Opfer der eigenen Verblendung und Eitelkeit
Auf der Karibikinsel Haiti riefen ein König und ein Kaiser kurzlebige Monarchien ins Leben



Zahllose Eroberer und Abenteuer aus dem Alten Europa brachten über die Neue Welt und ihre Bewohner im Namen des christlichen Gottes großes Leid. Sie raubten die Länder aus, unterdrückten die dort lebende Bevölkerung und schafften aus Afrika unzählige Sklaven als billige und rechtlose Arbeitskräfte herbei.



Wie ein europäischer Herrscher mit Lorbeerkranz und römische Harnisch feiert sich König Heinrich I. von Haiti auf der Silberkrone con 1820 kostümiert. Foto: Münzkabinett Berlin IKMK 18293954.



Heinrich I. wird auf der Grafik aus dem Jahr 1806 als Erster Kaiser von Haiti bezeichnet, seine Münzen nennen ihn aber nur Rex, also König. Vom Sklaven zum Kaiser von Haiti brachte es 40 Jahre später Faustin I.



Kaiser Faustin I. ahmte den Hof in Paris zur Zeit Napoleons III. nach, verschwendete Geld für seine Krönung und bildete einen ihm ergebenen Inseladel. Auf seinen Münzen erscheint er im Schmuck der 100 000 Dollar teuren Krone und seinem von Löwen gehaltenen Wappen.







Das mit Kanonen, Fahnen und einer Palme mit der Freiheitsmütze an der Spitze geschmückte Landeswappen ist bis heute auf zahlreichen haitianischen Münzen präsent.



Kaiser Bokassa schuf in der Manier der von Napoleon I. gestifteten Ehrenlegion einen eigenen Orden. Der auf der Brust zu tragende Stern ist mit dem Bildnis des bluttriefenden Despoten in Zentralafrika geschmückt. Wer sucht, findet weltweit ähnlich dubiose Objekte. (Fotos/Repros: Caspar)

Als der Seefahrer Christoph Columbus mit drei Schiffen in Richtung Westen segelnd am 12. Oktober 1492 die Bahamas erreichte, glaubte er, den Seeweg nach Indien gefunden zu haben. Dabei war er nach beschwerlicher Fahrt auf einem Eiland vor der amerikanischen Küste gelandet, deren Bewohner die Besatzungen freundlich empfingen, nichts ahnend, dass die geheimnisvollen Fremdlinge ihnen schon bald Unheil und Tod bringen würden. Der aus Genua stammende und in spanischen Diensten stehende Kapitän, der im Auftrag des Königspaars Ferdinand II. von Aragón und Isabella II. von Kastilien über den Atlantik gesegelt war, war nicht der erste Europäer, der seinen Fuß auf den amerikanischen Kontinent gesetzt hatte. Denn ein halbes Jahrtausend zuvor hatten dies schon Isländer getan. Dessen ungeachtet wird traditionell 1492 als das Jahr der Entdeckung Amerikas gewürdigt.

Die sensationellen Nachrichten aus der Terra nova, der Neuen Welt, wirkten in Europa geradezu elektrisierend. Nach Columbus kamen zahlreiche Eroberer, die die auf dem amerikanischen Kontinent lebenden Bewohner mit List, Feuer und Schwert unterwarfen und gewaltsam zum christlichen Glauben bekehrten. Das sagenhafte Goldland Eldorado lockte Glücksritter an, die ihre Furcht vor der gefährlichen und ungewissen Überfahrt in der Hoffnung überwanden, dort reich und glücklich zu werden. Nur wenige kamen mit Bergen voll Gold und Silber in die Heimat zurück, andere blieben am Ort und bauten sich eine neue Existenz auf, wobei sie die Arbeitskraft der versklavten Einheimischen und der nach und nach aus Afrika herbei geschafften Schwarzen schamlos ausnutzten. Das auf Silber- und Goldschiffen transportierte Edelmetall kurbelte in Europa zwar die Wirtschaft und Kultur an, doch hielt das Edelmetall die auf Kosten fremder Völker schmarotzenden Kolonialstaaten davon ab, sich um die eigene Fortentwicklung zu kümmern. Spanien ist ein treffliches Beispiel dafür, was passiert, wenn man sich nur auf fremde Quellen verlässt und nicht genug für den eigenen Wohlstand tut. Auch andere Länder haben mit dieser bitteren Wahrheit Bekanntschaft gemacht.

