Manchen Leuten ging die Fantasie durch
Fälschungen und andere Machwerke können geübte Sammler nicht aufs Glatteis führen



Großen Unfug richtete der hannoversche Kupferstecher und Münzfälscher Nikolaus Seeländer mit seinen Machwerken an. Etwa 300 falsche Brakteaten gehen auf sein Konto. Seeländer publizierte die mittelalterlichen Blechmünzen in einem Buch, das 1743 in Hannover erschien, und wurde etwa ein Jahrhundert später als numismatischer Hochstapler entlarvt.





In Münzsammlungen wird man diese beiden Taler aus Ostfriesland und Kurbrandenburg vergeblich suchen. Sie existieren nur als geprägtes Fantasiegebilde aus dem 18. Jahrhundert beziehungsweise als Abbildung in einem alten Münzbuch.



Der von französischen Bonapartisten favorisierte Thronprätendent Napoleon IV. war ein im englischen Exil lebender Sohn des 1870 entmachteten Kaisers Napoleon III. Er hatte keine Chance, den französischen Thron zu besteigen.



Maurice, Graf von Mac-Mahon und Herzog von Magenta, war Marschall und von 1873 bis 1879 Präsident der Dritten Republik. Dem Versuch von Anhängern der Bourbonen, unter seinem Schutz die Monarchie wiederherzustellen, blieb erfolglos. Die Münze von 1874 mit seinem Kopf und einem Fantasiewappen ist ein Kuriosum, denn sie ist zwar mit REPUBLIQUE FRANÇAISE ausgewiesen, zeigt aber alle Merkmale einer königlichen, zudem von der katholischen Kirche beschützten Prägung.



Das Vierdukatenstück von 1905 ist ein reines Fantasieprodukt. Bildnis und Titel von Zar Alexander II. passen nicht zur Jahreszahl, denn in dieser Zeit war Nikolaus II. an der Macht. Auch an dem nach einem bekannten Rebellenführer des 18. Jahrhunderts benannten so genannten Pugatschow-Rubel mit der Jahreszahl 1771 stimmt nichts, die Uniform und Achselklappen (Epauletten) weisen in das 19. Jahrhundert. (Fotos/Repros: Caspar)

Wer Münzen und Medaillen sammelt, steht dann und wann vor der Frage, was echt und was falsch ist. Einer, der sich mit der Nachahmung römischer Kaisermünzen schon im 16. Jahrhundert hervor tat, war der in Padua tätigen Stempelschneider Antonio Cavino. Der Herkunftsort gab seinen Arbeiten den Namen Paduaner. Aus Silber oder Bronze bestehend, waren Nachbildungen schon in ihrer Zeit begehrt und erzielen heute, da sie als eigenständige künstlerische Werke der Renaissance anerkannt sind und wegen des historischen Hintergrunds geschätzt werden, manchmal höhere Preise als die originalen Vorbilder. Von dem Gelehrten Antonio Bassiano beraten, mühte sich Cavino nicht wie wirkliche Fälscher späterer Zeit, seinen Arbeiten den Anschein zu verleihen, als seien sie echt und alt, denn dazu waren sie zu schön und zu perfekt geprägt oder gegossen. Es kommen auffällige Abweichungen bei den Metallen vor, so die Verwendung von Silber statt Bronze, und auch bei den Inschriften mühte sich der Meister nicht, sie ganz und gar den Originalen anzugleichen.

Vor etwa 600 Jahren begann man, an antiken Gefallen zu finden. Man fügte Gold- und Silberstücke auch in edle Schalen und Kannen ein oder trug sie als Schmuck. Münzensammelnde Fürsten sollen sich beim Anblick von römischen Kaisermünzen zu Ruhmestaten angestachelt gefühlt haben, während Gelehrte und Sammler, die oft beides in einer Person waren, Forschungen zur Genealogie von Herrscherfamilien anstellten und danach trachteten, antike Münzreihen möglichst komplett zu besitzen. Allerdings war das ein schöner Traum, denn die Originale waren rar. Die großen Funde, in denen griechische und römische Münzen zu Tausenden ans Tageslicht kamen, wurden ja erst im 19. und 20. Jahrhundert gemacht. Was tun aber, wenn Echtes und Altes fehlte, wenn ein Kirchenfürst, ein Feudalherr, ein wohlhabender Patrizier und ein an der Historie und Kunst interessierter Gelehrter und Sammler Münzen der römischen Kaiser besitzen wollte? Hilfreiche Leute erkannten die Marktlücke und beschafften Nachbildungen der Raritäten oder erfanden neue.

