Münzschatz im Turmknauf
In der Berliner Nikolaikirche werden kostbare Taler und vergilbte Schriften vom 16. bis frühen 18. Jahrhundert gezeigt



Beim Wiederaufbau erhielt die Nikolaikirche ihr Kreuzgewölbe zurück, an den Pfeilern, den Wänden und in Grabnischen sind wertvolle Zeugnisse Berliner Sepulkralkunst ausgestellt.



Der Taler, den der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg 1675 auf seinen Sieg in der Schlacht von Fehrbellin gegen Schweden prägen ließ, stammt aus dem Turmknauf der Berliner Nikolaikirche.



Restauriert wurde das Grabmal des Hofgoldschmieds Daniel Männlich, ein wertvolles Werk des Bildhauers Andreas Schlüter. Im Raum dahinter sind die aus dem Kirchturmknauf stammenden Münzen und Medaillen ausgestellt.



Unter den in den Turmknauf der Nikolaikirche niedergelegten Stücken befindet sich ein Magdeburger Huldigungstaler.



Ein noch recht gut erhaltener Bauernkalender aus dem Jahr 1584 wurde im Turmknauf entdeckt. (Fotos: Caspar)

Es ist ein guter alter Brauch, dass Münzen und Medaillen sowie zeitgeschichtlich interessante Dokumente wie Zeitungen, Baupläne sowie Grafiken, Fotografien und andere Bilder in die Kugeln auf den Spitzen von Kirchtürmen gelegt werden. Bei Baumaßnahmen werden diese so genannten Turmknaufbeigaben gesichtet und ergänzt. So war es auch bei der Berliner Nikolaikirche, dem ältesten noch erhaltenen Bauwerk der Stadt an der Spree. In der Dauerausstellung "Vom Stadtgrund bis zur Doppelspitze" kann man diesen einzigartigen Schatz auführlich betrachten. In Schauvitrinen zeigt die Stiftung Stadtmuseum Zeugnisse der Berliner Geschichte, Kunst und Kultur. In einer ehemaligen Gruft im Turmbereich sind 287 Münzen und Medaillen, Medaillons und Plaketten zu sehen, die gemeinsam mit gedruckten und geschriebenen Urkunden, Chroniken und Büchern als Bauopfer in einer vergoldeten Kirchtumkugel gelegen haben. Der Schatz wurde zwischen 1514 und 1734 zusammengetragen, kenntlich an einem in diesem Jahr gedruckten Kalender. Die Sammlung besteht aus Spenden von Angehörigen der adligen und bürgerlichen Oberschicht, die sich in der Nikolaikirche bestatten ließen, sowie von den brandenburgischen Kurfürsten und Angehörigen ihres Hofes.

Medaillen im Samtbeutel

Anhand der Schriftstücke und Umschläge, die bei den silbernen, in einigen Fällen auch goldenen Münzen sowie den Medaillen lagen, konnte festgestellt werden, wer was zu welcher Zeit gespendet hat. So hat Kurfürst Friedrich III., der sich zum 1701 König Friedrich I. in Preußen krönte, eigenhändig in einem Beutel aus rotem Samt 1695 zwölf Medaillen in den Turmknauf der Nikolaikirche niedergelegt. Die Gelegenheit dafür ergab sich bei Reparaturarbeiten im Turmbereich. Unter den Medaillen mit dem Bildnis dieses Herrschers befinden sich solche auf die Stiftung der Universität in Halle an der Saale im Jahr 1694 sowie von 1692 mit der Ansicht der Langen Brücke, der ersten Berliner Steinbrücke, auf der 1703 das von Schlüter geschaffene Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm enthüllt wurde.

Die Nikolaikirche musste mehrere Jahrhunderte mit nur einer Turmspitze auskommen, denn es fehlte Geld zur Vollendung des Bauwerks. Als der Berliner Architekt Hermann Blankenstein 1877 bis 1880 umfangreiche Bau- und Sanierungsmaßnahmen an dem Gotteshaus vornahm, erhielt die Kirche die zweite Turmspitze. Dabei wurde der Schatz im Turmknauf gesichtet und nach alter Sitte dort wieder deponiert. Im Juli 1944 brannte die Nikolaikirche bei einem Bombenangriff aus, wobei die Gewölbe einstürzten. Fast wäre die Ruine mitten in der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg beseitigt worden, weil sie die SED-Funktionäre störte, wie übrigens auch das Neue Museum auf der Museumsinsel, das Ende 2009 als Heimstatt altägyptischer Altertümer und Fundstücke aus der Vor- und Frühgeschichte eröffnet wurde.

Nach dem Krieg wurden in den Trümmern der Nikolaikirche zahlreiche Epitaphien aus der Zeit der Renaissance und des Barock sowie Architekturfragmente geborgen, die beim Wiederaufbau in den 1980-er Jahren gute Dienste taten. Gefunden wurde auch der Inhalt des Turmknaufes und im Keller des Stadthauses, dem Roten Rathaus gegenüber, eingelagert. In den Nachkriegswirren verschwanden die kostbaren Münzen und Medaillen sowie die ihnen zugehörigen Dokumente und galten seither als verschollen. Erst 1990 tauchten sie wieder auf, als ein Berliner, der die Stücke "geerbt" hatte, den Bestand dem Märkischen Museum zur Begutachtung vorlegte. Das Museum, das der Stiftung Stadtmuseum Berlin angehört, machte ihre Eigentumsansprüche geltend und ließ den Bestand analysieren und restaurieren. So wurde es möglich, den Schatz aus der Kirchturmkugel der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dies geschieht in einer heute leeren Gruft.

Schlüters Meisterwerk

Ihr Eingang ist ein besonderes Highlight Berliner Bildhauerkunst. Er wurde 1700/1 von dem berühmten Barockmeister Andreas Schlüter zur Erinnerung an den Berliner Hofgoldschmied Daniel Männlich und seine Familie geschaffen. Münzfreunde kennen den Juwelier als Schöpfer schwergewichtiger Münzhumpen für den kurfürstlichen und königlichen Hof. Einige dieser mit kostbaren Talern und Medaillen brandenburgisch-preußischer Herkunft, aber auch aus Sachsen und aus anderen Gegenden, sind im Kunstgewerbemuseum Schloss Köpenick und im Schloss Charlottenburg ausgestellt.

Die Stiftung Stadtmuseum Berlin nutzt die Nikolaikirche als Museum, doch finden hier auch Konzerte und andere Veranstaltungen statt. In Seitenkapellen sowie an den Wänden und den Pfeilern erinnern zahlreiche Grabmäler an Vertreter des Adels und der reichen Berliner Bürgerschaft. Diese stadt- und kunstgeschichtlich wertvollen Epitaphien, die die Nikolaikirche zu einer Art Berliner Pantheon machen, wurden gereinigt und restauriert. Etliche Schaustücke, darunter Teile des Barockaltars, sind seit der Zerstörung der Nikolaikirche im Zweiten Weltkrieg jetzt wieder zu sehen. Sie waren nach dem Krieg aus dem Trümmerschutt geborgen worden und überstanden die folgenden Jahrzehnte im Depot. Die Nikolaikirche ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 5, ermäßigt 3 Euro, bis 18 Jahre freier Eintritt. Weitere Informationen www.stadtmuseum.de.

5. Januar 2017

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