Wer dieser Tage auf der Berliner U-Bahnlinie 5 von Hönow zum Hauptbahnhof oder zurück fährt, ist mit sich ziemlich allein. Wegen der Anti-Corona-Maßnahmen sind weniger Menschen als sonst unterwegs, in den Feiertagen fehlten auch die Touristen, die sonst die Straßen bevölkern. Irgendwann wird sich das öffentliche Leben erholen. Derweil wird da und dort gefragt, wo denn das berühmte Archäologische Fenster bleibt, das im U-Bahnhof Rotes Rathaus eingerichtet werden und in dem über dort bei Ausgrabungen ans Tageslicht geförderte Funde informiert werden sollte. Auf diese Attraktion wird man wohl noch eine Weile warten müssen.
Aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen war kurz vor Weihnachten 2020 nur diese lapidare Information zu vernehmen: "Es gibt für das Archäologische Fenster ,Altes Berliner Rathaus' eine Bedarfsplanung aus dem Jahr 2017. In ihr enthalten sind Planunterlagen zur Ausgestaltung, die u. a. einen Zugang über den Keller des Roten Rathauses sowie ein Schaufenster im Treppenaufgang zum U-Bahnhof vorsehen. Die Bedarfsplanung umfasst neben Erläuterungen zur Notwendigkeit der Maßnahme auch ein Betreiberkonzept und eine voraussichtliche Kostenermittlung. Zur Übernahme der Bauherrenschaft, der Erstellung eines detaillierten und finanziell unterlegten Nutzungs- und Betreiberkonzeptes finden derzeit Abstimmungen statt." So darf man sich freuen, dass der Blick in Berlins älteste Geschichte irgendwann geöffnet wird.
Archäologische Fenster werden dort eingerichtet, wo archäologisch interessante Strukturen nicht zerstört werden sollen beziehungsweise nur mit sehr großem Aufwand aus dem Boden geborgen werden können. Einblicke mithilfe Archäologischer Fenster in die Geschichte werden an Orten angelegt, an denen man eine bestimmte Fundsituation nicht verändern, sondern vor Ort belassen möchte, um sie der Öffentlichkeit zu zeigen. Sie schützen historische, oft sehr fragile Strukturen vor Wettereinflüssen sowie vor Berührung und Beschädigung, und ermöglichen es, Funde und Fundsituationen von außen durch Glasscheiben oder Gitter zu betrachten. Es gibt auch historisch interessante Örtlichkeiten im Inneren von Gebäuden, bei denen man besondere Barrieren nicht braucht.
Anfänge der Stadt erlebbar machen
In einem Interview mit der Berliner Zeitung vom 8. Dezember 2020 erklärte Landesarchäologe Matthias Wemhoff, der U-Bahnhof Rotes Rathaus sei ohne das Archäologische Fenster und ohne diese stadtgeschichtlich so wichtige Zone unvollständig. Die Frage, was denn das Publikum sehen würde, beantwortete der Landesarchäologe so: "Einen wirklich fantastischen archäologischen Befund: das mittelalterliche Rathaus." Beim Abriss des alten Berliner Rathauses im Vorfeld des Neubaus des Roten Rathauses habe man an spätere Generationen gedacht. "So hat man zwar die Gewölbe des Kellers abgebrochen, aber an den Pfeilern zum Teil die Ansätze der Gewölbe sichtbar erhalten. Wenn das Archäologische Fenster einmal fertiggestellt sein wird, haben wir eine Halle vor uns, die von insgesamt 27 Pfeilern gegliedert ist. [...] Das Gewölbe im Keller schützte die wertvollen Waren zum Beispiel vor Vernichtung durch Brände. Im Stockwerk über der Tuchhalle lagerten ebenfalls Waren; erst darüber lag der Festsaal. Das Rathaus als Ort der Kaufmannschaft und der verfassten Stadtgemeinde demonstriert die Bedeutung der mittelalterlichen Stadt. Deshalb hat es in unserem Konzept, die Anfänge der Stadt erlebbar zu machen, enorme Bedeutung", stellt Wemhoff.
