In Inschriften versteckte Jahreszahlen
Chronogramme auf Münzen und Medaillen waren in der Barockzeit beliebt, setzten sich aber nicht durch



Die Inschrift auf der sächsischen Talerklippe bedeutet "Zwischen ihren Schwertern blüht die Raute so lieblich". Die Großbuchstaben ergeben die Jahreszahl 1614.





Die Reichsstadt Nürnberg schmückte viele Münzen mit Chronogrammen. Die Großbuchstaben in der Widmung auf dem sechsfachen Dukaten unter der Stadtansicht ergeben das Jahr 1631. Die Großbuchstaben auf der Nürnberger Lämmleinklippe sind als 1700 zu lesen.



Der Nürnberger Halbtaler mit dem Gleichnis aus der Bergpredigt vom Licht, das man nicht unter den Scheffel sondern darauf stellen soll, stammt aus dem Jahr 1717, als man in protestantischen Ländern und Städten die Zweihundertjahrfeier der Reformation beging.



Als Herzog August der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel starb, wurden aufwändig gestaltete Gedenktaler geschlagen. Die Großbuchstaben in der Inschrift um den kahlen Baum ergeben die Jahreszahl 1666.



Über Jahrhunderte diente das Regensburger Rathaus als Tagungsort des Reichstags im Römisch-deutschen Reich. Abgebildet ist das Gebäude auf einen vierfachen Taler, dessen Herstellungsjahr 1737 sich aus dem Chronogramm auf der Rückseite ergibt. (Fotos: Caspar)

In der Barockzeit, als Allegorien und Sinnsprüche auf Münzen und Medaillen hoch im Kurs standen, hat man bisweilen Inschriften zur Wiedergabe von Jahreszahlen verwendet. Die Entstehungszeit der betreffenden Stücke ist in lateinischen und manchmal auch deutschen Inschriften versteckt. Graveure hoben die römischen Zahlen hervor, indem sie Zahlenbuchstaben etwas größer als die übrige Schrift schnitten. Die mit Hilfe der Ringprägung in der Barockzeit gewonnenen Münz- und Medaillenränder wurden häufig als Überbringer sinniger Sprüchen und Jahreszahlen in Form von solchen Chronogrammen verwendet. Wer sich auf die Kombination von Inschriften und Jahreszahlen spezialisiert, bekommt eine stattliche Zahl an Belegen zusammen. So zeigt eine Medaille von 1699 den sächsischen Kurfürsten und polnischen König August den Starken im Schmuck seiner Insignien. Die Jahreszahl 1699 ist in arabischen Ziffern auf der Rückseite neben einer knienden Frau als Symbolfigur der Stadt Kaminec vermerkt. Die gleiche Jahreszahl ist in der Randschrift mit diesen Worte versteckt: "DIVIno annVente nVMIne eX Voto nun InIqVo non InIVstro FeLICIter et gloriose recuperatvm." Zählt man die Großbuchstaben DIVIVVMIXVIIVIIVLICI zusammen, ergibt sich die Zahl 1699. Eine andere sächsische Medaille von 1733 mit dem Bildnis des Nachfolgers, Kurfürst Friedrich August II., als König von Polen August III., trägt auf der Rückseite eine deutsche Widmung, in der ebenfalls eine Jahreszahl versteckt ist. Um die Ansicht der berühmten Berg- und Domstadt Freiberg ist zu lesen: "freyberg DIe aLte VnD getreVe VersprICht DIe aLte treV aVfs neVe". Wenn man die Buchstaben DILVDVVICDILVVV zusammenzählt, hat man das Jahr, in dem der Sohn Augusts des Starken die Macht übernahm.

