Diebe kamen durch ein zersägtes Gitter
Einbruch im Polizeimuseum am Platz der Luftbrücke wurde erst nach vielen Stunden bemerkt / Viele Kostbarkeiten sind verschwunden



Von der Polizistenpuppe im Eingangsbereich der Polizeihistorischen Sammlung war nicht zu erwarten, dass sie Einbruchsgeräusche hört und die Diebe dingfest macht. Das hätten echte Polizisten oder der Wachdienst gleich um die Ecke tun müssen.





Zu sehen sind Werkzeuge, die bei Einbrüchen und anderen Verbrechen zum Einsatz kamen, dazu gruselige Beweise dafür, dass schon immer in Berlin Mord und Totschlag an der Tagesordnung waren und sind.



Nach einer Festnahme wurden nach einem bestimmten Muster Polizeifotos angefertigt. Die Ausstellung zeigt, wie das in alten Zeiten geschah und gewährt auch Einsichten in so genannte Verbrecheralben.



In zahlreichen Vitrinen werden Bilder, Dokumente, Waffen und Beweisstücke gezeigt, die die Berliner Polizei auf die Spur von Verbrechern geführt haben.



Aus den 1970-er Jahren stammt das so genannte ABV-Besteck, mit dem in Ostberlin und der DDR Abschnittsbevollmächtigte genante Polizisten eine erste Spurensicherung am Tatort vornahmen. (Fotos: Caspar)

Das Gelächter der Berliner ist groß, das Entsetzen der Betroffenen noch viel größer, nachdem bekannt wurde, dass das am Platz der Luftbrücke im Ortsteil Tempelhof befindliche Berliner Polizeimuseum von frechen Einbrechern heimgesucht wurde. Doch Schadenfreude ist das Letzte, was bei dem Einbruch angebracht ist, denn wenn die Polizei nicht einmal die eigenen Einrichtungen schützen kann, was kann sie denn sonst ausrichten, wird man sich fragen. Obwohl der private Sicherheitsdienst, der das im Flughafengebäude aus der Nazizeit untergebrachte Polizeipräsidium bewacht, nur wenige Meter weiter weg von dem Museum sitzt und das Büro des Polizeipräsidenten nur eine Etagen höher liegt, wurde der Einbruch nicht registriert. Wie Fenster und Türen gesichert sind, kann nicht gesagt werden. Wer das Museum besucht, ist dort allein und kann sich alles unbeobachtet anschauen - und auch ausbaldowern, was sich zu stehlen lohnt. Als im Frühjahr dieses Jahres der kanadische Goldgigant aus der Ausstellung des Münzkabinetts im Bode-Museum auf der Museumsinsel klammheimlich in der Nacht gestohlen wurde, hat man sich die gleiche Frage gestellt, nämlich wie gut gesichert unsere Museen sind und wie leicht man in die eindringen und von dort wieder mit großer und kleiner Beute entweichen kann. Und man wird sich fragen müssen, was wohl als nächstes geklaut wird.

Die Diebe waren am vergangenen Wochenende - 16. und 17. September 2017 - in das Polizeimuseum eingedrungen. Sie haben Vitrinen und Schaukästen aufgebrochen und Ordensschnallen von Polizeioffizieren, Dienstauszeichnungen, Dienstmarken der Gestapo, das Bundesverdienstkreuz des früheren Polizeipräsidenten Johannes Stumm sowie Helme und andere Hinterlassenschaften erbeutet. Der materielle Wert der Museumsstücke ist relativ gering, ihre ideelle und symbolische Bedeutung aber dafür umso mehr. Da es sich vielfach um Unikate handelt, wird es schwierig sein, sie durch ähnliche Objekte zu ersetzen. Sie im Militaria- und Antiquitätenhandel abzusetzen, dürfte schwierig sein, da bei den Stücken die Herkunft bekannt ist. Das Kommissariat für Kunstdelikte des Landeskriminalamtes hat die weiteren Ermittlungen übernommen.

