Legenden um den Love-Dollar
Mit einer falschen Deutung avancierten Frankfurter Silbermünzen in den USA zu Verkaufsschlagern







Die schöne Frankfurterin auf dem Doppeltaler von 1860, der Taler von 1858 und weitere mit einer angeblichen Liebesgeschichte verbundenen Ausgaben hatten es Sammlern und Spekulanten besonders angetan.



In ihrem Frankfurt-Katalog von 1896 weisen Paul Joseph und Eduard Fellner die Gerüchte um den Love-Dollar in das Reich der Märchen.





Die Eröffnung ihrer neuen Geldschmiede war 1840 für Frankfurt am Main die Prägung eines leider recht langweilig gestalteten Doppeltalers wert.



Während die Münze zu Hannover ab 1866 das für Preußen produzierte Hartgeld mit dem Buchstaben B zeichnete, verwendete die Frankfurter Prägefabrik das C, hingegen behielt die Berliner Münze als wichtigste Prägeanstalt des Hohenzollernstaates das ihr schon 1750 von Friedrich dem Großen verliehene A. (Fotos: Caspar)

Bis zur zwangsweisen Einstellung der städtischen Münzprägung nach dem so genannten Deutschen Krieg von 1866 hat Frankfurt am Main eine Fülle interessanter Geldstücke und zahllose Medaillen geprägt, darunter solche auf die Kaiserkrönungen, die jedesmal ein prächtiges Spektakel waren und viele Gäste in die Stadt holten Alle die Pfennige, Groschen, Gulden, Taler und was sonst mit dem einköpfigen Stadtadler und auch mit dem Frankfurter Panorama geschlagen wurden, sind in dem bis heute als Zitierwerk wichtigen Katalog von Paul Joseph und Eduard Fellner aus dem Jahr 1896 aufgelistet. Sie werden regelmäßig vom Münzhandel zu moderaten Preisen angeboten, von numismatischen Raritäten und Ausgaben aus Gold abgesehen.

In der Mainmetropole schüttelte man Mitte des 19. Jahrhunderts über Spekulationen den Kopf, wer denn die schöne Frau ist, die dem Stempelschneider August von Nordheim für die Taler und Doppeltaler als Modell diente. Man hatte erfahren, dass in den USA nach dem so genannten Love Dollar mit dem Bildnis der städtischen Symbolfigur Francofurtia gesucht wird. In ihr sah man zu Unrecht eine Geliebte des Bankiers Rothschild und waren begierig, die mit einer angeblichen Liebesgeschichte verbundenen Love- oder Rothschild-Dollars zu bekommen. Zu begehrten Sammelstücken avanciert, wurden die Silbermünzen profitabel von Geschäftemachern vertrieben.

Wundersame Werbewirkungen

Das auch von dem prominenten, wegen seiner antisemitischen Äußerungen ("Die Juden sind unser Unglück") berüchtigten Historiker Heinrich von Treitschke kolportierte Gerücht, die kostbar gewandete Dame auf den Münzen habe eine Liebesbeziehung mit einem Vertreter des Frankfurter Bankhauses Rothschild gehabt, war zwar falsch, hatte aber wundersame Werbewirkungen. Die Wahrheit ist, dass sich der Stempelgraveur die seinerzeit gefeierte Frankfurter Schauspielerin Fanny Janauschek zum Vorbild nahm. Dass die Symbolfigur einen Kaisermantel mit gesticktem Reichsadler darauf trägt, deutet auf die 1806 im Zusammenhang mit dem Untergang des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation eingebüßte Reichsunmittelbarkeit von Frankfurt am Main, wo über Jahrhunderte die römisch-deutschen Kaiser gekrönt wurden. Zudem weisen das auf einigen Ausgaben links und rechts des Frauenbildnisses angebrachte Eschenheimer Tor und der Turm des Kaiserdoms auf die ruhmreiche, auch durch geprägtes Metall dokumentierte Vergangenheit der Mainmetropole hin.

Nach dem Deutschen Krieg von 1866, den Preußen und seine Verbündete gegen Österreich sowie einige mittel- und süddeutsche Staaten gewannen, verlor Frankfurt am Main seine Selbstständigkeit. Gemeinsam mit dem Königreich Hannover, dem Herzogtum Nassau und Kurhessen wurde die Freie Stadt, die sich in den Auseinandersetzungen für neutral erklärt hatte, kurzerhand von König Wilhelm I. von Preußen annektiert und der neu gegründeten Provinz Hessen-Nassau zugeschlagen. Selbstverständlich wurden die "Beutepreußen" nicht gefragt, ob sie Teil des Hohenzollernstaates werden wollen. Frankfurt war dessen Spitzen besonders verhasst, weil 1848/49 in seinen Mauern die deutsche Nationalversammlung tagte und demokratische Grundrechte, die Abschaffung des feudalen Ständestaates, die Teilhabe des Volkes an der Macht und einen deutschen Einheitsstaat erhob.