Friede auf dem Erdkreis und in der Stadt

Namentlich die Freie und Reichsstadt Nürnberg hat viele ihrer Münzen mit Chronogrammen datiert. Münzmeister und Stempelschneider wussten, dass manche Mitbürger des Lateinischen mächtig sind und etwas mit den zur Datierung verwendeten Großbuchstaben anfangen können. In dem Buch von Hans-Jörg und Elisabeth Kellner "Die Münzen der Reichsstadt Nürnberg" (Stuttgart 1991) findet man verschiedene Taler, Halbtaler und andere Werte mit solchen Chronogrammen. Die Sprüche unter den Panoramen wünschen der Stadt und der Welt alles erdenklich Gute. Die dreizeilige Inschrift auf einem solchen Taler "CanDIDa paX reDeat paX regnet In orbe et In Vrbe" (Es kehre der glänzende Friede wieder und herrsche auf dem Erdkreis und in der Stadt) ergibt die Jahreszahl 1628. Auch Gedenkprägungen im Wert eines halben Talers zur 200-Jahrfeier der Reformation sind mit einem Chronogramm versehen. In der vierzeiligen Inschrift "martInVs LVtherVs theoLogIae DoCtor" verbirgt sich die Zahl 1717. Die Manie, durch versteckte Jahreszahlen die Leute zu verblüffen, fand 1721 in Nürnberg ein Ende.

Mit einem dreifachen Chronogramm wurde im Jahre 1666 Herzog Augusts des Jüngeren auf einfachen und mehrfachen Talern gedacht. Der Begründer des Neuen Hauses Braunschweig-Wolfenbüttel war ein gelehrter Mann, der der weltberühmten Herzog August Bibliothek zu Wolfenbüttel rund 80 000 Bücher zukommen ließ, ihren Einband zum Teil selbst beschriftete und einen Apparat zum Bewegen der schweren Folianten konstruierte. Die berühmten Wolfenbütteler Glockentaler von 1643 und manch andere Gedenkmünze gehen auf diesen im biblischen Alter von 88 Jahren gestorbenen Herzog zurück. Ob er noch an der Gestaltung seiner eigenen Sterbemünzen mitgewirkt hat, wurde vermutet. In drei lateinischen Devisen findet sich auf der Vorderseite mit dem entblätterten Baum und dem an den Wurzeln liegenden Totenkopf versteckt die Jahreszahl 1666. Sie kann ohne weiteres aus den groß geschriebenen Buchstaben addiert werden, wenn man die Umschriften aufschreibt. In der Kurzbiographie auf der Rückseite findet man das Sterbedatum 17. September 1666.

Schätze in der Herzog-August-Bibliothek

August der Jüngere war einer der klügsten Männer seiner Zeit. Er verkörperte das Ideal den "guten", allseitig gebildeten, mildtätigen Fürsten, der das Wohl seiner Landeskinder über alles stellt. Aus ganz Europa ließ er Bücher und alte Schriften herbeischaffen, sie einheitlich in Pergament binden und beschriften. August der Jüngere brachte einen Bücher- und Handschriftenschatz von rund 130 000 Exemplaren zusammen und machte ihn der Öffentlichkeit zugänglich. Die mit vielen bibliophilen Kostbarkeiten ausgestattete berühmte Bibliothek in Wolfenbüttel, in der keine geringere als der Polyhistor und Berliner Akademiegründer Gottfried Wilhelm Leibniz und der Dichter Gotthold Ephraim Lessing tätig waren, trägt zu Recht den Namen des gelehrten Herzogs. Hier finden Forscher übrigens zahlreiche seltene numismatische Drucke und Leichenpredigten sind viele biographische Einzelheiten über das Leben und Schaffen von Münzmeistern und anderen Personen vermerkt, die mit Münzen und Medaillen zu tun hatten.

Man könnte in Büchern und Katalogen zur Münzgeschichte einzelner Herrscherhäuser und Städte sowie in Münzsammlungen den Angeboten des Handels weitere Beispiele für die von der Norm abweichende Datierungen finden. Chronogramme setzten sich auf Dauer nicht durch. Zu kompliziert und umständlich war die Datierung. Deshalb hat man die verschlüsselten Jahreszahlen oft in lateinischer oder arabischer Schreibweise auf dem gleichen Stück wiederholt oder nahm ganz Abstand von der komplizierten Wiedergabe von Jahreszahlen.

9. März 2021

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