Gold gab ich für Eisen
Warum Münzen in Notzeiten aus Tafelsilber und Kirchenschätzen gefertigt wurden



Die Rolle, die der als zögerlich und ängstlich bekannte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen in den Befreiungskriegen spielte, wurde später als Heldentat verklärt. Die farbige Grafik schildert, wie das zur Befreiung von der Franzosenherrschaft ihrem Monarchen zujubelt.



Das Relief vom Sockel des von Christian Daniel Rauch geschaffenen Blücherdenkmals Unter den Linden in Berlin zeigt Bewaffnung, Verabschiedung und Auszug von Freiwilligen zu Begin der Befreiungskriege von 1813 bis 1815.



Das Silber des Mainzer Talers von 1794 und aus Fulda von 1795 stammt aus fürstlichen Edelmetallspenden. Wegen des besonderen historischen Hintergrunds werden solche Stücke gern gesammelt.







Auch die Bistümer Fulda, Bamberg und Eichstätt sahen sich 1795 während der Revolutionskriege genötigt, fürstliches Tafelsilber und andere Schätze einzuschmelzen, um aus dem Edelmetall Konventionstaler "Zum Besten des Vaterlands" und solche mit dem ins Deutsche übersetzten Motto "Für Gott und das Vaterland" zu prägen.









Die Stadt Frankfurt am Main brachte bereits 1796 Silbermünzen heraus, die "Aus den Gefäßen der Kirchen und Bürger" bestehen. Darunter ein Schweriner Vaterlandsgulden und rechts Darstellung aus dem späten 19. Jahrhundert der Einschmelzungen unter Friedrich II. und Friedrich Wilhelm III. von Preußen und dessen Aufruf "An Mein Volk". (Fotos/Repros: Caspar)

Im Winter 1812/13 verlor Napoleon I. seine Grande Armée auf dem Rückzug aus dem eisigen Russland, und in deutschen Fürstentümern sowie im Ausland formierte sich Widerstand gegen den französischen Herrscher über große Teile von Europa. Der Stern des französischen Kaisers sank in den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815, aus denen Russland, Österreich, England, Preußen und andere Staaten der antifranzösischen Koalition gestärkt hervor gingen. Preußens König Friedrich Wilhelm III. stellte sich, von klugen Beratern des Reformflügels mehr gedrängt als eigenem Antrieb folgend, im Frühjahr 1813 mit seinem berühmten, in Breslau verkündeten Aufruf "An Mein Volk" an die Spitze der patriotischen Befreiungsbewegung. Mit dem dramatischen Appell betrat der König Neuland, denn noch nie hatte sich ein Hohenzoller mit einer fast in bittendem Ton gehaltenen Rede an seine Untertanen gewandt. Denn bisher hagelte es von oben nur Befehle, und es hieß stets "Ordre parieren". Man kann sich vorstellen, dass dem König von Preußen der Appell nicht leicht gefallen ist.

