Damit der Rubel rollt...
Datierung altrussischer Münzen mit kyrillischen Jahreszahlen braucht einige Übung



Die mit kyrillischen Zahlenzeichen datierte Kopeke und die Griwna wurden 1704 und 1709 in Moskau geprägt.



Der auf dem Fünfhundertrubelschein von 1912 abgebildete Zar Peter der Große befahl seinen männlichen Untertanen, sich nach westeuropäischen die Bärte abschneiden zu lassen, und forderte für sie eine Steuer. Das aber führte zu großem, letztlich aber erfolglosem Unmut.



Bei dem halben Rubel (links) ergeben die Buchstaben die Jahreszahl 1701, die Buchstaben auf dem Runel daneben sind mit 1719 zu lesen.



Russische Münzen und Medaillen waren für die Leser von Münzzeitschriften der Berockzeit interessant, weshalb man sie ab und zu in Bild und Schrift erläutert hat, hier ein Rubel mit kyrillischer Jahreszahl von 1701 und eine Medaille von 1731 mit Darstellung einer Spindelpresse auf die Verbesserung des russischen Münzwesens unter der Zarin Anna Iwanowna, die als Nachfolgerin Peters des Großen und seines Enkels Peter II. von 1730 bis 1740 regierte.



Die Bartkopeke wurde laut Zahlenbuchstaben im Jahr 1705 hergestellt. Sie war der Beweis, dass ein Mann seine Bartsteuer bezahlt hat.



Der goldene Doppelrubel mit dem Bildnis Peters des Großen und dem Heiligen Andreas ist mit 1720 datiert, der Rubel stammt aus dem Jahr 1722. Der Zar ließ sich auf seinen Münzen und Medaillen wie westeuropäische Potentaten mit Lorbeerkranz im Haar und antikem Harnisch darstellen. Allerdings verzichtete er auf eine wallende Allongeperücke oder einen Zopf, wie ihn sein Verbündeter, Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., trug. (Fotos/Repros: Caspar)

Seit dem frühen 18. Jahrhundert haben die russischen Zaren eine umfangreiche Münzprägung mit zahllosen Ausgaben aus Kupfer, Silber, Gold und in der Mitte des 19. Jahrhundert für einige Zeit auch aus Platin entfaltet. Peter der Große war nicht nur Gründer von Sankt Petersburg, sondern ging auch in seiner recht gewaltsamen und rücksichtslosen Art als Um- und Neugestalter seines Landes sowie als Reformer des mittelalterlich anmutenden russischen Münzwesens in die Geschichte ein. Sein Befehl, dass sich russische Männer den Bart abschneiden lassen und westeuropäische Kleider tragen sollen, wurde zähneknirschend befolgt. Denn Widerstand gegen den Selbstherrscher aller Reußen wurde mit Verbannung nach Sibirien oder mit der Todesstrafe geahndet.

Für den innovativen Herrscher, der dem Geldwesen seines Landes das damals ungewöhnliche Dezimalsystem verordnete , war klar, dass geordnete, stabile Währungsverhältnisse eine wichtige Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft und lukrativen Handel mit Westeuropa sind, die er bei seinen Reisen kennen gelernt hatte. Dabei hatte sich der neugierige Zar auch in ausländischen Münzstätten umgesehen, und so ließ er 1724 in Sankt Petersburg eine solche Prägeanstalt einrichten, die bis heute produziert. Außer dieser Anstalt waren auch andere Geldfabriken für das Riesenreich und seine Bewohner tätig. Münzen mit den betreffenden Signaturen zusammenzutragen, ist eine interessante Aufgabe. Dabei helfen Kataloge, in denen das umfangreiche Material sehr gut aufgelistet und wissenschaftlich erforscht. ist. Alle Werte in seinen Besitz zu bekommen, stellt sich in vieler Hinsicht als ebenso reizvoll wie schwierig und vor allem teuer heraus. Zahllose russische Raritäten erlebten in den vergangenen Jahren auf Auktionen einen astronomischen Preisanstieg.

