"In höchster Gegenwart"
Wenn Landesfürsten ihre Prägeanstalten inspizierten, erhielten sie manchmal auch Münzbesuchstaler



Geschafffen zwischen 1470 und 1515, stellen die mit etwa 2500 farbenprächtigen Miniaturen geschmückte Chronik des Diebold Schilling zum Kostbarsten, was das Spätmittelalter in der Schweiz hinterlassen hat. Eine dieser Buchmalereien zeigt den Besuch feiner Herren in einer mittelalterlichen Münzwerkstatt.



Der Besuch des Zaren Alexanders I. und weiterer Staatsgäste in der Pariser Münze am 25. Mai 1814 war ein von vielen Menschen beobachtetes Spektakel, das auf dem Gemälde von Edouard Pingret lebhaft ausgemalt wurde.



Die klippenförmige Medaille wurde 1775 auf den Münzbesuch des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel und seiner Gemahlin in Kassel geprägt.



Der Besuch von Zar Peter dem Großen in der Pariser Münzen war 1717 die Prägung aufwändig gestalteter Medaillen wert. Die lateinische Rückseiteninschrift VIRES AQUIRIT EUNDO lässt sich mit "Kraft im Laufen gewinnen" übersetzen.



Kaiserin Maria Theresia I. auf einer Münzbesuchsmedaille von 1754, hinter dem Genius auf der Rückseite steht eine Spindelpresse. Das Motto AUREA CONDET SECULA verheißt den Anbruch eines Goldenen Zeitalters.



Das Bild der Clio und Moneta an der Spindelpresse erscheint auf einer Medaille von 1804 zur Eröffnung der Pariser Medaillenmünze und auf späteren Besuchsmedaillen. Darunter eine kleine Medaille von 1813 zum nicht erfolgten Besuch der Kaiserin Marie Louise in der Parier Medaillenmünze.



Der seltene Kronprinzentaler wurde zum Besuch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. und des Thronfolgers 1812 in der Berliner Münze.



Der Gedenktaler von 1839 erinnert an die Visite sächsischer Prinzen und Prinzessinnen in der Münze zu Dresden.



Einfallslos gestaltet sind die sächsischen Münzbesuchsmedaillen in der Größe eines Zweimarkstücks, wie das Beispiel aus dem Jahr 1905 zur Visite von Friedrich August III. in Muldenhütten zeigt.





Die Eisenmedaille von 1918 verbindet die Vorderseite eines Dreimarkstücks mit dem Kopf von Ludwig III. mit einer Spindelpresse, darunter Medaillen für Besucher des Pariser Münz- und Medaillenmuseums am Quai de Conti. (Fotos/Repros: Caspar)

Wer sich für die Geschichte der Münztechnik und von Münzstätten interessiert, stößt bald auf Gedenkprägungen aus Anlass des Besuchs der durchlauchtigsten Herrschaften in landeseigenen Münzstätten. Solche Münzbesuchstaler oder -medaillen bilden ein reizvolles und ausbaufähiges Sammelgebiet innerhalb des kaum zu überschauenden Gebiets "Numismatica in nummis". Viele dieser in wachsender Zahl seit der zweiten Hälfte des 18., vor allem aber im 19. Jahrhundert emittierten Ausgaben sind selten. Denn die Inspektion von Prägefabriken war kein solch herausragender Termin wie Thronbesteigungen und Krönungen, gewonnene Schlachten und Friedensschlüsse oder auch Grundsteinlegungen und Denkmalweihen, die durch Münzen und Medaillen in größerer Stückzahl gewürdigt wurden.

Einen wahren Boom solcher Erinnerungsgepräge gab es in den Jahren 1814 und 1815, also in den Jahren, als nach dem Sieg über Kaiser Napoleon I. europäische Fürsten und ihre Minister in Paris weilten und über Neuordnung Europas und die Wiederherstellung des Ancien régimes, also der Königsherrschaft der in der französischen Revolution zwanzig Jahre zuvor abgesetzten Bourbonen, verhandelten. Paris war damals "das" Mekka aller Münztechniker. Hier studierte man neuartige Prägeverfahren und -maschinen und konnte solche für das eigene Land kaufen. Keine Person von Rang und Stand ließ es sich nehmen, die Prägeanstalt an der Seine zu besichtigen, die kurz vor 1800 damit begann, dem neuen starken Mann Frankreichs, Napoleon Bonaparte, ab 1804 Kaiser Napoleon I., mit einer Flut symbolträchtiger Medaillen zu huldigen. In einem Katalog des Sammlers L. Bramsen sind die meisten Gepräge beschrieben, darunter auch zahlreiche Münzbesuchsmedaillen. Wer intensiv sucht, findet mehrere Dutzend Exemplare, die oft in der Größe eines Fünf- oder Zweifrancsstücks geprägt wurden. Einige Besuchsmedaillen werden auch heute als gekennzeichnete Nachprägungen der Pariser Medaillenadministration angeboten.

