Königreich ohne König
Das Deutsche Reich wollte 1916 im besetzten Polen eine Monarchie als Pufferstaat zu Russland etablieren



So stellten sich deutsche Imperialisten und Militaristen die "Neuordnung" Europas nach einem siegreichen Krieg vor. Alle Feindstaaten sollten Besatzungsgebiete werden, vermerkt ist auch das Königreich Polen für das kein König gefunden wurde.



Die mit den Porträts der Kaiser Wilhelm II. und Franz Joseph geschmückte Medaille von F. König aus dem Jahr 1916 feiert Polen als ein am 5. November 1915 ausgerufenes Königreich, dem aber der König fehlt. Die Medaille spiegelt Einigkeit in der "Polenfrage" vor, dabei hatten die Verbündeten unterschiedliche Pläne. Das Deutsche Reich dachte an eine von ihm abhängige Monarchie, Österreich-Ungarn wollte sich das so genannte Kongresspolen ganz oder teilweise wie schon im späten 18. Jahrhundert am liebsten einverleiben.



Die 1917 in riesigen Millionenzahlen geprägten Eisenmünzen zu 1, 5, 10 und 20 Fenigów zeigen ähnlich wie auf den Geldscheinen für das als Monarchie ausgewiesene Generalgouvernement Warschau den gekrönten polnischen Königsadler. In der 26. Auflage des bekannten Jaeger-Katalog "Die deutschen Münzen seit 1871" (Battenberg Gietl Verlag Regenstauf 2019) sind auf den Seiten 876-879 detaillierte Angaben über Auflagen, Stempelkopplungen und Abschläge in unterschiedlichen Metallen sowie Preise und Vorkommen zu finden.





Die Banknoten zu zehn und zwei Mark von 1917 ist, wie schon Jahrhunderte zuvor Münzen des polnischen Königreichs, mit dem weißen Königsadler geschmückt. Das gleiche Wappen trägt auch das geplante Königreich Polen. Mit solchem Geld hat man im Pufferstaat zwischen dem deutschen Kaiserreich und dem Zarenreich bezahlt. Der Plan der deutschen Besatzer, an dessen Spitze einen von ihnen abhängigen König zu stellen, ging wegen des Kriegsverlaufs im Osten und der beiden Revolutionen von 1917 in Russland nicht auf. Wer König werden sollte, ist nicht bekannt. (Fotos/Repros: Caspar)

Wenn in der Literatur zum Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und über den Nationalsozialismus vom Generalgouvernement die Rede ist, denkt man an die im September 1939 von deutschen Truppen besetzten polnischen Gebiete, die von dem Nazifunktionär Hans Frank mit Sitz in Krakau und seinen Helfern mit äußerster Brutalität beherrscht und ausgebeutet wurden. Generalgouverneur Frank war der Inbegriff eines korrupten, skrupellosen und prunksüchtigen Machthabers, der das Besatzungsgebiet wie sein Privateigentum regierte. "Mitleid wollen wir grundsätzlich nur mit dem deutschen Volke haben, sonst mit niemandem auf der Welt. Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie treffen", ließ er seine Leute wissen. In einer anderen Rede in Lemberg machte er sich mit diesen Worten über die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns lustig: "Es soll doch in dieser Stadt einmal Tausende und Abertausende von diesen Plattfußindianern gegeben haben - es war keiner mehr zu sehen. Ihr werdet doch am Ende mit denen nicht böse umgegangen sein?" Frank endete, vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal zum Tode verurteilt, mit anderen Massenmördern wie Göring, Jodl, Kaltenbrunner, Keitel und Ribbentrop am 16. Oktober 1946 am Galgen.

