Justizmord an Münzmeister Lippold
Ein Blick in ein dunkles Kapitel der kurbrandenburgischen Geldgeschichte des 16. Jahrhunderts



Joachim II. von Brandenburg steht vor der Nikolaikirche in Spandau, das seit 1920 zu Berlin gehört. Das Denkmal ehrt den Kurfürsten, der sich 1539 der Lutherschen Reformation anschloss.



Kurfürst Johann Georg ist mit seiner aus Anhalt-Zerbst stammenden Frau Elisabeth auf einem goldenen Gnadenpfennig von 1597 im Besitz des Berliner Münzkabinetts abgebildet.



Das Silberstück von 1570 wurde unter der Leitung von Münzmeister Lippold geprägt, der den fünfzackigen Stern als sein Zeichen verwendete.



Lippolds Hinrichtung im Jahr 1573 war ein von Militär schwer bewachtes Spektakel, über Flugblätter ausführlich berichteten.



Johann Georg erpresste mit Folter und Drohungen von Lippold Geständnisse, die dieser aber widerrief. Dessen ungeachtet nahm der Kurfürst an dem angeblichen Giftmischer und Falschmünzer unbarmherzig Rache. Der Portugalöser mit dem kurfürstlichen Bildnis gehört zu den Spitzenstücken der an Raritäten wahrlich nicht armen brandenburgischen Münzgeschichte.



Wenig komfortabel und wohl auch nicht immer ehrlich ging es in rauchigen Münzschmieden zu. Der Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert zeigt die Arbeit am Amboss.



Der Zweidritteltaler von 1680 mit dem Bildnis und Wappen des Großen Kurfürsten wurde in Berlin nach den Bestimmungen des Zinnaer Münzfußes auf einer Spindelpresse geprägt.



Die französische und sächsische Silbermedaille von 1723 und 1719 feiern die Vorteile der Arbeit mit der Spindelpresse. Sie ersetzte die manuelle Fertigung mit Hammer und Handstempel am Amboss. (Fotos/Repros: Caspar)

Münzverbrechen wurden in alter Zeit auf grausame Weise geahndet. Als Angriff auf ureigene Rechte der Fürsten und Städte rangierten sie gleich nach Mord und Gotteslästerung, und wer bei einem Vergehen gegen Schrot und Korn erwischt wurde oder das Münzregal missachtete, indem er ohne fürstliche Genehmigung Geld prägte oder Falschgeld verbreitete, um dessen Leben und Unversehrtheit war es geschehen. Bilder aus dem 16. Jahrhundert zeigen, welche Folterwerkzeuge angewandt wurden, um Geständnisse zu erpressen und wie man die Verurteilten vom Leben zum Tod beförderte. Auf grausame Weise wurde 1571 in Berlin der der Geldfälschung und anderer Verbrechen beschuldigte Münzmeister Lippold hingerichtet. Der Fall ging als Justizmord und Münzkrimi unrühmlich in die Geschichte ein.

Als der brandenburgische Kurfürst Joachim II. Hektor am 3. Januar 1571 überraschend in Köpenick starb, brachen für die Juden in Berlin und der Mark Brandenburg harte Zeiten an. Der Nachfolger Johann Georg erbte einen riesigen Schuldenberg, denn sein Vater hatte ein luxuriöses Leben geführt und die Einkünfte verprasst, die er aus Steuern und den Einkünften aus der Aufhebung der Klöster und geistlichen Stifter nach der Reformation von 1539 gewonnen hatte. Johann Georg ließ seine ganze Wut an einem Günstling von Joachim II., dem jüdischen Hoffaktor und Münzmeister Lippold ben Chluchim, aus und verwies seine jüdischen Untertanen des Landes. Der Tod des bisherigen Kurfürsten wurde Lippold angelastet, verursacht angeblich durch Giftmischerei.