Einfallslos mit Kopf und Schrift

Die Gestaltung vieler Münzbesuchsmedaillen ist von erstaunlicher Einfallslosigkeit. Man hat den schon für andere Medaillen verwendeten Vorderseitenstempel mit einem Kopf oder einer Büste, manchmal auch mit einem Doppelbildnis mit einer auf den Besuch bezogenen Inschrift kombiniert. Das half Kosten zu sparen und erfüllte doch seinen Erinnerungszweck. Zum Glück gibt einige Ausnahmen, etwa die Darstellung von Landeswappen statt des Kopfes oder gar von niedlichen Putten auf einer Medaille anlässlich des Besuchs des westfälischen Königspaars. Im Fall einer kleinen Münzbesuchsmedaille der Kaiserin Marie Louise von 1813 rangen sich der Chef der Medaillenmünze Dominique Vivant Denon und der Stempelschneider Nicolas Brenet zu einer Spindelpresse unter dem strahlenden Monogramm ML durch. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass dieser Besuch nicht stattgefunden hat. Schon 1804 wurde eine mit dem Kopf des Kaisers und den antiken Göttinnen Clio (Geschichtsschreibung) und Moneta (Münzkunst) geschmückte Medaille auf die Eröffnung der Monnaie de la Médailles geprägt. Das Rückseitenmotiv war so beliebt, dass es auf späteren Münzbesuchsmedaillen immer wieder verwendet wurde.

Als Napoleon I. noch der mächtigste Mann in Europa war, kamen viele Potentaten zum Rapport in die französische Hauptstadt. Zum Besuchsprogramm stand auch eine Visite in der Prägeanstalt am Ufer der Seine. Der von hochrangigen Beamten der Anstalt kommentierte Anschauungsunterricht verfolgte praktische Ziele. Denn da sich die Pariser Münz- und Medaillenanstalt auf dem neuesten Stand der Technik befand, war man an der Vorführung aktueller Herstellungsverfahren interessiert, weil man zuhause die eigene Geldfabrikation modernisieren und auch französische Geräte kaufen wollte. Schaut man sich das Buch von L. Bramsen "Médaillier Napoléon le Grand" (1904-1913, Nachdruck Hamburg 1977) an, den wohl umfangreichsten Katalog zu diesem Thema, so weilten der Papst und die Kaiser von Russland und Österreich, die Könige von Preußen, Sachsen und Württemberg, die Königin von Holland sowie andere Herrschaften in der Pariser Medaillenmünze. Nach den gekrönten Häuptern besichtigten auch Prinzen und Prinzessinnen, Minister und Diplomaten ebenfalls die Münzstätte an der Seine und erhielten Besuchsmedaillen mit figürlichen Darstellungen einschließlich einer Spindelpresse oder nur mit einem Hinweis auf eine solche Visite.