Die Berliner Polizeiabteilung für Internetmedien reagierte zerknirscht auf den Vorfall. "Das Ding haben wir voll verschlafen", schrieb sie auf Facebook und fügte hinzu: "Wehe, wir finden die Dinger auf eBay!". "Die Ernsthaftigkeit dieses Vorfalls ist uns sehr wohl bewusst. Die Sicherheitsvorkehrungen für das Polizeipräsidium und das Museum werden überprüft und neu bewertet", räumen die Polizei kleinlaut ein. Offenbar wurden die Sicherheitsbestimmungen in dem Museum sträflich vernachlässigt, dabei hätte man sich nur im hauseigenen Einbruchsberatungsladen ebenfalls am Platz der Luftbrücke sachkundig machen müssen, wie man sich vor skrupellosen Langfingern schützen kann.

Zersägtes Gitter an der Rückfront

Der Einbruch geschah in der Zeit, als das Museum geschlossen war. Erst als es am Montag, dem 18. September, wieder geöffnet wurde, hat man den Einbruch und die angerichteten Schäden bemerkt. Nach Medienberichten sollen die Diebe über den Hof in das aus der Nazizeit stammende Haus eingedrungen sein, denn auf der Rückfront des Gebäudes wurde ein Gitter herausgesägt. Da vor der Fassade eine Bauplane hing, fiel es nicht auf, wie sich jemand an dem Gitter zu schaffen gemacht hat. Die Diebe müssen den Tatort gut ausgekundschaftet haben. Ob sie den ungeliebten Ordnungshütern eins auswischen wollten oder ob sie eine Mutprobe abgeben wollten, ist reine Spekulation. Ebenso ob sie im Auftrag eines Sammlers gehandelt haben.

Das 1988 durch Zusammenschluss von zwei polizeikundlichen Sammlungen gebildete Polizeimuseum kann montags bis mittwochs von 9 bis 15 Uhr besichtigt werden. Es dokumentiert die Geschichte der Polizei als solche und speziell der Berliner Polizei in den vergangenen 200 Jahren. Gegliedert ist die Ausstellung in mehrere Kapitel, so Arbeit der Polizei in der Zeit der Monarchie sowie der Weimarer Republik, ihre Funktion als Helfer des Naziregimes, ihre Rolle im geteilten Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Gegenwart. Besucher erfahren, dass 1809 die Institution des "Königlich Preußischen Polizei-Präsidenten von Berlin" geschaffen wurde und wie Polizisten der Obrigkeit halfen, Ruhe und Ordnung zu sichern, was immer man darunter verstand. Ausgestellt sind Uniformen, Waffen und Arbeitgeräte der Polizisten, aber auch Werkzeuge, die von Dieben und Mördern verwendet wurden. In Erinnerung gebracht wird neben vielen anderen Persönlichkeiten der Berliner Kriminalgeschichte der legendäre Hauptmann von Köpenick, flankiert von den originalen Vernehmungsprotokollen und Fotos, die den abgehärmten Hochstapler mit den krummen Beinen zeigen, wie es auf Fahndungsplakaten hieß.

Tarnung als Stiefelputzer und Damen

Außer spektakulären Kriminalfällen dokumentiert das Museum den Arbeitsalltag Berliner Polizisten sowie Reglements für ihr Auftreten in der Öffentlichkeit. Polizisten wurden in der Kaiserzeit schriftlich dazu angehalten, sich ordentlich zu kleiden und als Repräsentanten des Staates stets eine stramme Haltung an den Tag zu legen. Für solche Anweisungen gab es offenbar gute Gründe. Denn die Polizisten waren unbeliebt. Es gab Beschwerden über flegelhaftes Verhalten sowie über verdreckte Uniformen. Die Polizeiführung regelte preußisch genau, wie sich Kriminalpolizisten in Zivil bei der Observierung von Rechtsbrechern kleiden sollen. Um Dieben, Betrügern, Faschspielern, Kinderschändern und anderen Personen auf die Schliche zu kommen, sollten sich Kriopobeamte als Droschkenkutscher, Gepäckträger, Bademeister, Kellner oder Hotelpförtner, aber auch als Damen, Stiefelputzer oder Kraftwagenführer tarnen und sich entsprechend anziehen. "Sie haben sich bei der Verkleidung, um sich nicht zu verraten, darauf zu achten, dass sie gegebenenfalls auch ihre Schuhe wechseln, und dass diese zur Kleidung passen; denn geriebene Verbrecher, pflegen, wenn sie merken, dass sie beobachtet werden, und wenn sie vermuten, dass der Betreffende verkleidet sei, zunächst auf die Schuhe der betreffenden Person zu sehen." Besucher aus dem Ostteil Berlins mögen sich bei dieser Dienstanweisung daran erinnern, dass sich Stasi-Leute bei ihren Einsätzen leger mit Jeans und Parka tarnten, aber immer waren sie an geputzten schwarzen Schuhen und kleinen Ledertaschen, den so genannten Stasitäschchen, zu erkennen.