Das Gerücht reichte aus, um die Volkswut auf die jüdischen Mitbürger zu lenken. Dergleichen hatte in Berlin traurige Tradition, denn schon 1510 gab es nach einer angeblichen Hostienschändung durch brandenburgische Juden eine solche Gewaltaktion. Als 1571 der Zorn auf die in Berlin lebenden Juden gelenkt wurde, wurden die Tore der Doppelstadt Berlin und Cölln geschlossen, außerdem haben aufgebrachte Leute die Synagoge und Wohnhäuser der Juden geplündert. "Der Pöbel [...] fiel die Judenschule auf der Klosterstraße an, erbrach, plünderte und zerstörte dieselbe, und trieb gegen das ganze jüdische Volk solchen Muthwillen, dass sich niemand aus demselben auf der Straße sehen lassen durfte", erzählt ein Chronist.

Neid, Eifersucht und Missgunst

Um 1550 aus Prag nach Berlin gekommen, hatte Lippold schnell das Vertrauen Joachims II. erworben, avancierte zu seinem Schatzmeister und Financier. Er trieb Steuern bei den in der Haupt- und Residenzstadt Berlin-Cölln und der Mark Brandenburg lebenden Juden ein und entfaltete zwischen 1556 und 1570 eine umfangreiche Münzproduktion. Sein Erfolg als Vertrauter des Kurfürsten brachte ihm Neid, Eifersucht und Missgunst ein. Dabei spielte eine Rolle, dass er im Auftrag seines Herrn bei reichen Juden Edelmetall beschaffte, um die leere Staatskasse zu füllen. Es lässt sich denken, dass ihm diese von seinem Landesherrn befohlenen Aktivitäten keine Freunde einbrachten. Johann Georg leitete eine hochnotpeinliche Untersuchung gegen Lippold ein. Er warf ihm vor, aus vorhandenem Silber durch Mischung mit Kupfer mehr Münzen herausgeschlagen zu haben als es erlaubt war, außerdem habe er "grossen Vortheil beim Wechseln und Silberkauf gehabt". Allerdings ließen sich Korruption und Münzbetrug nicht nachweisen. Da die Untersuchungen gegen Lippold nicht den gewünschten Erfolg hatten, griff Johann Georg zu drastischeren Vorwürfen. Er sei ein Zauberer und habe den bisherigen Landesherren vergiftet, warf er dem Angeklagten vor. Dabei war klar, dass das die größte Dummheit gewesen wäre, denn Lippold hatte es bei Joachim II. gut, und wer tötet schon die "Kuh", die er melken möchte?

Obwohl sich die Beschuldigungen als falsch erwiesen, wurde Lippold zum Tode verurteilt und am 28. Januar 1573 auf dem Neuen Markt in Berlin, nicht weit von der Marienkirche entfernt, grausam hingerichtet. Da der frühere Münzmeister sein durch Folter erpresstes Geständnis widerrief, wurde seine Marter auf dem Weg zum Richtplatz mit glühenden Zangen noch verlängert. Lippold wurde aufs Rad geflochten, und nachdem er dort qualvoll geendet war, hat man seinen Körper zerhackt und öffentlich zur Schau gestellt. Die Eingeweide wurden nebst einem "Zauberbuch" verbrannt und der Kopf des angeblichen Hexenmeisters zur allgemeinen Abschreckung auf einen Pfahl gesteckt. Das Spektakel wurde von zahllosen Schaulustigen beobachtet, denn öffentliche Hinrichtungen waren, wie wir aus Chroniken wissen, eine blutrünstige Volksbelustigung. Erst ab dem Laufe des 19. Jahrhunderts walteten die Henker in Gefängnishöfen oder in geschlossenen Räumen ihres Amtes.

