Luthers 95 Thesen mit kleinen Druckfehlern
Staatsbibliothek zu Berlin zeigt seltene Schriften und Bilder zur Geschichte der vor 500 Jahren ausgelösten Lutherschen Reformation



Die Ausstellung über Luther und die Reformation ist bis zum 2. April im Dietrich-Bonhoeffer-Saal der Berliner Staatsbibliothek Haus II an der Potsdamer Straße Dienstag bis Samstag von 11 bis 19 Uhr und am Sonntag von 13 bis 18 Uhr zu sehen.



Das Nürnberger, Leipziger und Baseler Exemplar des Thesendrucks von 1517 wird man in einer weiteren Ausstellung so schnell nicht wieder zu Gesicht bekommen.



Nach der These Nummer 24 begann der Setzer in Nürnberg regelwidrig noch einmal mit der Nummer 1.



Bis fast ins 19. Jahrhundert war das Setzen und Drucken reine Handarbeit, hier dargestellt auf einem Holzschnitt im "Ständebuch" des Jost Amman aus dem Jahr 1568.



Die Randbemerkungen zu dem Buch "Die Propheten alle Deudsch" aus dem Jahr 1532 stammen nicht von Luther, sondern von dem Königsberger Reformator Johann Gramann.



Luther führt die Gläubigen auf diesem Holzschnitt von 1524 aus der Hölle ans Licht, und der übel verspottete Papst und seine Kardinäle können nichts dagegen tun. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz zeigt drei der wenigen noch aus dem Jahr 1517 überlieferten Drucke mit den 95 Thesen von Martin Luther wider den Ablass sowie weitere kostbare Schriften und Bilder in der bis zum 2. April 2017 laufenden Ausstellung "Bibel, Thesen, Propaganda - Die Reformation erzählt in 95 Objekten". Im Dietrich-Bonhoeffer-Saal der Staatsbibliothek Haus II an der Potsdamer Straße im Bezirk Tiergarten eingerichtet, schildert sie, wie es die noch recht junge Druckerkunst zu Beginn des 16. Jahrhunderts vermochte, die Forderungen des Wittenberger Mönchs und Professors im Römisch-deutschen Reich und darüber hinaus zu verbreiten und welches Echo sie im protestantischen und im katholischen Lager sie hatten.

Luther hatte seine in 95 Sätzen formulierten Forderungen wie damals üblich in lateinischer Sprache verfasst und an die Tür der Wittenberger Schlosskirche, die als eine Art schwarzes Brett für die Universitätsangehörigen fungierte angeschlagen oder anschlagen lassen. Die Thesen wurden in den folgenden Wochen gedruckt und fanden weite Verbreitung. 1518 gab Luther Erläuterungen in Deutsch heraus und verschaffte ihnen damit noch größere Aufmerksamkeit. Gleich zu Beginn der Ausstellung kann man die drei Drucke von 1517 als vergrößerte Reproduktionen an einer Schauwand und, vorsichtig beleuchtet, im Original in einer Vitrine betrachten. Zu sehen sind zwei der sieben noch erhalten Plakatdrucke aus Nürnberg und Leipzig sowie ein Druck aus Basel in kleinerem Format. Noch nie wurden diese auf die Liste des Weltdokumentenerbes der UNESCO vermerkten Drucke gemeinsam gezeigt, und sie werden es wegen ihrer Fragilität auch für viele Jahre in dieser Form nicht mehr zu sehen sein. Der Leipziger Plakatdruck wird ab 6. April 2017 in der Ausstellung "Kreuzwege" im Kunstgewerbemuseum Schloss Köpenick gezeigt.

Die Wittenberger Nachtigall

Besucher der Ausstellung haben die seltene Gelegenheit, die beiden Plakatdrucke vergleichend zu betrachten. Während die Nürnberger Fassung dreimal 25 und dann einmal 20 fortlaufende Ziffern enthält, jeweils beginnend mit 1, enthält der Leipziger Druck eine abweichende Zählung. Beabsichtigt war eine fortlaufende arabische Zählung, die jedoch vom Schriftsetzer fehlerhaft ausgeführt wurde. So gibt es bei 42 einen Zahlendreher, so dass man 24 liest, und nach der Nummer 26 geht es mit 17 weiter. Das Durcheinander geht in dieser Weise weiter, so dass dieser Druck nur 87 Thesen enthält, während die exakte Zählung 95 Sätze ergibt. Da der tiefere Grund für die fehlerhafte Zählung nicht bekannt ist, ist man auf Mutmaßungen angewiesen. Vielleicht war der Setzer nicht des Lateinischen nicht mächtig oder er konnte mit den arabischen Ziffern nichts anfangen. Möglich war auch, dass er sich bei der Herstellung des Bleisatzes beeilen musste und daher die notwendige Sorgfalt vermissen ließ.

