Den Fremden Schutz und Hilfe
Berliner Hugenottenmuseum zeigt Bilder, Dokumente und Medaillen zur Geschichte der aus Frankreich nach Preußen geflohenen Protestanten



Nach mehrjähriger Sanierung empfängt der Französische Dom am Berliner Gendarmenmarkt mit dem Hugenottenmuseum darin wieder die Besucher. Die farbige Grafik aus dem 18. Jahrhundert zeigt den Platz mit einem kleinen Theaterbau an der linken Seite.



Das auf einer Fliese gemalte Hugenottenkreuz im Hugenottenmuseum ist dem französischen Orden vom Heiligen Geist nachempfunden, die von Emanuel Bardou geschaffene Marmorbüste zeigt Friedrich II., bei dem Franzosen in hoher Gunst standen, nur weil sie Franzosenwaren.





Die Hugenottenmedaillen von 1772 und 1785 sind ein Gemeinschaftswerk von Daniel Chodowiecki und Abraham Abramson. Ihr Verkauf kam armen Franzosen zugute.



Das Hugenottenmuseum zeigt unter anderem Stempel und Dokumente zu der von Daniel Chodowiecki und Abraham Abramson gestalteten Medaille von 1772.





"Die Religion dankt der Vorsehung für die Wohlthaten Friedrichs II." schrieb Chodowieckis unter seinen Entwurf. Die französische Widmung auf der Medaille lautet in der Übersetzung "Die Kinder der glücklichen Refugiés (ehren) Friedrich den Großen am 29. Oktober 1785", womit der einhundertste Jahrestag des Edikts von Potsdam gemeint war. Das brennende Haus mit Säulen im Hintergrund wurde auf der fertigen Medaille durch ein brennendes Dorf ersetzt.



Die als Kupferstich von 1780 abgebildete Medaille auf die Grundsteinlegung für den unter Friedrich II. erbauten Turm neben der Französischen Kirche auf dem Gendarmenmarkt existiert als Prägung nicht.



Die Medaille von 1805 erinnert an die hundert Jahren zuvor erfolgte Gründung des Maison d'Orange in Berlin, das aus dem 1705 von Frankreich besetzten Fürstentums Orange nach Preußen geflohene Menschen aufnahm.



Im neobarocken Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts üppig mit den Köpfen von Kurfürst Friedrich Wilhelm und Kaiser Wilhelm I. sowie der Borussia als Schutzpatronin der Hugenotten geschmückt, kam 1885 eine Medaille zur Zweihundertjahrfeier Ankunft der Refugiés in Brandenburg-Preußen heraus. (Fotos/Repros: Caspar)

Vor über 350 Jahren brach die Doppelstadt Berlin-Cölln in eine glanzvolle Zukunft auf. Im Dreißigjährigen Krieg teilweise zerstört und entvölkert, war die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt im ausgehenden 17. Jahrhundert ein dicht bebautes, mittelgroßes Nest mit einem Renaissanceschloss, einigen mittelalterlichen Kirchen, verwinkelten Straßen und Gassen, umgeben von Wällen und Bastionen. Die durch Berlin fließende Spree konnte nur auf Holzbrücken überquert werden und wurde als große Kloake benutzt. Nachts auf den unbeleuchteten Straßen zu laufen konnte lebensgefährlich sein, denn überall lauerten Diebe und Mörder. Um die Stadt herum zog sich eine gezackte Mauer mit Bastionen und Toren, erbaut aus Furcht vor Angriffen und Belagerungen. Neu erbaute Trabantenstädte, die nach Angehörigen des Herrscherhauses benannt wurden, zogen sich um die Hauptstadt des Kurfürstentums Brandenburg und ab 1701 Königreichs Preußen. In Richtung Westen wurden die "Linden" als Verbindung zum Tiergarten und nach Lietzenburg, ab 1705 Charlottenburg, angelegt.

Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm und sein Sohn Friedrich III., ab 1701 König Friedrich I. "in" Preußen, holte tausende französische Glaubensflüchtlinge nach Berlin und in andere Städte. Sie taten das nicht nur aus reiner Menschlichkeit gegenüber den unter Drangsalierung leidenden Menschen, sondern verbanden damit auch ganz praktische Absichten. Grundlage der Einladungen war das am 29. Oktober 1685 von Friedrich Wilhelm erlassene Edikt von Potsdam, das ihnen Arbeit und vielfältige Vergünstigungen gewährte. Das geschah "aus gerechten Mitleiden / welches Wir mit solchen Unsern / wegen des heiligen Evangelii und dessen reiner Lehre angefochtenen und bedrengten Glaubens-Genossen billig haben müssen / bewogen werden / vermittels dieses von Uns eigenhändig unterschriebenen Edicts denenselben eine sichere und freye retraite in alle Unsere Lande und Provincien in Gnaden zu offeriren." Der Kurfürst bot ihnen Gerechtigkeiten, Freiheiten und Prärogative an und erklärte, gnädigst gesonnen zu sein, "umb dadurch die grosse Noth und Trübsal/womit es dem Allerhöchsten nach seinem allein weisen unerforschlichem Rath gefallen/einen so ansehnlichen Theil seiner Kirche heimzusuchen/auf einige Weise zu subleviren und erträglicher zu machen."

Gute Küche und feine Sitten

Diese Botschaft kam bei den vom französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. vergeblich zur Konversion gepressten und daher vertriebenen Hugenotten gut an. Auf beschwerlichen Wegen gelangten sie nicht nur nach Kurbrandenburg, sondern auch in andere protestantische Länder. Größter Auftraggeber der in Berlin weitgehend in ihren Wohnvierteln autonom lebenden Händler, Manufakturbesitzer, Soldaten, Künstler, Gelehrten sowie Dienstboten, Musiker und Lehrer waren der kurfürstliche, ab 1701 königliche Hof und die Armee. Unübersehbar ist der Beitrag, den die Zuwanderer für den Aufschwung von Wirtschaft und Kultur im Lande und die Ausbreitung "feiner" Sitten leisteten. 1809 wurde die französische Kolonie im Zuge der preußischen Städtereform aufgelöst, allerdings garantierte Friedrich Wilhelm III. der Gemeinde weiterhin Religionsfreiheit, die bisherige Rechte sowie den Unterhalt eigener Armenanstalten. Man rechnet mit 20 000 Glaubensflüchtlingen, die unter Friedlich Wilhelm und Friedrich III./I.ins Land kamen. Den eingewanderten Franzosen folgten im frühen 18. Jahrhundert Glaubensflüchtlinge aus Böhmen, dem Erzbistum Salzburg und anderen Gebieten, in denen sie sich weigerten, in den alleinseligmachenden Schoß der katholischen Kirche zurückzukehren und stattdessen lange Wege und große Gefahren, ja auch Krankheit und Tod in Kauf nahmen.

Dank an die Könige von Preußen

Wie die Fremdlinge aus Frankreich ins Land des Schwarzen Adlers gelangten und dort aufgenommen wurden und was die Untertanen der Hohenzollern ihnen hinsichtlich der Sprache, Kunst und Lebensart und nicht zuletzt der Küche verdanken, schildert das nach langer Schließzeit im November 2021 wieder eröffnete Hugenottenmuseum im Französischen Dom am Berliner Gendarmenmarkt. In hellen Räumen mit selten gezeigten Exponaten besser und übersichtlicher ausgestattet, präsentiert die Dokumentation nicht nur Bilder, Manuskripte und gegenständliche Hinterlassenschaften der Refugiés, sondern auch Medaillen, die ihre Leistungen und die ihnen vom preußischen Herrscherhaus gewährten Hilfe feiern. Mit ihnen sprach die Französische Gemeinde ihren Dank an die Könige von Preußen aus und lobte die Erteilung von Vergünstigungen und finanziellen Zuwendungen.

Um 1700 machte die französische Kolonie in Berlin etwa ein Fünftel der Einwohnerschaft aus. Vor allem der Hof als wichtigster Auftraggeber zog die Hugenotten an. Ein französischer Diplomat berichtete, er habe Berlin "angefüllt mit Franzosen" gefunden. Bevorzugte Wohnorte waren die kurfürstlichen Neugründungen Dorotheenstadt und Friedrichstadt sowie die Gegend um das Schloss, das von Andreas Schlüter und anderen Künstlern zu einem prächtigen Barockpalast ausgebaut wurde und heute als Humboldt-Forum zahllose Schaulustige in seinen Bann zieht. Die in "Kolonien" unter sich lebenden Neubürger gaben, wie die Ausstellung anschaulich zeigt, der Wirtschaft, Kultur und Lebensweise im Reich der Hohenzollern und den andern Siedlungsgebieten einen spürbaren Schub. Bedeutende Gelehrte, Künstler, Unternehmer und Militärs stammen aus den Familien der nach 1685 eingewanderten Franzosen. Den eingewanderten Franzosen folgten Glaubensflüchtlinge aus Böhmen, dem Erzbistum Salzburg und anderen Gebieten, in denen sie sich weigerten, in den alleinseligmachenden Schoß der katholischen Kirche zurückzukehren und stattdessen beschwerlich-lange Wege und große Gefahren, ja auch Krankheit und Tod in Kauf nahmen.