Französische Thronprätendenten auf Probemünzen

Viele Fantasiemünzen wurden zur Täuschung der Sammler, aber auch aus politischen Gründen angefertigt. Wer an ihnen Gefallen hat, findet im Bereich der französischen Probe- und Sonderprägungen ein weites Betätigungsfeld. Wie besessen hat man seit der Renaissance-Zeit in unserem Nachbarland neben den regulären Münzen auch solche hergestellt, die dicker als üblich sind und auch ein abweichendes Design haben. Die Dickabschläge, auch Piedforts genannt, eigneten sich gut für Geschenkzwecke und waren, wenn sie in Gold ausgeführt wurden, begehrte Wertgegenstände, die man notfalls auch einschmelzen und in kurantes Geld umwechseln konnte. Eine Flut von Probemünzen aller Art ergoss sich auf die Franzosen im 19. Jahrhundert, etwa als Bonapartisten nicht genehmigte Münzen mit dem Bildnis Napoleons II., des niemals auf den Thron gelangten Sohns von Napoleon I., herstellten und damit für die Ablösung der 1814/15 wieder an die Macht gelangten Bourbonen warben. Nach der Entmachtung des "Bürgerkönigs" Louis Philippe in der Februarrevolution 1848 gab die republikanische Regierung neue Münzen in Anlehnung an Gepräge aus der Revolutionszeit 1789 und danach heraus. Doch strömten auch zahlreiche als "Essai" deklarierte Probemünzen auf den Markt, die in unterschiedlichen Varianten Marianne feiern, die Symbolfigur des republikanischen Frankreich.

Nach dem Sturz von Kaiser Napoleon III. wurde Frankreich am 4. September 1870, gleich nach der Niederlage seiner Armee in der Schlacht von Sedan, erneut Republik. Daraufhin änderte man die Münzbilder und gab parallel zu den offiziellen Geldstücken auch solche mit abweichenden Marianne-Köpfen und anderen Motiven heraus. Monarchisten warben mit Probeprägungen für Thronprätendenten aus den ehemaligen Herrscherfamilien Bourbon und Bonaparte sowie für machtbewusste Politiker und Militärs, von denen sich die Produzenten die Wiederherstellung von Frankreichs Glanz und Gloria erhofften.

Englische und russische Retro-Prägungen

Gefälschte Münzen und Medaillen und Fantasiegepräge liegen in manchen Sammlungen und tun dort als Vergleichsstücke für Originale gute Dienste. Doch auch in der numismatischen Literatur werden sie erwähnt. Ab und zu bietet der Münzhandel englische Prägungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert an, die entfernt an originale Silbercrowns erinnern. In Forrers "Biographical Dictionary of Medallists" (Band VI, S. 41f.) finden wir den Hinweis auf den englischen Münzgraveur und Münzhändler William Joseph Taylor, der 1850 den Nachlass von Matthew Boulton, dem Besitzer der Soho Mint, erwarb. Darunter befanden sich originale Prägewerkzeuge von Münzen und Medaillen aus der Zeit von 1797 bis 1843. Taylor bearbeitete die Stempel und brachte so genannte Retro-Prägungen heraus. Nach seinem Tod im Jahr 1885, ging die Firma an seine Söhne, die auch die Werkzeuge 1908 weiter verkauften. Die fantasievoll gestalteten Münzen mit dem Brustbild von König Georg III. sollen zwischen 1862 und 1880 hergestellt worden sein. Schaut man sie genauer an, dann kann man unschwer Unterschiede zu den Originalen feststellen. Da der Münzhandel sie als dubiose Prägestücke ausweist, richten sie keinen Schaden an. Das gilt auch für russische Fantasiemünzen wie auch für Prägungen mit dem Kopf des deutschen Diktators Adolf Hitler, die nach dem Ende des NS-Regimes und des Zweiten Weltkrieg wie hergestellt wurden und wie unzählige Nazidevotionalien im deutschen Westen Käufer fanden und wohl auch heute finden.

Wenn russische Münzen angeboten werden, ist da und dort zu entscheiden, ob es sich um ein Original etwa des 18. Jahrhunderts oder eine Anfertigung für gut betuchte Sammler aus dem 19. Jahrhundert oder ein ganz neues Produkt handelt. Aufgrund guter Beziehungen zum Hof des Zaren und zur Münzverwaltung versorgten sich Sammler mit nachgeprägten, manchmal auch fantasievoll neu erfundenen Münzen. Dazu wurden alte beziehungsweise neu geschnittene Stempel verwendet. Die Nachprägungen sind als Novodely (etwa: die "Neugemachten") bekannt. Der Brauch, alte Münzen neu herauszubringen, geht auf den Zaren Peter III. zurück, der 1761 zumindest mit Duldung seiner Gemahlin Katharina II., einer aus dem winzigen deutschen Fürstentum Anhalt-Zerbst stammenden Prinzessin, umgebracht wurde. In Peters III. Ukas 170 von 1762 bestimmte der Kaiser: "Jede Privatperson ist berechtigt, beim St. Petersburger Münzhof nicht nur eine beliebige Anzahl aus dem Verkehr gezogener Münzen, sondern ganze Sammlungen von Münzen aus den verflossenen Jahren, die bereits aus dem Verkehr gezogen sind, zu bestellen." Wo keine alten Stempel vorhanden waren, durften neue nach alten Vorbildern geschnitten und verwendet werden, und wo diese nicht existierten, hat man seine Fantasie spielen lassen. Manche Novodely werden wegen ihrer besonderen Entstehungsgeschichte sehr hoch bezahlt.

2. Juni 2021

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