"Ein feste Burg ist unser Gott"
Dresdner Sammler Mario Weidner fand bei den sächsische Talern von 1630 auf die Augsburger Konfession erstaunlich viele Stempelvarianten





Die "silberreichen" Kurfürsten von Sachsen konnten sich solche opulent gestalteten Gedenktaler in großer Auflage leisten. In den Jahren 1617 und 1630 geprägt, bekennen sie - ins Deutsche übertragen - "Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit" und "Ein feste Burg ist unser Gott".



Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen feierte sich und seine Vorfahren 1617 und 1630 mit aufwändig gestalteten Talern als glaubensstarke Anhänger und Verteidiger der Lutherschen Lehre. Der Kupferstich zeigt ihn und seine Söhne, wie sie vom Lamm Gottes, Johannes dem Täufer und Martin Luther Zuspruch und Kraft erhalten.





Abschläge der Taler von 1630 und ihrer Teilstücke aus Gold - oben ein zehnfacher und darunter ein zweifacher Dukat - gehören zu den großen Seltenheiten der sächsischen Münzgeschichte. Im Handel erzielen sie stolze Preise.



Der dreifache Taler von 1650 feiert den zwei Jahre zuvor erreichten Westfälischen Frieden, mit dem der bis damals schlimmste aller Kriege nach 30 Jahre beendet wurde.



Martin Luther wurde 1617 auf einer Medaille gemeinsam mit dem Kurfürsten von Sachsen gefeiert. Der Schwan war Sinnbild des Wittenberger Reformators.



Die Hammerprägung mit Ober- und Unterstempel war eine mühevolle, auch recht gefährliche Arbeit. Leichter ging die Geldproduktion mithilfe der Spindelpressen vonstatten, dargestellt in einem Buch von 1780 über sächsische Münzkunde. (Fotos/Repros: Caspar)

Was wäre die Numismatik ohne die vielen Sammler und Laienforscher, die mit zähem Fleiß, großer Hartnäckigkeit und einigem Glück Münzen und Medaillen ihre Geheimnisse entlocken und oft zu verblüffenden Ergebnissen hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichte und Ausprägung kommen und damit unser Wissen über das Leben unserer Vorfahren, ihre Kultur und Wirtschaft bereichern? Einer dieser Sammler ist der Dresdner Mario Weidner, der im Eigenverlag sein erstes, hervorragend gelungenes Buch "Kursächsische Talerprägungen von 1630 zur Jahrhundertfeier der Augsburger Konfession. Eine Untersuchung zu den Stempelvarianten" vorgelegt hat (Dresden 2020, 240 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ISBN Paperback 978-3-750299-66-5, Euro, Bestellung: Mario Weidner, Papstdorfer Straße 55, D-01277 Dresden oder im Buchhandel).

Dargestellt sind auf den Talern, Halb-, Viertel- und Achteltalern sowie Abschlägen aus Gold im Wert von einem bis zwölf Dukaten der damals regierende Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen und sein Ahnherr Johann der Beständige, der jüngere Bruder und Nachfolger des 1525 verstorbenen Kurfürsten Friedrich des Weisen an. Die Herstellung der kleinen, auch für Minderbemittelte damals hergestellten Werte sicherte der Ausgabe weite Verbreitung. Solche Abstufungen waren nicht ungewöhnlich, man kennt sie bei den berühmten Schmetterlingstalern Augusts des Starken und anderen Nominalen. Schaut man in die Angebote des Münzhandels, kommen die kleinen Stücke weniger vor als die großen, repräsentativen Ausgaben. Beide Herrscher bekannten sich zu den Forderungen des Reformators Martin Luthers und öffneten frühzeitig ihr Land seinen Lehren. Johann der Beständige gehörte 1530 zu den Unterzeichnern der Augsburgischen Konfession, in der der Beweis angetreten wird, dass ihr Glaube im Einklang mit der Heiligen Schrift steht und gefordert wird, die zum Himmel schreienden Missstände in der katholischen Kirche zu überwinden.

Zwei Kurfürsten auf einer Münze

Dass ein amtierender und ein schon lange verstorbener Kurfürst auf ein und derselben Münze dargestellt wurden, war damals neu und bewies Traditions- und Geschichtsbewusstsein im wettinischen Herrscherhaus. Solche Rückgriffe gab es aber durchaus. So ließ sich Erzherzog Maximilian, seines Zeichens Hochmeister des Deutschen Ordens, im frühen 17. Jahrhundert in der Art der Guldengroschen (Taler) von 1486 ähnlich wie der dort dargestellte Erzherzog Sigmund von Tirol abbilden. Sachsens Kurfürst Johann Georg I. hatte sich bereits 1617 gemeinsam mit Friedrich dem Weisen, der ein Jahrhundert zuvor den Wittenberger Reformator Martin Luther unter seinen Schutz gestellt hatte, auf Gedenktalern darstellen lassen, von denen auch Teilstücke und Abschläge aus Gold vorkommen. Diese und die Ausgaben von 1630 sind begehrte Sammelstücke und kommen in den Angeboten des Münzhandels regelmäßig vor.

