König ohne Land
Warum August der Starke mehrere Jahre in Polen nicht herrschen durfte und wie er den Verlust der Krone auf Münzen verschleierte



August der Starke drückte einem ganzen Zeitalter seinen Stempel auf und hinterließ in Sachsen vielfältige Spuren in Form von Kunst- und Juwelensammlungen sowie repräsentativen Bauten. Das Medaillon mit dem Bildnis Augusts des Starken wurde vom Hofjuweliers Melchior Dinglinger geschaffen.



Friedrich August I. trat seine Herrschaft als Hercules saxonicus an, abgebildet ist der Held auf einer Medaille von 1694 mit Dresden im Hintergrund.



Prinz Conti schickt auf der Medaille von 1697 seine Truppen zur hoch über der Elbe gelegenen, uneinnehmbaren Festung Königstein, hat aber keinen Erfolg.



Als unüberwindbarer Herrscher und Hercules saxonicus sah sich der Kurfürst von Sachsen und König von Polen am liebsten, hier dargestellt auf eine Medaille von 1697 in der "Saxonia numismatica" des Wilhelm Ernst Tentzel.





Das Monogramm AR für Augustus Rex (König August) erscheint auf dem Zweidritteltaler von 1708 und weiteren bis 1710 geprägten Kursmünzen, aber auch auf dem so genannten Schmetterlingstaler zu 32 Groschen ohne Jahreszahl und kleineren Werten mit diesem Motiv. Seine Bedeutung ist nicht geklärt. Vielleicht will das ungewöhnliche Bild andeuten, dass aus einer Raupe ein prächtiger Falter wird, so wie Sachsen unter August dem Starken wieder schön wird und seine alte Kraft und Herrlichkeit zurück gewinnt.



Der prächtig gefeierte Besuch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. 1728 in Dresden und viele andere Anlässe wurden durch Talerklippen gewürdigt, die ein kleines, aber feines Sammelgebiet bilden.



Das vom Palais Wackerbarth stammende, am Dresdner Johanneum befestigte Relief aus dem Jahr 1730 zeigt August den Starken drei Jahre vor seinem Tod.



Der Kupferstich zeigt Dresden und die mächtige Kuppel der Frauenkirche im 18. Jahrhundert. (Fotos/Repros: Caspar) Sachsen und sein Geld, das ist eine lange Erfolgsgeschichte und ein weites Feld. Die reiche Silberausbeute ihre erzgebirgischen Bergwerke brachte den Kurfürsten und ab 1806 Königen Wohlstand und Macht. Diese Vorteile waren, wie die Geschichte des Landes zeigt, kein Garantieschein, denn es gab auch Perioden des Elends und Abstiegs. Unzählige, oft prächtige Münzen und Medaillen sind Ereignissen und Gestalten der Landesgeschichte gewidmet. Sie alle zu sammeln, ist eine dankbare, aber kaum zu schaffende Aufgabe. Viele Stücke sind auch heute noch relativ preiswert zu haben, doch gibt es ausgesprochene Raritäten, für die man sehr viel Geld bezahlen muss.

Schon im frühen 18. Jahrhundert kamen die ersten Münz- und Medaillenkataloge über die "Saxonia numismatica" mit Bildern und Beschreibungen heraus. Sie sind auch heute interessante Quellen der Freude und Belehrung. Seither wurden die numismatischen Hinterlassenschaften der Sachsen nach allen Seiten und bis in den letzten Winkel erforscht und publiziert. Das Dresdner Münzkabinett besitzt die bedeutendste Sammlung sächsischer Gepräge und zeigt im Dresdner Schloss eine repräsentative Auswahl. Die in der Zeit Augusts des Starken gefertigten Münzen und Medaillen spielen dort eine herausragende Rolle.

Mühen um den polnischen Thron

Am 17. Januar 1696 starb der polnische König Jan III. Sobieski. Da die Rzeczpospolita polska eine Wahlmonarchie war, wurden Kandidaten für die Königskrone aufgestellt. Deren Besitz versprach Einfluß und Reichtum, schließlich war das Land damals viermal so groß wie die heutige Republik. Mehrere Herrscherhäuser bewarben sich um die Krone, unter ihnen auch der aus nach dem überraschenden Tod seines Bruders Johann Georg IV. auf den Thron gelangte Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen, besser bekannt als August der Starke. "Das ganze Land jubelte", behauptete der Kurfürst, "mich an die Stelle meines Bruders treten zu sehen, da man mein sanftes Gemüt kannte. Ich hatte seit dem 18. Jahre nur militärische Studien getrieben, und nicht die geringste Kenntnis von den Geschäften. Mein einziger Wunsch war kriegerischer Ruhm."