Gold und Silber aus der Neuen Welt

Die Entdeckung der Neuen Welt durch Christoph Columbus und nach ihm die Okkupation der Länder in Nord-, Mittel- und Südamerika durch die Spanier, Portugiesen, Engländer und Franzosen hatte gravierende Folgen für die dort lebende Bevölkerung. Die Eroberer und die ihnen folgenden Priester taten alles, um die "Heiden" mit Feuer und Schwert zu christianisieren und die Erinnerung an alte Zeiten, Götter und Herrscher auszulöschen. Daher wurden wertvolle Bibliotheken und einzelne Handschriften verbrannt und Götterbilder zerstört. Da viele Skulpturen als Bauschutt oder zum Verfüllen von Gruben verwendet wurden und die indigene (einheimische) Bevölkerung das eine oder andere Bildwerk versteckt hatte, gingen nicht alle Erinnerungsstücke verloren.

Viele Kostbarkeiten aus Edelmetall gelangten per Schiff nach Europa und erregten dort großes Aufsehen. Wie schnell das ging, zeigt eine Notiz des Nürnberger Malers Albrecht Dürer, der bereits 1520 solche Mitbringsel in Brüssel sah. Darunter befanden sich gravierte Scheiben aus Gold und Silber in der Größe von Wagenrädern, die der letzte Aztekenherrscher Montezuma dem Anführer der Spanier, Hernán Cortés, als Geschenk überreichen ließ. Die "wunderlichen ding" haben Dürer aufs Höchste erstaunt. "Und ich hab all mein lebtag nichts gesehen, das mein herz also erfreuet hat, als diese ding". Die märchenhaften Gold- und Silberschätze, welche die Eroberer den durch List und Verrat unterjochten Völkern raubten, vergingen bis auf wenige Stücke in den Schmelztiegeln der Münzanstalten oder wurden zu Schmuck verarbeitet. Daher stellen die wenigen noch erhaltenen Edelmetallfiguren sowie der filigrane Brust-, Ohr-, Hals- und Fingerschmuck, die von den Herrschern in Ländern der Neuen Welt und ihrem Hofstaat als Rangabzeichen getragen wurden, ausgesprochene Raritäten und Glanzstücke unserer Museen dar.