Erlöse zugunsten armer Leute

Zahlreiche Franzosen standen am kurfürstlichen und königlichen Hof in hoher Gunst und halfen als Künstler, Gelehrte, Unternehmer und Militärs, das Ansehen des lange als "märkische Streusandbüchse" verspotteten Landes zu verbessern. Um in hohen und höchsten Kreisen gut dazustehen, musste man sich der französischen Sprache und Lebensart bedienen. König Friedrich II. trieb die "Französelei", wie man sagte, auf die Spitze und zog Franzosen den Einheimischen vor, was zu großem Unmut führte. Das Zusammenleben der ansässigen Bevölkerung und der Zugewandeten verlief nicht ohne Spannungen und Probleme, weshalb Justiz und Militär mit Waffengewalt und Androhung schwerer Strafen dazwischen gehen musste.

Die Französische Gemeinde gab 1772 und 1785 zwei Medaillen heraus, die mit Allegorien und frommen Widmungen ihren Dank an das Herrscherhaus aussprechen. Mit anderen Hinterlassenschaften sind diese und weitere Medaillen in der Ausstellung des Hugenottenmuseums ausgelegt. Gestalter der ersten beiden Medaillen war der aus einer hugenottischen Familie stammende Maler und Grafiker Daniel Chodowiecki, der sowohl in der Dauer- als auch in der Sonderausstellung im Französischen Dom umfassend gewürdigt wird. Ungewöhnlich ist, dass neben der Medaille von 1772 mit der personifizierten Liebe und der Symbolfigur des Glaubens sowie einer neunzeiligen Inschrift auch die von Abraham Abramson gravierten Stempel ausgelegt sind. Zuzüglich sind Druckschriften zu sehen, die in Bild und Schrift die Medaille erläutern und für den Kauf für zwei Reichstaler und 12 Groschen "zum Besten der Armen" werben.

Religion kniet vor dem Herrscher

Die Medaille aus dem Jahr 1785 ist der Aufnahme der Hugenotten ein Jahrhundert zuvor durch den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm gewidmet. Hier kniet eine verschleierte Frau unter dem Medaillon König Friedrichs II. vor der göttlichen Vorsehung, wie es in der Beschreibung von Chodowiecki heißt, während eine als Religion charakterisierte, ebenfalls verschleierte Frau dankbar vor der Büste des Großen Kurfürsten in die Knie geht. Dass sich die Religion einem Fürsten unterwirft, wurde in Hugenottenkreisen und anderenorts zwar moniert, aber am Ergebnis war nichts mehr zu ändern. Neu gestaltet wurde von Abramson nur der Hintergrund der Rückseite, denn hier ersetzt ein in Flammen aufgehendes Dorf ein brennendes Gebäude, das man als Kirche deuten kann.

Daniel Chodowiecki arbeitete eng mit den Stempelschneidern Jacob Abraham und Abraham Abramson zusammen. Die hochgeachteten Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zu Berlin haben Könige, Generäle, Künstler und Gelehrte auf geprägtem Metall porträtiert und viele Zeitereignisse kunstreich dokumentiert. Als führende Mitarbeiter der Berliner Münze bestimmten Vater und Sohn wesentlich das Bild des preußischen Hartgeldes unter den Friedrich II., Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III. Für die Hohenzollern, aber auch für private Auftraggeber, die Akademie der Wissenschaften und die Französische Gemeinde in Berlin schufen sie überdies reich mit Bildnissen und Allegorien geschmückten Medaillen, die zum Besten gehören, was um 1800 auf diesem Gebiet in Deutschland entstand.