Für Friedrich August war es reizvoll, Sachsen und Polen zu verbinden und über eine Doppelmonarchie von europäischem Format zu herrschen. Er kannte die Pläne des Sonnenkönigs Ludwig XIV., Frankreich und Spanien durch familiäre Bande zu einen und in ein Großreich zu verwandeln. Er wusste auch, dass Kurfürst Georg Ludwig von Hannover bestimmt war, den englischen Thron zu besteigen. Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg plante den Erwerb der preußischen Königskrone. Da wollte der Sachse nicht hinten anstehen. Durch Kriege, Annexion aufgrund fragwürdiger Besitzansprüche, aber auch durch Heirat das eigene Territorium zu vermehren, war damals üblich. Die Ergebnisse schlugen sich in einer langen Aufzählung von Titeln auf Urkunden sowie auf Münzen und Medaillen nieder.

Mehrere Kandidaten bemühten sich 1697 um die polnische Königskrone: der französische Prinz François Louis de Conti, der von Ludwig XIV. favorisiert wurde, ferner der Sohn des 1696 verstorbenen polnischen Königs, Jakub Sobieski, sodann Markgraf Ludwig von Baden, der wegen seiner Erfolge als Feldherr "Türkenlouis" genannt wurde, und schließlich Friedrich August von Sachsen. Bei seiner Bewerbung spielte Geld eine große Rolle, und so flossen tausende Dukaten in die Taschen hoher und niedriger Würdenträger, die zur Wahl des neuen Königs aufgerufen wurden. Die riesigen Summen, die für die Königswahl, die Krönung und später für Kriege und die luxuriöse Hofhaltung gebraucht wurden, beschaffte sich der Sachse durch Verkauf oder Verpfändung von Landesteilen und Gebäuden sowie Anleihen und Manipulationen im Münzwesen, aber auch indem er reiche, in Ungnade gefallene oder kriminelle Machenschaften verwickelte Personen enteignete und ins Gefängnis steckte.

Spatz in der Hand oder Taube auf dem Dach

Friedrich August gelang es, die "Conti-Partei" für sich zu gewinnen, nachdem die Anhänger des Prinzen erfahren hatten, die französischen Bestechungsgelder würden erst gezahlt, wenn Conti gewählt ist. Angesichts der "Tauben auf dem Dach" war der von Kursachsen gebotene "Spatz" in Gestalt von bergeweise bereit gestellten Dukaten und Talern für die Wahlmänner verlockender. Bei der knappen Entscheidung für den Kurfürsten von Sachsen kam hinzu, dass es am Vorabend des Spanischen Erbfolgekrieges von 1701 bis 1714 für die Polen gefährlich war, einen Franzosen auf den Thron zu hieven, weil sie sonst einen Krieg mit Russland riskierten. Zar Peter I. wusste, dass Frankreich enge Beziehungen zu seinem Erzfeind Türkei unterhält, und drohte Polen im Falle von Contis Wahl mit Vergeltung. Angesichts möglicher außenpolitischer Verwicklungen wurde in Warschau die Parole ausgegeben: "Wählt den Kurfürsten von Sachsen, wählt den Teufel, nur nicht Conti".

Zwischen Sachsen und Polen bestanden enge wirtschaftliche Beziehungen, doch eines trennte sie: Polen war katholisch und Kursachsen protestantisch. Wenn der Friedrich August den polnischen Thron besteigen wollte, musste er dem Glauben seiner Väter entsagen, die nach 1517 den Wittenberger Reformator Martin Luther beschützt hatten, und sich der katholischen Kirche unterwerfen. Für den ehrgeizigen Sachsen war die Konversion kein Problem, auch wenn er damit seine Untertanen gegen sich aufbrachte. Folgt man zeitgenössischen Berichten, war der Kurfürst in religiösen Dingen tolerant und alles andere als ein protestantischer Eiferer wie seine Vorfahren. Ein Zeitgenosse nannte ihn einen "kleinen Freigeist, der nicht mehr glaubte, als was viele unserer Fürstenkinder insgemein zu glauben pflegen: nämlich dass ein Gott im Himmel sei, sie aber als Fürsten auf Erden tun könnten, was sie wollten." Als Friedrich August zur römischen Kirche überging, habe er noch keine Religion gehabt. Man könne also nicht von ihm sagen, dass er die seinige verändert hätte, er habe nur eine angenommen. War für Friedrich August der Glaubenswechsel kein Problem, so erbosten sich seine "Landeskinder", allen voran die Geistlichkeit, um so mehr über den Verrat. Manche Untertanen riskierten hohe Strafen, wenn sie ihren "gottlosen" Herrscher in die Hölle wünschten.