Das Land war Raub der Verarmung

Friedrich Wilhelm III. beschrieb, was er und seine Untertanen alles unter den Franzosen, die das Land 1806/7 nach dem von ihnen gewonnenen Krieg besetzt und zerstückelt hatten, erdulden mussten. "Das Land ward ein Raub der Verarmung. Durch die strengste Erfüllung eingegangener Verbindlichkeiten hoffte Ich Meinem Volk Erleichterung zu bereiten, und den französischen Kaiser endlich überzeugen, daß es sein eigener Vortheil sey, Preußen seine Unabhängigkeit zu lassen. Aber Meine reinsten Absichten wurden durch Uebermuth und Treulosigkeit vereitelt, und nur zu deutlich sahen wir, daß des Kaisers Verträge mehr noch wie seine Kriege uns langsam verderben mußten." Jetzt sei der Augenblick gekommen, fuhr der König fort, wo alle Täuschung über unseren Zustand aufhört. "Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Litthauer! Ihr wißt, was Ihr seit fast sieben Jahren erduldet habt; Ihr wißt, was euer trauriges Loos ist, wenn wir den beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. Erinnert Euch an die Vorzeit, an den großen Kurfürsten, den großen Friedrich. Bleibt eingedenk der Güter, die unter Ihnen Unsere Vorfahren blutig erkämpften: Gewissensfreiheit, Ehre, Unabhängigkeit, Handel, Kunstfleiß und Wissenschaft. - Gedenkt des großen Beispiels unserer mächtigen Verbündeten, der Russen; gedenkt der Spanier, der Portugiesen. Selbst kleinere Völker sind für gleiche Güter gegen mächtigere Feinde in den Kampf gezogen und haben den Sieg errungen. Erinnert Euch an die heldenmüthigen Schweizer und Niederländer." Große Opfer würden von allen Ständen gefordert, und nicht gering die Zahl und die Mittel unserer Feinde, fuhr der König fort. Dies sei der letzte, entscheidende Kampf für unsere Existenz, unsere Unabhängigkeit, unsern Wohlstand. Es gebe keinen anderen Ausweg als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang, "weil ehrlos der Preuße und der Deutsche nicht zu leben vermag." Nach den Befreiungskriegen verweigerte der siegreiche Monarch seinen Untertanen die zuvor versprochene Mitbeteiligung an der Politik. Eisern hielt er am feudalen Ständestaat fest und ließ freiheitliche Bestrebungen im Bürgertum und an den Universitäten mit Gewalt unterdrücken. Preußen verwandelte sich in einen Polizeistaat, in dem zwar Kultur, Kunst und Wissenschaft erblühten, aber die freie Presse und unangepasstes Denken an den Universitäten unterdrückt und althergebrachte Privilegien des Adels nicht angetastet wurden.

"Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen"

In den Aufruf des Königs von Preußen, Opfer für das Vaterland zu bringen, reihten sich alsbald Herzöge Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin sowie Carl II. von Mecklenburg-Strelitz ein, der Schwiegervater des Preußenkönigs. Am 25. März 1813 rief Friedrich Franz I. von Schwerin eindringlich zu den Waffen, gefolgt von seinem Strelitzer Vetter. Beide Landesfürsten sagten sich als erste Mitglieder des von Napoleon I. 1806 gegründeten Rheinbundes von diesem los. Bei einer Gesamtbevölkerung von nicht einmal 500.000 Einwohnern stellten beide, von französischer Besatzung besonders gebeutelten Mecklenburg in den Befreiungskriegen etwa 13.000 Soldaten. Auf dem Wiener Kongress von 1814/15 wurden die Herzöge zu Großherzögen mit dem Titel "Königliche Hoheit" erhoben. Mit anderen Bundesfürsten verloren sie in der Novemberevolution 1918 Krone und Thron.

Viele Menschen waren beseelt von dem Wunsch, nicht nur die französische Fremdherrschaft abzuschütteln, sondern für sich mehr Freiheit zu erringen. Im Gedicht "Aufruf 1813" von Theodor Körner heißt es denn auch "Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen, / Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht. / Du soll?t den Stahl in Feindes Herzen tauchen, / Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen, / Die Saat ist reif, ihr Schnitter, zaudert nicht! / Das höchste Heil, das letzte liegt im Schwerdte! / Drück dir den Speer ins treue Herz hinein, / Der Freiheit eine Ga??e! - Wasch' die Erde, / Dein deutsches Land mit deinem Blute rein! / Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen, / Es ist ein Kreuzzug, s' ist ein heil'ger Krieg! / Recht, Sitte, Tugend, Glauben und Gewissen / Hat der Tyrann aus deiner Bru?t gerissen; / Errette sie mit deiner Freiheit Sieg!"

