Jahre der Freiheit und des Terrors
Frankreichs nach 1789 eingeführter Revolutionskalender wurde 1805 von Kaiser Napoleon I. wieder abgeschafft





Die Wut des vom König sowie dem Adel und der Geistlichkeit, den beiden ersten Ständen in Frankreich, ausgepressten und entrechteten Volkes entlud sich am 14. Juli 1789 im Sturm auf die Pariser Bastille.



Die Kupfermünze zu einem Sol (Sou) ist mit 1792 und An II doppelt datiert. Die Inschrift auf der Rückseite betont die Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz. Die schon in der römischen Republik als Zeichen staatlicher Macht verwendeten Fasces mit der Jakobinermütze werden von einem Eichenkranz gerahmt.



Unter dem Motto "Frei leben oder sterben" schwören die Nationalgarden auf der Medaille von 1793 der Brüder Monneron im Wert von fünf Sols auf die Verfassung.



Ludwig XVI. empfängt unter Trommelwirbel kirchlichen Beistand, bevor er am 21. Januar 1793 in Paris unter der Guillotine seinen Kopf verliert.



Tabellen wie diese mit dem Symbol und Motto der Französischen Republik vermerken die Dekaden, Monate und Tage im Jahr III der Republik (1794) und halfen den Franzosen, sich im neuen Revolutionskalender zurecht zu finden.



Die in der Zeit nach Abschaffung der Monarchie geschaffenen Symbole für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit waren sie beliebt, dass sie auch lange Zeit nach der Revolution von 1789 auf französischen Münzen aus Gold und Silber erscheinen.





Die Medaille auf den Einzug von Napoleon Bonaparte als Sieger im Krieg mit Österreich und Bayern ist mit AN VIII (1800) datiert. Aus dem gleichen Jahr stammt die achteckige Medaille auf die Initiative des Ersten Konsul gegründeten Bank von Frankreich. (Fotos/Repros: Caspar)

Als das Volk von Paris am 14. Juli 1789 das berüchtigte Staatsgefängnis, die Bastille, stürmte, waren sich König Ludwig XVI. und seine aus Österreich stammende Gemahlin Marie Antoinette des Ernstes der Lage nicht bewusst. "Rien - Nichts geschehen" schrieb der König über den Tag der Tage in seinen Kalender. Erst langsam dämmerte ihm und seinesgleichen, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Ein schlecht vorbereiteter Fluchtversuch endete im Juni 1791 in Varennes, kurz vor der belgischen Grenze. Der als Dienstbote verkleidete König war durch Vergleich mit seinem Münzporträt erkannt worden. Unter Spottgesängen wurde das Paar im Triumphzug nach Paris gebracht und seiner Macht entkleidet. Bis zum Ende der Monarchie ein Jahr später war Ludwig XVI. als Staatsoberhaupt auch auf den neuen, mit dem Genius der Freiheit geschmückten Münzen zu sehen.

Ludwig XVI. wird als kraft- und entschlussloser Herrscher geschildert. Absolut regierend und keine Macht neben sich duldend, war er der sich verschärfenden Staats- und Finanzkrise in seinem Land nicht gewachsen und agierte auch im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen England ohne Glück. Er brauchte sieben quälende Ehejahre, bis er nach Überwindung einer Phimose endlich mit seiner Gemahlin ein Kind zeugen konnte. Statt sich um die Staatsgeschäfte zu kümmern, reagierte der Monarch, ein Hüne von Mann mit durchschnittlichem Verstand und "Blei im Blut", wie man sagte, seine Körperkräfte bei der Jagd und in seiner exquisit eingerichteten Metallwerkstatt ab oder verkroch sich in seiner Bibliothek.

