Goldene Zeiten für Sammler
Nach der Reichseinigung von 1871 kosteten manche Münzen wenig mehr als der Metallwert



Was in urtümlich anmutenden Münzschmieden in mühsamer Handarbeit hergestellt wurde, landete später vielfach im Schmelztiegel. Die farbige Miniatur zeigt die Freiberger Münzstätte im Jahrt 1677.





Die frühen Taler aus Sachsen und Brandenburg stellen gesuchte Raritäten dar, die heute kaum noch zu bezahlen sind.





Für einen brandenburgischen Guineadukaten von 1683 wurden 1876 sage und schreibe 22 Mark bezahlt, das waren etwas mehr ein aus Gold bestehende Zwanzigmarkstück. Dukaten aus der Zeit des ersten Preußenkönigs Friedrich I. aus der Sammlung Henckel schon für 15 bis 20 Mark mehr zu haben.





Die schönsten russischen Münzen und Medaillen kamen in den vergangenen Jahren auf den Markt und erzielten bei Auktionen speziell zu diesem Thema fantastische Preise. Der so genannte Familientaler von Nikolaus I. erbrachte 2012 bei der Künker-Auktion 203 sagenhafte 650 000 Euro, der Hochzeitsrubel von 1841 kam 2020 bei der Auktion der Westfälischen Auktionsgesellschaft auf 3300 Euro.



Das seltene Dreimarkstück von 1917 mit dem Bildnis des Beschützers von Martin Luther ist ab und zu für fünfstellige Eurobeträge und mehr im Angebot. (Fotos/Repro: Caspar)

Als Heinrich Heine im Herbst 1824 durch den Harz wanderte, machte er in Clausthal Station und besichtigte die königlich-hannoversche Münzstätte. Dabei sah er, wie Geld geprägt wird, und er schilderte in seinem Buch "Die Harzreise", was er beim Anblick der blitzenden Taler empfand. Über die Art und Weise, wie man Münzen herstellte, ließ sich der Dichter nicht aus. "Mit einem Gefühle, worin gar komische Ehrfurcht und Rührung gemischt waren, betrachtete ich die neugeborenen blanken Taler, nahm einen, der eben vom Prägestocke kam, in die Hand und sprach zu ihm: Junger Taler! welche Schicksale erwarten dich! wie viel Gutes und wie viel Böses wirst du stiften! wie wirst du das Laster beschützen und die Tugend flicken, wie wirst du geliebt und dann wieder verwünscht werden! wie wirst du schwelgen, kuppeln, lügen und morden helfen! wie wirst du rastlos umherirren, durch reine und schmutzige Hände, jahrhundertelang, bis du endlich, schuldbeladen und sühnemüd, versammelt wirst zu den Deinigen im Schoße Abrahams, der dich einschmelzt und läutert und umbildet zu einem besseren Sein".

Massenhafter Tod im Schmelztiegel

Auch wir mögen uns manchmal beim Anblick alter und neuer Münzen und Medaillen fragen, welches Schicksal diese Prägungen hatten und welche Wege sie zurückgelegt haben, bis sie in unsere Hände gelangten. Das eine Stück mag schwer erarbeitet worden sein, ein anderes war Dank günstiger Umstände leicht verdient, einem dritten sieht man an, dass es nicht echt und alt ist, und von einem vierten kann man sagen, dass es ehrfürchtig zur Erinnerung an ein wichtiges Ereignis beiseite gelegt oder als Amulett getragen wurde.

Es gab Zeiten, da verschwanden unzählige Goldgulden und Silbertaler und andere Münzen im Schmelztiegel, um aus dem Metall neues Geld sowie Tafelsilber und Schmuck herzustellen. Als nach der deutschen Reichseinigung von 1871 das neue, auf Mark und Pfennig lautende Einheitsgeld geschaffen wurde, hat man Millionen Gold-, Silber- und Kupfermünzen eingezogen und verflüssigt. Zum Glück entgingen manche Münzen und Medaillen dem Tod im Tiegel, sonst gäbe es bei uns und in anderen Ländern nicht einen blühenden Handel, und auch die Sammler hätten nichts, nach dem sie Ausschau halten können.

