Schnapsidee abgewendet?
Das Käthe-Kollwitz-Museum darf nicht aus der Fasanenstraße 24 im Berliner Ortsteil Charlottenburg vertrieben werden



Immer wieder hat Käthe Kollwitz die ihre Kinder beschützende Mutter mit Zeichnungen und Skulpturen dargestellt.



"Nie wieder Krieg" war ein Lebensmotto der engagierten Künstlerin und Pazifistin. Das Plakat wurde zum Internationalen Jugendtag 1924 in Leipzig gestaltet.



Das 1958 von Gustav Seitz geschaffene Kollwitz-Denkmal steht auf dem gleichnamigen Platz im Bezirk Prenzlauer Berg, in der Nähe lebte die Familie Kollwitz. Deren Haus wurde 1943 bei einem Luftangriff zerstört.



Die Pieta im Innenraum der als Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft genutzten Neuen Wache Unter den Linden in Berlin ist eine vergrößerte Fassung einer Skulptur von der Hand der Grafikerin und Bildhauerein Käthe Kollwitz. (Fotos/Repros: Caspar)



Im Vorgarten macht eine Mutter mit ihren beiden Kindern auf die Schätze aufmerksam, die im Käthe-Kollwitz-Museum zusammengetragen wurden.



Das Käthe-Kollwitz-Museum in der aus der Kaiserzeit stammenden Fasanenstraße lädt täglich von 11 bis 18 Uhr zum Besuch ein. (Fotos/Repros: Caspar)

Berlin leistet sich einen Kulturskandal nach dem anderen. Der teure Umbau der Staatsoper Unter den Linden will und will kein Ende nehmen. Die als Eingangsgebäude für die Museumsinsel gedachte James-Simon-Galerie überschreitet ebenfalls erheblich die Kosten. Es verdeckt, wie Kritiker schon in der Planungsphase vorausgesagt haben, die Front des Neuen Museums zum Kupfergraben und raubt ihm viel von seinem Glanz. Die für reiche Mieter und Käufer gedachte Neubauten rund um Schinkels Friedrichswerdersche Kirche fügen dieser solch gefährliche Risse und Setzungen zu, dass das so erfolgreiche Museum der Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts geschlossen werden musste und die Marmorskulpturen von Schadow, Rauch und anderen Bildhauern, von einigen Ausnahmen abgesehen in der Versenkung verschwunden sind. Ein Skandal ist auch, dass es zwei Jahrzehnte gedauert hat, bis der Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie in Gang kommt.

Irgendwann aber wird es damit losgehen, dann hat Berlin ein respektables Architekturmuseum, in dem die über die ganze Stadt verteilten Bilder, Pläne und Modelle aus der wechselvollen Baugeschichte Berlins, Preußens und Deutschlands in angemessener Art und zum Nutzen heutiger und künftiger Bauleute gezeigt werden können. Dass es seit Jahren Streit um die Gestalt des Einheitsdenkmals auf dem Gelände des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals gegenüber dem Humboldt Forum gibt und sich konkret nichts bewegt, ist auch kein Ruhmesblatt für die deutsche Hauptstadt.

Von den Nazis als "entartet" verfemt

Unlängst wurden Pläne bekannt, das malerisch in einem Garten gelegene und privat geführte Käthe-Kollwitz-Museum aus der Fasanenstraße 24 entfernt, an eine wenig komfortable Adresse im Bezirk Neukölln zu verlegen und in den frei gezogenen Räumen ein Museum einzurichten, das den von den Nationalsozialisten ins Exil vertriebenen Schriftstellern, Schauspielern, bildenden Künstlern und anderen Personen ein Denkmal setzt. Schon lange stand die Forderung im Raum, dieses bisher vernachlässigte, nur in der historischen Fachliteratur und nur selten in Ausstellungen dokumentierte Thema in einem eigenen Museum der breiten Öffentlichkeit vorzustellen. So gut das Projekt unter dem Moto "Gegen Vergessen - Für Demokratie" ist, so schlecht ist die Idee, es auf Käthe Kollwitz' Kosten zu realisieren.