Marie Antoinettes Luxusleben

Wenn jemand in Frankreich etwas zu sagen hatte, dann war es seine junge, schöne, leichtlebige Frau Marie Antoinette, eine Tochter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia. Um sie scharte sich ein Klüngel geld- und machtgieriger Hofschranzen, und wer ihr am besten zum Munde redete, hatte Aussicht auf hohe Ämter und reiche Zuwendungen aus der Staatskasse, über deren maroden Zustand sich die in Saus und Braus wie "Gott in Frankreich" lebende Marie Antoinette kein Gedanken machte. So schlitterte Frankreich in eine Staats- und Finanzkrise ungekannten Ausmaßes, und Marie Antoinette half kräftig mit, sie durch Ausgaben für endlose Feste, teure Juwelen und kostspielige Bauten weiter zu verschärfen. Die in Luxus lebende Königin hatte keine Ahnung über die wahren Zustände, und sie wollte auch nichts davon wissen. Als man ihr die Armut im Lande schilderte, soll sie geantwortet haben, wenn die Leute kein Brot hätten, sollten sie doch Kuchen essen.

Bis zu ihrem schmählichen Ende 1793 unter der Guillotine hoffte das nach Ausrufung der Republik im September 1792 seiner Krone beraubte und zu einfachen Bürgersleuten mit dem Familiennamen Capet degradierte Paar, dass ausländische Armeen dem Treiben der Sansculotten (Ohnehosen) und Jakobiner ein Ende setzen. Doch weder fiel das Revolutionsregime in sich zusammen noch konnte die Königsherrschaft restauriert werden. Die schlecht ausgerüsteten, aber hoch motivierten Revolutionstruppen wehrten alle Angriffe der von Österreich, Preußen, England und anderen Staaten sowie Aufstände königstreuer Franzosen im Inneren ab.

Guillotine stand keinen Tag still

Um der Monarchie ein für allemal den Garaus zu machen, wurde Ludwig XVI. vor Gericht gestellt und am 21. Januar 1793 unter dem Gejohle des Volks von Paris enthauptet. Als Marie Antoinette im Herbst vor ihren Richtern stand, warf man ihr alles Schlechte dieser Welt vor - Kollaboration mit ausländischen Mächten, die mit ihren Drohungen, Paris in Schutt und Asche zu legen und blutige Rache zu üben, erst recht das politische Klima weiter anheizten und radikale Revolutionäre auf den Plan riefen. Deren Regime des "Grande Terreurs", des Großen Terrors, kostete tausenden Freunden und Feinden der Revolution das Leben. Die Guillotine, das nach dem Arzt Joseph-Ignace Guillotin benannte Fallbeil, stand keinen Tag still. Marie Antoinette wurde die skrupellose Plünderung der Staatskasse und die Bezahlung ihrer Günstlinge vorgeworfen, ja man schreckte auch nicht vor der - unbewiesenen - Anschuldigung zurück, sie habe inzestuöse Beziehungen zu ihren eigenen Kindern und zu ihrer Schwester gehabt.

Als die Ex-Königin am 16. Oktober 1793, bis zuletzt auf Begnadigung und/oder Flucht hoffend, in Paris öffentlich hingerichtet wurde, ordneten die kaiserlichen Verwandten in Wien und andere gekrönte Häupter Hoftrauer an. Bald aber gingen sie weiter ihren Geschäften nach und arrangierten sich mit der Französischen Republik, die nicht in die Knie zu zwingen war. Johann Wolfgang von Goethe, bestimmt kein Freund der Revolution, kommentierte das Ende Ludwigs XVI. mit den auch für andere gescheiterte Existenzen dieser Kategorie zutreffenden Worten; "Warum denn wie mit einem Besen / Wird so ein König hinausgekehrt? / Wären's Könige gewesen / Sie ständen noch alle unversehrt".

Staats- und Finanzkrise ungeahnten Ausmaßes

Frankreich war unter der Herrschaft Ludwigs XVI. in eine Staats- und Finanzkrise ungekannten Ausmaßes geschlittert. In Nordamerika durch einen Kolonialkrieg gegen England gebeutelt, litt das Land unter großer Misswirtschaft. Von ihrem Gottesgnadentum und Unantastbarkeit überzeugt, schlug Marie Antoinette die Ratschläge ihrer sorgenvoll nach Frankreich blickenden Mutter Maria Theresia leichtfertig in den Wind, sich zu mäßigen und auf ihren Ruf zu achten. Kritik perlte an der Königin von Frankreich ab wie Wasser von einer Ölschicht. Sie nahm auch die bedrohlichen Pamphlete nicht wahr, die schon lange vor der Revolution gegen sie, die "Madame Déficite", veröffentlicht wurden. Auch Ludwig XVI. nahm nicht wahr, wie es im Lande kochte, und er ging auch auf Forderungen seiner Ratgeber nicht ein, die elende Lebenslage seiner Untertanen zu verbessern und sich und seiner Clique einen strengen Sparkurs zu verordnen. Als er sich 1789 dann doch zu kleinen Schritten in Richtung Reform bequemte, war das Spiel schon verloren.

