Endlich siegt die gute Sache
Um die braunschweigischen Glocken-, Brillen-, Mücken- und Wildemann- und weitere Taler ranken sich kuriose Geschichten



Mit seinem Reitpferd hält der gelehrte Herzog August der Jüngere, vom Bildhauer Georg Meyer-Steglitz geschaffen, seit über einem Jahrhundert auf dem Marktplatz zu Wolfenbüttel Wache.



August der Jüngere verwandte die Einkünfte seiner Silbergruben zum Wohl seines Landes und für die nach ihm benannte Bibliothek in Wolfenbüttel. Auf dem Reise- oder Schiffstaler begibt er sich auf eine lange Fahrt ins Unbekannte. Die Botschaft lautet: "Erst wägen, dann wagen".







Die Glockentaler von 1643, die Herzog August der Jüngere anlässlich der Belagerung und Befreiung von Wolfenbüttel schlagen ließ, waren schon in der Barockzeit Gegenstand gelehrter Betrachtungen. Der zweite Glockentaler zeigt, dass keine Tat ohne Rat, Überlegung und Planung ähnlich einer Glocke ohne Klöppel ist. Der vierte Glockentaler ist lediglich mit einem Klöppel geschmückt, der an einen Stein gelehnt ist. Der siebente und letzte Glockentaler mit der Stadtansicht feiert die Befreiung von kaiserlicher Bedrückung im Jahr 1643.



Die DDR und die Bundesrepublik Deutschland ehrten 1966 den Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, der sich mit Gotthold Ephraim Lessing um die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel große Verdienste erworben hat.



Die braunschweigischen Herzöge vor und nach August dem Jüngeren leisteten sich eine umfangreiche, mit oftmals schwer deutbaren Bildern und Sprüchen ausgestattete Münzprägung. Darunter befindet sich der Wespentaler des Herzogs Heinrich Julius als Warnung an aufsässige Adlige.



Der 1597 von Heinrich Julius geprägte Taler verkündet, dass sich die Wahrheit gegen alle Verleumdungen durchsetzten wird und niemand etwas zu befürchten hat, der sie verteidigt.



Der braunschweigische Luftpumpentaler von 1702 bezieht sich auf ein berühmtes Experiment von Otto von Guericke mit den Magdeburger Halbkugeln und zeigt, wie man mit List und Tücke ein festes Bündnis lösen kann.



Ein Relief auf dem Sockel des Guericke-Denkmals in Magdeburg schildert eine solche Szene, die Kaiser Ferdinand III. und Fürsten 1654 beim Reichstag in Regensburg erstaunte und verzückte.



Der braunschweigische Taler von 1689 beschwört den Segen brüderlicher Eintracht, was zu unterstreichen angesichts damaliger Rivalitäten und Erbstreitigkeiten in fürstlichen und anderen Familien offenbar nötig war. (Fotos/Repros: Caspar)

Im frühen 16. Jahrhundert traten im Römisch-deutschen Reich und anderen Ländern, italienischen Vorbildern folgend, zu den so genannten Schautalern spezielle Medaillen. Zunächst gegossen, dann aber in einem aufwändigen Verfahren mit Hilfe schwerer Pressen geprägt, boten sie weitaus mehr Möglichkeiten für künstlerische Entfaltung als die flachen Guldengroschen beziehungsweise Taler. Diese Großsilbermünzen spielten als Mittel fürstlicher oder städtischer Repräsentation oder als geprägte Andenken und Amulette ähnlich den Medaillen eine große Rolle. Deshalb ließen es sich manche Münzstände viel Geld kosten, sich auf ihnen mit allen Symbolen ihrer Macht darzustellen. In den braunschweigischen Herzogtümern wurden seit dem 16. Jahrhundert bemerkenswerte Gedenktaler geprägt, von denen der Münzhandel zur Freude der Sammler vielen interessante Stücke mit kurioser Geschichte anbietet.