Zar Peter bekam schöne Goldmedaille

Auch in anderen Ländern und Städten wurde es Usus, dass man solchen Gästen Erinnerungsprägungen überreichte. Dass bei den Besuchen der Pariser Prägeanstalt das Interesse der gekrönten Häupter an der praktischen Geldherstellung geweckt wurde, ist anzunehmen. Über eine Besichtigung des russischen Zaren Peter I., des Großen, 1717 wird in dem Buch von Jacob Stählin "Originalanekdoten von Peter dem Großen" (herausgegeben und bearbeitet von Ulf Lehmann, Leipzig 1988, deutsche Erstausgabe Leipzig 1785, S. 26f.) so berichtet: "Als Peter I. in Paris weilte, wurde der Besuch der königlichen Münze für ihn zu einem nachhaltigen Erlebnis. Was war geschehen? Der Zar wollte am Ende der Besichtigung mit eigenen Augen das Prägen einer Medaille erleben. Sogleich ließ der Münzintendant silberne und goldene Rundbleche von gehöriger Medaillendicke herbeibringen und rief dem Münzmeister zu, einen Medaillenstempel herzugeben. ,Was für einen? fragte dieser. ,Gleichviel, antwortete der Intendant, ,den nächsten, den besten.' Denselben setzte man sogleich in die Schwungpresse, belegte ihn mit dem Rundblech von Golde und ließ ihn prägen. Der Zar, der auf alle Handgriffe achtgegeben hatte, war der Erste, der zum Gepräge hinzutrat und die Medaille herauszunehmen sah. Wie angenehm aber wurde der Monarch nicht bestürzt, als er die goldene Medaille noch ganz warm aus der Presse von dem Intendanten empfing und auf der einen Seite derselben ganz unvermutet sein wohlgetroffenes Brustbild, auf der anderen Seite aber ein sehr schmeichelhaftes Kompliment in der emblematischen Vorstellung der fliegenden Fama und eines Flusses, mit der Überschrift fand: Crescit eundo (Je weiter er geht, desto größer wird er). Er stand eine gute Weile in voller Verwunderung über diese unvermutete Medaille, die er genau betrachtete, etliche Male umwendete, sie endlich seinen Reisegefährten zeigte und ihnen auf russisch sagte: ,Das bin ich, wahrlich das bin ich.'"

Schaut man sich die Münzbesuchsprägungen an, so fällt die Einfallslosigkeit vieler Stücke auf. Weit mehr als die Hälfte besteht aus der Kombination von Kopf beziehungsweise Wappenschild mit einer Inschrift. Relativ wenige Beispiele weichen von dem Schema ab und bieten eine Einsicht in die Münzstätte beziehungsweise bilden dort aufgestellte Maschinen oder gar Münzarbeiter ab. Die Langeweile verwundert, weil günstige Gelegenheiten verschenkt wurden, dass sich die Münzanstalt gegenüber der Obrigkeit durch ein besonders schönes Motiv in Szene setzt. Das ist umso bedauerlicher, als aus dem 17. und 18. Jahrhundert eine große Zahl prächtiger Bergbaugepräge überliefert ist, die anschaulich zeigen, was in und außerhalb der Bergwerke geschieht. Die Sorge um den Segen des Bergbaues gehörte zu den vornehmsten Pflichten der Landesherrn, und dies drückt sich auch auf einschlägigen, oft sehr schön gestalteten Talern und Medaillen aus.

Spindelpresse als wichtigster Prägeapparat

Im Allgemeinen standen die Sorge um die Münzprägung und Münzarbeiter in der Skala fürstlicher Zuwendung weit hinten, und das drückte sich auch in der geringen Zahl von Münzbesuchs- und Münztechnikmedaillen aus. Doch gibt es auch Ausnahmen wie die Preis- und Münzbesuchsmedaillen der Kaiserin Maria Theresia zeigen. Sie würdigen die Anwesenheit der Monarchin und ihres Mannes Kaiser Franz I. in den Geldfabriken der Monarchie und deren Interesse am staatspolitisch wichtigen, wir würden heute systemrelevanten Thema Münzprägung und Geldwirtschaft. Zu sehen ist die Spindelpresse als das damals wichtigste Prägegerät, womit auch die harte Arbeit der Geldfabrikanten gewürdigt wird. Die Presse ist eine Erfindung des 16. Jahrhunderts, gilt als Symbol der Münzfertigung schlechthin und findet sich daher bis in die Gegenwart auf zahllosen Geprägen zum Thema Münztechnik und - in geringerer Zahl - auch auf Münzbesuchsmedaillen. In Zeiten, als man die altertümliche Prägemaschine schon längst ausgemustert hat, verwendete man sie immer noch als beliebtes und aussagekräftiges Symbol. Dies ist auch auf Prägungen des 20. Jahrhunderts zu erkennen.

Wenn deutsche Fürsten ihre Münzstätten besichtigten, gab es zur Erinnerung Gedenktaler und -medaillen. Einige sollen von den hochrangigen Gästen persönlich geprägt worden sein. Manchmal kommen im Handel Abschläge in Gold vor, vermutlich dasjenige Stück, das dem ranghöchsten Besucher ehrfurchtsvoll überreicht wurde. Es gibt auch Stücke, die vorsorglich mit Blick auf den zu erwartenden Besuch hergestellt wurden. Doch wenn dieser ausfiel, hat man die auf Vorrat geprägte Auflage bis auf wenige Stücke vernichtet, was übrig gebliebene Ausgaben zu besonderen Raritäten macht.