Erzbösewicht, Giftkoch und Zauberer

Ein zeitgenössischer Druck aus der Werkstatt von Leonhard Thurneisser schildert in Bild und Schrift die "Execution welche an ihme seiner wohlverdienten grausamen unnd unmenschlichen thaten halber so er dem unschuldigen Christlichen Blut begangen". Lippold wird alles angehängt, was man sich an Verbrechen ausdenken mochte. Der Druck nennt ihn einen Erzbösewicht, Teufelsbeschwörer, Giftkoch, Unhold, Zauberer, Schänder christlicher Frauen, Schwarzkünstler, einen Treulosen und Verräter. In der gereimten Beschreibung wird mitgeteilt, wie der ehemalige Münzmeister endete. "Nach Gott und Keyserlichem Recht / man jn an pein vnd marter schlecht (schlägt) / Da bkent er erst den rechten grund / Drumb man jn auff ein wagen bund. / Mit heissen zangen man jn greifft / Darnach man jn auf dBrucken schleifft / Zerschlegt jn dglider mit dem Rath (Rad) / Nachdem man jn gevierteilt hat / Sein ingeweid man mit fewr verbrent / auf dstraß ist ghenkt / arm / füß / und hend / Sein kopff steckt auf S. Georgen port / Also wird gerochen (gerächt) Diebstal / mord / Ehebruch / Schwartzkunst / verräterey." Lippolds Familie und alle anderen Juden verfielen der erst wieder von den Nationalsozialisten neu belebten Sippenhaft und mussten "auf ewige Zeiten" die Mark Brandenburg verlassen. H Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg den Juden die Rückkehr und versprach ihnen Schutz und Fürsorge. Er warnte seine "guten Brandenburger", sie zu verspotten und zu diskriminieren.

Unter Johann Georg begann zunächst eine Zeit des Sparens und Fastens. Der neue Herr entließ zahlreiche Höflinge. Wie der Landesherr mussten sich auch die Berliner in Zurückhaltung üben. Bessere Stände hatten auf kostbare Stoffe und üppige Tafelfreuden zu verzichten, ebenso wurde der Aufwand bei Hochzeiten und Begräbnissen eingeschränkt. Für Übertretungen hagelte es hohe Geldstrafen zugunsten der Staatskasse. Als sich die Früchte der von Johann Georg angeordneten Sparsamkeit zeigten und sein Schatz gefüllt war, waren am Hof wieder glanzvolle Feste erlaubt, zu denen auch befreundete Fürsten eingeladen wurden. Berlin errang den Ruf einer in Saus und Braus schwelgenden Residenz. Entsprechend kam auch die Geldproduktion in Gang. Johann Georg war seinem neuen Günstling, dem Arzt, Apotheker, Drucker und Alchemisten Leonhard Thurneisser zu großem Dank verpflichtet, weil er seine Gemahlin geheilt hatte. Da der Hohenzoller, wie andere Fürsten seiner Zeit und später bis zu Friedrich II., dem Großen, starkes Interesse an der Goldmacherei und chemischen Experimenten, fand Thurneisser, der ein weitgereister Mann war und mit vielen Gelehrten korrespondierte, in seinem Herrn einen eifrigen Förderer.

Verqualmte Münzschmieden

Unter Johann Georg wurde die Münze nur noch in Berlin betrieben. Bilder sind von ihr nicht erhalten, doch wir sind durch Grafiken, Gemälde und Skulpturen gut informiert, wie es in solchen verqualmte Schmieden ausgesehen hat. In den Werkstätten war alles Handarbeit. "Krönung" der Arbeitsabläufe war die Arbeit am Amboss, wo die Ronden, auch Schrötlinge genannt, ihr Prägebild durch kräftigen Hammerschlag zwischen dem Unter- und Oberstempel erhielten. Da die Erzeugnisse der Berliner Münze außerhalb Kurbrandenburgs wenige Freunde fanden, wohl weil sie nicht den Vorschriften entsprachen, hat man die Herstellung von Pfennigen bereits im Jahr 1572 eingestellt. Damit kam Johann Georg der Forderung des Kaisers nach, der sich gegen "übermässig betrüglich pfennig und heller münzen" verwahrt und verlangt hatte, "dass das pfennig und heller müntzen durchaus hiemit verbotten und eingestellt sein soll".

