Hitlers Steigbügelhalter
Der so genannte Hindenburgtaler von 1929 kam in der Öffentlichkeit unterschiedlich gut an



Obwohl Reichspräsident Paul von Hindenburg ein erklärter Feind des von ihm repräsentierten demokratischen Staates war, feiert ihn ein Fünf- und Dreimarkstück mit der Schwurhand von 1929 zum zehnjährigen Bestehen der Weimarer Republik.



Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg musste im Ersten Weltkrieg für alle möglichen Propagandazwecke herhalten. Zu einem Wallfahrtsort der Extraklasse entwickelte sich eine im September 1915 vor dem Berliner Reichstagsgebäude aufgestellte Holzfigur, hier noch mit der Siegessäule im Hintergrund, in die man gegen eine Spende Nägel einschlagen konnte. Zur Belohnung bekam man eine Aluminiummedaille am Band.



Zahlreiche Medaillen wurden im und nach dem Ersten Weltkrieg dem kaiserlichen Generalfeldmarschall und ab 1925 Reichspräsidenten Paul von Hindenburg gewidmet. Diese Medaillen aus republikanischer Zeit stellen ihn zu Unrecht in eine Reihe mit Reichskanzler Otto von Bismarck.



Die Probe eines Fünfmarkstücks von 1927 zu Hindenburgs 80. Geburtstag gelangte nicht zur Massenprägung. Das Familienwappen auf der Rückseite entsprach nicht den gesetzlichen Vorgaben, die den Reichsadler zur Pflicht machten.



Während der Zeit des Nationalsozialismus klapperten Zwei- und Fünfmarkstücke mit dem Kopf des 1934 verstorbenen Reichspräsidenten sowie dem Reichsadler ohne und mit dem Hakenkreuz in den Geldbörsen. Als Steigbügelhalter von Hitler ging Hindenburg unrühmlich in die Geschichte ein. (Fotos/Repros: Caspar)

Nicht alle Münzen der Weimarer Republik kamen beim Publikum gut an. Einige waren aus künstlerischen und politischen Gründen starker Kritik ausgesetzt, wie die im Berliner Bundesarchiv liegenden Akten des Reichskunstwarts Edwin Redslob zeigen. Der Kunsthistoriker und Museumsmann war unter anderem für die Gestaltung neuer Hoheitszeichen, Geldscheine, Briefmarken sowie Münzen und staatlicher Medaillen, aber auch für offizielle Staatsakte zuständig. Als 1929 der zehnte Jahrestag der Gründung der Weimarer Republik begangen wurde, kam ein Drei- und Fünfmarkstück mit dem Kopf des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und der so genannten Schwurhand heraus. Gestalter war der durch seine ausgezeichneten Porträtdarstellungen ausgewiesene Braunschweiger Bildhauer Rudolf Bosselt. Dass ausgerechnet ein Feind der Republik und Freund der Monarchie, der frühere kaiserliche Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, durch eine Jubiläumsmünze geehrt wurde, war im politisch links angesiedelten Lager ein Grund zu fragen, wie republikanisch noch die Republik ist und welche Rolle der Generalfeldmarschall im Ersten Weltkrieg und bei der danach von ihm und seinesgleichen in die Welt gesetzten "Dolchstoßlegende" gespielt hat. Dass Hindenburg 1933 Steigbügelhalter von Adolf Hitler wird, lag damals außerhalb jeder Vorstellung.

Entscheidung von ganz oben

Die Ehrung des Reichspräsidenten auf einer Gedenkmünze ähnlich einem Monarchen war nicht Redslobs Entscheidung, sondern kam von "ganz oben". Das aber spielte in der Kritik an dem, wie man sagte, "Verfassungstaler" oder "Hindenburgtaler" keine Rolle. Die Ausgabe wurde dem Reichskunstwart in ziemlich rüder Form angelastet. Dass sich Hindenburg 1933 als Steigbügelhalter von Hitler betätigte, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen. In der Endphase der Weimarer Republik gab die KPD die Parole "Wer Hindenburg wählt wählt Hitler, wer Hitler wählt wählt den Krieg" aus und sollte auf schreckliche Weise Recht behalten.

Der Direktor der Bremer Kunsthalle, Emil Waldmann, behauptete in der Zeitschrift "Cicerone", die neue Münze sei so ziemlich das Elendste, was einem Volk geboten werden darf und schlimmer könne es nun nicht mehr werden. Der so angegriffene Rudolf Bosselt antwortete in den Berliner Münzblättern vom Mai 1930 in einem Offenen Brief mit dem schlichten Titel "Der Hindenburgtaler", selbstverständlich sei es gutes Recht eines Rezensenten, seine Meinung vorzutragen, und wies Waldmanns Ansinnen zurück, es müsse sofort eine Reichsstelle geschaffen werden, um eine solche Blamage wie diesen "Hindenburgtaler" zu verhindern. "Dass diese Reichsstelle besteht, und dass sie mit Ihrem Kollegen - ein Kunsthistoriker müsste es doch wohl auf jeden Fall sein - Dr. Redslob besetzt ist, wissen Sie", widersprach Bosselt seinem Kontrahenten Waldmann. "Also gilt Ihre Forderung nur einer anderen Besetzung dieser Stelle. Ihre Bewertung des jetzigen Inhabers geht mich nicht an; ich habe es mit einem beamteten Kunstsachverständigen zu tun, wie Sie ihn fordern".