Damit hätte es Mario Weidner bewenden lassen, aber er bohrte, einmal in den Besitz von Ausgaben von 1630 gekommen, tief und fand in älterer und neuerer Münzliteratur sowie den Akten des Hauptstaatsarchivs Dresden interessante Angaben über die Arbeit in der Dresdner Münze und speziell die dort 1630 hergestellten Geldstücke. Die Untersuchungen sind richtungsweisend. Viele alte und neue Münzen und Medaillen sind in der Literatur in all ihren Varianten zwar beschrieben sind, aber es gibt hinsichtlich der Umstände, wo und wie sie entstanden sind und wer die Hersteller waren, noch manche Leerstellen. Sofern es die leider nur lückenhaft überlieferte Aktenlage hergibt, hat Weidner diese geschlossen.

Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) mal mit der einen und mal mit der anderen Partei paktierend, versuchte Johann Georg I. mit Erfolg, seinem Land Plünderungen und schreckliche Gräuel zu ersparen, und hatte nur mäßigen Erfolg. Vor allem die Schweden, die angetreten waren, den Protestantismus gegen die römisch-katholische Kirche zu verteidigen, hausten wie die Barbaren in Sachsen und anderen Territorien und raubten und mordeten, das man noch nach Jahrhunderten von den Gräueltaten erzählte. Dank des sprichwörtlichen Fleißes der Sachsen konnten nach Kriegsende 1648 die Schäden behoben werden, und dies geschah auch mit Hilfe von 150 000 Glaubensflüchtlingen aus Böhmen, die hier eine neue Heimat fanden.

"Ich fürchte Gott und ehre meinen Kaiser"

Die Münzen und auch Medaillen von 1630 zur Augsburgischen Konfession und überhaupt zu Glaubensfragen zeigen Johann Georg I. als einen Mann, der fest zu seinem lutherischen Bekenntnis steht. Das hinderte ihn nicht, zeitweise den römisch-deutschen Kaiser Ferdinand II. zu unterstützen gemäß seinem von Weidner mitgeteilten Grundsatz "Ich fürchte Gott, liebe Gerechtigkeit und ehre meinen Kaiser." Indem der sauffreudige und der Jagdleidenschaft ergebene Kurfürst entgegen der Tradition seine nachgeborene Söhne mit den Herzogtümern Merseburg, Weißenfels und Zeitz versorgte, schwächte er den Kurstaat. Allerdings fielen diese winzigen Sekundogenituren ein paar Jahrzehnte später wieder an die Hauptlinie zurück.

Sachsen hatte gegenüber vielen anderen deutschen Regionen den großen Vorteil, dass es im Erzgebirge mit reichen Lagerstätten gesegnet war, deren Ausbeute sich profitabel in klingende Münze verwandeln ließ. Das machte die Kurfürsten zu reichen und im Römisch-deutschen Reich hoch geachteten und einflussreichen Leuten. Sie konnten es sich erlauben, prächtige Burgen, Schlösser und Festungen zu erbauen, kostbare Juwelen-, Gemälde- und Skulpturensammlungen anzulegen und ein Heer von Höflingen und Mätressen zu unterhalten. Sie entfalteten in ihren Münzstätten eine umfangreiche Groschen- und ab 1500 eine großartige Talerprägung, über die bis heute intensiv geforscht und publiziert wird. Auf Gedenktalern und Medaillen feierten sie sich und wichtige Ereignisse in ihrem Leben und stellten sich damit als mächtige Potentaten dar.

So nimmt es auch nicht Wunder, dass Johann Georg I. 1617 und 1630 die Gelegenheit wahrnahm, sich und seine Vorfahren auf Silber- und Goldmünzen anlässlich der Hundertjahrfeier der Lutherschen Reformation beziehungsweise der Unterzeichnung der Augsburgischen Konfession als stark im Vertrauen auf Gott zu feiern. Zu beachten ist, dass die Serie von 1630 mitten im Dreißigjährigen Krieg gefertigt wurde, in einer Zeit, als Sachsen vielfältigen Gefahren ausgesetzt war und eigentlich andere Sorgen hatte, als mit Gedenkmünzen das eherne Festhalten seines Herrscherhauses an den von Luther und anderen Reformatoren formulierten Grundsätzen zu bekunden.

