Reichtum verpflichtet
Neue Eingangshalle der Staatlichen Museen erinnert an den Mäzen James Simon, der die Büste der Nofretete nach Berlin holte



Die Zeichnung schildert, wie James Simon und andere Mäzene wie die Heiligen drei Könige Kostbarkeiten Kaiser Wilhelm II. überreichen. Die Geschenke bildeten die Grundlage zum Bau von wissenschaftlichen Instituten in Berlin.



Im Bode-Museum erinnert eine Büste an den lange vergessenen Kunstförderer und Menschenfreund James Simon.



Das farbig gefasste Renaissance-Relief aus Italien schmückt einen Gedenkraum im Bode-Museum, mit dem die Erinnerung an James Simon wach gehalten wird.



Ohne Simons Engagement könnte man die Büste der altägyptischen Königin Nofretete nicht in Berlin bewundern.



Die gerade im Bau befindliche Eingangshalle an der Spree direkt vor dem Neuen Museum trägt den Namen von James Simon.



Eine Tafel an der baden-württembergischen Landesvertretung in der Tiergartenstraße weist auf James Simons Verdienste hin, dessen Villa hier bis zur Kriegszerstörung stand.



Die Porzellantafel ruft auf das soziale Engagement von James Simon in Erinerung, der auch für den Bau des Volksbades in der Gartenstraße sorgte, mitten in einem Berliner Arbeiterbezirk. (Fotos/Repro: Caspar)

Die Büste der altägyptischen Königin Nofretete im Neuen Museum auf der Museumsinsel zählt zu den bekanntesten Kunstwerken der Staatlichen Museen zu Berlin und ist eine ihrer Ikonen, ja wie das Brandenburger Tor geradezu ein Symbol für Berlin und seine Geschichte. In dem raffiniert ausgeleuchteten Raum ist Nofretete nicht das einzige Kunstwerk, denn ihr gegenüber steht eine weitere Büste. Sie erinnert an den Berliner Mäzen James Simon (1851-1932), ohne dessen Hilfe vor hundert Jahren das Bild der schönen Herrscherin und weitere Altertümer vermutlich nie ans Tageslicht gekommen wären. Lange war James Simon nur Insidern bekannt. Die Staatlichen Museen tragen eine Ehrenschuld an dem reichen Baumwollhändler, Sammler und Kunstförderer ab, indem sie ihre im Bau befindliche Eingangshalle zwischen dem Neuen Museum und dem Spreekanal nach ihm benennen, während ein kleiner Park in der Nähe schon seit längerer Zeit den Namen von James Simon trägt.

Menschenfreund und Förderer der Kunst

Als Mitbegründer der Deutschen Orient-Gesellschaft hatte Simon jene von Ludwig Borchardt geleiteten Ausgrabungen im ägyptischen Tell el-Amarna finanziert, in deren Verlauf die bunt bemalte Büste der Nofretete und weitere Kostbarkeiten zum Vorschein kamen. 1913 wurde Simon bei einer Fundteilung das Porträt der schönen Königin überlassen. Der Mäzen, der sich bei der Anlage seiner Sammlungen von dem renommierten Museumsdirektor Wilhelm von Bode beraten ließ und anderen Kunstfreunden ein leuchtendes Beispiel war, bewahrte die Büste der von 1353 bis 1336 vor Christus herrschenden Königin und weitere Kostbarkeiten zunächst in seiner Villa an der Tiergartenstraße 15 a auf. Bei einem Besuch zeigte sich Kaiser Wilhelm II. beim Anblick der Büste begeistert, die ägyptischen Bildhauern ursprünglich als Vorlage für weitere Werke dieser Art diente. Doch lange blieb das Bildnis nicht in der Villa Simon, sie erhielt schon bald einen Ehrenplatz im Neuen Museum auf der Museumsinsel und eroberte schnell die Herzen der Besucher. 1920 schenkte Simon die Büste und die anderen Stücke seiner Ägypten-Sammlung den Staatlichen Museen zu Berlin, und diese dankten ihrem Förderer überschwänglich.