Die Taler durften bestimmte Abmessungen, Gewichte und Reliefhöhen nicht überschreiten und waren in der Regel Massenware, während Medaillen aus Gold, Silber, Kupfer und Bronze solchen Einschränkungen nicht unterworfen waren. In geringen Stückzahlen hergestellt, besaßen sie einen exklusiven Charakter. Manchmal aber sind die Übergänge zwischen Münzen und Medaillen fließend. Viele Silbermedaillen sind so schwer wie reguläre Taler oder Doppeltaler. Man konnte sie, wenn Not am Manne war, im wahrsten Sinne des Wortes versilbern und mit ihnen wie mit kurantem Geld bezahlen. Auf diesem Wege dürften zahlreiche Münzen den Weg alles Irdischen gegangen sein. Sammlern bricht es das Herz, wenn sie in alten Chroniken lesen, dass Altmetallhändler durch die Lande zogen, um gute alte Taler zum Zwecke des Einschmelzens aufzukaufen. Das so gewonnene Edelmetall wurde mit Kupfer "gestreckt" und mit vermindertem Feingehalt neu vermünzt. Wir kennen die Machenschaften der Kipper und Wipper und die berüchtigten Kippermünzen aus den Anfangsjahren des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Im ihrem ersten Leben waren sie vielleicht schöne alte Taler, im zweiten Leben bestanden die Kippermünzen fast nur noch aus Kupfer mit dünnem Silberüberzug.

Numismatischer Mikrokosmos

Schaut man die Talerprägungen der frühen Neuzeit an, so kristallisieren sich als beliebte Motive Fürstenbildnisse mal stehend, mal reitend oder als Brustbild heraus, gefolgt von Heiligenfiguren und prächtigen Wappenschildern. Im späten 16. Jahrhundert kommen religiöse Darstellungen und allegorische Figuren sowie Stadt- und Gebäudeansichten. Auf Gedenkmünzen finden wir zahlreiche, meist in lateinischer Sprache abgefasste Widmungen und Inschriften zur Erinnerung an wichtige Ereignisse in den Fürstenhäusern wie Hochzeiten, Geburten und Sterbefälle, Krönungen und Huldigungen und viele andere Anlässe.

Wer sich auf die Gepräge der silberreichen braunschweigischen Herzogtümer einlässt, findet einen ganzen numismatischen Mikrokosmos, in den einzudringen nicht ganz leicht ist. Die braunschweigischen Herzöge leisteten sich eine üppige Münzprägung mit vielen Gedenkstücken, die schon immer Sammler und Forscher interessiert haben. Einfache und mehrfache Taler, aber auch kleinere Werte wurden geprägt. Die Bedeutung der Bilder und Inschriften zu entschlüsseln, fällt nicht immer leicht. Neben den allbekannten Wildemann- und Hausknechtstalern gibt es die nach Merkmalen und Emblemen benannten Glocken- und Glückstaler, aber auch die Brillen-, Eintrachts-, Jakobs-, Licht-, Luftpumpen- und Lügentaler, die Pelikan-, Pfaffenfeind-, Rebellen-, Reise-, Wespen- und andere Taler. Diese emblematischen Münzen mit allen ihren Varianten zu bekommen und ihren Sinn zu ergründen, ist eine kaum zu schaffende Lebensaufgabe.

Alles mit Bedacht

Die in Zellerfeld aus Harzer Silber geprägten Glockentaler feiern in ihrer damals sehr beliebten barock-verschlüsselten Art die Befreiung der von kaiserlichen Truppen besetzten Residenzstadt und Festung Wolfenbüttel im Jahr 1643. Herzog August II., der Jüngere, konnte nach langem Warten unter dem Läuten der Kirchenglocken wieder in seine Residenzstadt einziehen und sich an die große Aufgabe machen, sein kleines, durch den Krieg verwahrlostes und entvölkertes Reich wieder aufzubauen. Der Herzog hatte 1635 die Herrschaft angetreten und Wolfenbüttel zu hoher kultureller Blüte gebracht. Er reformierte das Kirchen-, Schul- und Justizwesen, erfasste die Kriegsschäden in den Städten und auf dem Land und kümmerte sich um die Gesundung des Finanzwesens. Die bedeutenden Einkünfte aus dem Bergbau im Harz, dokumentiert durch eine reiche Münzprägung, und seine vergleichsweise bescheidene Hofhaltung halfen, dass sich das Land relativ schnell erholen konnte.