Bereits im Ersten Weltkrieg (1914-1918) gab es auf ein Generalgouvernement. Von deutschen und österreich-ungarischen Truppen besetzt und bis dahin zum Russischen Reich gehörend, wurde das Besatzungsgebiet aus dem so genannten Kongresspolen gebildet. Dieser Name stammt noch aus der Zeit des Wiener Kongress von 1814/15, auf dem die Verbündeten nach ihrem Sieg über die Truppen des französischen Kaisers Napoleon I. und seines Verbündeten König Friedrich August I. von Sachsen und anderer Vasallen die europäische Landkarte neu zeichneten. Dass Polen hin und her geschoben und geteilt wird, war seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts traurige Realität. Das seit August dem Starken sächsisch regierte und danach von Stanislaw II. August Poniatowski, einem Favoriten der russischen Zarin Katharina II., der Großen, als König regierte Land wurde unter Russland, Österreich und Preußen dreimal und 1794 ganz von der Landkarte verschwunden. Der letzte polnische Wahlkönig war Initiator der Verfassung vom 3. Mai 1791 für sein Reich, die als erstes demokratisches Grundgesetz dieser Art in Europa gilt. Nach der dritten Teilung des Landes musste Stanislaw II. August am 25. November 1795 abdanken und ging auf Weisung von Zar Paul nach Sankt Petersburg ins Exil, wo er am 12. Februar 1798 starb.

Aufstände gegen die Fremdherrschaft

Im Ergebnis des Wiener Kongresses wurden das zeitweilig unter sächsischer Herrschaft stehenden Herzogtum Warschau, auch Großherzogtum genannt, und weitere Gebiete dem russischen Reich zugeschlagen. Formal war dieses in Personalunion mit den Zaren verbundene und auch eigene Münzen emittierende Gebiet ein selbstständiges Königreich, aber tatsächlich wurde es diktatorisch von einem russischen Generalgouverneur beherrscht, der seine Befehle aus der Hauptstadt Sankt Petersburg erhielt. Hier gab es immer wieder Aufstände gegen die Fremdherrschaft, und es wechselten Perioden der Gewährung von gewisser Autonomie mit solchen, in denen die Besatzer mit der Knute und dem Galgen gegen Freiheitsbestrebungen vorgingen. Die Vertreibung der Russen am Beginn des Ersten Weltkriegs wurde von den meisten Polen begrüßt, erhofften sie doch von den deutschen und österreichischen "Befreiern" größere Autonomie sowie mehr Mitsprache- und Entfaltungsmöglichkeiten auf politischem und kulturellem Gebiet.

Vasallenstaat als Bollwerk gegen Russland

Dieser Vasallenstaat sollte als eine Art Bollwerk und Schutzwall gegenüber dem Zarenreich fungieren und bei Friedensverhandlungen mit ihm als Faustpfand benutzt werden. Wie Arkadiusz Stempin, Historiker, Politologe und Professor an der Tischner-Universität in Krakau, in dem umfangreichen Buch "Das vergessene Generalgouvernement. Die deutsche Besatzungspolitik in Kongresspolen 1914 bis 1918" (Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 2020, 553 Seiten, 68 Euro, ISBN 978-3-506-78552-7) feststellt, versuchte Generalgouverneur Hans-Hartwig von Beseler, im agrarisch geprägten und katholischen Polen mit 70 Prozent Analphabeten einen Staat nach deutschem Muster zu errichten mit einem König an der Spitze. Am Vorabend des Kriegsbeginns erklärte Kaiser Wilhelm II. gegenüber einem Vertrauten: "Es ist mein Entschluss, falls Gott unseren Heeren den Sieg verleiht, seinen selbstständigen Staat wiederherzustellen, mit welchem im Bunde Deutschland für immer gegen Russland gesichert sein würde."

Folgerichtig wurde das Gebiet um Warschau nach der Vertreibung der Russen unter deutsche Kontrolle gestellt. Das von deutschen Truppen besetzte Generalgouvernement Warschau, so der offizielle Name, sollte nicht nur militärisch und politisch beherrscht, sondern auch "moralisch erobert und kultiviert" werden. Beselers Meinung von den Polen war alles andere als freundlich und stimmte mit seinem negativen Urteil mit anderen Würdenträgern überein. Er hielt sie für ein Volk von Kindern, Querköpfen und Trauerklößen, denen man Kultur und Bildung beibringen muss. Er und seine Verwaltung unternahmen große Anstrengungen, das polnische Schul- und Universitätswesen zu verbessern und auch einheimische Theater und Konzert sowie die Presse zu fördern, sofern sie nicht in Opposition zum Besatzungsregime stand. Streng wurde darauf geachtet, dass deutsche Interessen nicht gefährdet werden. Deshalb war auch alles verboten, was polnischen Freiheitsgeist hätte fördern können.

