Einmal Münzmeister sein...
Sächsische Numismatische Gesellschaft war im Oktober 2021 bei Hundertjahrfeier der Stadt Freital dabei





In den Münzstätten des 18. Jahrhunderts war alles noch kräftezehrende Handarbeit. Das erlebte auch der sächsische Landtagspräsident Matthias Rößler, als er mit einem schweren Hammer auf einem Klippwerk vor lauter Schaulustigen einen Sachsengroschen prägte.



Die Zinnmedaille mit dem Bildnis Augusts des Starken wurde von Heiko Ziesch gestaltet, die Stempel hat Ralf Exner angefertigt, und geprägt wurde sie in der 1. Dresdner Medaillenmünze Glaser & Sohn.



Die von Olaf Wif geschaffene Medaille von 1719 stammt aus der zur Hochzeit des Kurprinzen Friedrich August mit der Kaisertochter Josepha. Auf der Vorderseite thront Jupiter auf Wolken, die Rückseite zeigt den noch im Bau befindlichen Dresdner Zwinger.





Die zur königlichen Hochzeit von 1719 ausgeworfenen Silbermedaillen mit dem Spruch RUTHE WEISE GLUCKLICH AN - DASS ICH AUS BEÜT MÜNTZEN KANN mit Darstellungen der Hammerprägung beziehungsweise Arbeit an der Spindelpresse passen gut in eine Sammlung zum Thema "Münztechnik auf Münzen und Medaillen.



Der Festumzug im Plauenschen Grund bei Dresden und Freiberg mit Bergleuten und Münzprägern wurde 1719 auf farbigen Miniaturen wie hier und Kupferstichen für alle Zeiten verewigt. (Fotos/Repros: Caspar)

Die sächsische Stadt Freital unweit von Dresden erinnerte Anfang Oktober 2021 mit einer Festwoche an ihr hundertjähriges Bestehen. Da einige Stadtteile eine weit in die Vergangenheit zurückeichende Geschichte in Gestalt von slawischen oder deutschen Flurnamen, Siedlungsformen und Urkunden besitzen und uralte Grundherrschaften und Adelsgeschlechter hier siedelten, war das Jubiläum Anlass, auch über Verbindungen in die Vergangenheit zu sprechen und von dort Linien zur Gegenwart zu ziehen. Die Chroniken erzählen vom ehemals blühenden, nach dem Zweiten Weltkrieg eingestellten Steinkohlenbergbau und von der Stahlproduktion, aber auch wie am 26. September 1719 im Plauenschen Grund, auf dem Gebiet der späteren Stadt Freital, prunkvoll die Hochzeit des sächsischen Kurprinzen Friedrich August (II.) mit Maria Josepha, der ältesten Tochter von Kaiser Joseph I., mit einem Umzug von Bergleuten und der Prägung von Medaillen als Ausdruck des Reichtums und der wirtschaftlichen Leistungskraft des Landes Augusts des Starken gefeiert wurde.

Prägung auf dem Klippwerk

Da der sächsische Kurfürst und polnische König diese Hochzeit mit der Hoffnung verband, durch sie für sich oder seinen Sohn eine Anwartschaft auf die römisch-deutsche Kaiserkrone zu erhalten, arrangierte er die Feierlichkeiten in und außerhalb Dresdens mit Banketten, Feuerwerken und Festumzügen besonders prunkvoll, hatte aber keinen Erfolg, zumindest was die Kaiserwürde betraf. Beim Saturnalienfest im Plauenschen Grund wurden mit Rutengängern und prägenden Putten geschmückte Silbermedaillen ausgestreut. Sie sind heute Schmuckstücke in Sammlungen zum Thema "Numismatica in nummis", das sich mit allem befasst, was mit der Münzkunde und Herstellung von Münzen und Medaillen zu tun hat.

An den Feierlichkeiten zur Erhebung von Freital zur Stadt beteiligten sich am 2. Oktober 2021, dem Tag der Vereine, auch Mitglieder der Sächsischen Numismatischen Gesellschaft (SNG). Im Stadtzentrum prägten sie auf einem altertümlich anmutenden Klippwerk unter den Augen neugieriger Besucher kleine Medaillen aus Zinn, die so genannte Sachsengroschen. Ganz Mutige durften sich unter fachlicher Anleitung mit einem schweren Hammer auf den Oberstempel schlagen, der in ein eisernes Gehäuse eingelassen war. Die zwischen dem Ober- und Unterstempel liegende Ronde, auch Schrötling genannt, erhielt durch den kräftigen Schlag ihr Prägebild. Heraus kam eine Prägung mit dem Bildnis des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs Friedrich August II./August III., genannt August der Starke.

