Ungewöhnliche Jahreszahlen
Die Datierung von Münzen und Medaillen ist eine Errungenschaft des späten Mittelalters und weicht oft von der Norm ab



Der in Hall in Tirol geprägte Guldengroschen zeigt nicht nur Erzherzog Sigismund als Landesherr, Ritter und Reiter, sondern ist auch, ungewöhnlich für seine Zeit, mit den Jahreszahl 1486 datiert.



Der Salzburger Rübentaler, benannt nach dem Wappen des Erzbischofs Leonard von Keutschach, trägt die Jahreszahl 1504.



Während man bei den zwischen 1500 und 1525 geprägten sächsischen Klappmützentalern auf eine Datierung keinen Wert legte, hat man Taler in Brandenburg mit 1521 datiert.



Der Reitertaler des römisch-deutschen Kaisers Maximilians I. wurde 1509 geprägt und zeigt mit den vielen Wappenschildern, wer ihm alles untertan ist.





Auf dem talerförmigen Scudo von 1676 (Anno I) ist Papst Innocenz XI. abgebildet, dazu Sankt Matthäus mit einem Engel. Der gleiche Wert von 1713 (Anno XIII) zeigt das Wappen von Clemens XI. sowie einen Brunnen samt Obelisk in Rom.



Das Sechslivrestück mit Kopf des 1793 hingerichteten Königs Ludwig XVI. zeigt auf der Vorderseite die Jahreszahl 1792 und zusätzlich auf der Rückseite die Angabe L'AN 4 DE LA LIBERTÉ (Jahr 4 der Freiheit).



Die achteckige Silbermedaille auf die von Napoleon Bonaparte gegründete Banque de France aus dem Jahr 1800 (An VIII) zeigt, wie Minerva und Fortuna Münzen aus dem Füllhorn in eine Kasse schütten.



Die italienischen Münzen zu 20 und zehn Lire von 1927, 1936 und 1928 geben jeweils auch die Jahre VI und XIV der von Mussolini begründeten Faschistischen Ära an. (Fotos/Repros: Caspar)

Es hat über 2000 Jahre gedauert, bis Jahreszahlen, wie wir sie kennen, auf Münzen und Medaillen gebräuchlich wurden. Viele Prägungen der Antike, des Mittelalter und der frühen Neuzeit sind nicht oder nur verschlüsselt datiert. Dennoch ist es in vielen Fällen möglich, ihre Entstehungszeit relativ genau festzustellen. Allerdings erfordert die zeitliche Bestimmung von Münzen und Medaillen einige Übung. Namen von Herrschern und Münzmeistern, Angaben über Ämter und die Dauer von Regentschaften liefern Hinweise, um geprägtes Metall datieren zu können. Details in Wappenschildern und überhaupt Stil und Machart der betreffenden Prägung liefern in vielen Fällen weitere Hinweise auf das Alter einer Münze oder Medaille. Bei sehr alten Stücken kann man nur ungefähr den Zeitraum bestimmen. Hier müssen Angaben "von bis" ausreichen.

Während Datierungen nach christlichem Kalender auf mittelalterlichen Urkunden einen festen Platz haben, kommen Jahreszahlen auf Münzen des Mittelalters überhaupt nicht oder nur sehr spärlich vor. Man benötigte solche Angaben nicht, denn die Silber- und Goldstücke waren durch Bildnisse, Inschriften und Wappen ausreichend definiert. Römische Ziffern auf einer seltenen dänischen Münze werden, obwohl lückenhaft, als 1248 gelesen und wären damit das älteste Beispiel einer numismatischen Datierung. Im 14. Jahrhundert, als man silberne Groschen nach französischem Vorbild in großen Mengen prägte, sind da und dort bereits Jahreszahlen vermerkt. Die wahrscheinlich älteste Datierung in Deutschland stammt von 1372 und erscheint als ANNO DOMINI MCCCLXXII auf einem Aachener Groschen. Nach der Tradition beginnen die Angaben links stets mit dem höchsten Wert, in diesem Fall also mit 1000 (M), es folgen die Jahrhunderte C und weitere Ziffern. Die Bestimmung römischer Zahlen ist nicht schwierig. Wir kennen I, V, X, L, C, D und M, also die 1, 5, 10, 50, 100, 500 und 1000.