Blatt für Blatt verspeisen wie eine Artischocke

Wie im 18. Jahrhundert mit dem benachbarten Königtum umzugehen sei, hat Preußens König Friedrich II., der Großen, in seinem "Politischen Testament" seinen Nachfolger so wissen lassen. "Ich glaube nicht, dass ein Waffengang das beste Mittel wäre, diese Provinz dem Königreich hinzuzufügen, und ich bin geneigt, Euch das zu sagen, was Victor Amadeus, König von Sizilien, Karl Emanuel zu sagen pflegte: ‚Mein Sohn, man muss Mailand verzehren wie eine Artischocke, Blatt für Blatt'. Polen ist ein Wahlkönigtum; beim Tode seiner Könige ist es durch Parteien immerwährend beunruhigt. Dann ist es Zeit, daraus Nutzen zu ziehen, und durch unsere Neutralität bald eine Stadt, bald einen anderen Bezirk zu gewinnen, bis alles geschluckt ist." Erwerbungen mit der Feder seien solchen mit dem Schwert allemal vorzuziehen. Man setze sich weniger Zufällen aus und schädige weder seine Börse noch seine Armee. Für Friedrich II. war das benachbarte, seit August dem Starken sächsisch beherrschte Polen nichts anderes als eine Vorratskammer, aus der man ungestraft stehlen kann, was man benötigt, und er verachtete auch seine Bewohner, die er für träge und faul hielt.

Bis zur Gründung der Republik am 7. Oktober 1918 existierte Polen nicht als selbstständiger Staat, dennoch gab es im 19. Jahrhundert Bestrebungen, die Fremdherrschaft abzuschütteln und Warschau wieder zur Hauptstadt des souveränen Landes zu machen. Die polnische Freiheitsbewegung fand in Europa viele Anhänger, wurde aber von den Profiteuren der Polnischen Teilungen massiv unterdrückt. Nach dem Krieg gegen Frankreich von 1806/7 kamen die bisher unter preußischer Herrschaft stehenden ehemaligen polnischen Gebiete als Herzogtum Warschau an das neu gebildete, von Kaiser Napoleon I. abhängige Königreich Sachsen. Im Ergebnis des Wiener Kongresses (1814/15) verlor dessen König Friedrich August I. die polnischen Landesteile an Russland. Dieses so genannte Kongresspolen wurde Zar Alexander I. von Russland zugesprochen und erhielt anfangs als autonomes Königreich eine eigene Verfassung, Verwaltung und Armee.

Eigener Staat war immer das Ziel

Nach der Niederschlagung eines Aufstandes von 1830/1831, mit dem der polnische Nationalstaat wiederhergestellt werden sollte, verlor das so genannte Kongresspolen seine Autonomie, und es begann eine massive Russifizierung des Landes. Sie konnte nicht verhindern, dass polnische Patrioten und Nationalisten weiterhin das Ziel eines eigenen Staates verfolgten, aber nicht zum Zuge kamen. Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches am 18. Januar 1871 begann in früheren polnischen Gebieten eine rücksichtslose Germanisierungspolitik, die im Zusammenhang mit dem gegen die Macht der katholischen Kirche gerichteten Kulturkampf zu heftigen Auseinandersetzungen führte.

Im Ersten Weltkrieg sahen polnische Nationalisten eine Gelegenheit, ihr Land vom zaristischen Joch zu lösen und den polnischen Staat wieder aufzurichten. Die Mittelmächte unter deutscher Führung proklamierten 1916 ein unabhängiges Königreich, das in Ermangelung eines Königs von einem Regentschaftsrat geführt wurde. Nach dem Sturz des Zaren erkannte die russische Provisorische Regierung im März 1917 das Selbstbestimmungsrecht Polens an, und auch die westlichen Alliierten strebten die Wiedererrichtung eines souveränen Staates an. Im Oktober 1918 rief der Regentschaftsrat das unabhängige Polen aus. Erster Staatschef wurde, ausgestattet mit diktatorischen Vollmachten, Marschall Józef Pi?sudski, der die polnischen Grenzen aus der Zeit vor den Teilungen und darüber hinaus vergeblich zu wiederherstellen versuchte. Er regierte das Land mit harter Hand und führte einen Krieg gegen die junge Sowjetunion mit dem Ergebnis der völkerrechtlichen Festlegung der nach Osten verschobenen Landesgrenze und erheblicher Landgewinne zugunsten der jungen Republik Polen. Das Land war alles andere als stabil, und von demokratischen Verhältnissen konnte auch nicht gesprochen werden. Das erleichterte es der damaligen Elite, freundschaftliche Beziehungen zu Nazideutschland zu unterhalten, solange man diese in Berlin für opportun ansah.