Das mäzenatische Wirken des Berliner Unternehmers beschränkte sich keineswegs auf die Förderung von Wissenschaft, Kunst und Kultur, sondern erstreckte sich auch auf soziale Belange. Geleitet von der Überzeugung, dass Reichtum zu sozialem Wirken verpflichtet, engagierte sich Simon sowohl finanziell als auch ehrenamtlich für zahlreiche Hilfs- und Wohltätigkeitsvereine, Krankenhäuser sowie Kinder- und Waisenheime. Es gehört zu seiner Tragik, dass es mit seinem Unternehmen, das einmal führend im europäischen Baumwollhandel war, im und nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) bergab ging. So sah sich der Sammler zu Kunstverkäufen veranlasst, und er musste auch seine schöne Villa verlassen und sich in der Kaiserallee, der heutigen Bundesallee, eine neue Bleibe suchen.

Die Staatlichen Museen haben im Bode-Museum einen Erinnerungsraum an James Simon gestaltet. Da Fotos und originale Ausstattungsstücke wie archäologische Güter sowie Gemälde, Stiche, Skulpturen, Medaillen, Münzen und kunsthandwerkliche Gegenstände, die Simon den Berliner Museen überließ oder deren Ankauf er durch Spenden ermöglichte, bietet die Dokumentation einen guten Einblick in die Förderung der Berliner Museen in der Kaiserzeit durch bürgerliches Mäzenatentum und ist zudem ein großartiger Akt der Ehrenrettung und Wiedergutmachung. Als nämlich 1933 die Nazis an die Macht kamen, wurden alle Hinweise auf James Simon und seine Schenkungen entfernt. Der Sammler und Mäzen war praktisch über Nacht zur Unperson geworden, nur weil er Jude war. Ausradiert wurde auch jede Erinnerung an die Verdienste, die sich weitere Juden um Kunst, Kultur und Wissenschaft sowie um die Linderung sozialer Nöte erworben hatten.

Schmachvolle Behandlung und späte Ehrenrettung

Da James Simon schon 1932 gestorben war, musste er diese Schmach nicht mehr erleben. Dass er so viel für die Berliner Museen, aber auch für karitative Zwecke geleistet hatte, zählte jetzt nicht mehr. Mit großen Anstrengungen, der mutigen Nutzung alter Verbindungen zu den Staatlichen Museen und unter Berufung auf Simons Verdienste um die Sammlungen vermochten es Familienmitglieder, sich vor der Deportation in die nationalsozialistischen Vernichtungslager zu bewahren. Dorothee Westphal, eine Tochter von James Simon, wurde 1956 Direktorin der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz.

Nach dem Untergang des Nazireiches blieb der auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee bestattete Mäzen in der geteilten Stadt weitgehend vergessen. Die Nazis hatten gründliche Arbeit geleistet. Sein einhundertster Geburtstag ging 1951 fast unbeachtet vorüber. Keine Tafel erinnerte an ihn, und es gab auch keine Straße mit seinem Namen. Das änderte sich erst vor ein paar Jahren, und so wurde eine Porzellantafel in der Gartenstraße am Stadtbad Mitte angebracht, dessen Bau von Simon finanziert worden war, und die Staatlichen Museen stellten auf der Museumsinsel und in der Gemäldegalerie am Kulturforum seine Büste auf. An der Fassade der baden-württembergischen Landesvertretung in der Tiergartenstraße, nicht weit davon entfernt, erinnert seit 2006 eine Inschrift an den so lange vergessenen Kunst- und Menschenfreund. Unter dem von dem unlängst verstorbenen Berliner Maler und Grafiker Johannes Grützke entworfenen Bildnismedaillon werden die Verdienste des Mäzens, Wohltäters, Patrioten und jüdischen Weltbürgers betont. Und es wird hervorgehoben, dass die Berliner Museen ihm die Nofretete und viele andere Schätze verdanken. "Er gründete die erste Volksbadeanstalt, förderte die Bildung breiter Schichten und half den sozial Schwachen". Simon habe für Gemeinsinn gestanden, "der 1933 gewaltsam zerstört wurde".

Der von dem Berliner Kunsthändler Bernd Schultz geleitete James-Simon-Kreis pflegt das Erbe des Mäzens und vergibt einen hochdotierten Preis für soziales und kulturelles Engagement. Träger der Auszeichnung bekommen auch eine von Johannes Grützke geschaffene Medaille, deren Rückseite den spanischen Dichter und Autor des "Don Quijote", Miguel de Cervantes, mit den Worten zitiert: "Ein Mensch ist nicht mehr als ein anderer, wenn er nicht mehr tut als ein anderer".

28. Mai 2017

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