Goldprägungen in der DDR
Dass der VEB Münze fleißig auch für die Stasi gearbeitet hat, kam erst nach 1989 ans Tageslicht





Die den DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck ehrende Goldmedaille zum 20. Jahrestag der DDR von 1969 dürften nur hohe Funktionäre als Auszeichnung bekommen haben. Im Münzhandel tauchen diese Raritäten ab und zu auf. Das gilt auch für den in einer Auflage von nur 277 Exemplaren im VEB Münze der DDR geprägten so genannten Honeckergulden von 1985 mit dem Denkmal des Sowjetsoldaten mit dem geretteten Kind auf dem Arm von der Gedenkstätte in Berlin-Treptow.



Was sich im VEB Münze der DDR am Ostberliner Molkenmarkt außerhalb des offiziellen Programms abspielte, bedarf weiterer Recherchen. Das Foto ist von 2020 und zeigt den etwas unaufgeräumten Hof.



Der Kreis 10 ließ hier die dem linken Sozialdemokraten und Organisator der "Roten Feldpost" in der Zeit des Sozialistengesetzes Julius Motteler gewidmete Medaille prägen.



Mit einem Honecker-Zitat versehen, ehrt die im VEB Münze der DDR geprägte Medaille von den Nationalsozialisten ermordete Widerstandskämpfer und Mitglieder der Schulze-Boysen-Harnack-Organisation.



Die goldene Blücher-Medaille stammt aus einer 1979 den Patrioten der Befreiungskämpfer von 1813 bis 1815 gewidmeten Serie aus 900er Gold, das kleine A unter der Unterschrift weist auf den VEB Münze der DDR als Prägeort. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Münzen und Medaillen der DDR bilden seit über 30 Jahren ein abgeschlossenes Sammelgebiet. Viele Dinge sind erforscht, doch gibt es auch noch manche Fragen und weißen Flecken. Wenn der Kulturbund der DDR, in dem viele Münzfreunde und -sammler organisiert waren, Ausstellungen veranstaltet hat, war oft auch der "Kreis 10" mit von der Partie. Wie erst nach dem Ende der SED-Herrschaft und damit auch dem Ende des allmächtigen, das ganze Land und seine Bewohner beherrschenden Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zu erfahren war, verbarg sich hinter diesem Decknamen die Kulturabteilung des von Erich Mielke geleiteten Stasi-Kraken. Was der eine oder andere Stasi-Mitarbeiter für Ausstellungen und Publikationen beigetragen hat, kann in Publikationen der Numismatischen Fachgruppen des Kulturbundes der DDR nachgelesen werden. Leute vom "Kreis 10" verhielten sich unauffällig und gaben nicht zu erkennen, dass sie dem MfS als hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter dienen. Viele hatten studiert und promoviert. Manch ein "Normalbürger" hat ihre Zugehörigkeit zu Mielkes Ministerium geahnt, wie man vieles rund um den DDR-Geheimdienst mehr gespürt als wirklich gewusst hat. Das unter der Parole "Wir sind überall, wir müssen alles wissen" arbeitende Ministerium verstand sich als "Schild und Schwert der Partei" und hatte in diesem Rahmen auch privat den Befehlen und Direktiven von Mielke & Co. zu folgen.

"Kundschafter für den Frieden"

Die numismatischen Hinterlassenschaften des Kreises 10 sind in privaten Sammlungen sowie Museen und Münzkabinetten zu finden, so wie dort auch die vielen Auszeichnungsmedaillen des MfS aufbewahrt werden. An Themen für die zu Auszeichnungs- und Erinnerungszwecken gefertigten Medaillen hat es nicht gemangelt. Da gab es die immer wiederkehrenden Staatsjubiläen in der DDR und die SED-Parteitage, die ideologische Aufrüstung und Überwachung der Bevölkerung sowie die Stärkung der Kampfkraft der Arbeiterklasse. Es gibt ferner Medaillen mit Bildnissen von Karl Marx und Friedrich Engels, die als "Klassiker" der in der DDR herrschenden Ideologie verehrt wurden, sowie von Lenin und Feliks Dzierzynski, dem Begründer der sowjetischen Geheim- und Terrororganisation Tscheka, die sich das Ministerium für Staatssicherheit zum Vorbild nahm. Vereinzelt feierten sich Bezirksverwaltungen des Stasi-Ministeriums mit eigenen Medaillen. Über deren Aussehen muss man sich nicht streiten, sie sind in den meisten Fällen hässlich, stellen aber historische Dokumente dar und sollten nicht im Orkus der Geschichte verschwinden.