Von der MONETA NOVA zum Taler

Erwähnt sei, dass bis weit in die Neuzeit lateinische Inschriften auf deutschen und anderen Münzen üblich waren. Dies hat mit der weiten Verbreitung der Sprache der alten Römer zu tun, die die gebildete Welt besser beherrschte als das, womit sich das einfache Volk verständigte, das in der Regel des Lesens und Schreibens nicht mächtig war. Während man die seit 1486 in Tirol und dann auch anderenorts geprägten Guldengroschen anfangs nur MONETA NOVA, also neue Münze, nannte oder überhaupt keine Währungsbezeichnung auf den talerförmigen Silberstücken vermerkte, ging man im römisch-deutschen Reich erst seit dem 17. Jahrhundert langsam dazu über, diese Stücke korrekt Thaler oder - in Preußen - Reichsthaler zu nennen.

Als Erzherzog Sigismund von Tirol, genannt der Münzreiche, seine Halbguldiner und Guldiner prägen ließ, versah er diese ganz ungewöhnlich großen und schweren Münzen mit den Jahreszahlen 1484 und 1486. Das war eine bewusste Entscheidung, denn sie sollte die Modernität dieser MONETA NOVA genannten "Neuen Münze" unterstreichen. Verschiedene Fürsten und Städte des ausgehenden 15. Jahrhunderts ahmten die Novität nach. So gibt es Guldengroschen des Herzogs René II. von Lothringen von 1488, aus dem Bistum Sitten von 1498, von der Stadt und dem Kanton Bern von 1494 sowie die Salzburger Rübentaler mit der Jahreszahl 1504. Frühe Münzen des Kurfürstentums Brandenburg sind ebenfalls undatiert und nur durch die darauf erwähnte Herrscher sowie durch Münzmeisterzeichen zeitlich einzuordnen. Neben den undatierten Geldstücken gibt es auch solche, die Jahreszahlen nur verstümmelt wiedergeben. Viele Münzen der frühen Neuzeit vermerken nur die beiden letzten Ziffern der Jahreszahl. So sind die Angaben 69 oder 72 in 1569 und 1572 zu ergänzen.

Zählung nach Pontifikaten

Ein System, warum Münzen datiert wurden und andere nicht, ist schwer auszumachen. Bei undatierten Geldstücken konnte die Entstehungszeit verschleiert werden, doch auch korrekt mit Jahreszahlen versehene Münzen müssen nicht unbedingt aus dem Jahr stammen, das auf ihnen vermerkt ist. Bestes Beispiel sind die österreichischen Maria-Theresien-Taler von 1780, die bis heute offiziell mit dieser ein stolzes Alter vortäuschenden Angabe geprägt werden. Während im Mittelalter ausschließlich römische Zahlenbuchstaben zur Datierung verwendet wurden, kamen im Verlaufe des 15. Jahrhunderts von den Arabern übernommenen Ziffern hinzu. So gibt es Münzen, auf denen die 7 wie ein Haken nach unten zeigt, die 4 als halbe 8 geschrieben wird und die 5 eine nach unten gerichtete 2 ist.

Nach alter Tradition wechselt der Vatikan die Bilder auf seinen Münzen, sobald ein Papst gestorben und ein neuer gewählt ist. Sammler haben alle Hände voll zu tun, all die vielen in der Zecca di Roma, der Münze in Rom, geprägten Geldstücke und die Medaillen der Päpste zusammen zu bekommen. Da die Zeit zwischen dem alten und dem neuen Papst durch Sonderprägungen bedacht wurde und wird, gehören die auch so genannten Sedisvakanzmünzen in eine solche Kollektion. Gut zu erkennen sind sie am Wappen des jeweiligen Kardinalkämmerers unter einem kleinen Schirm. Päpstliche Münzen und Medaillen kamen lange Zeit ohne Jahreszahlen aus. Anhaltspunkte zur Datierung geben indes die auf den Geprägen vermerken Zahlen über die bisherige Dauer eines Pontifikats. Da nicht jedem Sammler bekannt ist, wann der Heilige Vater sein Amt als Pontifex maximus angetreten hat, müssen entsprechende Angaben in Lexika und im Internet ermittelt werden. Hilfreich sind auf neueren Münzen Zahlenkombinationen, und zwar einmal die Angabe über die Dauer der Regentschaft des "Obersten Brückenbauers" und zum anderen über das aktuelle Prägejahr nach dem christlichen Kalender.

Jahr der Freiheit und der Gleichheit

In der Revolutionszeit nach 1789 nahm Frankreich nicht nur Abschied von Königsköpfen, Lilienwappen und Jahreszahlen nach dem christlichen Kalender, sondern auch vom bisherigen Münzsystem. An die Stelle des alten Livre und der Duodezimalrechnung aus der Zeit der Monarchie trat die neue und bequemer handhabbare Dezimalwährung, nach der ein Franc den Wert von hundert Centimes hat. Im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Kirche, die neben dem Adel die wichtigste Stütze des Ancien régimes war, schaffte der Nationalkonvent als neue Volksvertretung auch den christlichen Kalender ab und führte den Revolutionskalender ein. Seit dem 15. Juli 1789, das heißt einen Tag nach Erstürmung der Bastille in Paris wurde das "An I de la liberté" ausgerufen, das "Jahr 1 Freiheit".