Hohe Geldgeschenke und viel Branntwein

Als am 26. Juni 1697 die Königswahl auf dem Feld von Wola westlich von Warschau stattfand, votierte bei einer Probeabstimmung nur ein Drittel der Delegierten für Friedrich August, während Jakub Sobieski kaum Stimmen erhielt. Dessen Anhänger schlugen sich auf die sächsische Seite. Da die Conti-Partei den Religionswechsel des Wettiners anzweifelte, wurde dessen schriftliche Erklärung in Umlauf gebracht. Dem Vertrauten des Kurfürsten, Kriegsminister und Generalfeldmarschall Jakob Heinrich Graf von Flemming, gelang es, unsichere Kantonisten mit Versprechungen, hohen Geldgeschenken und viel Branntwein auf die sächsische Seite zu ziehen. So schmolz die profranzösische Partei dahin, und Friedrich August ging als Sieger aus der äußerst knappen, mit Tumulten verbundenen Wahl hervor. Schnell übernahm er in Warschau das Ruder und verteilte an seine polnischen Parteigänger viel Geld.

Als Friedrich August am 15. September 1697 in Krakau zum polnischen König gewählt wurde, nannte er sich fortan August II. Die Namenswahl war Programm, denn sie erinnerte an den ersten römischen Kaiser und daran, dass Polen unter König Sigismund II. August im 16. Jahrhundert eine europäische Großmacht war und eine glänzende Zeit hatte. Der neue Herrscher gelobte, sein Reich zu neuer Blüte zu führen und verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Für ihn wog schwer, dass er laut polnischer Verfassung keinen wirklichen politischen Einfluß besaß. Was immer er entscheiden würde - es musste vom Reichstag, dem Sejm, abgesegnet werden. Wenn es einem Abgeordneten gefiel, konnte er einen Beschluss durch sein Veto torpedieren. In der Adelsverfassung war festgelegt, dass Angehörige der führenden Klasse das Recht zur Rebellion haben, falls der König die Gesetze verletzt oder sich sonst wie "ungebührlich" verhält. Das Vetorecht und die Möglichkeit, Koalitionen und Interessensgruppen zu bilden, führten zu anarchischen Verhältnissen und teilweisen Unregierbarkeit des zwischen Russland und dem Römisch-deutschen Reich, Schweden und dem Habsburgerreich gelegenen Landes mit Zugang zur Ostsee.

Fehlendes Kriegsglück mit blamablen Konsequenzen

Neben den normalen Kursmünzen wurden unter der Herrschaft von August dem Starken zahlreiche Gedenkmünzen sowie Medaillen geprägt, die wichtige Aktivitäten des Herrschers in Form einer "Histoire métallique" der Mit- und Nachwelt kund tun. Unter den Erinnerungsstücken befinden sich auch Klippen in viereckiger und sechseckiger Form. Alle diese Prägungen besaßen große politische Bedeutung, denn sie unterstreichen die Rolle, die der macht- und prestigebewusste Monarch in der deutschen und europäischen Fürstenriege spielte. Allerdings war dem Sachsen das Kriegsglück nicht hold, denn er musste zu Beginn des von 1700 bis 1721 um die Vorherrschaft im Ostseeraum tobenden Nordischen Krieges eine Niederlage nach der anderen hin

Schwedens König Karl XII. zwang August den Starken im Frieden von Altranstädt bei Leipzig am 24. September 1706 als König von Polen abzudanken. Der Artikel 3 des Friedensvertrags zwang ihn, der polnischen Krone entsagen und Polen sowie das mit dem Königreich verbundene Großfürstentum Litauen mit allen Rechten an den polnischen Magnaten und Staatsmann Stanislaus I. Leszczy?ski übergeben, einen Schützling des schwedischen Königs. Ihn musste der ganz und gar nicht starke August als "wahren und legitimen König" anerkennen. Der Sachse wurde zudem verpflichtet, alle Aktivitäten gegen seinen Nachfolger in Warschau sowie Karl XII. von Schweden zu unterlassen und ein mit Zar Peter I. geschlossenes Bündnis aufzugeben. Schließlich sollte er die polnischen Kroninsignien an Stanislaus übergeben. Im Gegenzug durfte August seinen Titel als König behalten, worauf er sich für ein paar Jahre nur noch "Von Gottes Gnaden König und Kurfürst" nannte. Auf sächsischen Münzen aus der Zeit zwischen 1708 und 1710 wird dies durch das gekrönte Monogramm AR für Augustus Rex dokumentiert.