Neue Münze im Wert eines Rubels

Geprägt wurden unter Peter dem Großen und seinen Nachfolgern der mit deutschen und anderen Talern vergleichbare Rubel und dessen Halbstück, das man Poltina nannte. Ferner hat man den Viertelrubel sowie Zehn-, Fünf- und Drei-Kopeken-Stücke und noch kleinere Werte hergestellt. Ihnen gesellten sich goldene Handelsmünzen im Wert von einem und zwei Dukaten hinzu, ergänzt durch doppelte Rubelstücke aus Gold und weitere Werte aus diesem Metall. Interesse verdient die Kombination von lateinisch-russische Inschriften, die Neue Münze im Wert eines Rubel beziehungsweise Rubelmünze bedeuten.

Peters Wunsch war es, die Silber- und Goldmünzen dem in Westeuropa üblichen Standard anzugleichen, deshalb führte er auch deren Rändelung zum Schutz vor Fälschung und Gewichtsverminderung ein. Die Maßnahmen waren wichtig, um Handel und Wandel zu fördern und den russischen Münzen zu internationalem Ansehen zu verhelfen. Nach antikem Vorbild ließ sich der Zar mit einem Lorbeerkranz auf dem Kopf darstellen, während seine Münzen auf den Rückseiten den Doppeladler, den Heilige Andreas oder ein Monogramm zeigen. Das schräg gestellte Andreaskreuz ist ein Hinweis auf den Märtyrertod, den der in Russland als Landesheiliger verehrte Apostel erleiden musste. Nach ihm ist der Andreasorden benannt, den Peter I. 1698 als höchste Auszeichnung Russlands gestiftet hat.

Fragen wirft die in kyrillischen Buchstaben ausgedrückte Datierung von Münzen Peters des Großen und davor auf. Wir kennen diese Zählung durch "römische" Buchstaben von I über V, X, C und D bis M, die auf zahlreichen Inschriften sowie geprägtem Metall zu finden sind. Zunächst hielt Zar Peter I. die bei seinen Untertanen bekannte "kyrillische Zählung" bei. Diese gab es bei Goldmünzen bis 1707, ist aber auch auf Silber- und Kupferstücken noch länger zu finden. Es gibt außerdem Münzen mit gemischten Jahresangaben, also mit kyrillischen Zahlenbuchstaben und arabischen Ziffern. Im Internet kann man umfangreiche Hinweise für die kyrillischen Zahlenzeichen lesen, die sich vor 300 Jahren offenbar als unpraktisch für den Zahlungsverkehr mit Westeuropa erwiesen, weshalb sie noch zur Regierungszeit Peters des Großen abgeschafft wurden.

Neue Zeitrechnung ab 1700

Im Jahr 1700 führte Peter I. in seinem Riesenreich eine neue Zeitrechnung ein. Davor rechnete man "seit der Erschaffung der Welt", weshalb man auf älteren "Drahtkopeken" noch solche Angaben liest. Wie Iwan Georgewitsch Spasski, der Altmeister der Münzkunde seines Landes, in dem Buch "Das russische Münzsystem. Ein historisch-numismatischer Abriss" (transpress VEB Verlag für Verkehrswesen Berlin 1983) weiter schreibt, hat man die Bevölkerung des Landes mit Hilfe neuer Münzaufschriften an die neue Zeitrechnung und danach an die neuen Ziffern zu gewöhnen versucht. Sammlern älterer russischer Münzen sind die Zählungen geläufig. Sie lassen sich gut erlernen, aber man kann auch in Münzkabinetten oder im Münzhandel nachfragen, wenn man sich bei der Bestimmung nicht ganz sicher ist.

