Frostige, ungeglaubte Germaniaköpfe
In der Weimarer Republik war die Suche nach einem nationalen Symbol ein schwieriges Geschäft













Die ihm eingereichten Vorschläge für Germania-Münzen wie diese von 1925 bis 1927 gefielen dem Reichskunstwart Edwin Redslob überhaupt nicht. Sie schafften es nur bis zur probeweisen Ausprägung.



Zur Befreiung des Rheinlandes von alliierter Besetzung wurde das mit der Muttergottes und dem Kölner Dom geschmückte Fünfmarkmünze nur probeweise geprägt.





Die ungewöhnlich gestalteten und ganz und gar von der Tradition abweichenden Fünfmarkstücke von 1926 und 1931 hatten zur Massenprägung keine Chance. (Fotos/Repros: Caspar)

Nach dem Sturz der Monarchie im November 1918 und der Gründung der Weimarer Republik wurden im republikanischen Deutschland neue staatliche Flaggen, Münzen und Medaillen, Geldscheine, Briefmarken, Siegel und ähnliches gebraucht. Die bisherigen Symbole Kronen, Zepter, Reichsapfel und Ordensketten hatten ausgedient. Es bestand großer Bedarf, die frisch gewonnene Demokratie auf neuartige Weise darzustellen und einen vom alten Kaiseradler abweichenden Reichsadler zu kreieren. Viele Material- und Motivproben aus den Jahren nach 1918 deuten auf eine experimentierfreudige Zeit. So kommen die bekannten Drei-Mark-Münzen von 1922 aus Aluminium auch als Abschläge aus Silber, Nickel oder Kupfer sowie mit verschiedenen Metallplattierungen vor. Für das Jahr 1922, in dem die Geldentwertung bereits stark vorangeschritten war, sind Fünf-Mark-Stücke aus aluminiumplattiertem Kupfer oder einer Nickel-Legierung überliefert, ja es gibt aus dem gleichen Jahr sogar ein Tausend-Mark-Stück aus Aluminium beziehungsweise Silber mit dem Kopf von Friedrich Schiller und der Umschrift "Frei durch Vernunft, stark durch Gesetze".

In der Weimarer Republik gab es Ideen, das alte Silbergeld aus der Kaiserzeit, das weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden war, wieder aufleben zu lassen. So zitieren die Blätter für Münzfreunde (Heft Juli/August 1923), also mitten in der Inflation, eine Stellungnahme im Berliner Tageblatt zugunsten silberner Handelsmünzen im Gewicht von zehn Gramm analog zum bisherigen Zwei-Mark-Stück. Plädiert wurde für eine ein Gramm schwere Silbermünze ähnlich dem "frühere(n) unverständlicherweise wegen Kleinheit verschrieene(n) 20-Pfennigstück", ferner für die Freigabe der Privatprägung dieser mit neuem Namen zu belegenden Münze, die auf Grund des Welthandelspreises von 1 g Feinsilber einen wöchentlichen neu zu regelnden Kassenkurs erhalten könnte. Außerdem sollten neuartige Kupfermünzen ausgegeben werden. "Die vorgeschlagenen drei Sorten stehen zu einander in bequemer dezimaler Gliederung. Die erhöhte Werteinstellung der Kupfermünze würde außerdem zur Deckung der Prägekosten dienen oder wenigstens wesentlich zu diesem Beitragen", wird aus der Zuschrift zitiert. Die "Blätter für Münzfreunde" enthalten sich eines Kommentars zu diesem und zu anderen in der damaligen Presse kursierenden Vorschlägen, die alle zu nichts führten.

