Marmor, Stein und Bronze
Neues Buch zur Ausstellung mit Skulpturen aus dem 19. und 20. Jahrhundert in der Spandauer Zitadelle



Die jahrelang unter freiem Himmel mehr abgestellten denn aufgestellten Figuren von der Berliner Siegesallee können seit 2016 in einem früheren Proviantmagazin mit weiteren Denkmälern besichtigt werden. Im Hintergrund ist der Juliusturm zu sehen, in dem während der Kaiserzeit der Reichskriegsschatz einbruchsicher deponiert war.



Die Spandauer Museumsleiterin Andrea Theissen freut sich, dass sie 2016 das Projekt eines Skulpturenmuseums mit ihrem Team gegen manche Widerstände zu einem guten Ende führen konnte.



Nur gereinigt, aber nicht ergänzt fanden die Marmorfiguren von der Berliner Siegesallee Asyl im ehemaligen Proviantmagazin auf der Spandauer Zitadelle.



Preußens berühmtester König, Friedrich II., büßte am Ende des Zweiten Weltkriegs einen Arm ein. In diesem Zustand wird die Marmorfigur jetzt in der Zitadelle gezeigt, flankiert von dem kopflosen Friedrich Wilhelm II. und dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm.



Aus der in DDR-Zeiten als Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus genutzten Neuen Wache Unter den Linden in Berlin stammt der Glaskubus für die Ewige Flamme über den Gräbern des Unbekannten Widerstandskämpfers und des Unbekanten Soldaten.





Der von der Stasi besonders verehrte Gründer und Chef der sowjetischen Geheimpolizei, Feliks Dzierzynski, und die Bronzefiguren von Grenzsoldaten der NVA, die vor einem Grenzausbildungsregiment in Berlin-Wilhelmshagen, standen, Asyl in der Spandauer Zitadelle. (Fotos: Caspar)

Zur Ausstellung "Enthüllt" in der Spandauer Zitadelle ist ein reich illustriertes Buch erschienen, das sich mit Berlin und seinen Denkmälern in der Vergangenheit und Gegenwart befasst. Wer nicht die ehemals auf Straßen und Plätzen stehenden Denkmäler aus Marmor, Sandstein und Bronze in einem alten Proviantmagazin sehen kann und dennoch wissen möchte, wie sie entstanden sind und wer ihre Auftrageber und Schöpfer waren, findet in dem Buch vielfältige Informationen. Der vom Stadtgeschichtlichen Museum Spandau herausgegebene Ausstellungskatalog hat 302 Seiten und kostet 25 Euro (ISBN 978-3-00-056936-4). Das Buch schildert die Entstehungsgeschichte der einzelnen Skulpturen und legt dar, warum sie ihren alten Standort verlassen mussten und wie sie ins Museum kamen und damit überlebt haben. Ausstellung und Katalog reagieren auf das wachsende Interesse an Baugeschichte und Baukultur sowie an Denkmälern und Gedenkstätten.

Dieser Trend war zu spüren, als die nun unter Dach und Fach in einem früheren Magazingebäude gebrachten Figuren von der Berliner Siegesallee noch draußen auf dem Zitadellengelände standen und Wind und Wetter ausgesetzt waren. Die Standbilder brandenburgischer Markgrafen und Kurfürsten sowie preußischer Könige und all ihrer Minister, Militärs und Paladine wurde von Kaiser Wilhelm II. als Hommage an das hohenzollernsche Herscherhaus gestiftet, wurde aber von den mit diesem "Ehrengeschenk" bedachten Berlinern als Puppenallee verspottet. Das aus feinstem Marmor bestehende Ensemble schmückte einst eine Straße im Berliner Tiergarten und hat das Ende des Zweiten Weltkriegs überstanden, allerdings stark beschädigt. (Auf dieser Internetseite habe ich am 27. April 2016 in der Rubrik Berlin-Brandenburg ausführlich über die neu eröffnete Ausstellung berichtet.)

In torsohaftem Zustand

Die Figuren der Berliner Siegesallee gehören zu den besten Bildhauerarbeiten der wilhelminischen Ära. Das erkennt man beim Besuch der "Enthüllt"-Ausstellung sogar noch an ihrem torsohaften, beschädigten Zustand. Bis zur Umsetzung in die Zitadelle Spandau Anfang Mai 2009 waren sie unzugänglich in einem alten Wasserwerk am Halleschen Ufer im Bezirk Kreuzberg abgestellt. Zur Präsentation in Spandau wurden die Markgrafen, Kurfürsten und Könige und die Assistenzfiguren, die auf den Marmorbänken standen, vorsichtig gereinigt. Fehlende Teile hat man nicht ergänzt, und auch die Schussverletzungen blieben wie sie sind.