Durch einen Erlass für die Gründung einer Münzstätte in Sankt Petersburg erhielt Moskau 1724 Konkurrenz, was dort zum allmählichen Rückgang der Geldherstellung führte. Die Petersburger Fabrik wurde in der Trubezkij-Bastion der stark gesicherten Peter-und-Paul-Festung für die Verarbeitung von Silber sowie ab 1755 von Kupfer installiert. Peter I. war schon längst tot, als sich zeigte, dass der Münzbetrieb in Sankt Petersburg teurer und umständlicher als in Moskau ist, weshalb er zwischen 1728 und 1738 ruhte. Nachdem aber Zarin Anna die erst 1703 mit riesigem Aufwand von Peter I. quasi aus dem Boden gestampfte Stadt Sankt Petersburg offiziell zur Hauptstadt des Reiches erhoben hatte und Moskau nur noch die traditionelle Bedeutung als Krönungsstadt ließ, hat man die Petersburger Münze reaktiviert und die Hälfte des Moskauer Münzpersonals nach Sankt Petersburg beordert. Die dort produzierten Münzen tragen die Signatur SPB. Dazu kam um 1805, als der Münzhof in der Peter-und-Paul-Festung umgebaut wurde, das Zeichen BM für die Bankowsker Münze, die als Außenstelle fungierte. Die einzelnen Münzbuchstaben und weitere interessante Informationen über die russische Münzgeschichte finden sich in dem Buch von Iwan Georgewitsch Spasski "Das russische Münzsystem", das 1983 im transpress Verlag Berlin erschien, aber auch in anderen Publikationen.

Erst Handarbeit, dann Einsatz von Maschinen

Die 1724 von Peter dem Großen gegründete Prägeanstalt in der Hauptstadt Sankt Petersburg schaffte den riesigen Bedarf an Hartgeld nicht, weshalb die Regierung nach und nach in elf russischen Städten weitere Fabriken dieser Art einrichtete. In Sowjetzeiten zeichnete die Münze in Leningrad, dem ehemaligen Sankt Petersburg beziehungsweise seit Beginn des Ersten Weltkriegs Petrograd, mit ?M?, das heißt Leningrader Münzhof. Nach der politischen Wende in der Russischen Föderation und der Rückbenennung der Stadt in Sankt Petersburg werden die Münzbuchstaben SPB benutzt, also Sankt Petersburger Münzhof. Die technische Ausstattung der russischen Münzstätten war bis ins 18. Jahrhundert einfach und ähnelte der anderer Prägeanstalten in Europa. Berichtet wird von Mühlen, die mit Wasserkraft oder durch Göpelwerke unter Verwendung von Pferdekräften bewegt wurden und der Herstellung der Bleche dienten, aus denen man die Ronden für die Münzen schnitt oder schlug.

Anfangs war die Münzprägung Handarbeit, bei der man am Amboss mit dem Hammer auf den Stempel schlug. Natürlich ging man auch in Russland mit der Zeit, und so wurden im frühen 18. Jahrhundert Spindelpressen angeschafft, welche die exakte Herstellung großer und schwerer Sorten sowie von Medaillen mit hohem Relief gestatteten. Außerdem wurden die Münzränder durch besondere Rändelapparate vor dem Befeilen geschützt. Verschiedene Medaillen bilden diese Pressen ab und unterstreichen das Interesse der jeweiligen Herrscher am Florieren des Münz- und Geldwesens.

Russische Münzen bilden ein interessantes Sammelgebiet mit zahlreichen Raritäten, die sehr teuer sind. Wenn russische Münzen und Medaillen angeboten werden, ist zu entscheiden, ob es sich um Originale oder eine spätere Anfertigung für gut betuchte Sammler oder ein ganz neues Produkt handelt. Aufgrund guter Beziehungen zum Zarenhof und zur Münzverwaltung versorgten sich schon im 18. Jahrhundert wohlhabende Sammler in Ermangelung der Originale mit nachgeprägten Münzen, für deren Herstellung alte beziehungsweise neu geschnittene Stempel verwendet wurden. So ist Vorsicht beim Erwerb russischer Münzen und Medaillen, und zwar nicht nur von ausgesprochenen Raritäten, angebracht. Der Münzhandel weist Originale und Nachprägungen, die so genannten Nowodely, aus. Da auch sie selten sind, erzielen ebenfalls stattliche Preise.

1. Juni 2021

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