Gießen, schneiden, prägen
Kölner Münzfreunde legen in ihrem zweiten Jahrbuch interessante Forschungsergebnisse von der Antike bis in die Neuzeit vor



Das neue Jahrbuch hat 267 Seiten, zahlreiche Abbildungen und kostet 15 Euro (ISSN 2747-7541, Bezug: vorstand@muenzfreunde.koeln). Einer der Beiträge beschäftigt sich mit der Frage, was in alten Geldschmieden der eigentlichen Münzprägung voraus ging. Die Miniatur in der Handschrift "De Moneta" des Nicolas Orseme um 1490 zeigt, wie der Münzmeister die Arbeit in einer Geldschmiede überwacht.



Das Glasbild von 1624 im Rosgartenmuseum zu Konstanz zeigt neben anderen Arbeitsgängen auch, wie mit Hilfe einer Stanze die Ronden aus einem Metallband geschnitten und rechts die Münzen gewogen werden. Zu schwere Stücke hat man durch Befeilen auf das vorgeschriebene Gewicht gebracht, zu leichte Stücke kamen in den Schmelztiegel.





Aus einer unbekannten Prägestätte stammt dieser im Besitz des Berliner Münzkabinetts stehende Denar des Frankenkönigs Karlmann. Darunter ein Zweidritteltaler von 1691 aus der Münze zu Mülheim mit dem Brustbild des Herzogs Johann Wilhelm, genannt Jan Wellem, dessen Denkmal im Mülheimer Stadtgarten steht und der auf dem Marktplatz der Düsseldorfer Altstadt reitet.





Die Rückseiten der Medaillen von 1807 und 1812 auf die Schlachten von Friedland und an der Moskwa sind Kupfermünzen der Kaiser Antoninus Pius und Gordianus III. nachempfunden. Auf ihnen steckt der auf toten Feinden stehende Mars das Schwert in die Scheide, und Athena streckt einen schlangenfüßigen Giganten nieder. (Fotos/Repros: Caspar)

Köln blickt auf eine lange Münzgeschichte zurück. Hier ließen die Stadt und die Bischöfe unzählige Groschen, Gulden, Taler, Dukaten und Medaillen prägen. Diese Hinterlassenschaften sind gut erforscht und kommen regelmäßig in den Angeboten des Münzhandels vor. In der Domstadt am Rhein gibt es überdies ein interessantes numismatisches Vereinsleben, dem wir zahlreiche, viele Länder und alle Zeiten umfassende Ausstellungen sowie Publikationen verdanken. Nach dem ersten Jahrbuch von 2021 sowie einer Festschrift mit Aufsätzen des Numismetallogen und Sammlers Eberhard Auer über bekannte und unübliche Münzmetalle brachte der Verein Kölner Münzfreunde von 1957 Ende 2021 einen zweiten, mit 267 Seiten und vielen Abbildungen versehenen Band mit Forschungsergebnissen zur antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Numismatik heraus. Im Vorwort betonen Patrick Breternitz und Heinz Reutersberg, Sorgen um die Frage, ob es weitere Jahrbücher geben wird, seien unbegründet gewesen. Das Echo ist so groß, dass Fortsetzungen möglich sind. Zur Mitarbeit ruft der Verein seine Mitglieder und darüber hinaus Autoren auf und strebt ein breites Themenspektrum an.

Münztechnik in alten Zeiten

Henner R. Meding schildert in einem umfangreichen, gut illustrierten Beitrag die technischen Arbeitsgänge, die im Mittelalter und danach der eigentlichen Münzprägung vorausgingen. In den Geldschmieden musste alles selbst erledigt werden. Im Unterschied zu heute, wo die Ronden von der Industrie angeliefert werden, waren die Legierung der Metalle und ihr Guss, die Herstellung der Ronden, die man damals Schrötlinge nannte, sowie deren Justierung und Rändelung ein aufwändiges, mit vielen Unwägbarkeiten verbundenes und dazu teures Verfahren. Je nachdem, welche Mühe man sich gab und welche Geräte eingesetzt wurden, fielen die Ergebnisse unterschiedlich aus. Zudem konnte man beim Schrot und Korn, also am Gewicht und Feingehalt der Münzen, mogeln und durch Manipulationen Profit erwirtschaften. Wo diese ruchbar wurden, waren hohe Leibes- und Geldstrafen fällig. Angesichts technischer Unzulänglichkeiten kann man bei gleichen Nominalen sowohl Größen- und Gewichtsunterschiede als auch gut und weniger gut ausgeprägte Exemplare beobachten. Henner Medings Beitrag führt auf unterhaltsame und verständliche Weise in die Geschichte der Münztechnik ein, verbindet dies mit Abbildungen von Glasfenstern und aus zeitgenössischen Drucken und gibt Hinweise auf weiterführende Literatur. Dies alles ist auch als Anregung gedacht zu fragen, wie denn Metall im vorindustriellen Zeitalter in klingende Münze verwandelt wurde. In einem weiteren Beitrag befasst sich Meding mit dem Kleingeld, das im Spätmittelalter am Rhein umlief, und zeigt, auf welcher gesetzlichen Basis die Heller und Pfennige ausgebracht wurden und wie man den Umlauf mit Hilfe von Münzverträgen geregelt hat.

