Aus dem Erdreich ans Tageslicht
Horst Gutsche hat den Münzfund von Frauenhorst umfassend bestimmt und teilt interessante Hintergrundinformationen mit





Die Marienkirche sowie stattliche Rats- und Bürgerbauten künden in der ehemals sächsischen, ab 1815 preußischen Stadt Herzberg von früherem Wohlstand. In erstaunlicher Frische sind mittelalterliche Deckenmalereien in der Marienkirche erhalten. Sie zeigen Engel und Heilige, aber auch arme Seelen, die wegen ihrer Sünden im ewigen Höllenfeuer schmoren müssen. Schriftbänder legen dar, wer dargestellt ist und wem Apostelsymbole zuzuordnen sind.



Nach siebenjährigen und 14 Millionen Euro teuren Bauarbeiten öffnete Ende September 2008 in Brandenburg an der Havel das neue Archäologische Landesmuseum seine Pforten.



Der Gesamtwert der im Frauenhorster Schatz enthaltenen Münzen beträgt 187 Taler und acht Groschen. Prachtvolle Lösertaler aus Braunschweig und andere Silberstücke sind gehenkelt und wurden als Schmuck getragen.



Reichlich sind in dem Fund kursächsische Münzen, und auch die aus dem böhmischen Sankt Joachimsthal stammenden Joachimsthaler vertreten.



Die Fundstelle im Herzbgerger Ortsteil Frauenhorst ist durch eine Schriftplatte im Boden markiert.





Die im Frauenhorster Fund entdeckten Sterbemünze Nummer 217 sowie die sächsischen Gulden Nummer 96 sowie 97 (hier nicht abgebildet) werden von Horst Gutsche als unediert eingestuft. (Fotos/Repros: Caspar)

Wer sich einen Überblick darüber verschaffen möchte, wo und wann im Land Brandenburg Münzschätze ans Tageslicht gehoben wurden, ist im Archäologischen Landesmuseum in Brandenburg an der Havel an der richtigen Adresse. Ausgestellt sind im mittelalterlichen Paulikloster Hinterlassenschaften der Bewohner zwischen Elbe und Oder von der Steinzeit bis fast an die Gegenwert. Die Ausstellung im mittelalterlichen Paulikloster zeigt neben vielen anderen Objekten, die bei Ausgrabungen gefunden wurden, auch wertvolle Münzschätze vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Das 1286 gestiftete und danach immer wieder ausgebaute und veränderte Dominikanerkloster in der Brandenburger Neustadt existierte bis vor ein paar Jahren nur als Kriegsruine mit offenen Dächern und zugewachsenem Innenhof. Die brandenburgische Landesregierung beschloss vor 20 Jahren den Wiederaufbau der Anlage nach allen Regeln der Denkmalpflege und die Einrichtung eines Archäologie-Museums.

Im Land Brandenburg wurden und werden bei archäologischen Ausgrabungen in den Altstädten, aber auch beim Bau von Straßen und Versorgungsleitungen große und kleine Münzfunde entdeckt. Die interessantesten und aussagekräftigsten Objekte sind im Paulikloster zu sehen. Da man vor einigen hundert Jahren noch keine Sparkassen kannte, hat man seine Geldvorräte in Beuteln, Kästen oder Krügen gehortet und in unsicheren Zeiten aus Furcht vor Räubern und Soldaten, die oft beides in einer Person waren, vergraben oder eingemauert. Unter den im Paulikloster gezeigten Schätzen befindet sich ein 1996 in Frauenhorst, einem Ortsteil der Kreisstadt Herzberg (Landkreis Elbe-Elster), bei der Ausbesserung einer Dorfstraße entdeckter Münzfund. Über ihn berichtet der Herzberger Heimatforscher und Numismatiker Horst Gutsche in einer reich illustrierten Broschüre, in der auch interessante Informationen über das Vereinsleben zu finden sind (86 Seiten, ISBN 978-3-00-066826-5, Bestellung: Herzberger Münzfreunde e. V., Torgauer Straße 21, 04916 Herzberg).

Mitteldeutsches Münzsammlertreffen

Der Verfasser war 1967 Gründungsmitglied der Fachgruppe Numismatik des Kreises Herzberg im Kulturbund der DDR. Als deren Leiter war er maßgeblich daran beteiligt, während der Wendezeit die Fachgruppe in den Herzberger Münzfreunde e.V. umzuwandeln (siehe Internetseite www.herzberger-muenzfreunde.de). Ihm ist zu verdanken, dass das Leben und Werk des in Herzberg geborenen Arztes und Spezialisten für sächsische Münzgeschichte und speziell der Kipper und Wipperzeit, Eugen Rahnenführer, näher erforscht und das Geburtshaus Torgauer Straße 4 mit einer Gedenktafel geschmückt wurde. Horst Gutsche war zur Stelle, wenn in der Region gefundene Münzen zu bestimmen waren. Das betraf unter anderem den numismatischen Inhalt des bei Renovierungsarbeiten 1988 geborgenen Turmknaufs der mit mittelalterlichen Deckenmalereien reich ausgestatteten St.-Marien-Kirche und den Münzfund von Frauenhorst, den er neben gedruckter Form auch in Fachvorträgen einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte. Er wird das wieder beim 29. Mitteldeutschen Münzsammlertreffen vom 11. bis 13. Juni 2021 in Herzberg tun und dabei neue Erkenntnisse über den aus 267 Silbermünzen vom braunschweigischen Fünffachtaler aus dem Jahr 1666 bis hinab zu einem sächsischen Dritteltaler von 1754, der zugleich die Schlussmünze ist, sowie aus zwei Medaillen bestehenden Schatz darlegen. Die Teilnehmer der Tagung werden Gelegenheit haben, im Bürgerzentrum den eigens aus Brandenburg an der Havel herbei geholten Schatz in Augenschein zu nehmen, und sie können auch an der Prägung einer zu diesem Zweck gefertigten Medaille teilnehmen.