Da sich bald Mangel an Kleingeld unangenehm bemerkbar machte, ersuchten 1594 die Städte Berlin, Brandenburg, Frankfurt und Stendal Johann Georg, ihnen die Prägung von Pfennigen mit kurfürstlichem Zepter und Stadtwappen zu gestatten, "damitt sie zuerkennen und so viel mehr unterschleiff und privatt vortheil zuvormeiden". Ob und wieviel von diesen Münzen wirklich geprägt wurde, ist unklar. Überliefert sind prächtige Taler mit dem Bildnis des Kurfürsten sowie seinem mit Helmen geschmückten Wappen. Seltene Goldmünzen unterstreichen die Gottesfürchtigkeit des Monarchen mit dem Spruch LOBE DEN HERRN MEINE SEELE VND VERGISS NICHT WAS ER DIR GVTS GETHAN HAT. Diese sogenannten Portugaleser zu zwei, fünf und zehn Dukaten, letztere im Gewicht von rund 35 Gramm, zählen zu den herausragenden Raritäten der brandenburgischen Münzgeschichte und kommen nur ganz selten im Münzhandel vor.

Privilegien und freies Geleit

Wie heute so ließen sich auch früher Betrüger durch Gesetze nicht abschrecken. Die lange Zeit recht urtümliche, mit vielen Unzulänglichkeiten versehene Münzfertigung, aber auch mangelhafte Kontrollen und Vertrauensseligkeit leisteten Manipulationen Vorschub. So kann man aus Urkunden des 16. Jahrhunderts schließen, dass es auch in der Berliner Münze manche Unregelmäßigkeit gegeben hat, weshalb sie voll von Strafandrohungen und Beschuldigungen sind. Schutz gegen Münzbetrug gab es kaum, oft wurde ein solcher erst nach Jahren aufgedeckt und das auch weit weg vom Herkunftsort der inkriminierten Geldstücke. Wer was geprägt hat, hat das durch spezielle Zeichen ausgedrückt. So kann man von einem kleinen Mühlrad auf Silberpfennigen um 1540 darauf schließen, dass der kurfürstliche Münzmeister Paul Mühlrad auch für die Münze der Stadt Berlin gearbeitet hat. Die Kombination von Berliner Bär und brandenburgischem Adler lässt vermuten, dass der Münzmeister angesichts fehlender Aufträge in der landesherrlichen Münze gelegentlich auch für die Stadt gearbeitet hat. In der kurfürstlichen Bestallungsurkunde von 1538 wird dem "lieben getrewen Paweln Mulrath" befohlen, treu und ordentlich zu arbeiten, "auch joachim Thaler gantz und halb, in dem korn und schroth als andre churfursten und fursten schroden und muntzen".

Sollte sich der Münzmeister einer Straftat schuldig machen und nicht nach der Vorschrift arbeiten, "soll er uns zehn marck lottigen Goldes verfallen sein", drohte Kurfürst Joachim II. Seinem Münzmeister und dessen Gesellen versprach der Kurfürst Privilegien und freies Geleit bei Reisen durch Kurbrandenburg. Sie sollten "aller unpflicht und burgerlichen burde frey und unbeschwert sein, zudem soll er mit seinem leib und guttern in unser churfürstentumb, der marck zu Brandemburgk, geleitet und sicher sein und für allen schaden gehaltten werden." Solche Zusicherungen waren angesichts unsicherer Straßen und Raubüberfällen wichtig, doch ob sie im Ernstfall Räuber und Wegelagerer imponiert haben, ist nicht überliefert.

