Ketten gesprengt und neue Wege beschritten
Ausstellungen im Schloss Köpenick über die Hohenzollern und ihre Kirchenpolitik zwischen 1517 und 1740 und im Martin-Gropiusbau über die Wirkungen der Reformation in der Welt



Das Barockschloss Köpenick diente als Hohenzollernresidenz, war Lehreseminar, Gefängnis und ist heute eines von zwei Häusern des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz.



In die Ausstellung einbezogen ist auch die üppig dekorierte Schlosskirche gegenüber dem Kunstgewerbemuseum.



Ausgelegt ist ein Heiltumsbuch von 1520, in dem Kardinal Albrecht von Brandenburg die Pracht seiner geradezu manisch gesammelten goldenen und silbernen Reliquiare der erstaunten Welt präsentierte.



Christus vertreibt die Wechsler aus dem Tempel, rechts verkaufen der Papst und die Bischöfe im Tempel die gottlosen Ablassbriefe. Die Holzschnitte wurden 1525 von Lucas Cranach dem Älteren geschaffen.



Der aus Wien nach Berlin entliehene Faltenrockharnisch dürfte seinem adligen Träger bestimmt mehr Verdruss und Beschwernis als Freude bereitet haben.





Mit der Medaille von 1655 feierte der prägefreudige Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg die Geburt seines Sohns Karl Emil, der bereits 1674 starb. Dessen Bruder Friedrich krönte sich 1701 zum König "in" Preußen.



Der Abendmalkelch und Brotteller für die Köpenicker Schlosskirche aus dem Jahr 1685 sind Arbeiten des Berliner Silber- und Goldschmieds Daniel Männlich. (Fotos: Caspar)

Die aus Franken stammenden, vor 600 Jahren vom König und späteren Kaiser Sigismund mit dem Kurfürstentum Brandenburg "begnadeten" Hohenzollern zählten zu den mächtigsten Reichsfürsten der frühen Neuzeit. Wie sie nach 1517 auf die reformatorischen Forderungen von Martin Luther, Huldrych Zwingli und Johannes Calvin reagierten, wie sie sich in den Glaubens- und weiteren Kriegen des 16. und 17. Jahrhunderts behaupteten, welche Fremden sie ins Land ließen und welche nicht und wie sich ihre Abkehr von der katholischen Kirche auf ihre Untertanen in Brandenburg, Franken und im fernen Herzogtum Preußen auswirkte und was sie ihr entgegen setzten, ist Thema der bis zum 9. Juli 2017 im Kunstgewerbemuseum Schloss Köpenick laufenden Ausstellung "Kreuzwege. Die Hohenzollern und die Konfessionen, 1517 - 1740". Anhand von Gemälden, Grafiken, Drucken und anderen Objekten geht die Ausstellung im Erdgeschoss des Ende des 17. Jahrhunderts erbauten Barockpalastes der Frage nach, welche Rolle die Konfessionen für die Hohenzollern als eine der großen europäischen Dynastien im Zeitalter zwischen Reformation und Aufklärung spielten.

Ausgelegt sind einzigartige geschriebene Urkunden sowie illustrierte gedruckte Bücher, aber auch Flugschriften und Pamphlete aus den Beständen des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, die für die Ausstellung verantwortlich zeichnet, sowie aus der Berliner Staatsbibliothek und weiteren Leihgebern. Gezeigt werden überdies kostbare Zeugnisse der Goldschmiedekunst sowie geistliche Gewänder. Am Beginn der Schau ist Martin Luthers berühmter Thesendruck von 1517 wider das Gebrechen der Papstkirche und das auch in Sachsen und Brandenburg grassierende Ablassunwesen im Verbund mit deftigen Spottbildern zu sehen. Zu Wort kommen überdies die Mächtigen der damaligen Welt für und gegen die Reformation und natürlich ihr Bemühen, die Verbreitung der Lutherschen Gedanken und Forderungen entweder zu unterbinden oder durch Privilegien zu fördern. Die Weisung im Wormser Edikt von Kaiser Karl V. aus dem Jahr 1521 "Darzu sollet jr des Luthers vergifft Schrifften unnd Bucher mit dem Fuer verbrennen, vernichten und vertilgen" wurde nur unwillig bis überhaupt nicht befolgt wurde, zeigen die vielen von Martin Luther und seinen Mitstreitern verfassten Schriften einschließlich dicker Bibeln und Traktate.

Berlin, Königsberg und Franken

Die Ausstellung erzählt von den wechselvollen Beziehungen der in Berlin, Königsberg und in Franken residierenden Hohenzollern zur Reformation und ihren führenden Köpfen, aber auch, welchen Nutzen die bei deren Einführung verfügte Aufhebung der Klöster und Enteignung kostbarer Kirchengeräte sowie von kirchlichen Gebäuden und Grundbesitz hatten. Die europaweit agierenden Hohenzollern waren am Kaiserhof in Wien und Prag präsent und durch Heirat mit vielen anderen Fürstenfamilien verwandt. Im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts gelangten sie an die Spitze der protestantischen Territorien des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation. Das war die Zeit, in der die Reformation in den verschiedenen Hohenzollern-Territorien obsiegte, Kurfürst Johann Sigismund 1613 den reformierten Glauben annahm und nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) französische, böhmische und andere Glaubensflüchtlinge durch Gnadenakte des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm und seiner Nachfolger ins Land geholt wurden und ihm wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung bescherten.