Gute und fragwürdige Angebote im Internet

Hilfe kommt dabei vom Münzhandel, der in Deutschland und anderen Ländern in Vereinen und Verbänden organisiert ist oder ohne diese agiert. Viele Anbieter bedienen sich der neuen Medien und erreichen so Sammler und solche, die es werden wollen, die den Weg in die Auktionshäuser scheuen. Bei Angeboten im Internet ist Vorsicht geboten, denn es gibt auch unseriöse Offerten. Bei dem einen oder anderen "Schnäppchen" stimmen die für den Preis so wichtigen Erhaltungsgrade nicht, und eine Rückabwicklung des Geschäfts gestaltet sich schwierig. Zu bedenken ist, dass auch Fälschungen und manipulierte Objekte ins Netz gestellt werden und Ärger bereiten.

Wer also ganz sicher gehen und fair behandelt werden möchte, wer aber etwas Besonderes sucht, ist bei den Mitgliedern des Verbands der deutschen Münzenhändler beziehungsweise dem Berufsverband des deutschen Münzenfachhandels gut aufgehoben. Ihre Statuten verlangen von den Münzhändlern in fachlicher und ethischer Hinsicht die Fähigkeit und Bereitwilligkeit "zu betont verantwortlichem Handeln und exakter Einhaltung der ihnen dort auferlegten Pflichten." Sie stehen für die Echtheit der von ihnen verkauften oder versteigerten Ware ein und sorgen für eine korrekte und marktgerechte Preisgestaltung, die die Grundlage für vertrauensvolle Beziehungen zwischen dem Münzhandel und den Sammlern ist. Sollte sich ein Stück im Nachhinein trotz intensiver Prüfung doch nicht als echt erweisen, wird es anstandslos gegen den bezahlten Preis zurück genommen. Da es einen internen Warndienst gibt wird ausgeschlossen, dass gestohlene oder auch gefälschte Ware in Sammlerhände gelangen.

Lang, lang ist's her

Was heute bei Auktionen unter den Hammer, was in Ladengeschäften und auf Münzmessen und bei anderen Gelegenheiten verkauft wird, war, von numismatischen Raritäten abgesehen, noch vor hundert Jahren in der Regel kaum mehr wert als das Metall, aus dem sie bestehen. In alten Versteigerungskatalogen und Preislisten kann man nachlesen, was Münzen und Medaillen im 19. und frühen 20. Jahrhundert gekostet haben. Bei der 1894 verkauften Sachsen-Sammlung des Leipziger Malers und Verlegers Otto Merseburger lagen die Preise zwischen wenigen Pfennigen und ein- bis zweistelligen Markbeträgen, bei herausragenden Raritäten wie Mehrfachdukaten oder "dicken" Mehrfachtalern konnten die Preise schon mal bis auf 300 Mark und mehr steigen. Während für Engelgroschen aus der Zeit Friedrichs des Weisen eine bis drei Mark verlangt wurden, hat man für den allerersten Klappmützentaler aus dem Jahr 1500 beachtliche 300 Mark und alle weiteren je nach Erhaltung 45 Mark und weniger verlangt. Für einen doppelten "nicht beschriebenen" und mit RRRR klassifizierten Klappmützentaler musste man 600 Mark hinblättern.