Verordnungen gegen Kipperei

Ungeachtet strenger Edikte litt Kurbrandenburg unter dem "ausskippen und ander aufwechseln der guten müntzen". Kurfürst Georg Wilhelm, der zwischen 1619 und 1640 das vom Dreißigjährigen Krieg schwer geschädigte Land regierte, bestimmte zwar in einem Edikt vom 16. Oktober 1620: "Ferner verbieten wir auch alles ausführen der unsrigen müntzen, auch alles auskippen und ander aufwechseln der guten müntzen", doch verhallten solche Worte ungehört. Auch die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt Berlin-Cölln beteiligte sich um 1621, als der Dreißigjährige Krieg schon drei Jahre tobte, an der Kipperei. Aus kurfürstlichen Verordnungen und Beschwerden der Stadtverwaltung ist zu entnehmen, dass die Ausmaße beträchtlich waren, und Münzmeister Liborius Müller muss dabei nicht schlecht verdient haben. Untersuchungen gegen ihn verliefen wie das Hornberger Schießen. Erst wurde Müller eine beträchtliche Geldstrafe auferlegt, dann aber sprach der Kurfürst ihn vom Vorwurf der Münzfälscherei, ersetzte ihn aber durch einen anderen Münzmeister.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg bestand angesichts der Verlockungen, erneut aus schlechtem Geld Profit zu schlagen, auch in Brandenburg die Gefahr einer Wiederholung der Kipper- und Wipperzeit mit ihren verheerenden wirtschaftlichen und politischen Folgen. Da schlechte Münzen aber in Form von Steuern und Abgaben in den Staatssäckel zurückflossen, schritt die Obrigkeit ein. In einem Edikt vom 10. Oktober 1650 verkündete Kurfürst Friedrich Wilhelm, um dem Mangel an kleiner Münze abzuhelfen: "Wir befinden eine unumbgängliche noth zu sein, einige Current- und Landtmüntze pregen und machen zu lassen, damit unsere Unterthanen von einanderkommen und kein tumult unter den gemeinen Mann entstehen möge".

Die Reaktion auf die minderwertigen "Usual- oder Landmünzen" ließ nicht lange auf sich warten. Es hagelte Proteste, und dem Großen Kurfürsten wurde vorgerechnet, dass die Doppelgroschen in Wahrheit nur 5 ¼ Pfennig wert sind. Friedrich Wilhelm wartete ab. Er ließ die Prägung der schlechten und leichten Münzen erst einstellen, als genügend von ihnen im Umlauf war. Währenddessen sann der Monarch aus Sorge über die "Confusion und Unordnung wegen Unserer Landmünz" nach Auswegen und gelangte 1667 in Zinna mit seinem sächsischen Nachbarn, Kurfürst Johann Georg II., und bald auch mit den braunschweigischen Herzögen zu einer Übereinkunft über die Herstellung von Münzen nach einheitlichem Standard, jedoch in unterschiedlicher Gestaltung. 1690 wurde der Zinnaer Münzfuß, mit dem ein erster Schritt zur Herstellung der deutschen Münzeinheit gegangen wurde, durch den Leipziger Münzfuß abgelöst.

Schlamperei und Selbstbedienung

Für uns heute unverständlich ist die Leichtfertigkeit, mit der damalige Obrigkeiten mit ihrem ureigenen Vorrecht, der Münzprägung, umgingen. Das Privileg wurde in die Hände von Privatleuten gegeben, die einen bestimmten Betrag, den Schlagschatz, an den Staat abliefern mussten. Was darüber erwirtschaftet wurde, floss in die Tasche der Pächter. Sie hatte nur bestimmte Rahmenbedingungen zu beachten und mussten darauf sehen, dass ihre Münzen nicht übermäßig vom vorgeschriebenen Schrot und Korn abweichen. Wie sie das schafften, war ihre Angelegenheit. Untersuchungen über illegale Machenschaften fanden selten statt. Kaum einer der Verantwortlichen für Schlamperei und Selbstbedienung wurde zur Rechenschaft gezogen, und an anderen Münzanstalten nahm man diese Experten gern in Dienst.