Staatsgebilde unter deutscher Oberhoheit

Zurück in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Aus den Fehlern der Vergangenheit lernend, schwebte dem Generalgouverneur Beseler eine "sanfte Herrschaft" vor, schließlich könne man 20 Millionen Polen nicht umbringen. Erich Ludendorff, seines Zeichens Erster Generalquartiermeister und Stellvertreter des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg, fasste seine Meinung über die Zukunft des Besatzungsgebiets am 20. Oktober 1915 in einem Schreiben an den Staatssekretär Arthur Zimmermann vom Auswärtigen Amt seine Erwartungen so zusammen: "Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr festigt sich in mir der Gedanke, dass Polen auf keinen Fall an Russland zurückgegeben werden darf, dass Polen nicht an Österreich fallen kann, sondern dass es ein mehr oder weniger selbstständiges Staatsgebilde unter deutscher Oberhoheit zu werden hat." Der Entschluss schließlich, aus dem besetzten Gebiet ein Königreich zu machen, wurde von beiden Kaisermächten, also dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn, am 18. Oktober 1916 im Großen Hauptquartier Schloss Pless (Pszczynie) in Oberschlesien gefasst, wobei Einzelheiten und der Zeitrahmen später festgelegt werden sollten. Beschlossen wurde, unmittelbar nach der Proklamation der Monarchie die dort lebenden Männer aufgerufen werden sollten, sich als "Polnische Legionen" unter deutsches Kommando zu stellen. "Damit wurden die Polen der Selbstverwirklichung beraubt. Gleichzeitig sollte der unheilvolle deutsch-österreichische Dualismus bestehen bleiben, weil die Österreicher die Verschmelzung beider Generalgouvernements verweigerten", stellt Stempin mit Blick auf das südlich des Generalgouvernement Warschau gelegene österreichische Besatzungsgebiet um die Städte Radom, Lublin, Zamosc und Tschenstochau (Cz?stochowa) fest.

Feierliche Proklamation im Warschauer Schloss

Die feierliche Proklamation der neuen Monarchie ohne die vom habsburgischen Vielvölkerstaat besetzten Gebiete fand am 5. Oktober 1916 im Beisein hoher deutscher Beamter und Militärs sowie von polnischen Würdenträgern im Warschauer Schloss statt. Der Festakt war verbunden mit dem Aufruf an die Polen zu den deutschen Waffen, der aber nicht das erhoffte Echo fand. Die Besatzer versprachen den Besetzten das Ende der russischen Knechtschaft, zugleich hofften sie mit mäßigem Erfolg, im Generalgouvernement Arbeitskräfte für das Deutsche Reich rekrutieren zu können, weil dort wegen des Fronteinsatzes der Männer großer Arbeitskräftemangel herrschte und die verstärkt in der Rüstungsindustrie und der Landwirtschaft eingesetzten Frauen nicht alles bewältigen konnten.

Vieles, was bei der Beschaffung von Arbeitsplätzen und der Ausplünderung des Landes während des Ersten Weltkriegs geplant und teilweise verwirklicht wurde, haben die Nationalsozialisten ein Vierteljahrhundert später mit äußerster Brutalität und in weitaus größeren Dimensionen fortgeführt. Zu Zeiten von Kaiser Wilhelm II. und Beseler waren zwangsweise Deportationen von polnischen Arbeitskräften in das "Altreich", Massenerschießungen sowie Konzentrations- und Vernichtungslager kein Thema, dafür wurde gegenüber der polnischen Bevölkerung ein "weicher Kurs" gefahren, wie Stempin an Beispielen zeigt, um die Menschen im Besatzungsgebiet durch Zugeständnisse aus kulturellem Gebiet und Einbeziehung der geistigen Eliten dem Deutschen Reich näherzubringen und Ressentiments gegen das Russische Reich für sich zu nutzen. All das fruchtete nicht viel, denn als Deutschland im November 1918 kapitulieren musste und die alte Kaiserherrlichkeit mit Wilhelm II. an der Spitze im Orkus der Geschichte verschwunden war, entlud sich der aufgestaute Hass der Polen gegen die Besatzer, begleitet von antijüdischen Pogromen.

