Stadtmuseum sucht nach zeitgemäßem Namen
Paul Spies blickt zufrieden auf die vergangenen zwölf Monate zurück und kündigt interessante Ausstellungen für 2017 an



Paul Spies muss seine Arbeitskraft zwischen der Stiftung Stadtmuseum und dem Humboldt Forum teilen, und er sagt, dass er diesen Spagat gut schafft.



Nach dem Wiederaufbau der Kriegsruine wurde die Nikolaikirche vor vierzig Jahren als stadtgeschichtliches Museum eröffnet.



Das 1908 am Köllnischen Park eröffnete Märkische Museum ist die Perle der Stiftung Stadtmuseum Berlin, die sich einen neuen Namen zulegen will.



Mit der Porzellan- und Keramik-Sammlung beginnt die Stiftung die Inventarisation und Digitalisierung ihrer 4,5 Millionen Objekte umfassenden Bestände.



Das Marinehaus gegenüber dem Märkischen Museum wacht aus dem Dornröschenschlaf auf und wird Teil eines am Köllnischen Park angesiedelten neuen Museums- und Kreativquartiers. (Fotos: Caspar)

Für Paul Spies, den neuen Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin, war 2016 das Jahr des Ankommens und der Masterpläne. Aus Amsterdam kommend, blickt er zufrieden auf die vergangenen zwölf Monate zurück, die dem Regionalmuseum mehr als 250 000 Besucher bescherten. "Die Stiftung Stadtmuseum Berlin wird sukzessive von einer klassisch-hierarchischen Institution in eine beweglichere Organisation mit neuen, flexiblen Teamstrukturen überführt, deren Arbeitsweise auf interdisziplinärer Projektarbeit basiert. Die neuen Strukturen bilden die Basis für die inhaltliche Neuausrichtung", sagte Spies in der für stadtgeschichtliche Ausstellungen genutzte Nikolaikirche im gleichnamigen Viertel unweit des Alexanderplatzes und des Fernsehturms. "2017 ist für uns ein Jahr der Probe, ein Testlauf für die zukünftige Ausrichtung des Stadtmuseums. Bis etwa 2023 wollen wir das Märkische Museum und das gegenüber liegende Marinehaus saniert und restauriert haben. Dabei muss das über hundert Jahre alte Märkische Museum vorübergehend geschlossen werden", sagte Spies.

Viele Berliner und Besucher der Stadt hätten ein Problem mit dem Traditionsnamen Märkisches Museum, könnten mit der Bezeichnung nicht viel anfangen und fühlten sich zum Besuch nicht ermuntert. Daher wird eine Umbenennung in Berlin Museum vorbereitet. Die Wiedereröffnung des Hauses am Köllnischen Park nach umfassender Sanierung und Restaurierung soll dann unter diesem neuen oder vielleicht noch einen noch besser passenden, zeitgemäßen Namen erfolgen. Mit dem in der Kaiserzeit als Offiziersklub genutzten und seit langem leer stehenden Marinehaus soll das Märkische Museum Herzstück eines neuen Museums- und Kreativquartiers am Köllnischen Park werden.

Ziel der von Paul Spies beschriebenen Probephase ist die Etablierung neuer klarer Profile für die fünf Standorte des Stadtmuseums Berlin - Märkisches Museum, Ephraim-Palais, Knoblauchhaus, Nikolaikirche und Museumsdorf Düppel. Dieses soll wieder näher an das Stadtmuseum Berlin angebunden und personell verstärkt werden. Da das über hundert Jahre alte Märkische Museum, die Perle der Stiftung, aus allen Nähten platzt und nur einen Bruchteil seiner Schätze zeigen kann, werden neue Räume benötigt. Dazu bietet sich das benachbarte Marinehaus an. In der DDR-Zeit durch Ein- und Umbauten verschandelt und lange vernachlässigt, ist das am Köllnischen Park gelegene ehemalige Kasino der kaiserlichen Marine zur Halbruine verkommen. Die Stiftung Stadtmuseum will das Gebäude in bester Lage als Ausstellungsgebäude sowie als Lehr- und Lernort herrichten. Die Potenziale der Nikolaikirche sollen laut Spies noch besser zur Vermittlung von geschichtlichen und kulturellen Fakten genutzt werden.

Das Stadtmuseum erinnert ab 5. Mai 2017 mit der neuen Sonderausstellung "Berlin 1937 - Im Schatten von morgen" im Märkischen Museum an die Zeit vor 80 Jahren, als die Nazis mit ungeheurem Aufwand an Propaganda, Demagogie und Großmachtswahn die Siebenhundertjahrfeier der Stadt begingen, vier Jahre nach Errichtung der Hitlerdiktatur und zwei Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkriegs. Eine andere Ausstellung in der Nikolaikirche befasst sich ab 1. April 2017 unter dem Titel "Sankt Luther - Reformator zwischen Inszenierung und Marketing" mit der Lutherschen Reformation vor 500 Jahren und ihren Folgen in Bezug auf die Verehrung, Vermarktung und Verkitschung, aber auch den Missbrauch des Wittenbergers bis in die heutige Zeit. Im Ephraimpalais zeigt das Stadtmuseum ab 26. Juli im Ephraimpalais die Sonderausstellung "Hauptstadtfußball" anlässlich des 125-jährigen Bestehens von Hertha BSC. Mit ihr findet erstmals ein populärkulturelles Thema Einzug in das Berliner Stadtmuseum, das mit ihm und weiteren breitenwirksamen Expositionen neue Besucherkreise anziehen und Schwellenängste abbauen möchte.

Mit dem Projekt "17|20" beginnt das Stadtmuseum, seine etwa 4,5 Millionen Objekte zu inventarisieren und zu digitalisieren. Den Anfang machen der Bereich Keramik und Porzellan und die Humboldt-Sammlung. Um auf diesem Gebiet rasch voranzukommen, wurde am Jahresende 2016 der neue Fachbereich Zentrale Dokumentation geschaffen, der das Vorhaben koordiniert und 2020 abschließen will. "Ohne finanzielle Unterstützung durch die Landesregierung und zusätzliche Gelder kann dieses ambitionierte Vorhaben nicht in gewünschtem Tempo bewältigt werden", sagte der Museumsdirektor, der sich zusätzlich zu diesem Amt als Kurator um die museale Ausgestaltung des Humboldt Forums kümmern muss und daher zwischen beiden Einrichtungen pendelt. Spies erwartet Hilfe vom rot-rot-grünen Senat, der die Förderung der Digitalisierung in der Koalitionsvereinbarung so benannt hat: "Die Berliner Kultureinrichtungen beherbergen ein unschätzbares kulturelles Erbe. Dieser Kulturschatz kann durch Digitalisierung nicht nur geschützt, sondern über das Internet weltweit zugänglich und nachnutzbar gemacht werden."

Paul Spies, der bei der Pressekonferenz auf humorvolle Weise die langsame Behördenarbeit in Berlin bemängelte, hat bereits dazu mit dem neuen Kultursenator Klaus Lederer (Linke) gesprochen, der ihm seine Unterstützung zugesichert hat. Dies auch deshalb, weil die Stiftung Stadtmuseum nicht nur neuartige Themen und Ausstellungen präsentieren, sondern sich auch bei der Bildungsarbeit an Schulen und bei der Lehreweiterbildung einbringen will und außerdem bestrebt ist, ihre Schätze auch der ganzen Welt nahezubringen.

17. Januar 2017

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