Zum Besten des Vaterlands

Dass Tafelsilber und Schmuck, ja auch Kirchenschätze in belagerten Städten und Festungen in klingende Münze verwandelt beziehungsweise zur Bezahlung von Kontributionen an einen Kriegsgegner eingeschmolzen wurden, war damals nicht neu. Bekannte Beispiele sind die Landauer Belagerungsklippen aus dem frühen 18. Jahrhundert, die aus dem Tafelsilber der eingeschlossenen Bürger stammen. In finanzielle Bedrängnis geraten, trennten sich Kirchen, Adel und wohlhabende Bürger in der Zeit der französischen Revolutionskriege nach 1789 von ihrem Edelmetall, um es vermünzen zu lassen. Die daraus gewonnenen Geldstücke wurden zur Bezahlung von Kontributionsforderungen eingesetzt. In verschiedenen Varianten kommen die 1795 in Bamberg mit der Aufschrift ZUM BESTEN DES VATERLANDS geprägten Taler vor. Das Material stammt aus fürstbischöflichem Tafelsilber. Bestimmt waren die Münzen für Zahlungen an die Franzosen, die mit Zerstörung der Städte und Plünderungen gedroht hatten, wollte man ihren Forderungen nicht nachkommen.

In dem "Aufruf zum freiwilligen Dienst in der Infanterie" warb Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin für die Schaffung eines Jägerkorps, das sich am Kampf gegen Frankreich beteiligen soll. Allerdings, wer sich dieser Truppe anschloss, musste seine Ausrüstung selbst bezahlen, was aber viele Mecklenburger nicht konnten. Da die von den Franzosen ausgepowerten Herzogtümer dazu nicht die Mittel besaß, richteten die Landesfürsten einen Spendenappell an ihre Untertanen und fanden viel Beifall. In Sammelstellen wurden Bargeld sowie Gegenstände aus Edelmetall abgeliefert. An die 130 Kilogramm Silber kamen zusammen, worauf in der Schweriner Münze 9918 Exemplare des sogenannten Vaterlandsguldens geprägt werden konnten. Der Name kommt von der Aufschrift DEM VATERLANDE unter der Zahl 2/3, mit der gesagt wird, dass es sich bei dieser bei Sammlern wegen ihrer besonderen Geschichte gesuchten Münze um einen Zweidritteltaler beziehungsweise Gulden handelt.

Taler mit patriotischen Aufschriften

Ähnliches kennen wir aus dem Bistum Eichstätt, das 1796 halbe und ganze Taler mit der aus dem Lateinischen übersetzten Inschrift "Mit den silbernen Gefäßen des Hofes gewährte er (der Fürstbischof) dem darbenden Vaterland Hilfe" sowie aus Fulda (1796) und Mainz (1794), wo man ebenfalls Silbertaler dieser Herkunft mit patriotischen Aufschriften schmückte. Die Stadt Frankfurt am Main vermerkte auf ihren Talern und Dukaten von 1796, dass das Silber und Gold AUS DEN GEFÄSSEN DER KIRCHEN UND BURGER stammt. Auch sie wurden in einer großen Kraftanstrengung zur Befriedigung französischer Kontributionsforderungen hergestellt und sind heute begehrte Sammelstücke.

Die im März 1813 von König Friedrich Wilhelm III. zur Rettung des Vaterlandes aufgerufenen Preußen opferten unter dem Motto "Gold gab ich für Eisen" ihre letzten Groschen. Wie Berichte und Gemälde aus dieser Zeit schildern, wurden Silberleuchter und Goldmünzen zu den Sammelstellen gebracht, und es soll auch vorgekommen sein, dass mittellose Mädchen und Frauen ihre schönen Haare als einzige Habe auf den "Altar des Vaterlandes" legten, damit daraus Perücken angefertigt werden können. Gespendet und zu Geld gemacht wurden Kleidungsstücke und Kirchenglocken, Bücher und Gemälde, Waffen und Trauringe. Statt ihrer steckte man sich eiserne Ringe an den Finger. Mit Einnahmen aus der Sammelaktion konnte der König eine große Freiwilligenarmee ausrüsten. Von der Vernichtung verschont wurden die schweren, zum Teil vergoldeten Gefäße aus der Barockzeit, die im Rittersaal des Berliner Schlosses Macht und Herrlichkeit der Hohenzollern repräsentierten und heute im Kunstgewerbemuseum Schloss Köpenick aufgestellt sind. 9. September 2021

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