Das 1986 gegründete Käthe-Kollwitz-Museum Berlin widmet sich dem Lebenswerk der weltbekannten Künstlerin, die gegen Krieg und soziale Ungerechtigkeit einzigartige Kunstwerke schuf und von den Nazis als "Entartete" verfemt wurde. Auf vier Etagen werden zahlreiche ihrer Zeichnungen, Grafiken und Skulpturen zu uns. In dem Museum wird zugleich an den Sammler und Museumsgründer Hans Pels-Leusden erinnert, der mit seiner Kollwitz-Sammlung den Grundstock für das Museum legte. Träger ist der Verein Käthe-Kollwitz-Museum Berlin und grafische Sammlung Hans Pels-Leusden e.V. Das Museum wird in seiner Arbeit durch den Freundeskreis unterstützt und anteilig öffentlich gefördert.

Es hing wohl mit der Spaltung der Stadt und der Ideologie des Kalten Krieges zusammen, dass Berlin erst spät ein Käthe Kollwitz Museum erhielt. Im Ostteil der Stadt haben die Akademie der Künste, das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen und das Otto-Nagel-Haus wechselnde Ausstellungen zur Kunst von Käthe Kollwitz veranstaltet. Hingegen setzte man sich in Westberlin lange vergeblich für ein ihr gewidmetes Museum ein, obwohl die Familie Kollwitz das Vorhaben nachdrücklich unterstützte. Erst Mitte der 1980er Jahre wurden im Westteil Berlin und in Köln zwei Kollwitz-Museen in Deutschland gegründet. Neben der Gedenkstätte in Moritzburg bei Dresden, wo die Künstlerin kurz vor Kriegsende am 22. April 1945 starb, erinnern nun drei ständige Ausstellungen an sie.

Das Käthe-Kollwitz-Museum Berlin wurde in der City West am 31. Mai 1986 in der Fasanenstraße eröffnet. Eine Bürgerinitiative hatte zuvor den Abriss dieses 1871 errichteten ältesten Gebäudes in der Fasanenstraße und des benachbarten Wintergarten-Ensembles verhindert, die einer Autostraße weichen sollten. Mit privatem Engagement entstanden hier das Literaturhaus, das Käthe-Kollwitz-Museum und das Auktionshaus Villa Grisebach. Der Maler und Kunsthändler Hans Pels-Leusden stiftete seine Sammlung von Zeichnungen und Druckgrafiken von Käthe Kollwitz und einen Teil seines Vermögens dem Berliner Käthe-Kollwitz-Museum Berlin, das sich mit der Zeit einen festen, einen guten Platz in der Berliner Museumslandschaft eroberte.

Hoffnung auf bessere Einsicht

Sollten die nur als Schnapsidee zu bezeichnenden Pläne für die Einrichtung des Exilmuseums im Haus des Kollwitz-Museums Wirklichkeit werden, dann läge ein dunkler Schatten über diesem - die Vertreibung der Kollwitz zugunsten eines Museums der Vertriebenen. Das kann nicht sein, schrieb Arne A. Kollwitz, ein Enkel der Käthe und Karl Kollwitz, am 22. April 2014 in einem Leserbrief an die Berliner Zeitung. Er begrüßt ein Umdenken bei Kulturpolitikern, die offenbar von dem Plan, die Künstlerin und ihr Werk in zwei Etagen einer Neuköllner Mehrzuweckimmobilie zu vertreiben, abgerückt sind und nun nach einem geeigneten Ort für das zu gründende Exilmuseum Ausschau halten. Neukölln sei ein Bezirk, zu dem beide Künstler - Käthe Kollwitz und der Sammler Hans Pels-Leusden - nicht die geringste Beziehung hatten. "Durch die dort zu erwartenden schwindenden Besucherzahlen bei gleichzeitiger Erhöhung der Mietkosten wäre eine Weiterexistenz dieses privaten Museums in wenigen Jahren infrage gestellt. In der Fasanenstraße wäre es möglich, finanziell über die Runden zu kommen."

Bleibt zu hoffen, dass sich Berlin nicht schon wieder einen neuen Kulturskandal leistet und sich für das allgemein begrüßte Exilmuseum eine andere, kluge Lösung findet. Erstaunlich ist es, dass es so lange gedauert hat, bis man überhaupt auf die Idee gekommen ist, ein solches zu gründen. Beide Museen - Kollwitz und Exil - angemessen zu präsentieren und zu unterhalten, ohne dass es Verlierer gibt, wäre in der Tat wunderbar.

Zum 150. Geburstag der Künstlerin am 8. Juli 2017 bereitet das Museum die Sonderausstellung "Käthe Kollwitz und ihre Freunde" vor. Mit einer weiteren, vom 12. November 2017 bis 18. Februar 2018 laufenden Ausstellung wird der 1930 geborene Bildhauer Wieland Förster gewürdigt.

23. April 2017

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