Reichskunstwart als Gutachter

Für neuartige Münzen Vorschläge zu unterbreiten, Wettbewerbe auszuschreiben, Künstler zu fördern, Geld bereitzustellen und Projekte auf den Weg zu bringen, war Aufgabe eines Amtes, das beim Reichsinnenministerium angesiedelt und auch für "Großbauten des Reiches" und offizielle Staatsakte zuständig war. Von 1920 bis Februar 1933 hatte Edwin Redslob die Position des dafür zuständigen Reichskunstwartes inne. Schriftliche Hinterlassenschaften seiner Behörde sind im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde unter der Signatur R 32 Reichskunstwart 7.3 Münzen und Medaillen 287 ff. erhalten und nur teilweise ausgewertet. Der von Redslob geführte Briefwechsel mit dem Reichsfinanzministerium und anderen Dienststellen, mit Künstlern, Prägeanstalten und Bildgießereien, aber auch diverse Gutachten, Wettbewerbsaufrufe, Rechnungen und Zeitungsausschnitte reichen von den frühen zwanziger Jahren bis 1933, als die Nationalsozialisten den ihnen wegen seiner liberalen Kunstpolitik verhassten Redslob aus entließen. In seinem Buch "Von Weimar nach Berlin. Erlebtes und Durchdachtes" (Berlin 1972) hat der Kulturpolitiker, Publizist sowie Mitbegründer der Freien Universität Berlin, des Berliner Tagesspiegels und des Berlin-Museums beschrieben, was er als Reichskunstwart getan und wie er die NS-Zeit überstanden hat. Leider widmet der Autor der Gestaltung von Münzen nur wenige Zeilen.

Gediegenes Geld in hoher Qualität

Die von Redslob praktizierte Förderpolitik forderte "gediegenes neues Geld in hoher Qualität" und richtete sich gegen unverständliche Symbolik. Volkstümlichkeit im besten Sinne wurde angestrebt und manchmal auch erreicht. Auf wenig Gegenliebe stießen zahlreiche, ihm im Rahmen eines 1925 ausgeschriebenen künstlerischen Wettbewerbs vorgelegte Entwürfe mit dem Kopf der Germania, der Symbolgestalt der Deutschen. Obwohl es verschiedene Probeprägungen dieser Art gibt, schaffte es kein einziges Modell bis zur Massenprägung. Redslob bemängelte, die Absicht, ein geeignetes Sinnbild zu schaffen, werde nicht erfüllt. "Dieses Ergebnis scheint mir kein Zufall zu sein, sondern der gegebenen Situation zu entsprechen. Denn tatsächlich hat Deutschland zurzeit kein dem ganzen Volke vertrautes wirkliches Sinnbild. Die Germaniaköpfe im Wettbewerb sind entweder frostige Allegorien oder zufälliges Bildnis, die Germanenköpfe erscheinen ebenfalls wenig geeignet. Die einzelnen allegorischen Figuren haben nicht die Kraft eines wahren Sinnbildes, man kann von fast allen sagen, daß sie ungeglaubt sind."

Schaut man in die numismatische Literatur und die Angebote des Münzhandels, so findet man verschiedene Prägungen, die im Zusammenhang mit dem erwähnten Wettbewerb von 1925 und zu anderen Gelegenheiten entstanden sind. Dazu gehören Münzen mit den Wappen deutscher Länder sowie Adlern in unterschiedlichen Ansichten. Sie unterscheiden sich zum Teil stark von der strengen Fassung, der von Josef Wackerle, Lehrer an der Akademie der bildenden Künste in München, entwickelt wurde und auf einer Reihe von Reichsmünzen erscheint. Redslob hat sich lobend über diesen Reichsadler geäußert und ihn auch bei offiziellen Preismedaillen des Deutschen Reiches verwandt.

Wer als Sammler die tatsächlich ausgegebenen Münzen und dazu passende Probeprägungen, Materialvarianten und andere auf der Strecke gebliebene Stücke sein eigen nennen kann, darf sich zu den numismatischen Glückspilzen zählen. Unsere Münzkabinette und große Privatsammlungen bieten reiches Anschauungsmaterial für weitergehende Forschungen.

12. Januar 2021

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"