Barbarisierte Antiken und Karlmanns Denare

Alexander Rothkopf zeigt anhand von Münzen, die außerhalb der Länder des klassischen Altertums nachgeahmt wurden, was unter "barbarisiert" zu verstehen ist und worin sich die edel gestalteten Vorbilder von dem unterscheiden, was am Rande der griechischen Welt daraus gemacht wurde. Hermann Twiehaus blickt in Siziliens bewegte Geschichte und stellt Münzen von Entella vor, einer bereits in vorgriechischer Zeit angelegten Siedlung. Von hier sind klassisch-schöne Tetradrachmen mit Köpfen des Herakles, der Fruchtbarkeitsgöttin Tanit und weiterer Götter sowie mit Tieren und anderen Motiven überliefert. Weil sie von römischen Denaren verdrängt wurde, endete Entellas kleine, aber feine Münzprägung um 36 vor Christus. Ebenfalls in die antike Münzgeschichte blickt Sven Martzinek mit einem Beitrag darüber, welchen Niederschlag die von den Römern vorgenommene politische Neuordnung ihrer Länder im Osten der damals bekannten Welt um 37/36 vor Christus in der antiken Literatur und auf Münzen fand. Indem der Verfasser die Münzen der Ptolemäerkönigin Kleopatra VII. betrachtet, steckt er mit deren Hilfe die Grenzen des von der letzten Pharaonin beherrschten Reichs ab, über dessen Größe und Grenzen antike Autoren von Plutarch bis Porphyrios von Tyros unterschiedliche Angaben gemacht haben. Der Verfasser kommt zu dem Schluss, dass Münzen wichtig sind, um schriftliche Überlieferungen zu bekräftigen oder zu korrigieren.

Anlässlich des 1250. Todestages Karlmanns des Jüngeren, eines Bruders von Kaiser Karl dem Großen, gibt Patrick Breternitz eine Übersicht über dessen Lebensgeschichte und Münzprägung. Von Karlmanns kurzer Herrschaft von 768 bis 771 als König der Franken ist wenig bekannt, und seine Münzprägung war nicht umfangreich. Gerade deshalb sei lobend hervor gehoben, dass dieser Beitrag ein Detail frühmittelalterlichen Münzprägung ans Tageslicht bringt. Als numismatisches Forschungsgebiet gehe von den seltenen Münzen ein großer Reiz aus, schreibt der Verfasser, doch vieles liege weiterhin im Ungewissen. Dass außer in Köln auch im benachbarten Mülheim Münzen geprägt wurden, dürfte außerhalb der Region wenig bekannt sein. Andreas Henseler macht mit der Geschichte der vom 14. bis späten 17. Jahrhundert tätigen Geldschmiede bekannt und würdigt dabei insbesondere Johann Wilhelm II., Herzog von Jülich und Berg, besser bekannt als Jan Wellem, und zeigt einige von ihm und seinen Vorgängern geprägte Münzen. Der um 1600 tätige, auch in der Fachwelt kaum bekannte Kölner Münzmeister Renerus Budelius ist Jos Benders einen Beitrag wert. Der Münzexperte par excellence, wie Zeitgenossen ihn nannten, stand in Diensten der Kölner Erzbischöfe, trat aber auch als Buchautor in Erscheinung.

Napoleons Ruhm auf Medaillen

Der 200. Todestag Napoleons I. wurde am 5. Mai 2021 in Frankreich trotz Corona prunkvoll gefeiert. In Nachbarländern hielt man sich damit zurück, denn nach wie vor ist unvergessen, dass der Kaiser der Franzosen und König von Italien ungeachtet vieler Reformen auch großes Leid über die Völker gebracht hat, die unter seiner Fuchtel standen. In seinem Beitrag "Napoleons Ruhm auf Medaillen" stellt Rainer Pudill einige ihm zu Ehren geprägte Medaillen antiken Vorbildern gegenüber und zeigt damit, wie sehr es dem kaiserlichen Auftraggeber und den gestaltenden Künstlern wichtig war, eine direkte Linie vom Imperium romanum zu dem über seine Feinde triumphierenden Herrscher zu ziehen. Unter König Louis Philippe im Jahr 1840 feierten figurenreiche Medaillen den Einzug der aus Sankt Helena heimgeholten sterblichen Überreste des 1815 ins Exil geschickten Kaisers opulent in der Erwartung, dass dessen Glanz auch auf das Regime des "Bürgerkönigs" falle. Acht Jahre später war auch er im Orkus der Geschichte verschwunden.

Ferdinand Dahl beziffert im folgenden Beitrag "Kölner Medaillen. Ein Überblick" die Zahl der auf die Domstadt geschlagenen Belegstücke auf über 2300 und für Bonn auf etwa 550 und deutet damit an, dass sich für Spezialsammler ein weites Feld auftut. Armin Müller listet mit Blick auf die vor einhundert Jahren rasant galoppierende Inflation auf, was im untergegangenen Kaiserreich und der jungen Weimarer Republik in Umlauf war und wie Unternehmen rund um Köln durch Ausgabe eigener Scheine mit den Geldkalamitäten klar kamen. Zum Schluss spricht Semen Kertser das leidige Thema der Münzfälschungen an und zeigt, wie historische Silbermünzen anhand ihrer magnetischen Eigenschaften von modernen Fälschungen unterschieden werden können. Was sich bei Münzen aus anderen Metallen tut, will der Autor später beschreiben.

Zu den Medaillen des vor 200 Jahren verstorbenen Kaisers Napoleon siehe den Einträge vom 3. März 2021 und 25. März 2021 auf dieser Internetseite.

28. Dezember 2021

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