August der Jüngere war einer der klügsten Männer seiner Zeit. Er verkörperte das Ideal den "guten", allseitig gebildeten, mildtätigen Fürsten, der das Wohl seiner Landeskinder über alles stellt. Aus ganz Europa ließ er Bücher und alte Schriften herbeischaffen, sie einheitlich in Pergament binden und beschriften. August der Jüngere brachte einen Bücher- und Handschriftenschatz von rund 130 000 Exemplaren zusammen und machte ihn der Öffentlichkeit zugänglich. Die mit vielen bibliophilen Kostbarkeiten ausgestattete berühmte Bibliothek in Wolfenbüttel, in der keine geringere als der Polyhistor und Berliner Akademiegründer Gottfried Wilhelm Leibniz und der Dichter Gotthold Ephraim Lessing tätig waren, trägt zu Recht den Namen des gelehrten Herzogs. Hier finden Forscher übrigens zahlreiche seltene numismatische Drucke und Leichenpredigten sind viele biographische Einzelheiten über das Leben und Schaffen von Münzmeistern und anderen Personen vermerkt, die mit Münzen und Medaillen zu tun hatten.

Die von August dem Jüngeren in Auftrag gegebenen Glockentaler symbolisieren auf anschauliche Weise das lange Warten auf die Wiederinbesitznahme der von starken Bastionen gesicherten Residenzstadt nach der Vertreibung der kaiserlichen Truppen. Im Jahr 1729 wurden die "so berühmten sieben Wolffenbüttelschen Glocken-Thaler von An. 1643" in der Zeitschrift "Wöchentliche Historische Münz-Belustigung" abgebildet und beschrieben, und auch später haben sich Münzforscher Deutungsversuche angestellt. Die Münzen mit den Umschriften ALLES MIT BEDACHT und MONA CAUSA TRIUMPHAT (Endlich siegt die gute Sache) zeigen das geharnischte Hüftbild des Landesherrn sowie Glocken ohne Klöppel (Taler 1-3) beziehungsweise mit diesem (Taler 5-6). Beim vierten Glockentaler erkennt man nur den Klöppel, der an einen Stein gelehnt ist und gleichsam darauf wartet, wieder einhängt zu werden und die Glocke zum Klingen zu bringen. Beim letzten und siebenten Taler erkennt man, wie die von drei Händen gezogene Glocke über der wieder befreiten Stadt Wolfenbüttel erklingt.

Die siebente Ausgabe ist die häufigste der Serie. Da man von ihr mindestens zwölf Varianten kennt, darf auf eine hohe Auflage und Verbreitung geschlossen werden. Neben den ganzen Glockentalern kommen auch Halb- und Vierteltaler vor. Diese Stücke sind oft seltener als die ganzen Taler, vermutlich weil man sie eher eingeschmolzen hat als die ganzen Stücke, die als Andenken an eine dramatische Zeit in Ehren gehalten wurden. In einem "Thaler-Cabinet" genannten Katalog von Michael Lilienthal aus dem Jahr 1735 wird die Beschreibung der Münzen mit diesem Gedicht abgeschlossen: "Eine Glocke lang gezogen / Ohne Schwengel giebt kein Thon. / Gute Anschlag ohn vollzogen, / Gibt der Arbeit schlechten Lohn. / Auch der Schwengel ohn Glock / Liegt vergebens auf dem Block: / Wird der Schwengel eingehenckt / Dann die Glocke laut erklingt. / Rath und That, sammt dem Gedeyen / Himmel und Erd macht erfreuen. / Leut nun Glocke mit dem Schwengel, / Da sich freuen Gott und Engel."

Tue Recht und scheue niemand

Bereits im späten 16. Jahrhundert taten sich braunschweigische Herzöge im Unterschied zu vielen ihrer Standesgenossen im Römisch-deutschen Reich und darüber hinaus mit Talern hervor, die auf Zeitereignisse reagieren. Ein schönes Beispiel ist der Mücken- oder Wespentaler, den Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, der "Erfinder" der großen und schweren Juliuslöser, im Jahr 1599 schlagen ließ. Die Silbermünze bezieht sich auf Konflikte, die der Landesherr mit adligen Familien ausfocht. Auf der Rückseite sieht man, wie ein Löwe als Symbolfigur des Herzogs von zehn Mücken, auch als Wespen gedeutet, attackiert wird. Dem Löwen kann nichts passieren, denn über ihm schwebt der kaiserliche Adler, der ihn beschützt und hilft, Ruhe und Ordnung im Lande wiederzustellen. Zu der Serie gehört auch der Rebellentaler von 1595 mit der abgekürzten Aufschrift N. M. T. (NOLI ME TANGERE, Rühr mich nicht an) und weiteren Warnungen. Die eine lautet in der Auflösung "Es wird schwer, wider den Stachel zu löcken", eine andere kündigt an "Das Leid wird vom Haus des Undankbaren und Aufsässigen nicht weichen".