Der Sachse hat die Blamage gegenüber seinen Untertanen durch eine Folge glänzender Feste und teurer Staatsbauten zu kaschieren versucht. Seine Entstehung verdankt der Dresdner Zwinger dem Besuch des dänischen Königs 1709. Um den Festplatz für Turniere, Maskeraden, Tierjagden und Feuerwerk wurden hölzerne Bauten errichtet. August der Starke ließ dieses eigentlich als Vorhof für einen nie verwirklichten Schlossneubau gedachte Provisorium nur wenige Jahre stehen und beauftragte Pöppelmann mit dem Bau von Steingebäude mit reichem figürlichem Sandsteinschmuck. Der Kurfürst und König hätte für sich und seine Familie nur allzu gern den römisch-deutschen Kaiserthron gesichert. Obwohl sein Sohn Friedrich August (II.) 1719 die Kaisertochter Maria Josepha heiratete, wurde dieses ehrgeizige Ziel nicht erreicht. Für die Hochzeitsfeierlichkeiten bot der Zwinger eine prächtige Kulisse.

August der Starke wäre nicht August der Starke gewesen, wenn er sich mit seiner Entthronung abgefunden hätte. Nie gab er die Hoffnung auf, eines Tages als König wieder nach Warschau zurückzukehren. Um seine Ambitionen zu fördern, stiftete er 1705 den polnischen Orden vom Weißen Adler nach dem Vorbild des preußischen Schwarzen Adlerordens. Als Schweden in der Schlacht von Poltawa am 8. Juli 1709 von Peter I. geschlagen wurde, wendete sich das Blatt. August der Starke erklärte den Friedensvertrag von Altranstädt und damit auch seine Abdankung als König von Polen für ungültig. In seiner alten Position gestärkt, ging er zügig daran, seine Macht als absolut, also ohne Einschränkungen durch die Landstände, regierender Herr auszubauen. Die triumphale Rückkehr nach Polen festigte sein Ansehen in der europäischen Fürstenfamilie. Wieder in die alten Rechte eingesetzt, ließ er die Münzstempel aktualisieren und wieder mit den kurfürstlichen und königlichen Titeln versehen.

Glanz und Gloria in Elbflorenz

Der Traum des Kurfürsten und Königs, durch Verheiratung seines Sohnes Friedrich August (III.) mit der Kaisertochter Josepha eine Anwartschaft auf die deutsche Kaiserkrone zu erlangen, scheiterte. Ebenso blieb es ihm Starken versagt, als Feldherr zu glänzen und militärischen Ruhm zu erwerben. Dankbar sind wir dem berühmtesten Sachsenherrscher, dass er aus Dresden das berühmte "Elbflorenz" gemacht und auch eine stolze Folge von Münzen und Medaillen hinterlassen hat, die wichtige Stationen seines Lebens prächtig und haltbar würdigt. Das Dresdner Münzkabinett besitzt fast alle Ausgaben und kann auch an Dokumenten und Zeichnungen nachweisen, dass August der Starke für diese Spezies talentierte Künstler beschäftigt und viel Geld ausgegeben hat. Auch war der Kurfürst und König persönlich an der Gestaltung von Münzen und Medaillen beteiligt.

Schauen wir nach Sachsen ein Jahrhundert später. Längst war die der Glanz des nach August dem Starken und seinem Sohn und Nachfolger Friedrich August II., als König von Polen August III., benannten Zeitalters verblasst. Das Land hatte mit viel Fleiß und eisernem Sparwillen die Folgen des Siebenjährigen Kriegs (1756-1763) ausgeglichen, spielte aber im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, verglichen mit dem Nachbarland Preußen, eine eher untergeordnete Rolle. Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815, die König Friedrich August I., tapfer an der Seite Napoleons I. kämpfend, verlor, musste das Land große Einbußen hinnehmen. Seine Könige beherrschten nur noch über 15 000 Quadtratkilometer und etwa vier Millionen Einwohner. Sachsen zehrte von altem Glanz. Man war auf das "augusteische Zeitalter" stolz und konzentrierte sich vor allem auf kulturelle Dinge und wirtschaftliche Prosperität, während das Militärische eine untergeordnete Rolle spielte. Dank des sprichwörtlichen Fleißes der Sachsen und guter Standortbedingungen stand der Staat der Wettiner wirtschaftlich gut da, ja er war nach der Reichseinigung von 1871 wegen der entwickelten Arbeiterbewegung und seiner Opposition gegenüber dem Kaiser in Berlin und der Reichsregierung sogar als "rotes Sachsen" gefürchtet.

29. September 2021

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