Dunkler Punkt auf heller Fläche
Was bei Medaillen aus Zinn die Marke "Mit Kupferstift" bedeutet / Blick auf Hungermedaillen







Die Zinnmedaillen mit Kupferstift feiern den Sieg des auf einem Streitwagen daher kommenden und von einer Viktoria bekränzten Königs Friedrich II. von Preußen in der Schlacht von Torgau 1760 und den 1770 zwischen ihm und Kaiser Joseph II. nach dem Bayerischen Erbfolgekrieg geschlossenen Frieden von Teschen.



Die Zinnmedaille mit Kupferstift nimmt das angeblich wunderbare Jahr 1772 aufs Korn, das Hunger und Not und Krankheit und Tod, aber auch eine gute Ernte brachte.





Die wenig kunstvoll gestalteten Zinnmedaillen von 1772 und 1773 erinnern an Huger und Not und an eine Mäuseplage in Sachsen, der 1773 große Teile der Ernte zum Opfer fielen. Henkel und Loch deuten an, dass man die Gussmedaillen am Band um den Hals tragen konnte.



Auf der Nürnberger Medaille mit Kupferstift wird der verheerenden Folgen eines Hochwassers im Februar 1784 gedacht. (Fotos: Caspar)

In Auktionskatalogen ist bei Medaillenangeboten manchmal der Hinweis "Mit Kupferstift" zu lesen. Dahinter verbirgt sich der Brauch, Zinnmedaillen meist aus der Barockzeit als solche auszuweisen, denn ungeübte Leute sollten sie nicht mit Silber verwechseln. Zwar hat man unzählige Medaillen aus diesem Edelmetall hergestellt, doch gab es auch billigere Ausgaben aus Zinn, die ihnen fast gleichen, zumindest was die hellglänzende Metallfarbe betrifft. Um sie von silbernen Prägungen unterscheiden zu können und gleichzeitig festzustellen, dass es sich um Originale handelt, hat man die Medaillen mit einem Kupferstift versehen. Diese winzige Marke in der Nähe des Randes ist an einem dunklen Punkt auf der hellen Oberfläche gut zu erkennen und stellt alles andere als einen Makel, sondern eine Art Qualitätssiegel dar.

Vor dem Prägen hat man in die Ronden, auch Schrötlinge genannt, kleine Löcher gebohrt und dünnen Kupferdraht hinein gesteckt. Beim Prägen wurden sie fester Bestandteil der Medaille und ließen sich ohne Beschädigung nicht mehr entfernen. Im Verlauf des19. Jahrhunderts ist man davon abgegangen, Zinnmedaillen durch eine solche Markierung als Original- oder Erstprägung zu kennzeichnen und zugleich zu signalisieren, dass sie nicht aus Silber bestehen. Das Verfahren war wohl zu umständlich und zu teuer.

Zeitereignisse haltbar dokumentiert

Es gibt viele Beispiele für die Verwendung des kupfernen Punktes auf Medaillen, die anlässlich von so genannten Haupt- und Staatsaktionen wie Krönungen und fürstliche Todesfälle geprägt wurden. Es gibt auch Ausgaben, die an Hungersnöte und Teuerungen erinnern sowie solche, die zum Thema Krieg und Frieden hergestellt wurden. Da die Stücke aus billigem Material bestehen, konnte der sprichwörtliche "kleine Mann auf der Straße" sie sich als Andenken an schlimme Zeiten leisten. Damit war der Wunsch der Hersteller erfüllt, auf haltbare und ansehnliche Weise mit geprägtem Metall über Zeitereignisse zu informieren und die Menschen auf einen gottgefälligen Weg zu führen. Denn das war das Ziel der für die "breite Masse" bestimmten Medaillen, die zudem den Herstellern ein kleines Einkommen sicherten.

Die so genannten Hungermedaillen, ob sie denn mit einem Kupferstift versehen wurden oder nicht, sind interessante Zeitzeugnisse für die schrecklichen Folgen von Missernten, Heuschrecken-, Mäuse- und Rattenplagen, Klimaveränderungen, Überschwemmungen und anderen Katastrophen. Als man sie herstellte, war die Landwirtschaft noch ziemlich urtümlich organisiert und alles andere als effektiv. Man hatte keine Erntemaschinen, und die Gutsherren zwangen ihre Leibeigenen zur Arbeit ohne Pause und bei schlechtem Lohn. Kleine Bauern produzierten vor allem für den Eigenbedarf. Was sie darüber hinaus auf den Märkten verkaufen konnten, legte lange Wege in die Städte zurück. Dabei verdarben viele Produkte, denn man hatte noch nicht die Kühl- und Konservierungsmöglichkeiten, über die wir heute verfügen.

Allegorien und fromme Sprüche

Mit allegorischen Darstellungen und frommen Sprüchen, aber auch Angaben über aktuelle Brot-, Getreide, Fleisch- und Getränkepreise versehen, bestehen die Hungermedaillen meist aus Zinn oder Messing und nur selten kunstvoll gestaltet. Hungersnöte waren oft mit monatelanger Verdunklung des Himmels infolge von Flächenbränden, Vulkanausbrüchen und anderen Ursachen verbunden. Die daraus resultierende Kälte tat den Menschen und der Landwirtschaft nicht gut, auf der anderen Seite litten sie unter Hitze und Dürre, wie wir sie heute leider auch heute kennen. Getreide-, Brot- und Fleischpreise überstiegen nach on Missernten klar das Einkommen eines großen Teile der Bevölkerung. Wenn sie nicht selber eine Landwirtschaft oder einen Garten besaßen, kamen die Menschen am unteren Rand der Gesellschaftspyramide nur schwer oder überhaupt nicht über die Runden, zumal wenn viele Kinder zu versorgen waren. Deshalb kam es immer wieder zu Hungerrevolten, die blutig niedergeschlagen wurden.

1816, das Jahr ohne Sommer

Agrar- und Klimaforscher bringen Hungersnöte wie die auch durch Medaillen dokumentierten Ernährungskatastrophen der Jahre 1816 und 1817 mit dem spektakulären Ausbruch des Vulkans Tambora auf der zu Indonesien gehörenden Insel Sumbawa in Verbindung. Das durch die Eruption ausgeworfene Material verteilte sich über die ganze Welt und bewirkte globale Klimaveränderungen, die dem Jahr 1816 die Bezeichnung "Jahr ohne Sommer" eintrugen. Auf der nördlichen Hemisphäre kam es durch Missernten und eine erhöhte Sterblichkeit unter Nutztieren zur schlimmsten Hungersnot des in dieser Hinsicht schwer getroffenen 19. Jahrhunderts. Die Verfinsterung der Sonne hatte einen Temperaturabfall bis sechs Grad zur Folge. Als in jenem Jahr Hungermedaillen mit Aufschriften wie "Verzaget nicht Gott lebet noch" und "O gib mir Brot, mich hungerts" aus Zinn und Messing geprägt wurden, hatte man keine Ahnung, dass jener Vulkanausbruch am anderen Ende der Welt die Ursache für Missernten und Hungersnöte war.

2. August 2021

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