Das allerdings konnten nur ganz wenige Enthusiasten mit dickem Geldbeutel tun. Manche von ihnen kauften solche Raritäten auch für die staatlichen Münzkabinette als großzügiges Geschenk an. Diese Sammlungen hatten zwar meist einen recht üppigen Etat, der damals viel größer war als es heute der Fall war. Bei den uns lachhaft anmutenden Preisen von damals ist zu beachten, dass in der Kaiserzeit ein ungelernter Eisenbahnarbeiter in der Woche 23,70 Mark und gelernt 34,56 Mark und ein Buchdrucker einen Wochenlohn von 31,65 Mark bekam. Ein gelernter Maurer ging mit 40 Mark, ein ungelernter Hilfsarbeiter mit 27 Mark, ein Schlosser mit 21,40 M und ein Tischler 22,25 M nachhause. Nur höhere Staatsbeamte, Industrielle, Großgrundbesitzer und ähnliche Gutverdiener sowie Millionäre konnten sich, wenn sie denn Münzsammler waren, die teuren, von Otto Merseburger bisweilen mit R, RR, RR und sogar RRRR gekennzeichneten Raritäten leisten. So genannte "kleine Leute" waren froh, wenn sie von ihrem geringen Einkommen ein paar Mark abzweigen konnten, um antike Denare, mittelalterliche Groschen oder auch häufige Taler zu kaufen. Ähnliches kann man auch bei der berühmten Brandenburg-Preußensammlung von Paul Henckel beobachten, die 1876 unter den Hammer kam. Die meisten dort bezahlten Preise sind ein- und zweistellig, hingegen wurden für den ersten Taler des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg aus dem 1521 stattliche 355 Mark verlangt, während für gewöhnliche Taler und Medaillen aus der Zeit Friedrichs II. Preise unter zehn Mark verlangt wurden.

Preise gehen durch die Decke

Die Lage hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundsätzlich verändert. Seit das Sammeln von Münzen und Medaillen zu einer Art Volksport geworden ist, steigen die Preise. Bei besonders begehrten Raritäten in erstklassiger Erhaltung gehen sie geradezu durch die Decke. Wurden das seltene Dreimarkstück von 1917 "Friedrich der Weise" und anderen Raritäten aus der Kaiserzeit noch vor Jahren als "astronomisch" teuer bewertet, so liegen sie heute mit fünfstelligen Euro-Beträgen im mittleren Segment, weil sich inzwischen das allgemeine Preisniveau stark nach oben entwickelt hat. Vor allem schwerreiche Geldanleger aus Osteuropa und Asien, die selten auch Sammler sind, haben geprägtes Metall als krisensicheres Investment entdeckt und überbieten sich in den Auktionen. Dort kommen regelmäßig besonders prachtvoll erhaltene Einzelstücke und ganze Sammlungen zum Aufruf. In den numismatischen Zeitschriften kann man vorab schon mal sehen, was da im Angebot ist. Die Versteigerungshäuser treiben mit ihren Werbemaßnahmen viel Aufwand und legen großen Wert darauf, dass ihre Kataloge die Angebote präzise abbilden, beschreiben und bewerten. Manche Kataloge avancieren zu wichtigen Nachschlagewerken, nach denen zitiert wird und auf die sich weitere Auktionen beziehen.

Als Telefon, Fax und Internet unbekannt waren

Obwohl es Hinweise gibt, dass man schon in der Antike Münzen gesammelt hat, weil man sie schön fand oder weil sie ein besonderes Ereignis oder eine berühmte Person feiern, weil sie selten waren oder man sie irgendwie "kurios" fand - erst richtig kam das Münzensammeln in der Renaissance auf. In dieser Zeit besannen sich Gelehrte und Künstler auf die Kultur und Kunst der alten Griechen und Römer und suchten nach Zeugnissen aus diesen Zeiten. Da nimmt es nicht Wunder, dass dabei auch das Geld dieser untergegangenen Völkerschaften ins Blickfeld rückte. Von da ab war es nicht weit, dass Münzkabinette systematisch angelegt und die ersten Kataloge mit Münzabbildungen und -beschreibungen veröffentlicht wurden. Langsam kam in der Barockzeit der Münzhandel ganz ohne Telefon, Fax und Internet, aber auf gut funktionierenden Postwegen und mit Hilfe weit gespannter Netzwerke in Gang, wie alte Verkaufs- und Versteigerungskataloge und Lebenserinnerungen von Numismatikern belegen.

13. November 2021

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