Auf dem Lügentaler von 1596 zerreißt ein von einem Engel beschützter Löwe einen Steinbock, womit die gegen den Herzog rebellierende Familie derer von Steinberg gemeint ist. Der Wahrheitstaler von 1597 rät aufsässigen Leuten im Lande dringend RECTE FACIENDO NEMINEM TIMEAS (Tue Recht und scheue niemand) und stellt damit klar, dass die Wahrheit alle Verleumdungen und Lügen besiegen wird. Dass sich Heinrich Julius für sein Land aufopfert, schildert der 1599 ausgegebene Pelikantaler. Er spielt auf die Legende an, wonach ein Pelikan seine Jungen mit dem eigenen Blut ernährt. Die Umschrift PRO ARIS ET FOCIS (Für Haus und Herd) will glauben machen, dass sich der Landesherr förmlich für das Wohl seiner Untertanen verzehrt.

Riesen mit Tanne und Lendenschurz

Schier übermenschliche Fähigkeiten wurden den "wilden Männern" nachgesagt. Einzeln oder zu zweit flankieren und beschützen sie das Wappen braunschweigischer Herzöge, preußischer Könige und anderer Herrscher. Ein Wilder Mann hält auf dem Brillentaler von 1586 ein Licht, einen Totenkopf, eine Sanduhr und eine Brille in der Hand mit der Botschaft "Was hilft den Augen Licht und Brill, der sich selbst nicht helffen und kennen will", wie eine Deutung in Lilienthals Talerbuch von 1735 lautet. Die Symbolfigur des Harzes ist als ein bis auf einen aus Blättern gebildeten Lendenschurz nackter Riese dargestellt, der eine Tanne senkrecht oder quer vor sich hält. Da er die Kraft besitzt, Bäume auszureißen und wie spielend vor sich her tragen kann, wird dem Land schon nichts geschehen, lautet die Botschaft dieser Münzbilder. Manchmal sind die urwüchsigen Gesellen auch langbärtig und von oben bis unten behaart mit einem Blätterkranz um die Länden und einem weiteren auf dem Kopf dargestellt. Schaut man sich genauer um, dann sieht man, dass die braunschweigischen Wald- und Harzgeister nicht die einzigen Wappenhalter sind. Auf Geprägen anderer Fürsten und von Städten sind sehr dekorativ Heilige und Engel sowie Löwen, Greifen, Einhörner und anderes Getier sowie Wilde Männer und sogar Wilde Frauen als Wächter und Wappenhalter aufgestellt.

Gut zweihundert Jahre und viele andere interessante Gedenktaler später ließen die herzoglichen Brüder Rudolf August und Anton Ulrich so genannte Luftpumpentaler und ebensolche Medaillen prägen. Versehen mit der Jahreszahl 1702, zeigen diese Silberstücke auf der Vorderseite, wie zwei Pferde versuchen, eine aus zwei durch Vakuum untrennbar miteinander verbundene Halbkugeln auseinander zu reißen, hingegen schafft es auf der Rückseite eine zarte Frauenhand, durch leichtes Drehen an einem Ventil, dass die Halbkugeln fallen. Die Inschrift NON VI SED ARTE unterstreicht, dass hier nicht rohe Kräfte, sondern Kunstfertigkeit am Werke sind. Die ungewöhnlichen, weil ein Sujet aus der Technik aufgreifenden Prägungen spielen darauf an, dass die brüderliche Eintracht durch eine Frau, die Gemahlin von Herzog Anton Ulrich, gestört wurde.

Dass die Dame eine holsteinische Prinzessin ist, unterstreicht das mit einem Nesselblatt geschmückte Armband. Ein von den Brüdern in Auftrag gegebener Eintrachtstaler unterstreicht, dass nichts familiäre Harmonie und Liebe stören kann. Das Thema war in der Barockzeit sehr beliebt, denn auch andere Dynasten haben die CONCORDIA FRATRORUM, die Eintracht der Brüder, auf Gedenkmünzen beschworen und gefeiert und der Mit- und Nachwelt zu verstehen gegeben, dass "doppelt besser hält", um die Inschrift DUOBUS FULCRIS SECURIOR ein wenig lax zu übersetzen.

11. März 2021

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