In der Ausstellung kann man überdies Kriegerdenkmäler betrachten, aber auch Zeugnisse des in der Nazidiktatur zelebrierten Denkmalkultes sowie politische Standbilder aus DDR-Zeiten, die einem Bildersturm nach dem Ende des SED-Regimes zum Opfer gefallen sind. So kann man den Kopf des Lenindenkmals vom damaligen Leninplatz im Bezirk Friedrichshain und zwei in Bronze gegossene Grenzsoldaten der Nationalen Volksarmee betrachten. In die Ausstellung aufgenommen wurde das Denkmal von Feliks Dzierzynski. Die Figur des Gründers der sowjetischen Geheimpolizei Tscheka stand ursprünglich auf dem Gelände der Bezirksleitung Berlin des Ministeriums für Staatssicherheit an der Straße Alt-Friedrichsfelde im Bezirk Lichtenberg. Beim Abbau wurde auf der Rückseite der Figur ein Zitat des obersten Geheimpolizisten unter Lenin und Stalin "Tschekist sein kann nur ein Mensch mit kühlem Kopf, heißem Herzen und sauberen Händen" sichtbar.

Die ehemalige Festung der brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige in der seit 1920 zu Groß-Berlin gehörenden Stadt Spandau ist ein großartiges Bau- und Geschichtsdenkmal und schon deshalb einen Besuch wert. Im 16. Jahrhundert nach Plänen des italienischen Festungsbaumeisters Rochus von Lynar erbaut, ist die Zitadelle nicht nur die am besten erhaltene Anlage dieser Art in der Region, sondern auch ein beliebtes Touristenziel und Veranstaltungsort von Theater- und Konzertaufführungen sowie, passend zur architektonischen Kulisse, von Ritterspielen und ähnlichen Spektakeln. Das Stadtgeschichtliche Museum mit Zeugnissen aus der Vergangenheit von Spandau berichtet unter anderem über das Befestigungsprogramm der brandenburgischen Kurfürsten im 16. und 17. Jahrhundert, dem der Bau vor allem der Festungen in Spandau, Peitz und Küstrin zu verdanken ist. Ursprünglich hatten die Hohenzollern ihren Herrschaftsbereich mit mehr als diesen drei Anlagen schützen wollen. Doch hinderten sie finanzielle Schwierigkeiten an der Ausführung des ehrgeizigen Plans. Im Rahmen der Reformation eingezogene Kirchenschätze und -güter wurden ebenso zur Bezahlung des Baus von Wällen und Türmen, Gräben, Gewölben und Bastionen verwandt wie Sondersteuern, die den Ständen und Städten sehr zu deren Ärger auferlegt wurden.

Zum Schutz der Residenzstadt Berlin

Dass sich die so geschröpften Untertanen weigerten, den Festungszins zu zahlen, ist verständlich. Im Falle der zum Schutz vor "vielen auswertigen unchristlichen feinden" und als Bollwerk für Haupt- und Residenzstadt Berlin erbauten Spandauer Zitadelle versuchte Kurfürst Joachim II. die Berliner zu locken, indem er ihnen in Aussicht stellte, dort Dokumente, Tafelsilber, Geschmeide, Bargeld und alles, was ihnen lieb und teuer ist, im Falle einer Bedrohung deponieren zu können. Nach zähen Verhandlungen und heftigen Tumulten gingen die Berliner zwar auf den Vorschlag ein, verstanden es aber, die vom Landesherren verlangte enorme Summe von 100 000 Gulden für den Spandauer Festungsbau auf 60 000 Gulden herunterzuhandeln. Die Untertanen Seiner Durchlaucht sabotierten die Schanzarbeiten, indem sie weniger als die verlangten Tagelöhner entsandten, oder es waren nur Lahme und Kranke darunter, mit denen die Festungsarchitekten nichts anfangen konnten. Dessen ungeachtet entstand, von Wasser umspült, in Spandau eine prächtige Festungsanlage, deren gezackte Umrisse noch heute besonders gut aus der Luft zu erkennen sind.