Nicht nur die Ankunft und das Leben der Hugenotten fand auf Medaillen Niederschlag, auch später hat man Glaubensflüchtlinge und ihre königlichen Beschützer mit ihnen geehrt. So erging es auch den Calvinisten, die um 1703 das Fürstentum Orange verlassen mussten. Im Osten des heutigen Südfrankreich gelegen, war der kleine Staat schon lange Zeit ihr Zufluchtsort, doch als Ludwig XIV. 1685 das Edikt von Fontainebleau erlassen und damit das von König Heinrich IV. 1598 erlassene Toleranzedikt von Nantes außer Kraft gesetzt hatte, waren auch sie ihres Lebens nicht mehr sicher. Nachdem Orange um 1703 von französischen Truppen besetzt worden war, wurden sie erst in Genf und danach in England, in Brandenburg-Preußen und anderswo aufgenommen. In der Berliner Dorotheenstraße hat man für sie das Maison d'Orange als Hospiz oder Armenhaus gebaut.

Britannia und Borussia in Freundschaft vereint

Die von dem Maler Franz Catel entworfene und von Johann Veit Döll geschnittene Medaille bezieht sich mit einer Figurengruppe und einer Widmung auf die Gründung des Armenhauses und zeigt, wie Britannia und Borussia, die in Freundschaft vereinten Symbolfiguren der beiden Aufnahmeländer, die Huldigung eines Flüchtlings empfangen. In einem Berlin-Lexikon von 1834 wird berichtet, König Friedrich I. habe die Bekenner der calvinischen Lehre mit Großmut und Freigebigkeit aufgenommen. Der aus dem Hause Oranien stammende König Wilhelm I. von England, ihr früherer Oberherr, habe es ihm gleich getan und "wirkte mit großer Vorliebe dafür, diesen Flüchtlingen ein neues Asyl zu verschaffen. Die Engländer schossen durch milde Beiträge zur Unterstützung dieser Flüchtlinge eine Summe von 96632 Thl. (Taler) zusammen, von denen auch das unter dem Namen Maison d'Orange gestiftete Hospiz gegründet wurde".

Daniel Chodowiecki war nicht der einzige Prominente, der Entwürfe für Medaillen schuf, denn dies taten vor und nach ihm auch der Maler Antoine Pesne, der Architekt und Maler Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, der Architekt Karl Friedrich Schinkel, der ebenfalls auch Maler war, und später Mitte des 19. Jahrhunderts der Maler und Grafiker Adolph Menzel. Die von Menzel entworfenen Medaillen nennen zwar die Hersteller und Stempelschneider, nicht aber ihn als Designer, dem zur Entstehungszeit eine große Karriere als Chronist vor allem von Ereignissen und Gestalten der Zeit Königs Friedrich II. bevorstand. Der junge, noch nicht arrivierte Künstler musste mit solchen Arbeiten Geld verdienen und für seine Familie sorgen. Auf seine Entwürfe gehen Ehrenmedaillen des Lübecker und des Bremer Senats von 1835 und 1836 sowie eine Medaille von 1838 auf die Aufnahme des damaligen Kronprinzen und ab 1740 preußischen Königs Friedrich II. in die Freimaurerloge. Zu nennen sind ferner die von dem erst Vierundzwanzigjährigen gestalteten Medaillen von 1839 auf das dreihundertjährige Jubiläum der Einführung der Lutherschen Reformation in Kurbrandenburg sowie von 1840 auf das Gutenbergfest in Leipzig anlässlich der Vierhundertjahrfeier der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg. Ferner hat Menzel 1839 eine Medaille zu Ehren des für Domänen und Forsten zuständigen preußischen Ministers Philipp von Ladenberg und zwei Entwürfe für den Baumeister Karl Friedrich Schinkel gestaltet.

In der kunsthistorischen Literatur spielt diese wenig bekannte Facette im Schaffen des hauptberuflich in anderen Sphären tätigen Menzel und einiger seiner Kollegen zu Unrecht eine untergeordnete Rolle, obwohl wir ihnen prachtvolle Prägungen verdanken. Dass das Hugenottenmuseum die "numismatische Facette" in Chodowieckis Schaffen würdigt, ist eine überraschende Erkenntnis, verdient Anerkennung und sollte Ansporn sein, sich auf weiter die Suche nach ähnlichen Beispielen zu machen.

Siehe auch Eintrag auf dieser Internetseite (Museen) vom 5. November 2021

17. November 2021

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