Schaut man sich französische Münzen der Revolutionszeit an, wird man einige auffällige Veränderungen feststellen können. Das für Münz- und Geldwesen sowie Maße und Gewichte geltende Duodezimalsystem wurde durch das weitaus besser handhabbare Dezimalsystem ersetzt. Mit einiger Verzögerung hat man das Dezimalsystem auch in deutschen Ländern sowie anderen Staaten eingeführt, in Großbritannien hielt sich die Einteilung nach "Zwölfern" noch bis 1970. Zwar wurde bis 1792 das königliche Porträt beibehalten, denn Ludwig XVI. war formal noch Staatsoberhaupt. Verändert hat man aber der Titel. Hieß es früher "Ludwig XVI. von Gottes Gnaden König von Frankreich und Navarra", so ist auf den neuen Münzen nur noch "König der Franzosen" zu lesen, was Volksnähe und veränderte Machtverhältnisse betonte. Das königliche Lilienwappen wurde neue, ganz und gar ungewöhnliche Motive ersetzt. So schreibt ein geflügelter Genius auf eine Tafel mit dem Zepter der Vernunft das Wort CONSTITUTION und unterstreicht damit, dass an die Stelle der absoluten Königsherrschaft eine verfassungsmäßige Ordnung tritt, in der alle Macht vom Volk ausgeht, wenigstens auf dem Papier.

Kampf gegen die Macht der Kirche

Das von dem Stempelschneider Augustin Dupré entworfene Bild des Herkules, der von den Symbolfiguren des Rechts und der Einigkeit flankiert wird, wird, da besonders symbolhaltig, bis in die Gegenwart auf Münzen der Französischen Republik verwendet. Dass während der Revolution die schlimmsten Verbrechen und Willkürakte gegen Feinde und Freunde der Republik begangen wurden, muss man sich beim Anblick dieser und weiterer Münzen und Medaillen, die in unser Thema gehören, hinzu denken.

Nach dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 und der schrittweisen Beseitigung der Monarchie wurde im revolutionären Frankreich ein neuer Kalender eingeführt, der sich mit seiner Zählung und den verwendeten Bezeichnungen deutlich vom traditionellen christlichen Kalender unterschied und sich bis 1805 hielt. Die Maßnahme erfolgte im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Macht der Kirche, die neben dem Adel die wichtigste Stütze des Ancien régimes war. Durch die Einführung des neuen Revolutionskalenders wurde der Bezug auf Christi Geburt getilgt. Mit der auch auf Münzen und Medaillen vermerkten Zählung erhielten die traditionellen Monatsnamen neue, auf charakteristische Erscheinungen Jahreswechsel weisende Namen. Zu den Jahresangaben nach christlichem Kalender kam zusätzlich der Hinweis, dass die Münzen im Jahr der Freiheit und der Republik geprägt sind. Sicherheitshalber hat man die Zeit eine Weile noch nach christlicher Tradition angegeben. Neben der Doppelzählung kamen auch Münzen heraus, die nur den Revolutionskalender verwenden.