Mit mehr oder weniger eindrucksvoll gestalteten Medaillen wurden verdienstvolle "Kundschafter für den Frieden", wie sich Stasi-Leute selber nannten, sowie antifaschistische Widerstandskämpfer geehrt. Da einige Medaillen als Herkunft das Münzzeichen A zeigen, könnte man im Archiv des früheren VEB Münze der DDR beziehungsweise der heutigen Staatlichen Münze Berlin Näheres über Künstler und Auflagen erfahren. Die Medaillen wurden als Auszeichnungen bei feierlichen Anlässen, in Schatullen verpackt, vergeben und kommen ab und zu in den Angeboten des Münzhandels vor, was auch für Stasi- und andere DDR-Orden gilt.

Mit Medaillen hat das MfS Widerstandskämpfer in der Schulze-Boysen-Harnack-Organisation geehrt, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Namensgeber der von der Gestapo intern Rote Kapelle genannten Gruppe war Harro Schulze-Boysen, der wegen angeblichen Landes- und Hochverrats mit weiteren Mitstreitern zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Plötzensee an Drahtseilen erhängt wurde. Der Oberleutnant der Luftwaffe hatte 1941 den sowjetischen Geheimdienst vor dem bevorstehenden Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion gewarnt, was aber von Josef Stalin, der sich mit Hitler durch den Nichtangriffspakt von 1939 verbunden fühlte, sträflich ignoriert wurde. Das Zitat aus einer Honecker-Rede unterstreicht die Ergebenheit des Ministeriums gegenüber dem ersten Mann in der SED und im Staat. Eine andere Medaille ist auf der Rückseite unter dem Kulturbund-Emblem ganz winzig als Kreis 10 ausgewiesen. Sie erinnert an den deutschen Kommunisten Gustav Szinda, der als Generalmajor im MfS Dienst tat und der erste Leiter der Abteilung Gegenspionage im Außenpolitischen Nachrichtendienst der DDR (APN) war, des Vorgängers des MfS. Dieser Medaille kann man weitere hinzufügen, die in ähnlicher Weise führende Geheimdienstler und damit das Mielke-Ministerium feiern.

Qualitätsmängel bei den Ronden

Vor längerer Zeit bekam ich Dokumente aus der "Wendezeit" 1989/90 über das Zustandekommen der Goldabschläge von 1985 mit dem Treptower Ehrenmal und weiterer Goldmedaillen. Dazu ist gut zu wissen, dass Gold in der DDR ein ausgesprochen rares Edelmetall war. Wer es etwa für Zahnarbeiten benötigte, hatte allergrößte Probleme, die paar Gramm irgendwo zu ergattern. Wer sich zu diesem Zweck von Altgold oder auch Münzen trennte, war aus der Bredouille. In einem Brief des VEB Münze der DDR an die Ministerin der Finanzen Uta Nickel vom 6. Dezember 1989 wird festgestellt, dass dort zwischen 1983 und 1988 im Auftrag der Kommerziellen Koordinierung Goldmedaillen und die erwähnten, für einen ganz exklusiven Kreis von hohen Funktionären und Staatsgästen bestimmten Goldmünzen hergestellt wurden. Die Auslieferung sei direkt an den Chef der KoKo, Stasi-Oberst Alexander Schalck-Golodkowski, oder sein Sekretariat erfolgt.

Es handelte sich zunächst um ca. 150 Gold- und 300 Silbermedaillen von 1983 zur Lutherehrung. Das Material wurde aus dem NSW, dem Nichtsozialistischen Wirtschaftssystem/kapitalistischen Ausland, bezogen. 1985 hat der Volkseigene Betrieb Medaillen zum Thema "Dr. Sorge" und vier Motive zur "Gruppe Ramsay" aus Gold geprägt. Wer diese Medaillen über den deutschen Kommunisten, Schriftsteller und in Japan für den sowjetischen Geheimdienst tätigen Agenten Richard Sorge bekam, geht aus dem Dokument nicht hervor. Das gilt auch für Medaillen zu Ehren seiner unter dem Decknamen "Ramsay" tätigen Gruppe. Man kann vermuten, dass das MfS der Empfänger war. Es war fleißiger Auftraggeber für Medaillen, mit denen "Kundschaftern für den Frieden", wie man in diesen Kreisen sagte, ein numismatisches Denkmal gesetzt wurde. Ab und zu tauchen diese Stücke im Münzhandel auf.