Von Weimar nach Europa

Edwin Redslob konnte sein beim Reichsinnenministerium angesiedeltes Amt als Reichskunstwart bis Anfang 1933 ausüben und hatte damit viel Erfolg. Die Nazis aber, die schon vor Hitlers "Machtergreifung" gegen ihn gehetzt hatten, entließen ihn prompt und kürzten seine Bezüge, ließen ihn aber am Leben. Die Zeit der Hitlerdiktatur überstand der Kunsthistoriker als Übersetzer, Schriftsteller und Sammler von Hinterlassenschaften von Goethe und Schiller. In seinem Buch "Von Weimar nach Europa. Erlebtes und Erdachtes" (Verlag Haude & Spener Berlin 1972) bemerkt der ehemalige Reichskunstwart eher nebenbei, dass Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 ihn als Kultusminister in der nach dem gelungenen Attentat auf Hitler neu zu bildenden Reichsregierung vorgesehen hatten. Außer James Graf von Moltke und einer weiteren Person habe niemand von dem Plan gewusst. "Dieser Umsicht und der menschlichen Größe des Grafen Moltke, der mich während der Verhöre, denen er vor seiner schändlichen Hinrichtung ausgesetzt war, nicht nannte, verdanke ich, dass ich Deutschlands böseste Zeit lebend überstand". Nach dem Zweiten Weltkrieg war Edwin Redslob in West-Berlin Mitbegründer der Zeitung "Der Tagesspiegel" sowie Mitbegründer beziehungsweise Rektor der Freien Universität Berlin. Außerdem war er Mitbegründer des Berlin-Museums, dessen Bestände heute zur Stiftung Stadtmuseum Berlin gehören. Seine Sammlung mit Büchern und Bildern zum Thema Goethe und Weimarer Klassik vermachte Redslob dem Goethe-Museum in Düsseldorf.

Interesse verdient in der Antwort auf die Waldmannsche Kritik Bosselts Schilderung, wie die Hindenburgmünze zustande kam. Ihm habe nur ungenügendes Bildmaterial für den Kopf des Reichspräsidenten zur Verfügung gestanden. Sein Antrag, eine Studie nach dem Leben anzufertigen, sei abgelehnt worden, "ebenso dann auch der Wunsch nach einer photographischen Aufnahme, der ich wenigstens hätte beiwohnen können. Es ist sehr wenig, was mir an Unterlagen zur Verfügung gestellt werden konnte." Offenbar musste Bosselt unter hohem Zeitdruck arbeiten, und dazu noch mit ungenügenden Bildvorlagen. "Ich wiederhole, ich will mich nicht einen Augenblick lang hinter die Zustimmung der Reichsstelle, die Sie fordern, d. h. Dr. Redslobs, verstecken. Er trägt keine Verantwortung, was auch immer er tun mag, denn er hat die Münze nicht gemacht."

Vorschläge zur Verhütung von Unglücksfällen

Rudolf Bosselt fordert "zur Verhütung von Unglücksfällen" folgendes: "1. Zeit - aber nicht nur für die beratenden Ausschüsse, die sie sich genügend nehmen, sondern auch für den Künstler, damit er die Wirkung seiner Entwürfe auch sich selbst abwarten, Neues versuchen kann. 2. Dass ein Künstler nicht nur eine Münze im Leben zu machen bekommt oder vielleicht zwei, sondern eine Reihe, aus der die eine oder andere missglücken kann, die dann nicht zur Ausgabe gelangt. Das gute Stück muss selbst von dem, der fähig dazu ist, erarbeitet werden. 3. Dass die Münze vom Künstler selbst vertieft in Stahl geschnitten wird. Das kann man natürlich nicht in zwei Größen - 3- und 5-M.-Stück - von ihm verlangen. Diese Wiederholung ist tötend - aber es muss ja auch nicht das gleiche Stück in verschiedenen Werten zur Ausgabe gelangen." Wie wir wissen, konnte Bosselt bei den Münzen zur Erinnerung an den Dichter Gotthold Ephraim Lessing von 1929, des preußischen Ministers Karl vom und zum Stein von 1931 und Johann Wolfgang von Goethe von 1932 sowie verschiedenen Medaillen unter Beweis stellen, und daran hatte Edwin Redslob einen nicht geringen Anteil.

15. Mai 2021

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