Exklusives Geschenk an wichtige Personen

Die Motive zur Herstellung der Münzbesuchsgepräge waren vielfältig. Oben stand das Interesse höchster Herrschaften an der Geldproduktion, die seit alters her ein ureigenes fürstliches Regal war und wie ein Augapfel gehütet wurde. Gut geordnete Geldverhältnisse und eine florierende Münzproduktion waren wichtig für staatliche Existenz und Repräsentanz, und daher war es klug, wenn sich Fürsten von Zeit zu Zeit persönlich um die Probleme ihrer Geldfabriken kümmerten und den Münzmeistern auf die Finger schauten. In Katalogen findet man da und dort Angaben über Auflagehöhen, doch kann man ihnen nicht immer trauen, denn es gab auch Nachprägungen, die nur schwer von den Originalen zu unterscheiden sind. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass die Auflagehöhe der meisten Münzbesuchsgepräge gering war, weil nur ein exklusiver Personenkreis mit ihnen beschenkt wurde. Neben Münzbesuchen von hochoffiziellen Persönlichkeiten gab es auch Führungen für das gemeine Volk. Erst aus dem 20. Jahrhundert ist die Anfertigung von "allgemeinen" Münzbesuchsmedaillen überliefert.

Schauen wir ältere deutsche Münzbesuchstaler und -medaillen an, so fallen formelhafte Inschriften wie "In höchster Gegenwart" auf. Sie findet sich auf einer mit einem Wappen geschmückten Klippe von 1775 anlässlich des Besuchs des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel und seiner Gemahlin in der landeseigenen Münzstätte zu Kassel. Wie Jacob C. C. Hoffmeister in seinem Katalog der hessischen Münzen, Medaillen und Marken bemerkt, sei das "erhabene Fürstenpaar bei Betrachtung der Prägemaschine zugleich mit dieser Medaille überrascht" worden. Stellvertretend für die Phantasielosigkeit sei auf Münzbesuchs-Münzen in Talergröße und kleineren Werten verwiesen, die in den Katalogen über deutsche Münzen des 19. Jahrhunderts unter Hannover, Nassau, Sachsen, Württemberg und anderen Ländern zu finden sind. Sie haben nichts Besseres zu bieten als einen fürstlichen Kopf und eine Widmung, um die bestenfalls ein Lorbeerkranz gelegt ist. Im Einerlei der mehrzeiligen Widmungen auf deutschen Münzbesuchsgeprägen macht ein auch als Goldabschlag im Gewicht von vier Dukaten geprägter württembergischer Gulden von 1844 eine rühmliche Ausnahme, geprägt anlässlich der Visite von König Wilhelm I. in der neuen Münzstätte in Stuttgart. Hier ist das Gebäude unter einem doppelten Schriftbogen dargestellt.

Kopf- und Schriftlösungen sind auf Talern von Hannover (1853), Nassau (1831, 1861) und Sachsen (1839, 1853) zu sehen. Ähnlich gestaltet sind sächsische Münzbesuchsmedaillen in Zweimarkgröße von 1892, 1903 und 1905 anlässlich von Inspektionen des Königs in der Münze zu Muldenhütten bei Freiberg, kenntlich am Münzzeichen E. Mit ihrem von der Norm abweichenden Design werfen sie die Frage auf, ob es gerechtfertigt ist, diese Silberstücke ohne den obligatorischen Reichsadler in einem Reichsmünzen-Katalog aufzuführen und damit aufzuwerten, wie es einst Kurt Jaeger getan hat und wie es seither in allen Reichsmünzen-Katalogen steht. Der Einwand trifft auch eine Eisenmedaille in Dreimarkgröße von 1918 anlässlich des Besuchs des bayerischen Königs Ludwig III. in der Münze zu München. Die Rarität weicht insofern von der Norm ab, als sie auf der Rückseite eine Spindelpresse zeigt. Das urtümliche Prägegerät war schon längst von dampfkraftbetriebenen beziehungsweise elektrischen, dazu noch anders konstruierten Kniehebelpressen abgelöst. In der Literatur und Auktionskatalogen findet man viele andere Stücke, doch eine zusammenfassende Darstellung mit der historischen Würdigung, gar ein Katalog zum Thema Münzbesuch auf Münzen und Medaillen fehlt noch. Ein solches Kompendium zu schreiben, wäre sehr wünschenswert.

18. Juni 2021

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"