Der Fund besteht aus 104 sächsischen, 69 brandenburgisch-preußischen, 19 habsburgischen, 22 französischen und weiteren Münzen. Die Serie beginnt im frühen 16. Jahrhundert, als in Kursachsen in großen Mengen die bekannten Klappmützentaler und in der böhmischen Bergstadt Sankt Joachimsthal die Joachimsthaler geprägt wurden, die als Namensgeber des Talers und des Dollars in die Geschichte eingingen, und endet 1754. Von dort dauerte es noch drei Jahre, bis zum Siebenjährigen Krieg, aus dem Preußen als Sieger hervor ging und sich des Besitzes der bis dato zum Habsburgerreich gehörenden schlesischen Herzogtümer sicher sein konnte.

Im Strudel des Siebenjährigen Kriegs

Horst Gutsche stellt in der Broschüre gut nachvollziehbare Überlegungen an, wie es zur Ansammlung der Silberstücke kam und wie sie ins Erdreich gelangten. Er berichtet, wie das damals sächsische Herzberg in den Strudel dieses Krieges gerissen wurde und stellt Vermutungen darüber an, was den unbekannten Besitzer bewogen hat, ihn angesichts herannahender preußischer Truppen zu verbergen. Aus der Tatsache, dass die Münzen und die beiden Medaillen aus dem 17. Jahrhundert nicht wie üblich in einem Tontopf lagen, sondern sorgfältig aufgeschichtet in einem - längst vergangenen - Beutel oder Tuch gewickelt waren, schließt der Verfasser, dass der unbekannte Besitzer das nicht unbeträchtliche Vermögen bald wieder bergen wollte. Warum er es nicht tat, bleibt sein Geheimnis. Dass der Besitzer jemand aus dem Dorf war, ist ausgeschlossen, denn da dürfte kaum jemand ein Vermögen wie dieses besessen haben.

Sodann erfahren wir, dass sich mindestens neun mit einem Henkel versehene große und schwere Münzen in dem Schatz befinden. Dies ist für den Verfasser ein Indiz für ihre Verwendung als Schmuck nicht für Frauen sondern für Adlige oder Offiziere, die sie wie Orden an Halsketten getragen haben. Interessant sind auch Hinweise auf das Vorkommen französischer Silbermünzen aus der Zeit Ludwigs XIV. in dem Schatz. Sie liefen auch im Römisch-deutschen um und waren unter dem Namen "Franzgeld" als Zahlungsmittel beliebt. Aus der Münzgeschichte ist, nebenbei gesagt, bekannt, dass die mit deutschen Talern vergleichbaren Stücke zu sechs Livres mit dem Bildnis des Königs und seinem Lilienwappen vielfach als Zweitwährung in Preußen und anderen Ländern kursierten. Finanzbeamte baten daher den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., die eigene Münzproduktion anzukurbeln, um die Geldstücke des wegen seiner Kriege und Raubzüge gefürchteten Sonnenkönigs aus dem Land zu drängen. Erst Friedrich II., der Große, kam dieser Bitte nach und brachte nach der Münzreform von 1750 den Reichstaler heraus. Dass von beiden Preußenkönigen im Frauenhorster Fund keine beziehungsweise nur zwei Halbtaler von 1750 vertreten sind, ist rätselhaft und müsste mit der Zusammensetzung zeitgleicher Funde abgeglichen werden.

Braunschweigische Lösertaler und Raritäten aus Sachsen

Aus der Fundmasse stechen zwei braunschweigische Löser im Wert von fünf und zwei Talern heraus. Die Münzriesen sind sehensweite Belege für die üppige Münzprägung, die sich die Welfen dank der Erträge ihrer Silbergruben gestatteten und mit denen sie Politik zum Ruhm der eigenen Dynastie betrieben. Merkwürdigerweise sind in dem Fund nur die bekannten Wildemann-Taler und solche mit dem springenden Welfenross vertreten. Dabei ließen die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und Braunschweig-Wolfenbüttel über sie hinaus zahlreiche mit allegorischen Bildern und sinnreichen Sprüchen versehene Gedenkmünzen prägen. Dass sie in dem Fund fehlen, könnte zu Überlegungen über ihre Seltenheit schon zur Entstehungszeit führen. Besonderheiten im Münzschatz von Frauenhorst sind drei unedierte Stücke von 1643, 1734 und 1746, die braunschweigischen und sächsischen Münz-Corpora eingefügt werden müssten. Denn es kommt immer wieder vor, dass sich in größeren Fundmassen Stücke anfinden, die sich in Details von bereits publizierten unterscheiden. Wie ausgerechnet diese Raritäten in gewöhnliche Fundmassen gelangten, wird sich wohl nie aufklären lassen.

24. Januar 2021

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