Mark statt Taler, Zehner statt Groschen
Wovon die Münzgesetze nach der deutschen Reichseinigung von 1871 erzählen



Die Entwürfe für das Fünf- und das Zwei-Mark-Stück von 1901 zur Zweihundertjahrfeier des preußischen Königtums wurden Kaiser Wilhelm II. zur Genehmigung unterbreitet und konnten erst nach seinen Korrekturen geprägt werden.



Große Mengen preußischer und anderer Münzen aus Gold und Silber wurden während des Ersten Weltkriegs eingezogen und eingeschmolzen.



Die französischen Medaillen würdigen die schwere Arbeit der Schmelzer und Gießer. Ähnlich dürfte es auch in deutschen Münzstätten ausgesehen haben.



Wer im Ersten Weltkrieg Edelmetall abgab, bekam eine mit patriotischen Parolen versehenen Eisenmedaillen.



Kleinmünzen in herausragender Erhaltung aus der deutschen Kaiserzeit erzielen heute gute Preise.





Preußen und Mecklenburg-Schwerin schlossen 1915 mit "Mansfeld" und "100 Jahre Großherzogtum" ihre Gedenkmünzenserien ab.





Auf Vorrat geprägte Kleinmünzen aus Silber und unedlem Metall tragen die Jahreszahl 1919, als die Monarchie im Deutschen Reich Vergangenheit war.







Zwischen dem Zwei- und dem Fünfmarkstück wurde 1908 die Dreimarkmünze geschoben, hier veranschaulicht an den seltenen Münzen von 1916, 1917 und 1918 aus Württemberg, Sachsen und Bayern. (Fotos/Repros: Caspar)

Mit der Ausrufung König Wilhelms I. in Versailles zum Deutschen Kaiser am 18. Januar 1871, vor nunmehr 150 Jahren, und der Gründung des Deutschen Reichs änderte sich viel. Bald schon wurde eine gemeinsame Verfassung verkündet, und die Beziehungen der Bundesstaaten untereinander wurden auf eine neue Stufe gestellt. Auch änderten sich die Münzgesetze, in denen die Schaffung des gemeinsamen Reichsgeldes und die Abschaffung alter Nominale festgeschrieben wurden. Taler, Gulden, Groschen, Kreuzer, Heller und andere Nominale hatten jetzt ausgedient. Statt ihrer bezahlte man nun mit Mark und Pfennig. Um Verwechselungen mit den alten Währungen zu vermeiden, wurde die Bezeichnung Mark für den bisherigen 1/3-Taler oder das 35-Kreuzer-Stück süddeutscher Prägung gewählt. Indem die nach einem uralten Silberstück norddeutscher Städte und Fürstentümer benannte Mark in 100 Pfennige unterteilt wurde, bekannte man sich unumkehrbar auch zur Dezimalwährung. Abgelehnt wurde die Bezeichnung Groschen für das Zehnpfennigstück, um zu verhindern, dass es mit älteren Kleinmünzen verwechselt wird. Dafür aber wurde eine neue Schreibweise für Mark und Pfennig für verbindlich erklärt. So sollte man künftig einen Betrag etwa von 5 M. 3 Gr. 8 Pf. kurz und bündig als 5,38 Mark schreiben. Genau so drücken wir heute eine bestimmte Summe in Euro und Cent mit Zahlen vor und nach dem Komma aus.

Ursprünglich war neben der Prägung von Zehn- und Zwanzigmarkstücken auch solche zu 30 Mark geplant. Das Vorhaben, quasi ein Zehntalerstück aus Gold herzustellen, kam nicht zustande. Der Umgang mit einem solchen Nominal erschien der Reichsregierung und dem Reichstag wohl doch zu umständlich, weshalb es bei Goldmünzen zu 10 und 20 Mark blieb. Deren im Münzgesetz von 1871 festgelegte Bezeichnung Krone und Doppelkrone setzte sich nicht durch, un d auch die Ausprägung von goldenen Fünfmarkstücken erwies sich als unpraktisch. Denn die Winzlinge waren unbeliebt und verschwanden, kaum dass man sie 1877 und 1878 geprägt hatte, wieder in der Versenkung. Sollten die nur 17 Millimeter großen Goldstücke angeboten werden, muss genau geschaut werden, ob sie echt und alt sind, denn es kommen bei diesen heute teuer bezahlten Raritäten auch sehr gut gemachte Fälschungen vor.