Geschmiedet aus Kohle und Stahl

Die Sächsische Numismatische Gesellschaft gibt solche Medaillen seit 1999 zum Tag der Sachsen heraus und wirft sie nach alter Tradition "unters Volk". Wie SNG-Vizepräsident Udo Becker weiter erklärt, musste dieses beliebte Treffen coronabedingt 2020 in Zwickau und 2021 in Freital ausfallen. "Zu unserer Freude bestand anlässlich der Hundertjahrfeier von Freital Gelegenheit, uns dort am Tag der Vereine zu präsentieren. Die schon fertigen Medaillen für den Tag der Sachsen wurden mit dem Symbol des Coronavirus gegengestempelt und als Andenken für 54 Euro in Silber, 18 Euro in Kupfer vergoldet oder 14 Euro in Kaiserzinn angeboten und fanden reißenden Absatz. 20 Exemplare wurden vom ortsansässigen Künstler Olav Stov, der auch mit Entwürfen für Gedenkmünzen bekannt wurde, als Einlage für eine Porzellanmedaille mit einem Durchmesser von 145 Millimetern genutzt."

Stadtbildprägend ist der Windberg, auf dessen Silhouette auf der Medaillenvorderseite Olav Stov den Spruch eines Freitalers GEWURZELT AUF EINER TAUSENDJÄHRIGEN BESIEDELUNG SCHUFEN DIE GRÜNDUNGSVÄTER FREITALS EINE AUFSTREBENDE STADT - GESCHMIEDET AUS KOHLE UND STAHL, GEPRÄGT DURCH ERFINDUNGSGEIST UND FLEISS UND GESCHULDET DER EINSICHT, DASS NUR GEMEINSAMKEIT STARK MACHT dargestellt hat. Das Motto "Aus Liebe zu Freital" im oberen Feld der Medaillenrückseite war der Leitspruch sowohl zum ursprünglich geplanten Tag der Sachsen 2021 in Freital als auch zum hundertjährigen Stadtjubiläum. Nachdem das Treffen abgesagt werden musste, bleibt er in seiner Aussage für das Festjahr 2021 auch weiterhin aktuell.

Was Goethe beobachtet hat

Manch ein Teilnehmer der Veranstaltungen wird daran gedacht haben, dass das Auswerfen von Medaillen, auch Jetons genannt, eine lange Geschichte hat. Mit ihnen wurden Schaulustige von Krönungszügen oder bei fürstlichen Huldigungen beschenkt und bei Laune gehalten. Johann Wolfgang von Goethe hat in "Dichtung und Wahrheit" (Erster Teil, 5. Buch) beschrieben, was er als Jugendlicher 1765 beim Auswerfen von silbernen und goldenen Jetons in Frankfurt am Main anlässlich der Krönung Kaiser Joseph II. erlebt hat. "...aller Augen warteten auf den Erbschatzmeister, der das Geld auswerfen sollte. Auch er bestieg ein schönes Ross, dem zu beiden Seiten des Sattels anstatt der Pistolenhalftern ein Paar prächtige, mit dem kurfürstlichen Wappen bestickte Beutel befestigt hingen, kaum hatte er sich in Bewegung gesetzt, als er in diese Taschen griff und rechte und links Gold- und Silbermünzen freigebig ausstreute, welche jedes Mal in der Luft als ein metallner Regen gar lustig glänzten. Tausende Hände zappelten augenblicklich in die Höhe, um die Gaben zu empfangen; kaum aber waren die Münzen niedergefallen, so wühlte die Massen in sich selbst gegen den Boden und rang gewaltig um die Stücke, welche zur Erde gekommen sein. Da nun diese Bewegung von beiden Seiten sich immer wiederholten, wie der Geber vorwärts ritt, so war es für die Zuschauer ein sehr belustigender Anblick. Zum Schlusse ging es am allerlebhaftesten her, als er die Beutel selbst auswarf und ein jeder noch diesen höchsten Preis zu erhaschen trachtete." Von solchen Tumulten konnte jetzt in Freital und bei früheren Anlässen nicht mehr die Rede sein, denn da ging es ganz gesittet zu. Man musste sich anstellen und hatte dann Gelegenheit, sich unter fachlicher Anleitung als "Münzmeister" zu betätigen. Für viele Festgäste war das sicher ein unvergessliches Erlebnis.

11. Oktober 2021

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