Schlag ins Wasser
Wilhelm I. von Preußen zeigte 1863 dem Fürstenkongress in Frankfurt am Main kalte Schulter, drei Jahre später war Krieg



Vom österreichischen Erzherzog Johann, der am 11. Juli 1848 feierlichen Einzug in die Freie Stadt Frankfurt am Main hielt und dem man zu seiner Wahl als Reichsverweser und damit zum provisorischen Reichsoberhaupt einen Gedenkdoppelgulden widmete, hat man in den Revolutionsjahren 1848/49 viel erwartet.





Die von der in der Paulskirche tagenden Nationalversammlung geforderte Einigung der Deutschen konnten Erzherzog Joahh und seine Mitstreiter nicht erzwingen, die Kräfte der Reaktion waren zu stark.



In Frankfurt am Main wurden 1848 und 1849 mit Schriftzeilen und dem Doppeladler ohne Kronenschmuck versehen Doppelgulden geschlagen, die die Wahl des Erzherzogs Johann von Österreich zum Reichsverweser und die Wahl König Friedrich Wilhelms IV. zum "Kaiser der Deutschen" verkünden. Da diese von dem Preußen aber abgelehnt wurde, kamen nur wenige in vorauseilendem Gehorsam geprägte Stücke zur Ausgabe.



Preußens König Friedrich Wilhelm IV., der so genannte Romantiker auf dem Thron, war beißendem Spott ausgesetzt. Umgeben von Militärs und Hofschranzen schwört er, alles für seine Untertanen tun zu wollen, dabei dachte er zuerst an sich und seinesgleichen. Daneben wird ein Schaf von Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung zum Kaiser der Deutschen gekrönt, doch der Maler verherrlicht ihn in vollem Krönungsornat.



Das prominent besetzte Fürstentreffen mit Kaiser Franz Joseph an der Spitze war Frankfurt die Prägung eines Gedenktalers wert.





Johann Wolfgang von Goethe wurde in Frankfurt geboren, zu seinem hundertsten Geburtstag hat man ihm 1849 einen Doppelgulden gewidmet, das gleiche geschah zehn Jahre später beim einhundertsten Geburtstag von Friedrich Schiller. (Fotos/Repros: Caspar)

In der napoleonischen Ära verlor die Freie Stadt Frankfurt am Main kurzzeitig ihre Eigenständigkeit und wurde dem Fürstprimas Carl von Dalberg zugeschlagen, der dem unter französischem Protektorat stehenden Rheinbundes vorstand. Nach dem Wiener Kongress von 1814/15 erhielt die Stadt ihre Selbstständigkeit zurück und wurde Sitz des Deutschen Bundes, eines Zusammenschlusses aus 35 großen und kleinen Fürstentümern und vier freien Städten unter österreichischem Vorsitz. In den Revolutionsjahren 1848/49 kam in der Frankfurter Paulskirche die Deutsche Nationalversammlung zusammen und beriet über die deutsche Reichsverfassung, die den Fürsten einen Teil ihrer Macht nehmen wollte und auf die Einigung Deutschlands zielten. In dem Gotteshaus wurden große Reden für die Verwirklichung der Menschenrechte gehalten, und auch heute ist das in eine Tagungsstätte umgewandelte Gebäude Schauplatz repräsentativer Veranstaltungen wie der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels sowie von Ehrenbürgerschaften und von Politikerreden.

Die Volksvertretung konnte 1848/49 in der Mainmetropole vor politischen und militärischen Eingriffen jener Feudalmächte sicher sein, denen das Parlament gegen den Strich ging und die sich von ihm nicht das kleinste Stückchen Macht nehmen lassen wollten. Bereits im Dezember 1848 wurden nach kontroverser Diskussion die "Grundrechte des Deutschen Volkes" verabschiedet, die in die Reichsverfassung vom 28. März 1849 einflossen. Die dort niedergelegten Prinzipien fanden nach der Novemberrevolution von 1918 und der Abschaffung der Monarchie Platz in der Weimarer Verfassung und sind zum Teil auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert. So fortschrittlich und zukunftsorientiert die sogenannte Paulskirchen-Verfassung war, gemessen an den feudalen Verhältnissen von damals, so wenig ließ sie sich verwirklichen. Die Kräfte der vor allem von Preußen geführten Reaktion waren zu stark, um diesem Grundgesetz Geltung zu verschaffen.

Reif aus Dreck und Letten?

Die hauptsächlich aus Professoren, Juristen, höheren Beamten und nur wenigen Handwerkern bestehende Nationalversammlung hatte nicht lange Bestand. Nach einjähriger Arbeit tagte sie zum letzten Mal am 30. Mai 1849 in der Paulskirche und löste sich später ganz auf. Der Versuch des Parlaments, dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die Würde eines deutschen Kaisers anzutragen, wurde von diesem brüsk abgelehnt. Er sah in der Krone einen "Reif von Dreck und Letten" und meinte, nur die deutschen Fürsten allein könnten ihn auf den Schild heben und zum Oberhaupt des Reiches küren. Bei dieser Aussage spielte der erst achtzehnjährige Kaiser Franz Josef keine Rolle, ihn nahm man noch nicht für voll. Otto von Bismarck rechtfertigte 1849 die Ablehnung der Kaiserwürde durch Friedrich Wilhelm IV. im Preußischen Landtag mit den Worten "Die Frankfurter Krone mag sehr glänzend sein, aber das Gold, welches dem Glanze Wahrheit verleiht, soll erst durch das Einschmelzen der preußischen Krone gewonnen werden; und ich habe kein Vertrauen, dass dieser Umguss mit der Form dieser Verfassung gelingen werde." Anders als es 1849 die Nationalversammlung wollte, wurde am 18. Januar 1871 König Wilhelm I., der jüngere Bruder jenes "Romantiker auf dem Thron" genannten Friedrich Wilhelm IV. von den in Versailles versammelten Fürsten zum Kaiser ausgerufen. Der nicht ausgegeben Gedenkdoppelgulden von 1849 auf die Kaiserwahl ist selten, von ihm kommen mehrere Varianten und teure Abschläge aus Gold vor.