Repräsentieren die Archäologischen Fenster im Schloss, heute Humboldt Forum, den Landesherrn, und auf Petriplatz Friedhof und Schule, so sollen am U-Bahnhof Rotes Rathaus Einblicke die Geschichte der Bürgerschaft ermöglicht werden. Leider lässt Matthias Wemhoff offen, woran es liegt, dass der schon vor längerer Zeit ausgearbeitete Plan bisher nicht verwirklicht wurde, die im Koalitionsvertrag als vordringlich bezeichnete und durchkalkulierte Fundsituation im Untergrund des Roten Rathauses zu zeigen. Wie die Auskunft von der Senatsaverwaltung erkennen lässt, ist das Projekt "in Arbeit", und das ist eine gute Nachricht für alle, die sich für die Geschichte Berlins interessieren.
Geschichtsstunde in der Zitadelle Spandau
Eine Auswahl der in den vergangenen Jahren bei Grabungen in der Mitte Berlins gefundenen Keramik- und Glasscherben, Metallgegenstände und anderen Objekte wird im Neuen Museum auf der Museumsinsel, in der Nikolaikirche sowie im Märkischen Museum ausgestellt. Im Neuen Museum zeigt das Museum für Vor- und Frühgeschichte unter vielen anderen interessanten Fundstücken auch den bei der Öffnung eines schon vor langer Zeit zugeschütteten Gewölbes der Kirche des Dominikanerklosters zu Cölln an der Spree gemeinsam mit Särgen weiterer Familienmitglieder freigelegten Blei-Zinn-Sarkophag des 1652 verstorbenen Feldherrn, Diplomaten, Johanniterritters und Oberkammerherrn Konrad von Burgsdorff. Ungewöhnlich ist, dass man den Hofbeamten mit dem goldenen Johanniterkreuz bestattet hat, denn üblicherweise wurden Insignien toter Johanniter an neue Ritter vergeben. Nicht auffindbar waren bei den Grabungen im Zusammenhang mit dem Bau des Humboldt-Forums die Särge der brandenburgischen Kurfürsten Johann Cicero, Joachim I. und Joachim II. Nach ihnen hatte bereits Kaiser Wilhelm II. suchen lassen. Andere Vorfahren sind in der Hohenzollerngruft des Berliner Doms bestattet. Sie ist aktuell wegen umfassender Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten geschlossen. Die Neueröffnung ist für das Jahr 2023 vorgesehen.
In den Altstädten Spandau und Köpenick kann man in Archäologische Fenster schauen udndamit an einer Geschichtsstunde teilnehmen. Sie entstanden in Spandau durch Zusammenarbeit des Museums für Vor- und Frühgeschichte mit dem damaligen Archäologischen Landesamt und werden vom Stadtgeschichtlichen Museum Spandau betreut. Sehenswert sind das "Archäologische Fenster Burg Spandau" in der Zitadelle Spandau, der Archäologische Keller am Reformationsplatz und das Gotische Haus in der Breite Straße 32. Das Archäologische Fenster auf der Spandauer Zitadelle präsentiert in einem Schauraum Überreste einer slawischen Holz-Erde-Mauer, einer steinernen Burgmauer und der Schlossanlage aus der Renaissancezeit. Bemerkenswert sind jüdische Grabsteine aus dem Mittelalter, die in alten Zeiten zum Bau der Burg genutzt wurden. Das vom Landesdenkmalamt Berlin mit dem Kunstgewerbemuseum auf der Schlossinsel Köpenick eingerichtete "Archäologische Fenster" ist Teil der Dauerausstellung des Kunstgewerbemuseums. Dort sind auch Fundstücke wie der Knabenkopf aus der Barockzeit sowie Objekte aus Stein, Keramik, Glas und Metall zu sehen, die in Baugruben geworfen wurden, weil man ihnen keinen Wert beimaß.
1. Januar 2021
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