Rutenbündel und gallischer Hahn

Ein System in der Zeitrechnung mal so und mal so ist nicht zu erkennen. Weitere Zeichen der radikalen Umbruchs sind die aus der römischen Antike übernommenen Rutenbündel (Fasces), die phrygische Mütze und der gallische Hahn als Symbole der den alten Eliten abgetrotzten Freiheit. Auf den letzten Gold und Silbermünzen mit dem Königsbild tritt zur traditionellen Jahreszahl 1792 die neue Zeitangabe L' AN 4 DE LA LIBERTÉ. Das vierte Jahr der Freiheit wird ab dem Sturm auf die Bastille im Sommer 1789 gerechnet. Nachdem der König seinen Kopf verloren hatte, ersetzte man ihn durch eine Wertangabe im Eichenkranz. Der Buchstabe A darunter bezeichnet die Münze zu Paris als Herstellungsbetrieb. Die Umschrift REPUBLIQUE FRANÇAIS nennt die neue Staatsform, und die Rückseite verkündet die Herrschaft des Rechts. Erst unter Kaiser Napoleon I., der die Kirche zu seinem Machterhalt benötigte, kehrte das Empire français 1805 zur alten christlichen Zählung zurück.

Am 22. September 1792 schaffte der Nationalkonvent die Monarchie ab. Zugleich beschloss er den Beginn des "Jahr I der Republik". Vorangegangen war der Sturm auf das königliche Schloss in Paris, die Tuilerien, am 10. August 1792, der dem Königtum den Rest gab. Bei den Neuwahlen nach der mit vielen Todesopfern verbundenen "Zweiten Revolution", wie man in Frankreich sagt, kam es zu einem politischen Linksruck, der radikale Kräften um Maximilien Robespierre an die Spitze des Landes führte. Alle staatlichen Institutionen und die Bürger waren verpflichtet, die geänderte Jahreszahl und folgende Datierungen zu übernehmen. Am 5. Oktober 1793 entschied der Nationalkonvent, auch die Namen der Monate und Tage zu verändern. Danach bestand der neue Jahreskalender aus zwölf Monaten, drei Dekaden zu je 30 Tagen sowie fünf, im Schaltjahr sechs Ergänzungstagen. Das Revolutionsjahr begann mit dem Vendémiaire (Weinlesemonat) und endete mit dem Fructidor (Obstmonat). Um die Verwirrung zu lindern, hat man Plakate und Kalender gedruckt, die die neuen Monate und Tage auflisten. Um Ruhe in die Kalenderreform zu bringen, hat man ihn nicht rückwirkend angewendet. Deshalb bekamen Daten vor dem 22. September 1792 den Zusatz E.V. (Ère Vulgaire), womit die "gewöhnliche Ära" gemeint war.

Verwirrende Zählung hatte nicht lange Bestand

Um den Franzosen den Umgang mit dem neuen Kalender zu erleichtern, hat man anfangs neben die neuen Bezeichnungen auch die entsprechende Jahreszahl nach christlichem Kalender gesetzt, also 1793 oder 1794. Die Zeit des Direktoriums wurde als Jahre 4 bis 7 (1795 bis 1797) bezeichnet, die des Konsulats mit Napoleon Bonaparte als führendem Kopf wurde mit den Jahren VIII bis IX angegeben, also 1799 bis 1803. Als Erster Konsul beherrschte Napoleon Bonaparte sein Land in den Jahren XI und XII, das heißt 1803 und 1804. Als ihm diese Würde nicht mehr ausreichte, krönte er sich am 2. Dezember 1804 im Beisein von Papst Pius VII. in der Pariser Kathedrale Notre Dame zum Kaiser der Franzosen. Alle Staatsakte fanden auf Münzen und mehr noch auf Medaillen reichen Niederschlag. Die für uns heute verwirrende Zählung wurde 1805 von Napoleon I. offiziell im Jahr XIV (14) abgeschafft, das am 23. September 1805 begonnen hatte. Ab 1. Januar 1806 galt wieder der christliche Kalender. Auch diese Umstellung lässt sich auf Münzen und Medaillen gut nachvollziehen.

Über die verschiedenen Zählungen einschließlich der im Lauf der Geschichte eingeführten und wieder abgeschafften Kalendarien, Jahresanfänge, bewegliche Feiertage und ähnliche auch für Münzfreunde und -forscher wichtige Informationen gibt es eine Vielzahl Literatur und Tabellen. Empfohlen sei das auch als Nachdruck und in neuen Bearbeitungen verfügbare "Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit" von Hermann Grotefend, das der Schweriner Archivar im 19. Jahrhundert herausgebracht hat.

20. November 2021

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