Mutiger Apostel der Indigenas

Der spanische Dominikanermönch und erste Bischof von Chiapas im heutigen Mexiko, Bartolomé de Las Casas, sah im frühen 16. Jahrhundert mit wachsendem Entsetzen, wie die Conquistadoren die indigene Bevölkerung drangsalierten, ausbeuteten und ermordeten. "Wie Wölfe überfielen die Spanier die sanften Indios. Sie wetteten darauf, wer einen Menschen mit einem Hieb durchschlagen könne. Neugeborene rissen sie von den Brüsten ihrer Mütter und schleuderten sie mit dem Kopf gegen die Felsen. Sie bauten breite Galgen, an die sie zu Ehren des Erlösers und der zwölf Apostel je dreizehn Indianer hingen und lebendig verbrannten. Diese Gräuel habe ich mit eigenen Augen gesehen", schrieb der Theologe 1542 in seinem "Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder". Das Buch, mit dem Las Casas das Gewissen des spanischen Königs und römisch-deutschen Kaisers Karl (V.) wachrütteln wollte, ist ein eindringliches Bekenntnis eines Mannes, der sich Zeit seines Lebens für die Ureinwohner Lateinamerikas einsetzte. Seine Forderungen gingen in die päpstliche Bulle "Sublimis Deus" ein, die Sklaverei verbot. Doch Las Casas' Ideen hatten auf dem Papier gesiegt, aber die Lebenswirklichkeit der Indios sah anders aus. Sein mutiges Eintreten für die Rechte der Indios verschaffte ihm den Ehrentitel "Apostel der Indigenas". Um sie zu schützen, erwirkte der Geistliche in Madrid die Erlaubnis, so genannte Negersklaven aus Afrika "einführen" zu können. Darauf entwickelte sich der Sklavenhandel zwischen Afrika und der Neuen Welt, der Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Obwohl im 19. Jahrhundert bekannt war, wie es Kaisern und Königen ergehen kann, wenn sie keinen Rückhalt im Volk haben, den Zorn anderer Mächte auf sich ziehen oder in ihrer Verblendung und ihrem Größenwahn jedes Maß verlieren, etablierten sich im 19. Jahrhundert in Europa und Übersee Monarchien, denen nur kurze Lebensdauer vergönnt war. Die frühere Inselkolonie Saint Domingue in der Karibik erklärte sich am 1. Januar 1804 für unabhängig und nannte sich Haiti. Der schwarze Häuptling Jean Jacques Dessalines rief sich zum König aus und nahm den Namen Heinrich I. an. Der französische Kapuzinerpater Jean-Baptiste-Joseph Brelle, der zu diesem Zweck zum Erzbischof ernannt worden war, krönte den neuen König am 6. Oktober 1804. Zwei Monate später nahm Napoleon Bonaparte den Titel eines Kaisers der Franzosen an, ließ sich in Paris krönen und nannte sich Napoleon I.

Despot mit Lorbeerkranz im Haar

Das neue Königtum, manche sagen auch Kaisertum, wurde weder von Frankreich noch von den Vereinigten Staaten von Amerika und anderen Ländern anerkannt. Heinrich I., der auf seinen mit Porträts und gekröntem Wappen geschmückten Münzen König genannt wird und in der Art europäischer Kaiser und Könige mit einem Lorbeerkranz und bedeckt mit einem römischen Harnisch dargestellt ist, proklamierte am 20. Mai 1805 eine neue Verfassung, in dem das Land als Wahlmonarchie definiert ist. Er nahm sich das Recht, seinen Thronfolger selber zu bestimmen. Fast alle Weißen, die die Haitianischen Revolution von 1791 überlebt hatten, mussten das Land verlassen. Der König von Haiti konnte sich nicht lange seiner Würde erfreuen, denn er machte sich durch seine despotische Herrschaft zunehmend unbeliebt und forderte Widerstand heraus. Auf Befehl von General Henri Christophe und mit Billigung von General Alexandre Pétion, zweier Mitstreiter aus der Zeit der Haitianischen Revolution, wurde der König am 17. Oktober 1806 auf dem Weg nach Port-au-Prince in einen Hinterhalt gelockt und getötet. Daraufhin kam es zur Spaltung des Landes. Während der Süden an Pétion fiel, machte sich Christophe im Norden breit.

Haiti schaffte die Sklaverei ab und unterstützte ähnliche Bestrebungen sowie den Unabhängigkeitskämpfe im Venezuela, Peru und Kolumbien. Unter Jean-Pierre Präsident Boyer, der das seit 1806 in eine schwarz/weiße Süd-Republik und ein Schwarzes Nord-Königreich geteilte Land 1820 wieder zusammenführte, schaffte Haiti nach der Besetzung des zu Spanien gehörenden östlichen Teils der Insel 1822 auch dort die Sklaverei ab. Mehrere Versuche, die Produktivität der Landwirtschaft zu heben, scheiterten an der Aufteilung der Nutzflächen in kleine und kleinste Parzellen. Frankreich verlangte zudem 1825 als Gegenleistung für die Anerkennung der Unabhängigkeit der Inselrepublik Entschädigungen für ehemalige Plantagenbesitzer. Jahrzehntelang musste Haiti an Frankreich insgesamt 90 Millionen Gold-Francs bezahlen.