Für Otto von Bismarck, den preußischen Ministerpräsidenten und ab 1871 deutschen Reichskanzler, gab es manche Gründe, Frankfurt, neben Berlin und Wien quasi die dritte Hauptstadt des Deutschen Bundes, zu grollen, zu ducken und auf ein provinzielles Niveau zurückzuschrauben. Als preußischer Gesandter beim Deutschen Bund in Frankfurt tätig, hatte er wenig erfreuliche Begegnungen mit ehemaligen Vertretern des Paulskirchenparlaments, mit Personen, die Preußen nicht freundlich gesonnen waren, und mit Diplomaten, denen er misstraute. Jahrzehnte später lagen ihm die, wie er schrieb, "harten Zusammenstöße mit dem österreichischen Vertreter" noch schwer im Magen.

Annexion 1866 durch Preußen

Als 1863 in Frankfurt ein Fürstentag abgehalten wurde, in dem es um die Reformierung des Deutschen Bundes und die Frage ging, wer dort den Ton angeben soll, Österreich oder Preußen, hielt Bismarck mit Mühe König Wilhelm I. davon ab, an dieser proösterreichischen und damit antipreußischen Veranstaltung teilzunehmen. Unbeeindruckt davon ließ die Stadt Frankfurt, über deren Honoratioren ein reicher österreichischer Ordenssegen hinabging, einen Gedenktaler prägen. Auf ihm fährt Kaiser Franz Josef von Österreich in einer Kalesche vor dem Römer vor. Auch diesen Affront mag Bismarck im Sinn gehabt haben, als es drei Jahre später für das freie Frankfurt um Sein oder Nichtsein ging und im Zusammenhang mit dem Deutschen Krieg von 1866 mit weiteren darin unterlegenen Territorien von Preußen annektiert wurde. Ungeachtet vieler schöner Reden und Einmütigkeit vorgaukelnder Bilder war der Fürstentag ein Schlag ins Wasser, und er verschärfte die Spannungen im Deutschen Bund, dem Zusammenschluss zahlreicher Fürstentümer und Freier Städte.

Hannover, Kurhessen, Nassau, Sachsen, Bayern, Baden und Württemberg hatte sich 1866 auf die falsche, die österreichische Seite geschlagen. Zwar verhielt sich die Mainmetropole neutral, doch hat man ihr das als antipreußischer Akt ausgelegt. Während Bismarck nach dem so genannten Deutschen Krieg gegenüber Sachsen, Bayern, Baden und Württemberg Augenmaß und Vorsicht walten ließ, weil er sie als künftige Verbündete in einem Krieg gegen Österreich beziehungsweise Frankreich oder gegen beide Länder zusammen brauchte, rechnete er in Übereinstimmung mit König Wilhelm I. von Preußen mit Hannover, Kurhessen und Nassau sowie Frankfurt gnadenlos ab. Die vier Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes wurden kurzerhand annektiert.

Rücksichtslose und geldgierige Besatzer

Obwohl es in Frankfurt einflussreiche Kreise gab, die für einen Anschluss an den Hohenzollernstaat plädierten, gingen Truppen König Wilhelms I. rabiat gegen die Freie Stadt vor und brachten deren von preußischen Soldaten geradezu überwältigten Einwohner gegen sich auf. Am 18. Juni 1866 besetzt, sollte die Stadt innerhalb eines Tages 25 Millionen Gulden Kriegskontributionen an Preußen zahlen. Sie war dazu nicht bereit und in der Lage. Frankfurts Bürgermeister Carl Constanz Victor Fellner, der lange für die Finanzen der Stadt und daher auch für die Münzprägung zuständig war, war kein grundsätzlicher Gegner eines in friedlichen und rechtlichen Bahnen verlaufenden Anschlusses an Preußen. Seine Bemühungen, zwischen der Stadt und dem dreist auftretenden preußischen Militär zu vermitteln, scheiterten.

Unerbittlich verlangte die Militärverwaltung von Fellner eine Liste der Namen und Besitzverhältnisse aller Mitglieder der Frankfurter Körperschaften wohl mit dem Ziel, diese zur Zahlung der Kontributionen zu zwingen. Fellner war bereit zu zahlen, um der Stadt die angedrohte Beschießung zu ersparen, suchte aber bei den Besatzern um eine Ratenzahlung nach, was ihm als Insubordination ausgelegt wurde. Zwischen Baum und Borke, zwischen der eigenen Bevölkerung und der preußischen Übermacht stehend, hielt der Bürgermeister offenbar den Druck nicht aus und erhängte sich am 24. Juli 1866, seinem 59. Geburtstag.

7. Dezember 2021



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