Es fällt auf, dass Gesetze und Verordnungen die Münzbeamten und -arbeiter immer wieder zu Ehrlichkeit, Ordnung und Treue auffordern, so als ob eine "Vermahnung" von der anderen abgeschrieben wurde. In einem umständlich formulierten Edikt von 1667 verpflichtete Brandenburgs Kurfürst Friedrich Wilhelm seine Münzbeamten und -arbeiter, treu und ehrlich zu sein und zu schwören, die neue Münz-Ordnung in allen Punkten und "Enthaltnüssen" zu erfüllen. Das in "Land-Vätterlicher Vorsorge" verfasste Dokument beklagt "viele Unterschleiffe, unnöthige Unkosten, und offtmals ungebührliche grosse Abgänge", also Verluste und Unterschlagungen. Aus gutem Grund befahl der Kurfürst seinem Obermünzdirektor dafür zu sorgen, dass "aller Unfleiß, Fahrlässigkeit, Untreue und Verwahrlosung nachbleiben". Auch dürfe es zwischen dem Münzmeister und Münzarbeitern "keine Abrede noch Verständnis" geben, "widrigenfalls er nicht allein für allen dahero entstehenden Schaden haftet, sondern auch nach Befinden an Leib, Ehr und Gut bestrafet werden sollte". Die Wiederholung solcher Strafandrohungen sagt nicht anderes, als dass man triftige Gründe hatte, die Münzbediensteten immer wieder an Ehrlichkeit und Staatstreue zu erinnern.

Das Edikt von 1667 ist auch deshalb interessant, als es die Aufgaben der Berliner Münze erwähnt, die Verwendung von Geräten zur Justierung der Münzen auf das vorgeschriebene Gewicht ebenso wie die Benutzung eines Rosswerks, also einer mit Pferdekraft bewegten Walze. Dem Eisenschneider wurde aufgetragen, sich bei der Herstellung der Stempel "eines saubern und zierlichen Schnitts zu befleißigen, damit derselbe auf dem Gelde reine heraus kommet", und auch der Präger wurde verpflichtet, ordentlich zu arbeiten. Von jeder Partie sollte eine Probe in eine Büchse für spätere Prüfungen getan werden.

Klippwerke und Spindelpressen

Die Münzordnung von 1667 legte den Verzicht auf die "kostbare und langsame", also kostspielige Hammerprägung fest, die die "Reichsohmen", wie man die Münzarbeiter nannte, ausübten. Nach und nach hat man Prägemaschinen wie Klippwerke und Spindelpresse in Betrieb genommen. Die Aufwendungen für diese Geräte waren nicht gering. Doch da sie ein sauberes und reines Gepräge lieferten und auch weniger gefährlich zu handhaben waren wie die bisherige Arbeit am Amboss, waren die Investitionen bald eingespielt. Wie aus späteren Anweisungen zu entnehmen ist, stand es um den Erhalt der Geräte nicht immer zum Besten, und so musste das Personal angehalten werden, die im Münzturm des Berliner Schlosses aufgestellten Maschinen stets betriebsbereit zu halten und sie zu pflegen.

Ungeachtet strenger Richtlinien hinsichtlich der Beschäftigung von "ehrlich" geborenen Leuten in den Geldfabriken muss sich dort allerlei Gesindel herumgetrieben haben. Es gibt Erzählungen von Saufereien und Raufereien und auch, dass Münzmeister und Wardeine ein kostspieliges Leben führten, Samt und Seide trugen, in Kutschen ausfuhren und tafelten, dass sich die Tische bogen. Wirklich lebensgefährlich wurde es, wenn der Münzbetrug überhand nahm und Diebstähle ruchbar wurden. Oft aber zielten die Untersuchungen ins Leere, wie das Schicksal des aus Schlesien kommenden und 1666 zum brandenburgischen Obermünzdirektor ernannten Nicolaus Gilli zeigt. Nackt und bloß sei er angekommen, doch dann habe er ein "schreckliches" Vermögen zusammengerafft. Ob seine Verfehlungen im üblichen Limit lagen und sich die Betrügereien doch als nicht so gravierend erwiesen - Kurfürst Friedrich Wilhelm ließ Gilli nach zwei Jahren Festungshaft frei und gab ihm sein konfisziertes Vermögen abzüglich des beschlagnahmten Bargeldes zurück. Es geschah sogar ein Wunder, denn der gewiefte Münzmeister durfte in Berlin und Crossen eine Zeitlang noch Dreier schlagen. Er muss das so gut gemeistert haben, dass seine Verluste schon bald wieder ausgeglichen waren.

17. März 2021

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