Zwischen Münze und Marke
Bürgergulden stellen in der Nürnberger Geschichte eine Besonderheit dar



In Nürnberg wurden Steuern auf nicht alltägliche Weise eingezogen. Man achtete streng darauf, dass diese nicht mit minderwertigen Geldstücken bezahlt wurden.



Glücklich dürfen Sammler sein, wenn sie Nürnberger Bürger- oder Ungeldgulden wie diese aus den Jahren 1744 und 1616 ihr eigen nennen können.



Wer von den Nürnbergern seinem Patenkind goldene Lammdukaten und ähnliche teuren Stücke verschenken konnte, weil er nicht vermögend genug war, konnte dies vielleicht durch einen so genanten Kerzendreier tun. Ob man dazu auch eine Kerze zum Preis von drei Pfennigen verschenkte, ist umstritten.



In Aachen konnte man mit regulären Münzen der eigenen Reichsstadt, aber auch mit Präsenszeichen wie diesem Silberstück zu 32 Mark und mit auswärtigem Geld bezahlen. (Fotos/Repro: Caspar)

Wer Münzen und Medaillen sammelt, kommt an Marken und Zeichen nicht vorbei. Sie bestehen zumeist aus unedlem Metall und hatten unterschiedliche Aufgaben. Bekannt sind Brot-, Wein- und Biermarken, aber auch Legitimationen zum Eintritt in Gebäude sowie Spiel-, Kleider-, Rechen- und viele andere Marken. Manche Prägungen fungierten als Ersatzgeld, wenn man nicht genügend Kleingeld zur Verfügung hatte. Alle zusammen stellen, so klein und unscheinbar sie sein mögen, interessante Dokumente für die Wirtschafts- und Kulturgeschichte einer Region dar und verdienen es, dass man gezielt nach ihnen sucht.

Besonders viele Marken sind aus Nürnberg überliefert. Nürnberg entfaltete seit dem Mittelalter eine umfangreiche Münzprägung, und in vielen Sammlungen liegen goldene Dukaten und silberne Taler mit dem dreifachen Wappen der Reichsstadt, mit Stadtansichten sowie Heiligendarstellungen und anderen Bildern. Die Emission begann mit bescheidenen Pfennigen, Hellern, Schillingen und Groschen. Im 16. Jahrhundert kamen Taler und ihre Teilstücke hinzu. Seit dem 15. Jahrhundert glänzte Nürnberg durch geprägtes Gold. Nicht zu vergessen sind die vielen, von talentierten Graveuren geschaffenen Medaillen, die die Erinnerung an Nürnberger Ereignisse und Gestalten wach halten. Die Stadt an der Pegnitz verlor das ihr Mitte des 11. Jahrhunderts erworbene Münzprivileg im frühen 19. Jahrhundert nach ihrer Einverleibung in das neu gegründete Königreich Bayern.

Besondere Art der Steuererhebung

Die Nürnberger Bürgergulden zu 80 und 40 Kreuzer sind keine wirklichen Münzen, mit denen man normal bezahlen konnte, sondern Wertmarken und Beweismittel dafür, dass ein Bewohner der alten Reichsstadt seine Steuern entrichtet hat. Auf einem von dem bekannten Graveur Peter Paul Werner geschaffenen und auf einer Spindelpresse geprägten Bürgergulden aus Kupfer erkennt man wie auf den üblichen Gold- und Silbermünzen das dreifache Stadtwappen in Kombination mit einer Zweckinschrift und der Jahreszahl 1744. In seinem Buch "Die Münzen der Reichsstadt Nürnberg" (Stuttgart 1991) schreibt Hans-Jörg Kellner, die Existenz dieser Gepräge hänge mit der besonderen Art der Steuererhebung in Nürnberg zusammen, und sie hätten eine Stellung zwischen Münze und Marke inne gehabt.

Die wichtigste Steuer in der Reichsstadt war eine Kopf- und Verbrauchssteuer, die man Losung nannte. Jeder Bürger musste den so genannten Bürgergroschen entrichten, der aber nicht aus einem Groschen bestand, sondern eine größere Summe umfasste. Seit 1637 entsprach dieser "Groschen" zwei Gulden und 40 Kreuzern. Diese Steuer wurde nicht in gängigen Münzen bezahlt, sondern in Form von Wertmarken, die auf dem Münzvisitationsamt erstanden werden mussten. Die dort beschäftigten Beamten achteten darauf, dass ihnen nur gute Münzen in Zahlung gegeben und nicht etwa schlechtes Geld "angedreht" wird. Ähnlich verfuhr man im Römisch-deutschen Reich bei Spenden für den kirchlichen Klingelbeutel, in dem man nur gute Münzen und keine Knöpfe und ähnliche Sachen finden wollte, weil das den Ausgaben der Gemeinden für karitative Zwecke und den Erhalt von Kirchen geschadet hätte.

Vermögenssteuer nach dem Einkommen

Da in Nürnberg die Entrichtung der genannten Summe für arme Leute kaum möglich war, konnte man Ersatzmarken in unterschiedlichen Werten auf dem Amt erwerben. Von Besserverdienenden wurde erwartet, dass sie ihre Steuern in voller Höhe und in kurantem Geld bezahlen. Ihre Vermögenssteuer richtete sich nach dem Einkommen, was damals wie heute auch Möglichkeiten eröffnete, dieses klein zu rechnen, um dann weniger in die Stadtkasse legen zu müssen. Regelmäßig mussten die betroffenen Bürger sich selbst unter Eid bewerten und dann ihre Losung zahlen. Wer das alles überprüfte? Wir wissen es nicht. Was am Ende zusammenkam, war Grundlage für den städtischen Haushalt und wurde von besonders vereidigten Personen, den Losungern, verwaltet und kontrolliert. Belege für diese Art der Steuererhebung sind die Losungsgulden aus Gold und Silber, die an kleinen, aus den Buchstaben LO bestehenden Zeichen zu erkennen sind. Dann gibt es die Ungeldlosgulden aus Gold und Silber, bei denen zu LO noch ein V für Ungeld tritt. Mit dieser etwas komplizierten Form der Steuerzahlung verschaffte sich das Amt eine Übersicht darüber, wer in der Stadt lebt und seine Abgaben entrichtet beziehungsweise wer sich dieser Pflicht noch nicht unterzogen hat. Die Losungs- und Ungeldmünzen oder Marken kommen gelegentlich im Handel vor, und wer sich auf Nürnberger Münzen und Medaillen spezialisiert hat, wird mit einigem Glück auch diese Belegstücke in seinen Besitz bekommen.

6. August 2021

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