Der 1578 zum "obersten Artlärey, Zeugk- und bawmeister" ernannte Italiener Rochus von Lynar war ursprünglich in Frankreich tätig und baute die Festung Metz. Nachdem er 1560 zum reformierten Glauben übergetreten war, gab es Auseinandersetzungen mit der katholischen Obrigkeit, und so ging er nach Deutschland, baute erst Dresden zur Festung aus, um dann in die Dienste des brandenburgischen Kurfürsten als Spandauer Festungsbaumeister zu treten. Mit einem Jahresgehalt von tausend Gulden, das war dreimal so viel wie ein Wittenberger Universitätsprofessor bekam, wurde Rochus von Lynar geradezu fürstlich entlohnt, hinzu kamen Naturalien wie Lebensmittel und Futter für acht Pferde, Bier, Wein, Kleiderstoffe, Bausteine und Feuerholz. Der Architekt errichtete sich in Spandau einen - leider nicht mehr erhaltenen - Palazzo und stiftete der örtlichen Nikolaikirche einen Altar, der ihn und seine Familie in reicher Ritterrüstung kniend darstellt. Bestattet ist Rochus von Lynar dort in der Familiengruft.

Berlins Landeskonservator Jörg Haspel ist überzeugt, dass die Skulpturen von der Siegesallee auch in ihrem torsohaften Zustand als Geschichts- und Kunstdenkmäler eine gute Figur machen. Das fachlich vom Berliner Landesdenkmalamt in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum und anderen Sammlungen betreute Skulpturenmuseum wird der Spandauer Zitadelle neue Anziehungskraft bescheren und Besucher aus dem brandenburgischen Umland und von weiter her anlocken, hofft Museumsleiterin Andrea Theissen, die das Projekt eines Lapidariums auf der Spandauer Zitadelle seit Jahren betrieben hat und nun glücklich ist, dass alles geschafft ist und die Siegesallee-Figuren und weitere Bildhauerarbeiten in der Festung für allemal ein sicheres Dach über den Kopf erhalten haben.

Tresor des Reichskriegsschatzes

Erinnert sei, dass nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 im Juliusturm auf dem Gelände der Zitadelle der aus Kontributionsgold bestehende deutsche Reichskriegsschatz im Wert von 120 Millionen Mark eingelagert wurde. Konkret setzte sich der Reichskriegsschatz aus einhundert Millionen Mark in Zwanzig-Mark-Stücken und zwanzig Millionen Mark in Zehn-Mark-Stücken zusammen. Die in dem steinernen, durch eine feste Eisentür gesicherten Tresor eingelagerten Goldmünzen wurden in einem großen Kraftakt hauptsächlich in der Berliner Münze (Münzzeichen A) mit dem Kopf des preußischen Königs und deutschen Kaisers Wilhelms I. geprägt. Das Gold hat man in 1200 Kisten mit je 100 000 Mark verpackt. Es wird erzählt, dass bei dem unter strengen Sicherheitsvorkehrungen verlaufenen Transport in die Festung Spandau eine Goldkiste vom Wagen gefallen sein soll. Der ehrliche Finder habe sie zurückgegeben und sogar auf den Finderlohn verzichtet. Laut Gesetz wurde der Goldschatz "zu Ausgaben nur für Zwecke der Mobilmachung" angelegt. Aus der Vergangenheit wusste man, dass die Mobilisierung und Ausrüstung von Truppen im Vorfeld eines Krieges immer wieder mit Schwierigkeiten verbunden ist, und dem wollte man ein für allemal begegnen.

In der Nazizeit hat man in streng abgeschirmten Gebäuden Untersuchungen zur Herstellung von Giftgas vorgenommen, womit die Zitadelle ein Erinnerungsort auch für Verbrechen der Hitlerdiktatur wurde. Dass hohe Nazifunktionäre und Kriegsverbrecher wie Rudolf Heß und Albert Speer nach dem Nürnberger Prozess 1946 in die Zitadelle eingewiesen wurden, ist eine zählebige Legende. Tatsächlich saßen sie in einer zum Kriegsverbrechergefängnis umfunktionierten Kaserne an der Wilhelmstraße. Das aus der Kaiserzeit stammend Gebäude wurde nach dem Selbstmord von Heß im Jahre 1987 abgerissen, um Neonazis keinen Wallfahrtsort zu bieten.

22. September 2017

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