Hartgeld mit dem Kennbuchstaben C

Nach der Reichseinigung von 1871 hatten die Mitarbeiter der Frankfurter Münze alle Hände voll zu tun, die außer Kurs gesetzten und in großen Mengen eingelieferten Geldstücke einzuschmelzen und aus ihnen das neue, auf Mark und Pfennig lautende Reichsgeld zu prägen. Lange hielt die Freude nicht an, denn bereits 1879 wurde die Anstalt geschlossen. Zahlreiche Beamte und Arbeiter wurden in den Ruhestand geschickt oder mussten sich nach einer anderen Tätigkeit umsehen.

Bei Sammlern begehrt ist ein Doppeltaler von 1840 auf die Eröffnung einer neuen Prägefabrik in der Frankfurter Münzstraße. Die Umschrift ZUR V. SÄCULARFEIER DES MÜNZRECHTS DER STADT FRANKFURT A. M. ist nicht richtig, denn das ebenso einträgliche wie prestigeträchtige Münzprivileg wurde bereits im späten 12. Jahrhundert der Stadt am Main verliehen. Eine diesbezügliche Urkunde ist zwar nicht überliefert, wohl aber spricht ein Dokument aus dem Jahr 1194 von einer "muntze zu Francfurd". Leider bildet der seltene und teure Doppeltaler weder das Münzgebäude noch eine Prägeszene beziehungsweise eine Münzmaschine ab, sondern ist wegen der Schriftlösung auf beiden Seiten an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten.

Gutes aus dem Unvermeidlichen gemacht

Am 18. Juni 1866 besetzt, sollte die Stadt, die sich 1866 an keinerlei Kampfhandlungen beteiligt hatte, erst sechs und dann noch einmal 25 Millionen Gulden Kriegskontributionen an Preußen zahlen. Dazu waren die Bürger weder bereit noch in der Lage. Frankfurts Bürgermeister Carl Constanz Victor Fellner, der lange für die Finanzen der Stadt und daher auch für die Münzprägung zuständig war, hatte mit dem Versuch keinen Erfolg, zwischen der Stadt und dem brutal und arrogant vorgehenden preußischen Militär zu vermitteln. In eine aussichtslose Position gedrängt, beging er Selbstmord. Frankfurt fiel an den Regierungsbezirk Wiesbaden, die ganze Region wurde zur preußischen Provinz Hessen-Nassau mit Kassel als Hauptstadt umgewandelt. Vielleicht um die ehemalige Freie Stadt mit Preußen auszusöhnen, verlegten König Wilhelm I. und Reichskanzler Otto von Bismarck 1871 die Friedensverhandlungen zwischen dem besiegten Frankreich und dem neuen Deutschen Reich in die Stadt am Main. Bei der Vertragsunterzeichnung im "Gasthaus zum Schwan" bemerkte Otto von Bismarck: "Es ist mir ein schöner Gedanke, dass der erste große politische Akt des wiedererstandenen Deutschen Reiches gerade in Frankfurt, der alten deutschen Kaiser- und Krönungsstadt, sich hat vollziehen können. Ich wünsche von Herzen, dass der Friede von Frankfurt auch den Frieden für Frankfurt und mit Frankfurt bringen werde."

Frankfurt wäre nicht Frankfurt gewesen, hätten sich seine Einwohner nicht in ihr Schicksal geschickt. Zähneknirschend sahen sie mit an, dass aus ihrer stolzen Freien Stadt eine preußische Provinzstadt geworden war, die von Berlin Befehle erhält. Forderungen der Bürgerschaft nach Rückzahlung jener Kontributionen von 1866 blieben unerfüllt. König Wilhelm I. ließ sich aber herab, die Schulden der Stadt und ihre Pensionsverpflichtungen zu übernehmen. Außerdem legte er auf eine von Preußen gezahlte Entschädigungssumme von zwei Millionen Gulden noch eine weitere Million aus seinem Privatfonds dazu in der Erwartung, dass sich die Wogen glätten werden. Unter Nutzung der nach dem deutsch-französischen Krieg reichlich fließenden französischen Reparationszahlungen, die vor allem Preußen und damit auch der ehemaligen Freien Stadt zugute kamen und einen wahren Wirtschafts- und Gründerboom bewirkten, verwandelte sich Frankfurt in ein internationales Handels- und Bankenzentrum und dehnte sich nach allen Seiten aus.

9. Dezember 2021

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