Dagobert foppte seine Verfolger

Dass Verbrecher mit der Zeit gingen, schildert die Ausstellung an zahlreichen Beispielen. So schrieben die Brüder Götze zwischen 1934 und 1938 durch Überfälle auf Autofahrer ein Stück Kriminalgeschichte. Sie bauten Hindernisse auf Fahrbahnen auf und spannten Stahlseile, um Autos zum Stehen zu bringen und die Insassen auszurauben. Da das Strafrecht diese Art moderner Straßenräuberei noch nicht kannte, wurde ein spezieller Strafbestand, die so genannte Lex Götze, geschaffen. Autofallenraub wurde fortan während der Nazizeit wie unzählige andere Delikte und politische Straftaten unverzüglich mit dem Tod bestraft, und die beiden Räuber waren die ersten, die aus diesem Grund hingerichtet wurden. Im KZ Sachsenhausen hat die SS "auf Befehl des Führers" 1940 die Brüder Franz und Erich Sass ermordet. Sie hatten in der Weimarer Republik durch spektakuläre Bankeinbrüche Furore gemacht, kamen in Dänemark in Haft und wurden nach deren Verbüßung an das Deutsche Reich ausgeliefert und ermordet.

Von anderer Couleur war, wie der Kaufhauserpresser Arno Funke, genannt "Dagobert", in den frühen 1990-er Jahren die Westberliner Polizei foppte und durch immer neue Winkelzüge hinters Licht geführt hat und dabei auch viel Respekt und Beifall von den Medien erntete. Auch dieses Kapitel wird neben anderen mehr oder weniger spektakulären Verbrechen mitsamt zugehöriger Bilder, Dokumente und Tatwerkzeuge am Platz der Luftbrücke anschaulich gemacht. Offenbar haben die Diebe bei ihrem aktuellen Einbruch sie nicht beachtet.

Interesse verdient die Tatsache, dass sich Mord, Totschlag und andere Verbrechen an bestimmten Standorten in Berlin öfter ereigneten als in anderen. Eine besonders berüchtigte Gegend, die von ängstlichen Naturen besser gemieden wurden, war die Umgebung des Schlesischen Bahnhofs, den wir heute als Ostbahnhof kennen. Viele auch in der Ausstellung dokumentierte Verbrechen vom Massenmord an Frauen bis zu Einbrüchen und Betrugshandlungen ereigneten sich hier, und manche Mordwerkzeuge in den Vitrinen mögen in den Mietskasernenvierteln des Berliner Ostens auf grausige Weise zum Einsatz gekommen sein.

Freund und Helfer

Breiten Raum in der Ausstellung nimmt die Rolle der Polizei als Handlanger des Naziterrors gegen Oppositionelle im Hitlerreich sowie bei der Verfolgung und Ermordung von Juden, Sinti und Roma und weiteren Gruppen ein, die nicht in das rassistische und völkische Bild der Nationalsozialisten passten. Besucher können sich in Dokumente vertiefen und Fotos betrachten, die Mordtaten von Polizisten während des Zweiten Weltkriegs in den von der Wehrmacht besetzten Ländern belegen. Die in den Vitrinen ausgelegten Listen nennen erschreckende Zahlen über die hundert- und tausendfache Erschießung von Zivilisten mit und ohne den gelben Judenstern. Wenn die Polizei sich heute Freund und Helfer nennt, dann sollte nicht unerwähnt sein, dass der Slogan aus der Nazizeit stammt und den Zweck hatte, das Image der Polizisten mit und ohne Uniform aufzupolieren. Dass das zweigeteilte Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg unsichere Zeiten hatte und das Verbrechen trotz des Einsatzes von Polizisten leider zum Alltag gehört, wird in der Ausstellung nicht verschwiegen. Der spektakuläre Einbruch wird hoffentlich Anlass sein, dort nicht nur die Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern, sondern auch das Design der etwas angestaubt wirkenden Schau modernen Anforderungen anzupassen. Der Einsatz von Filmen auf Monitoren müsste doch zu schaffen sein.

22. September 2017

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