Da der gregorianische Kalender weiter galt, dauerte dieses erste "Jahr der Freiheit" nur fünfeinhalb Monate. Ab 1. Januar 1790 galt das zweite Jahr der Freiheit. Nach dem Sturm auf die Tuilerien am 10. August 1792 wurde das "Jahr I der Gleichheit" ausgerufen. Nachdem die Monarchie am 22. September 1792 abgeschafft war, rief der Nationalkonvent das "An I de la République française" aus, das "Jahr 1 der französischen Republik". Die staatlichen Institutionen wurden verpflichtet, die neue, geänderte Zählung zu verwenden. Damit nicht genug erneuerte der Nationalkonvent am 5. Oktober 1793 Namen der Tage und Monate. Es wurde ein zweiter Republikanischer Kalender dekretiert, der am 24. November 1793 (4. Frimaire II) rückwirkend ab dem 22. September 1792 in Kraft trat. Alles, was davor geschah, wurde weiterhin nach dem gregorianischen Kalender mit dem Zusatz E.V. (Ere vulgaire, gewöhnliche Zeit) gekennzeichnet. Auf den letzten Goldmünzen mit dem Königsbild zu einem Louis d'or oder, anders gerechnet, zu 24 Livres tritt vorderseitig zur traditionellen Jahreszahl 1792 rückseitig die neue Zeitangabe L' AN 4 DE LA LIBERTÉ. Damit ist das vierte Jahr der Freiheit gemeint ist, gerechnet ab dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789.

Zählung nach neuem und altem Kalender

Um Irritationen bei der Datierung zu vermeiden, hat man neben Daten nach dem neuen Kalender auch herkömmliche Jahresangaben gesetzt, und diese lesen wir auch zahlreichen, mit revolutionären Bildern, Symbolen und Inschriften dieser Zeit geschmückten Münzen und Medaillen. Nachdem Ludwig XVI. und seine Gemahlin, die aus Österreich stammende Königin Marie Antoinette, 1793 unter der Guillotine ihre Köpfe verloren hatten, ersetzte man das Königsbild durch eine Wertangabe im Eichenkranz. Die Umschrift REPUBLIQUE FRANÇAIS nennt die neue Staatsform, und auf der Rückseite wird die Herrschaft des Rechts verkündet, ausgedrückt durch den geflügelten Genius der Republik, der in das Buch der Verfassung schreibt.

Auf den Münzen der französischen Republik sind ungewohnte Zählweisen nach dem 1792 eingeführten Revolutionskalender zu finden. Das Jahr I begann am 22. September 1792 und endete am 21. September 1793. Münzen mit der Bezeichnung "An I" (Jahr 1) können demnach sowohl im Jahr 1792 als auch 1793 geprägt worden sein. Die Zählung endete unter der Regentschaft Kaiser Napoleons I. offiziell mit dem Jahr XIV am 31. Dezember 1805. Dieses 14. Jahr im Revolutionskalender begann erst am 23. September 1805. Über die verschiedenen Zählungen einschließlich der unterschiedlichen Kalendarien, Jahresanfänge, beweglichen Feiertage und ähnliches aus der Zeit der französischen Revolution und danach gibt es eine Vielzahl Literatur und Tabellen. Empfohlen sei das "Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit" von Hermann Grotefend, das der Schweriner Archivar in mehreren Auflagen herausgebracht und neu bearbeitet hat.

Herkules und Marianne als Symbolfiguren

Das von dem Stempelschneider Augustin Dupré entworfene Herkules-Bild wurde, da besonders symbolhaltig, wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein auf französischen Münzen verwendet. Die Jahresangabe 1793 wird mit dem Hinweis ergänzt, dass diese Münze im Jahr II der Republik geprägt wurde. Spätere Geldstücke verzichten ganz auf die Doppelzählung. Erst unter Kaiser Napoleon I., der die Kirche für seinen Machterhalt benötigte, kehrte das neue Empire français zur alten christlichen Zählung zurück.