Neues Geld nach deutschem Vorbild

Für das am 5. November 1916 feierlich ausgerufene Königreich Polen mit einem Regentschaftsrat an der Spitze wurde neues Geld mit der vom deutschen Vorbild übernommenen und Gleichwertigkeit signalisierenden Angabe "Mark und Fenig" geprägt und gedruckt. Mit der Ausgabe dieser Nominale verlor der bis dahin kursierende Rubel seine Gültigkeit. Die Banknoten zwischen einer halben Mark und 1000 Mark sind mit dem einköpfigen und gekrönten weißen Adler geschmückt, den das Land seit vielen Jahrhunderten im Wappen führte. Die Aufschriften sind in polnischer Sprache abgefasst, es fehlen weder das Ausgabedatum 9. Dezember 1916 und drei Unterschriften, mit denen der Wert der Noten förmlich beglaubigt wurde, noch der warnende Hinweis, wonach Fälscher schwer bestraft werden. Der Jaeger-Katalog "Die deutschen Münzen seit 1871" nennt riesige Mengen, in denen 1917 und 1918 die Eisenmünzen zu 1, 5, 10 und 20 Fenig und Größen zwischen 15 und 23 Millimetern geprägt wurden. Angegeben werden über 51 Millionen Stück zu einem Fenig bis 1,9 Millionen beziehungsweise über 19,25 Millionen bei den Werten zu 20 Fenig der Jahrgänge 1917 und 1918. Wenn man davon ausgeht, dass die meisten Geldstücke nach der Ausgabe eigener Münzen ab 1923 durch die am 7. Oktober 1918 gegründete Republik Polen durch Einschmelzen oder auf anderem Wege wieder verschwunden sind, dürfte eine erkleckliche Menge noch zur Freude der Sammler erhalten sein, was die moderaten Preise im Handel unterstreicht, von Sonderabschlägen und Fehlprägungen abgesehen.

Wichtige Akten gingen verloren

Am Ende des Buches stellt der Stempin fest, dass die brutale Besatzungspolitik und die antipolnische Propaganda der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg auf dem bereits lange zuvor gemalten Polenbild beruhen, jedoch auf nie gekannte Weise und rassistisch weiter verschärft wurden. Der Verfasser führt die Verkennung der Realitäten im Generalgouvernement und das bei den leitenden Personen dort verbreitete Wunschdenken als Gründe an, weshalb die die Polen "umarmende" Besatzungspolitik keinen Erfolg hatte und auch ein König für das Königreich Polen nicht gefunden wurde. Ob es in den obersten zivilen und militärischen Kreisen eine Diskussion über einen hochadligen und vor allem auch von den Polen akzeptierten Kandidaten gab und wer das denn hätte sein sollen, geht aus dem Buch nicht hervor. Da große Aktenberge, die über solche Überlegungen und viele andere Pläne hätten Auskunft geben können, im und nach dem Ersten Weltkrieg vernichtet wurden oder nur noch rudimentär überliefert sind, wie Arkadiusz Stempin am Beginn seines Buches ausführlich schildert, müssten Quellen wie Tagebücher, Briefe und Zeitungsartikel "angezapft" werden, um auch diese Frage zu beantworten. Dass der Verfasser anschauliche Schilderungen in Briefen von Hans-Hartwig von Beseler an seine Frau und Überlegungen anderer Protagonisten von damals zitiert, macht das Buch zu einer einzigartigen Geschichtsquelle über ein Thema und eine Zeit, die dank seiner intensiven Recherche nun nicht mehr vergessen, sondern sehr präsent ist.

1. Oktober 2021

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