Münztechnik im Umbruch

In einem speziellen Kapitel schildert der Verfasser die Arbeiten dort vom Metallguss über die Herstellung der Rohlinge (Ronden, Schrötlinge) bis zur Hammerprägung am Amboss und der Gravur der Stempel, die in den Händen von Herbart von Lünen und Ruprecht Niklas Kitzkatz lag. Mario Weidner kann aufgrund seiner Untersuchungen ziemlich genau feststellen, wer welche Stempel geschnitten hat. Vor und während die Gedenktaler auf die Augsburgische Konfession geprägt wurden, befand sich die Münztechnik in Sachsen, und nicht nur dort, in einer Umbruchphase. Neue Prägemaschinen, auch Druckwerke oder Balanciers genannt, ersetzten die langsame und nicht ganz ungefährliche Hammerprägung. Da dabei die Stempel geschont wurden, waren auch die Arbeitsplätze der Graveure in Gefahr. Das nahmen die Münzarbeiter nicht widerstandslos hin, und so zitiert Weidner Klagen darüber, dass diese Geräte die Arbeiter "in eißerste armuth und verderb" stürzen werden. Bis ins 19. Jahrhundert mussten sich Regierungen und Münzbeamte gegen solche Vorbehalte zur Wehr setzen, doch ließ sich der Siegeszug neuer Maschinen nicht aufhalten.

Ob die Gedenktaler von 1630 noch in Handarbeit am Amboss hergestellt wurden oder schon auf einem Druckwerk, das zunächst abgeschafft, um 1623 aber wieder in Dresden zugelassen war, könnten technische Untersuchungen ergeben. Unbestritten ist, dass die in den Amboss eingelassenen Unterstempel weniger als die Oberstempel verschlissen, weil sich deren Köpfe durch die Hammerschläge schnell abnutzten. "Mit den gefundenen 10 Unterstempeln kommt man bei ca. 50 000 Talern auf durchschnittlich ca. 5000 Prägungen pro Unterstempel. Für die ermittelten 36 Oberstempel wären bei 50 000 Talern durchschnittlich ca. 1400 Prägungen pro Oberstempel erfolgt. Das Verhältnis von 1:3,5 von Unter- zu Oberstempel liegt im Rahmen der Nennungen in der Literatur", stellt Weidner fest.

Stempel mussten immerzu erneuert werden

Der mehr oder weniger schnelle Verschleiß der Stempel hatte zur Folge, dass die Stempel immerzu neu geschnitten werden mussten. Man darf davon ausgehen, dass sich die Graveure große Mühe gaben, die Vorlagen minutiös zur reproduzieren. Dennoch gibt es da und dort minimale Abweichungen bei den Buchstaben, den Porträts, der Haltung der Kurschwerter, der Darstellung des sächsischen Wappens und anderen Details. Johann Georg I. wird auf den Vorderseitenstempeln mit einem schmalen und einem breiten Brustbild dargestellt, mal hält er das Schwert mit einer Hand fest, mal mit beiden. Die Auflistung dieser und weiterer Varianten auch auf der Rückseite mit Johann dem Beständigen nimmt den größten Raum in dem Buch ein, und diese mit Fotos belegte Recherche macht seine besondere Stärke aus. Der von Weidner erstellte Variantenkatalog erlaubt es Forschern, Sammlern und Händlern, die Gedenkmünzen von 1630 auch hinsichtlich ihrer Häufigkeit zu bestimmen. Das Buch enthält Hinweise darauf, welche in großen Galerien befindlichen Bilder den Stempelschneidern als Vorlage gedient haben.

Überdies zeigt Weidner, wie die Münzen von der Nachwelt wahrgenommen wurden. Dass es von den Talern mehrere Varianten gibt, haben erstmals die Autoren Christian Juncker in einem Buch über Münzen und Medaillen der Reformation von 1706 und David Samuel von Madai in einem Talerbuch von 1765 bemerkt, und nach ihnen wurden weitere Versionen gefunden und beschrieben. Mit Mario Weidners Untersuchung liegt nun ein verlässliches Referenzwerk vor, das vielleicht ihn und weitere Autoren anregt, bei anderen prominenten Geprägen ähnliche Untersuchungen vorzunehmen und damit weiteres Licht in die noch längst nicht ausgeleuchteten Tiefen der Numismatik zu bringen. Da Berufsnumismatiker nicht alles können und schaffen, springen Laienforscher in die Bresche und haben, wie Mario Weidner es zeigt, Erfolg.

10. Juli 2021

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