als Ort einer noch aufzubauenden Dokumentation sowie einer Ausstellung vorgesehen war, was die Vertreibung der weltbekannten Sammlung an einen unpassenden Ort etwa in Neukölln zur Folge gehabt hätte (siehe Eintrag auf dieser Internetseite/Ausstellungen und Museen vom 23. April 2017), wird jetzt nach einem Gebäude für das Exilmuseum gesucht. Kulturstaatsministerin Monika Grütters begrüßt die Überlegungen zu einem Ort des Exils in Berlin.

Das Thema steht laut Grütters seit Langem auch auf der Agenda der Bundesregierung, Deutschlands Geschichte sei "gezeichnet von Künstlerinnen und Künstlern, die fliehen und im Exil leben mussten". Umgekehrt habe unser Land vielen in ihrer Heimat unterdrückten und verfolgten Vordenkern Deutschland Schutz und Hilfe gewährt, angefangen von Hugenotten im ausgehenden 17. Jahrhundert bis zu Russen, die nach der Revolution von 1917 vor den Bolschewiki flohen und vor allem in Berlin eine neue Heimat fanden. "Diesen Menschen, ihren Erfahrungen und dem Thema Exil in seiner ganzen Dimension einen sichtbaren Ort zum Gedenken zu geben, ist überfällig." Grütters verweist auf die gegenwärtige weltpolitische Situation, die "mehr denn je Künstlerinnen und Künstler aus ihrer Heimat fortdrängt. Ihnen und ihren Schicksalen eine Anlaufstation zu bieten, ist Kern unseres Anliegens." Grütters zufolge sollte das Haus des Exils "nicht in erster Linie ein Museum" sein, vielmehr müsse es ein Ort der Begegnung werden.

Laut Grütters hat der Bund bereits mehrere Initiativen zur Sichtbarmachung des Themas angeschoben, so das virtuelle Museum "Künste im Exil" bei der Deutschen Nationalbibliothek, für das aus dem Kulturetat 745 000 Euro bereitgestellt worden waren. Dort sei auch ein Netzwerk zum Exil-Thema angesiedelt, mit über 30 Institutionen. Außerdem habe der Bund das Thomas-Mann-Haus in Los Angeles erworben und es würde mittels Stipendien das Wirken von Exilkünstlern erforscht. Ferner finanziere der Bund das "Writers in Exile"-Programm des PEN. "Ein Haus des Exils in Berlin kann einen weiteren wichtigen Impuls für die Vermittlung all dieser unterschiedlichen Exilerfahrungen geben", so Grütters.

Der Verein "Gegen Vergessen - Für Demokratie" und mit ihr die aus Rumänien stammende Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller haben die Kulturstaatsministerin aufgefordert, sich der Idee eines Exilmuseums in Berlin anzunehmen und dies nicht allein einer privaten Initiative zu überlassen. Es gehe um hunderttausende Deutsche, die von der Nazi-Diktatur vertrieben wurden und ihre Arbeit, vielfach auch ihre Freiheit und ihr Leben verloren haben. Das Thema sei bisher eine Leerstelle in der deutschen Erinnerungs- und Museumslandschaft, so Müller. Das Land Berlin unterstützt die von ihr angestoßene Initiative. Kultursenator Klaus Lederer sagte im zuständigen Ausschuss des Abgeordnetenhauses: "Wir begrüßen und unterstützen die Initiative. Wir müssen nur zusehen, einen angemessenen Ort zu finden." An Flucht und Vertreibung soll in Berlin künftig auch im Deutschlandhaus an der Stresemannstraße im Berliner Bezirk Kreuzberg erinnert werden. Die Bundesstiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" lässt es derzeit umbauen, um dort Ausstellungen zeigen und Veranstaltungen abhalten zu können. Im Mittelpunkt sollen die Millionen Menschen stehen, die durch den Zweiten Weltkrieg und die Nazi-Politik zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen.

27. April 2017

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