Millionen landeten im Tiegel

Informationen über die deutsche Geldgeschichte nach der Reichsgründung von 1871 finden sich unter anderem in der verdienstvollen Dokumentation von Karl-Dieter Seidel "Die deutsche Münzgesetzgebung seit 1871 - Münzen - Papiergeld und Notenbanken" (Egon Beckenbauer Verlag München 1973). Das für Forscher und Sammler gleichermaßen wichtige Buch reicht bis in die Münzgesetzgebung beider deutscher Staaten hinein und enthält auch Angaben über die Münzgesetze in Österreich, Danzig, Saarland und anderen Territorien. Außerdem findet man hier den Abdruck von deutschen Münzverträgen, die man kennen sollte, wenn man Vereinstaler und andere Münzen aus dem 19. Jahrhundert sammelt oder erforscht. Zur Lektüre empfohlen sei auch das umfangreiche Werk von Herbert Rittmann "Deutsche Geldgeschichte 1484-1914", das 1975 im Battenberg Verlag München erschien und außerordentlich viel, mit großer Akribie gesammeltes Material über die Münzgeschichte zwischen der "Erfindung" des Talers im ausgehenden 15. Jahrhundert bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs enthält. Wer die Bücher nicht besitzt, bekommt sie in Bibliotheken und Münzkabinetten zur Ansicht. Ab und zu werden sie und weitere antiquarische Literatur im Münzhandel angeboten. Herbert Rittmanns Buch enthält wichtige Angaben über das schwankende Verhältnis von Gold zu Silber sowie über die Bewertung deutscher und ausländischer Münzen im internationalen Geldhandel. Interesse verdienen Angaben über die in riesigen Mengen erfolgte Einziehung von Münzen im Zusammenhang mit der Herstellung von neuem Hartgeld.

Auch Kleingeld verdient Beachtung

Wer als Sammler die Zahlen anschaut, bekommt eine Ahnung davon, was damals in welchen Mengen eingeschmolzen wurde. So vergingen 4486937 preußische Friedrichs' dors und sächsische August' dors im Wert von rund 25,4 Millionen Talern (oder 76,2 Millionen Mark) im Schmelztiegel. Insgesamt wurden im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung der Währung im neuen Deutschen Reich Goldmünzen für 90,9 Millionen Mark eingelöst und umgeschmolzen. Zwischen 1764, als der Siebenjährige Krieg gerade überstanden war, und 1871 waren laut Rittmann Goldmünzen im Wert von 180 Millionen Mark geprägt worden, doch blieb nur ein Bruchteil diese riesigen Goldberges erhalten. Viele seinerzeit in größeren Zahlen geprägte Gold-, Silber- und Kupfermünzen avancierten aufgrund dieser Einschmelzungen zu großen Raritäten und werden, wenn sie im Handel angeboten werden, gut bezahlt. Das gilt auch für hervorragend erhaltenes Kleingeld in der Qualität "Stempelglanz", denn die Pfennige und Markstücke liefen lange um und kommen heute meist abgegriffen und beschädigt vor.

Für die Zeit der Reichsgründung wird angenommen, dass silberne Kurantmünzen im Wert von 571,5 Millionen Talern und Scheidemünzen im Wert von 27,7 Millionen Talern vorhanden waren. Welche numismatischen Belege und dabei auch Raritäten sich unter den nach 1871 zum Tod im Tiegel bestimmten Münzen befanden und was überhaupt durch die massenhaften Einschmelzungen auf ewig verloren gegangen ist, lässt sich nur ahnen. Zum Glück blieb manches in Sparstrümpfen und bei Sammlern erhalten, sonst hätte der Handel heute nichts, womit er uns Münzfreunde erfreuen könnte. Da man eher Taler und Goldmünzen als Andenken an vermeintlich bessere Zeiten aufgehoben hat als Groschen, Kreuzer, Heller und Pfennige, kommt das meist bescheidene, geldgeschichtlich aber nicht minder wichtige Kleingeld in den Angeboten relativ selten vor und erzielt, wenn es herausragend gut erhalten ist, stattliche Preise. Das gilt auch für bestimmte Kleinmünzen aus der Kaiserzeit, denen man damals wenig Beachtung schenkte und die es heute umso mehr verdienen.

"Eisen nahm ich zur Ehr"

Bei der Betrachtung der Münzprägung des deutschen Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg (1914-1918) ist viel von Silberknappheit die Rede. Die Folge war, dass die bis dahin recht üppige Prägung von silbernen Kurs- und Gedenkmünzen nach und nach reduziert wurde. Zunächst wurde mit Kriegsbeginn am 1. August 1914 die gesetzliche Pflicht zur Einlösung von Papiergeld in Goldmünzen aufgehoben. Mit Blick auf einen bewaffneten Konflikt war bereits im Juli 1914 Gold für über hundert Millionen Mark abgezogen und durch Papiergeld ersetzt worden. Die Bevölkerung wurde in der Presse aufgefordert, ihre Bestände an Zwanzig-, Zehn- und wo es sie noch gab an goldenen Fünfmarkstücken zum Nennwert gegen Papiergeld einzuwechseln. Zur Belohnung für die als patriotisch gefeierte Edelmetall-Ablieferung bekam man in der Tradition ähnlicher Aktionen während der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 Eisenmedaillen mit der Aufschrift "Gold gab ich zur Wehr / Eisen nahm ich zur Ehr".