Beim Anblick all dieser Prägungen sollte nicht übersehen werden, dass in Frankreich nach der Revolution von 1789 vielfach großes Unrecht geschehen ist und viel Blut vergossen wurde. Feinde der neuen Ordnung, aber auch vielfach ihre Verteidiger wurden nach kurzem Prozess auf der Guillotine oder auf andere Weise hingerichtet. Die sich als Tugendwächter aufspielenden Führungskräfte der neuen Ordnung, allen voran Maximilien Robespierre und Georges Danton, ließen Menschen massenweise mit dem Fallbeil köpfen und gaben das als Dienst an der Nation aus. Dass sie am Ende selber Opfer ihrer eigenen Diktatur werden und unter der Guillotine sterben, hätten sie sich in Zeiten des Blutrausches vom Juni 1793 bis Juli 1794, auch Schreckensherrschaft oder La Grande Terreur genannt, nicht vorstellen können. Die schönen, Freiheit, Gleichheit un Brüderlichkeit beschwörenden Bilder und Symbole auch auf Münzen und Medaillen dieser Zeit, in der die Republik schwer mit fremden Invasoren zu kämpfen hatte und über sie am Ende triumphierte, wurden später von einigen anderen Ländern, vor allem solchen auf dem amerikanischen Kontinent übernommen.

Mussolinis Faschistische Ära

Der italienische Diktator Benito Mussolini führte nach dem Vorbild des französischen Revolutionskalenders eine eigene Zeitrechnung, die Era Fascista (EF, Faschistische Ära) ein. Ende Oktober 1922 war der ehemalige Journalist mit seinen Anhängern nach Rom marschiert. Unter Androhung von Gewalt erzwang er den Rücktritt der Regierung. König Vittorio Emanuele III. gab nach und machte den Führer der in schwarzen Hemden auftretenden Kampfbünde zum Ministerpräsidenten. Der sich wie ein römischer Imperator gebärdende Diktator wurde von Teilen des Bürgertums sowie von Intellektuellen und Künstlern zähneknirschend unterstützt. Sie ließen sich auf seine Versprechungen ein, Italien in ein modernes, mächtiges, und zukunftsorientiertes Land zu verwandeln und ihm die lang vermisste Weltgeltung zu verschaffen. Eine proletarische Revolution nach sowjetischem Vorbild war für sie solch ein Gräuel, dass sie die "Schwarzhemden" als kleineres Übel tolerierten.

Benannt wurde die Bewegung nach dem altrömischen Symbol der Fasces, also von Rutenbündeln mit einem Beil darin, die bei Umzügen hohen Würdenträgern voran getragen wurden und auf französischen Münzen nach 1789 sowie solchen der Vereinigten Staaten und anderer Länder erscheint. Schaut man auf Mussolinis kometenhaften Aufstieg, so drängen sich Parallelen zu Nazideutschland zehn Jahre später auf. In beiden Ländern waren die Befehle des jeweiligen Führers oberstes Gesetz. Wer opponierte, verlor seine Freiheit und oft genug auch sein Leben.

Die Faschistische Ära begann am 29. Oktober 1922 mit Mussolinis Vereidigung als Ministerpräsident. Zwar war der König formal Staatsoberhaupt, aber das Sagen hatte der Emporkömmling. Allen Behörden wurde zur Pflicht gemacht, neben der christlichen Jahreszählung immer auch die faschistische Ära anzugeben. So liest man es auch auf Münzen, Medaillen, Gedenktafeln und Denkmälern dieser im wahrsten Sinne des Wortes schwarzen Periode der italienischen Geschichte. Hinter der Maßnahme stand die Absicht, die gregorianische Jahreszählung zu eliminieren. Da Mussolini und seine Leute dem Wahn anhingen, die Größe des römischen Kaiserreichs wiederherstellen zu können, schrieben sie die Jahre der FE in römischen Ziffern. Mit dem Fall des Faschismus am Ende des Zweiten Weltkriegs war auch die Era Fascista im Orkus der Geschichte verschwunden. Allerdings sind ihre Spuren im Lande noch überall zu sehen.

Die Faschistische Ära begann am 29. Oktober 1922 mit Mussolinis Vereidigung als Ministerpräsident. Zwar war der König formal Staatsoberhaupt, aber das Sagen hatte der Emporkömmling. Allen Behörden wurde zur Pflicht gemacht, neben der christlichen Jahreszählung immer auch die faschistische Ära anzugeben. So liest man es auch auf Münzen, Medaillen, Gedenktafeln und Denkmälern dieser im wahrsten Sinne des Wortes schwarzen Periode der italienischen Geschichte. Hinter der Maßnahme stand die Absicht, die gregorianische Jahreszählung zu eliminieren. Da Mussolini und seine Leute dem Wahn anhingen, die Größe des römischen Kaiserreichs wiederherstellen zu können, schrieben sie die Jahre der FE in römischen Ziffern. Mit dem Fall des Faschismus am Ende des Zweiten Weltkriegs war auch die Era Fascista im Orkus der Geschichte verschwunden. Allerdings sind ihre Spuren im Lande noch überall zu sehen.

8. März 2021

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