All das kann man im Katalog zur Ausstellung nachgelesen. Er macht mit zahlreichen Drucken und Bildern aus der Lutherzeit bekannt, führt aber auch bis in unsere Gegenwart, indem er neue Erkenntnisse der Religionswissenschaft ausbreitet oder auf Kinderbüchern, Comics und Graphics Nobels über die "Wittenberger Nachtigall" und die von ihr ausgelöste Reformationsbewegung hinweist. In der Ausstellung lernt man einiges über Luthers Hetze gegen Juden, seine Affinität zu Fürsten und seine Haltung im Bauernkrieg von 1525 kennen. Man kann überdies Noten von Kirchenliedern aus der Feder von Martin Luther und seiner Nachfolger betrachten und alles in allem sehen, wie sich Reformation und Gegenreformation auf ätzenden Spottbildern niedergeschlagen haben. Der von der Berliner Staatsbibliothek herausgegebene reich illustrierte Katalog mit einem Faksimile des Nürnberger Thesenpapiers gegen den Ablasshandel und für die Reform der katholischen Kirche hat 240 Seiten und kostet 20 Euro.

Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts war der Ablass streng geregelt. Nicht alle Sünden, Vergehen und Verbrechen wurden vergeben, wichtig war es, einem Priester zu beichten und "tätige Reue" zu üben. Als die Päpste mehr und mehr Geld benötigten, um die damals größte Kirche der Christenheit, den Petersdom in Rom, zu errichten, wurde die Vergebung der Sünden gegen Geldzahlungen gelockert. Wer sich etwas zuschulden kommen ließ, konnte sich auch ohne Beichte und nur durch den Kauf eines Ablassbriefes von seinen Sünden reinigen. Die Hälfte der Einnahmen kam dem Bau des Petersdoms in Rom zugute, das andere Geld teilten sich Kardinal Albrecht von Brandenburg, der als Erzbischof in Mainz residierte und ein Bruder des brandenburgischen Kurfürsten Joachim Nestor war, und der jeweilige Ablassprediger. Beteiligt an dem Geschäft war das Augsburger Handelshaus Fugger, bei dem der Erzbischof, der als geistlicher Kurfürst einer der vornehmsten Herrscher im Römisch-deutschen Reichs war, hoch verschuldet war.

Geld für Vergebung

Zwar war der Ablassprediger Johann Tetzel im Erzbistum Magdeburg tätig, doch es kamen zu ihm auch Leute aus Wittenberg, und von diesen erfuhr Martin Luther Einzelheiten über das Ablassunwesen. Das brachte den Augustinermönch und Professor an der dort am 18. Oktober 1502 vom sächsischen Kurfürsten Friedrich III. dem Weisen gestifteten Universität so in Rage, dass er über die Auswüchse des Ablassunwesens seine berühmten 95 Thesen verfasste, wie damals üblich in lateinischer Sprache, und sie am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg schlug. Historiker meinen, dass der Druck dort wie an einem schwarzen Brett mit anderen Bekanntmachungen hing. Er beginnt mit den ins Deutsche übersetzten Worten "Aus Liebe zur Wahrheit und im Verlangen, sie zu erhellen, sollen die folgenden Thesen in Wittenberg disputiert werden unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Paters Martin Luther, Magister der freien Künste und der heiligen Theologie, dort auch ordentlicher Professor der Theologie. Daher bittet er jene, die nicht anwesend sein können, um mit uns mündlich zu debattieren, dies in Abwesenheit schriftlich zu tun. Im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Amen."

In seinem Thesenpapier wird die Vergebung von Sünden gegen Geldzahlungen als zügellos, frech und wertlos und nur für die Kirche und sein Oberhaupt in Rom nützlich angeprangert. "Warum baut der Papst, der heute reicher ist als der reichste Crassus, nicht wenigstens die eine Kirche St. Peter lieber von seinem eigenen Geld als dem der armen Gläubigen?", fragte Luther in der 87. These, und in weiteren Zeilen forderte er: "Man soll die Christen lehren: Die Meinung des Papstes ist es nicht, dass der Erwerb von Ablass in irgendeiner Weise mit Werken der Barmherzigkeit zu vergleichen sei. Man soll den Christen lehren: Dem Armen zu geben oder dem Bedürftigen zu leihen ist besser, als Ablass zu kaufen. Denn durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe und wird der Mensch besser, aber durch Ablass wird er nicht besser, sondern nur teilweise von der Strafe befreit." Wer gegen die Zügellosigkeit und Frechheit der Worte der Ablassprediger auftritt, der sei gesegnet, der päpstliche Ablass könne nicht die geringste lässliche Sünde wegnehmen.

17. Februar 2017

Zurück zur Themenübersicht "Ausstellungen, Museen, Denkmalpflege"