Berlin-Motive und Patrioten der Befreiungskriege

1987 stellte der VEB Münze anlässlich der Siebenhundertfünfzigjahrfeier Goldmedaillen mit drei Berlin-Motiven her, und zwar Nikolaikirche, Zeighaus und Staatsratsgebäude. 1988 kamen 20 Sätze zu acht Motiven zum Thema "Patrioten der Befreiungskriege" hinzu. Eine solche Serie war schon 1979 in dem Traditionsbetrieb, kenntlich am Buchstaben A, hergestellt worden Bei ihnen und anderen Stücken hat man nicht alle aus dem "NSW" einschließlich der Schweiz angelieferten Ronden verarbeitet. Größere Mengen waren Ausschuss und wurden ungeprägt wieder zurückgegeben. Hinsichtlich der eingangs erwähnten, mit einem P für Probe versehenen Goldabschläge der Zehnmarkmünzen von 1985 heißt es in dem Schreiben, dass insgesamt nur 266 Stücke hergestellt wurden, die übrigen 114 Ronden wurden "als Ausschuss bzw. ungeprägt" zurückgeliefert.

Beachtung verdienen Hinweise auf den "Aufkauf von Edelmetallen von ,dritten Personen' durch Vermittlung von Angehörigen des MfS durch den VEB Münze der DDR zu Bevölkerungspreisen". In der Geldfabrik am Ostberliner Molkenmarkt gab es eine spezielle, von Mitarbeitern des MfS überwachte Abteilung, in der zwischen 1985 und 1988 Gold- und Silberankäufe im Wert von 18 bis 20 Millionen (Ost-)Mark getätigt wurden. Bei den Quittungen hat man falsche Namen und Personenkennziffern verwendet; Auszahlungen erfolgten grundsätzlich in bar. Schecks und Überweisungen wurden nicht verwendet. "Es gab Fälle, wo selbst am Nachmittag noch mal zur Bank gefahren werden musste, um die Barauszahlung zu gewährleisten." Ankaufsbelege existierten Ende 1989 nicht mehr, weil sie den Verkäufern übergeben wurden. "Da auch das ehem. MfS ein Hauhaltträger war, ergibt sich im Betrieb die Frage, in welche schwarzen Kanäle diese Mittel geflossen sind." Mit anderen Worten gibt es noch einiges rund um die Goldmedaillen und den "Hockergulden" aus DDR-Zeiten zu klären.

Geschenk an Walter Ulbricht

Das betrifft auch die Frage, warum so viele Ronden als Ausschuss ausgesondert werden mussten und wer die wenigen "Goldfüchse" bekam, von denen manche nach dem Ende der DDR für viel Geld aus dem Nachlass von Parteifunktionären und anderen Prominenten versteigert wurden. Erwähnt sei, dass sich die damalige Staatsbank der DDR vergeblich um ein Exemplar der Goldprägung von 1985 für ihr Münzkabinett bemüht hat. Die dazu angefragte Firma Art-Union Berlin nannte 1990 einen Preis von etwa 20 000 DM. Da dieser Preis als zu hoch angesehen und es außerdem nicht für notwendig gehalten, dieses Stück der Sammlung zuzuführen, kam der Kauf nicht zustande.

Eine andere Rarität aus Gold gelangte 1968 in das damalige Museum für Deutsche Geschichte, das in das Deutsche Historische Museum im Zeughaus Unter den Linden in Berlin aufging. In einer Ausstellung wurden Geschenke gezeigt, die der damalige Staatsratsvorsitzende und SED-Generalsekretär Walter Ulbricht zu seinem prunkvoll gefeierten 75. Geburtstag erhalten hatte. Unter ihnen befand sich, in blauen Samt eingelassen, auch ein Goldabschlag des im gleichen Jahr geprägten Zwanzigmarkstücks zum 150. Geburtstag von Karl Marx. Obwohl Ulbricht Münzsammler war, hat er die Rarität nicht behalten, sondern überließ sie wie andere Geschenke dem Museum, wo sie noch heute aufbewahrt wird. Nur drei Jahre später war er entmachtet, seine Funktionen übernahm sein "Ziehsohn" Erich Honecker, der seine Partei, die SED, und die DDR durch eine Politik nicht für, sondern gegen das Volk in den Abgrund führte und, selbstverständlich ungewollt, den Weg zur Wiedervereinigung 1990 ebnete.

19. März 2021

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