Pompöse Krönung und lauter Grafen

Zum Kaiser von Haiti brachte es 40 Jahre später der als schwarzer Sklave geborene Faustin Soulouque, ein Mann, der in der Armee seines Landes sehr schnell auf der militärischen Karriereleiter nach oben gelangte, 1846 die Kommandantur der Hauptstadt Port-au-Prince übernahm und zum Präsidenten der Republik gewählt wurde. Da er Analphabet war und als "einfältig" eingeschätzt wurde, schien er sich in den Augen der herrschenden "Mulatten", also der Menschen mit weißen und schwarzen Vorfahren, gut als eine Art Marionette zu eignen. Doch haben ihn seine Zeitgenossen unterschätzt, denn Soulouque hatte andere Pläne. Nach viertägigem Machtkampf im April 1848 - in Europa hatte gerade die Revolution begonnen - besiegte er seine Rivalen. Er ließ sich am 26. August 1848 zum Kaiser ausrufen und am 18. April 1852 als Faustin I. in einer pompösen Feier krönen. Für die Inthronisation ging der gesamte Staatsschatz drauf. Die dafür angefertigte diamantenbesetzte Krone soll 100.000 Dollar gekostet haben. Der neue Kaiser richtete seinen Hofstaat nach dem Vorbild Kaiser Napoleons III. von Frankreich aus.

Faustin I. stiftete den Orden des heiligen Faustin für Militärpersonen sowie den Orden der Ehrenlegion für Zivilisten. Außerdem schuf sich einen eigenen ihm ergebenen Inseladel, bestehend aus vier Prinzen, 59 Herzögen sowie einer Unzahl von Grafen und Baronen, was Beobachter außerhalb des Landes zu spöttischen Bemerkungen veranlasste. Seine Versuche, das Haiti benachbarte Santo Domingo zu unterwerfen, scheiterten ebenso wie die seiner Vorgänger. Da Faustin I. sein kleines, von ausländischen Mächten nicht anerkanntes Kaiserreich absolutistisch beherrschte und es ausbeutete, war seine Stellung sehr fragil. Eine Erhebung gegen ihn im Jahr 1859 endete mit seiner Gefangennahme und Absetzung. Gnädigerweise ließ General Fabre Geffrard, das Haupt der Verschwörung, den Ex-Kaiser nach Jamaika ausreisen. Nach dem Sturz des Generals 1867 durfte Faustin in seine Heimat zurück kehren, wo er im gleichen Jahr starb.

Faustin Soulouque diente als trauriges Vorbild für ähnlich bizarre Despoten des 20. Jahrhunderts wie Vater und Sohn Duvalier in Haiti sowie Idi Amin in Uganda, Nicolae Ceausescu in Rumänien und Kaiser Bokassa, der von 1966 bis 1979 die ehemalige französische Kolonie Äquatorialafrika beherrschte. In seinem Größenwahn erklärte der Diktator und Protegé des französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing sein Land am 4. Dezember 1976 zur Monarchie und krönte sich ein Jahr zum Kaiser von Zentralafrika. Frankreich blieb eine wichtige Stütze seines Regimes. Bokassa lieferte Waffen gegen Uran für das französische nukleare Waffenprogramm.

Das Beispiel zeigt, dass sich "westliche Demokratien" nicht zu schade waren und sind, diktatorische Regimes und bluttriefende Despoten zu unterstützen und zu fördern, wenn es den eigenen Interessen dient. Dass sich Frankreich für einige Jahre mit dem kaiserlichen Despoten und, wie man auch sagte, Politclown Bokassa gemein machte, ist ein dunkler Fleck in der langen Geschichte des Landes, das während der Revolution von 1789 mit dem Ruf "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" seinen König zum Teufel jagte, dann aber mit der rigorosen Expansionspolitik Napoleons I. überall in Europa Angst und Schrecken verbreitete. Wenn in diesem Jahr des 200. Todestages dieses ersten Kaiser der Franzosen gedacht wird, sollten diese dunklen Seiten in seiner Biographie nicht außer Acht gelassen werden.

25. Januar 2021

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