In dieser Periode, die mit dem Tod des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. 1740 endete, fand die konfessionelle Pluralisierung des Hohenzollernstaates statt, zu der auch der Zuzug von Juden und Katholiken gehörten. In die Schau einbezogen ist die barocke Köpenicker Schlosskirche, in der die Reformierten ihre Gottesdienste abhielten. Das wie das Schloss üppig mit Stuckaturen ausgestattete Gotteshaus ist der einzige noch in der Originalfassung überlieferte Ort für die konfessionelle Orientierung der Hohenzollern in Berlin. In einer besonderen Abteilung werden weitere mit den konfessionellen Entwicklungen im Hohenzollernstaat in Berlin (Kollegienhaus, jetzt Jüdisches Museum), Halle an der Saale (Franckesche Stiftungen), Minden (Stiftskirche) und Potsdam (Garnisonkirche) in Schrift und Bild vorgestellt.

Das 479 Seiten starke und mit zahlreichen Abbildungen versehene Buch zur Ausstellung vertieft das Thema mit Essays und Beschreibungen der Exponate. Es wurde von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz herausgegeben und kostet 28 Euro (ISBN 978-3-923579-30-3). Auch ohne die Ausstellung "Kreuzwege" ist das Schloss Köpenick mit den hochkarätigen Ausstellungsstücken aus Holz, Keramik und Metall sowie anderen Werkstoffen einen Besuch wert. Es ist Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet, der Eintritt kostet 6 und ermäßigt 3 Euro, Besucher unter 18 Jahren und Schulklassen zahlen nichts.

Luthereffekt auf vier Kontinenten

Anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 wurde im Berliner Martin-Gropius-Bau eine weitere Sonderausstellung eröffnet. Die Schau des Deutschen Historischen Museums "Der Luthereffekt - 500 Jahre Protestantismus in der Welt" richtet den Blick auf religiöse Entwicklungen in Schweden, den USA sowie in Korea und Tansania. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Schirmherr der nationalen Sonderausstellungen im Reformationsjahr 2017 und die Kulturstaatsministerin Monika Grütters hielten Grußworte. Durch die Ausstellung bekämen die Besucher eine Ahnung von der ungeheuren Kraft, die die reformatorischen Bewegungen entfaltet haben, sagte Steinmeier. "Wie sie neue Antworten gaben auf drängende Fragen in einer Zeit, in der viele Menschen um ihr Seelenheil bangten; wie sie regelrecht Ketten sprengten und neue Entwicklungen in Gesellschaft, Arbeit, Kunst und Musik, bis hinein in die Familien vorantrieben; und wie sie - auch das gehört dazu - zu einem politischen Faktor wurden, selbst Politik machten, und das beileibe nicht immer mit friedlichen Mitteln."

Monika Grütters betonte bei der Eröffnung, die Reise auf den Spuren des "Luther-Effekts" sei nicht nur ein Gewinn für das Verständnis der Reformationsgeschichte. Gerade die interkulturelle und internationale Perspektive sei aufschlussreich, weil sie uns mit Erfahrungen konfrontiert, aus denen wir Lehren für unsere Gegenwart und Zukunft ziehen können. "Dazu gehört nicht zuletzt die Einsicht, dass es eine der wichtigsten demokratischen und eine der größten zivilisatorischen Errungenschaften überhaupt ist, das Gemeinsame über das Trennende stellen zu können - das Menschliche über die Unterscheidung zwischen gläubig und ungläubig, zwischen deutsch und nichtdeutsch, zwischen muslimisch, christlich oder jüdisch." Die Reformationsgeschichte verdeutliche, mit wieviel Krieg, Leid und Gewalt diese Errungenschaft bezahlt ist. Umso mehr verdient es Anerkennung, dass das 500. Reformationsjubiläum Verständigung und Versöhnung in den Mittelpunkt stellt und Erfahrungen aus aller Welt einbezieht. "Die Bereitschaft der Kirchen, für ein Miteinander in der Vielfalt einzustehen, macht Hoffnung gerade in einer Zeit, in der religiöse Konflikte und religiöser Fundamentalismus weltweit erneut Angst und Schrecken verbreiten."

Neben der Ausstellung "Der Luthereffekt" gibt es zwei weitere nationale Sonderausstellungen, und zwar am 4. Mai "Luther und die Deutschen" auf der Wartburg sowie ab 13. Mai "Luther! 95 Schätze - 95 Menschen" in der Wittenberger Lutherhalle. Alle drei Ausstellungen werden mit 5,5 Millionen Euro gefördert, insgesamt stellt die Bundeskulturministerin für Aktivitäten im Reformationsjahr 2017 rund 12 Millionen Euro zur Verfügung.

12. April 2017

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