Außer den Goldmünzen wurden nach und nach auch Silbermünzen eingezogen und eingeschmolzen. Die Reichsbank hat sie, anfangs kaum spürbar für die Bevölkerung, durch Papiergeld ersetzt. Zunächst war es möglich, silberne Gedenkmünzen zu drei Mark zu prägen, wenn auch nicht in den ursprünglich geplanten Quantitäten. Die bekanntesten Stücke dieser Art erinnern mit der Nachbildung eines Georgstalers an die hundertjährige Zugehörigkeit der Grafschaft Mansfeld zu Preußen, die Hundertjahrfeiern der Erhebung der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Sachsen-Weimar zu Großherzogtümern (alle mit der Jahreszahl 1915), sowie zum 25jährigen Regierungsjubiläum von König Karl von Württemberg (1916). Ursprünglich sollten diese und weitere Gedenkstücke in hohen Auflagen von 100 000 Exemplaren und mehr geprägt werden. Wegen der "auf dem Silbermarkt herrschenden Verhältnisse", wie es im bekannten Jaeger-Katalog über die ab 1871 geprägten deutschen Münzen heißt, wurden die Auflagen stark reduziert. Für die Zeit nach dem Krieg stellte man da und dort Nachprägungen in Aussicht, die gelegentlich im Münzhandel angeboten werden.

Zu diesen Gedenkstücken kamen in verschwindend geringer Auflage die Drei-Mark-Stücke zur Vierhundertjahrfeier der Reformation mit dem Bildnis des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen und zum 25jährigen Regierungsjubiläum von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt (beide 1917) sowie zur Goldenen Hochzeit des bayerischen Königspaars Ludwig III. und Marie Therese (1918). Nicht realisiert wurde eine Serie neuer Münzen mit dem Bildnis des sächsischen Königs Friedrich August III. in der Uniform eines Generalfeldmarschalls. Zu Pfingsten 1915 saß der Monarch dem königlichen Stempelschneider Friedrich Wilhelm Hörnlein Modell. Ein Aluminiumabschlag vom Stempel des nicht realisierten Dreimarkstücks befindet sich in der Sammlung des Dresdner Münzkabinetts.

Auflagen drastisch reduziert

Unverkennbar groß war während der Kriegszeit in dem weitgehend von ausländischen Lieferanten abgeschnittenen deutschen Kaiserreich Not an Edelmetallen. Man hatte offensichtlich Mühe, das Silber für die genannten Gedenkprägungen zusammenzukratzen. Dies war auch der Fall des schon erwähnten, von Hörnlein geschaffenen Dreimarkstücks von 1917"Friedrich der Weise". Die Entstehungsgeschichte dieser seltensten und teuersten Reichsmünze ist hinlänglich aufgearbeitet, doch schaut man in die Akten des Reichsschatzamtes, dann findet man noch weitere Details. Zum Antrag des Königreichs Sachsen "betreffend Ausprägung von Dreimarkstücken in Form von Denkmünzen für die Reformationsfeier im Jahre 1917" äußerte sich das dem Reichskanzler unterstehende Reichsschatzamt am 28. Juni 1917 ablehnend. "Die Reichsfinanzverwaltung muss sich gegen den Antrag wegen der entstandenen Silberknappheit aussprechen", heißt es in dem für die "Herren Mitglieder des VII. und IV. Ausschusses des Bundesrates" bestimmten Schreiben, einem Gremium von Vertretern der deutschen Bundesstaaten und der Freien und Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck, das unter anderem über Münzangelegenheiten zu befinden hatte.

Bemerkenswert ist, dass sich der Berichterstatter, Ministerialdirektor Kempff vom Reichsschatzamt, für die weitere Ausprägung silberner Fünfzigpfennigstücke ausspricht, "um die Kleingeldknappheit zu mildern". Demnach sollte die Herstellung nur von Silbermünzen zu einer, zwei, drei und fünf Mark gedrosselt werden. Dessen ungeachtet wurden noch 1918 und vorauseilend sogar mit der Jahreszahl 1919 riesige Mengen der halben Mark/50 Pfennige aus Silber hergestellt. Sammler wurden 1917 und 1918, die die Sachsen- und Bayernmünzen besitzen wollten, mit Abschlägen aus Pappe und auf bessere Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg vertröstet. Wer als Sammler zu den seltenen und teuren Silberstücken diese Ersatz-"Münzen" legen kann, darf sich mit Fug und Recht ein Glückspilz nennen.

20. Januar 2021

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