"Seine Welt zeige der Künstler"
Die vom letzten hessischen Großherzog Ernst Ludwig ins Leben gerufene Mathildenhöhe steht auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes





Rudolf Bosselt setzte 1901 dem hessischen Großherzog Ernst Ludwig "in Dankbarkeit und Ehrfurcht" mit einer Medaille ein Denkmal, die sein Bildnis entgegen der Tradition nicht in Uniform, sondern in Zivilkleidung mit einer dem Jugendstil verpflichteten Rückseite verbindet. Dort hält ein Heiliger das Modell des Ernst-Ludwig-Hauses auf der Mathildenhöhe in den Händen.



Wie im Großherzogtum Baden, so wurde lange Zeit auch in Hessen der Titel des Großherzogs mit einem "S" geschrieben, nachzulesen auf dem Fünfmarkstück von 1876, das in Darmstadt mit dem Münzzeichen H geprägt wurde. Großherzog Ernst Ludwig veränderte die Schreibweise.



Ernst Ludwig setzte 1904 einem berühmten Vorgänger, Landgraf Philipp dem Großmütigen, ein numismatisches Denkmal in Gestalt von Zwei- und Fünfmarkstücken.



Das Dreimarkstück von 1917 zum 25jährigen Thronjubiläum des Großherzogs ist eine der letzten und seltenen Gedenkprägungen des deutschen Kaiserreiches.



Der Schmalkaldische Bundestaler und seine Teilstücke wurden 1542 bis 1547 vom sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich dem Großmütigen und dem Landgrafen Philipp von Hessen in Goslar geprägt. Beide Fürsten sind auf ihnen als Führer des im Streit mit Kaiser Karl V. und seinen Verbündeten befindlichen Schmalkaldischen Bundes abgebildet.



Landgraf Philipp ist auf einem Schau- und Spruchtaler von 1552 abgebildet, dazu das Standhaftigkeit in Glaubensfragen unterstreichende Bekenntnis in deutscher Sprache BESS o LAND o V o LUD o VoLORN ALS o EIN o FALSCH o AID o GESCHWORN (Besser Land und Leute verloren als einen falschen Eid geschworen). (Fotos/Repros: Caspar)

Die UNESCO hat am 24. Juli 2021 die Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt sowie die Kurorte Baden-Baden, Bad Ems und Bad Kissingen in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. 1899 von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt unter dem Motto "Mein Hessenland blühe und in ihm die Kunst" ins Leben gerufen und gefördert, sollte die Darmstädter Künstlerkolonie durch die Verbindung von Kunst und Handwerk bei der wirtschaftlichen Belebung und Blüte des Großherzogtums behilflich sein und zukunftsweisende Bau- und Wohnformen entwickeln. Mit diesem Ziel berief der großherzogliche Mäzen namhafte Vertreter des Jugendstils wie den Architekten und Designer Peter Behrens, den Bildhauer und Medailleur Rudolf Bosselt und seinen Kollegen Ludwig Habich sowie den Maler Hans Christiansen, den Wohnraumgestalter Patriz Huber und den Designer und Architekten der Wiener Secession Joseph Maria Olbrich in seine Haupt- und Residenzstadt.

Neue Formen und Ideen

Die 1899 von Ernst Ludwig gegründete und nach der aus Bayern stammenden Großherzogin Mathilde benannte Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe inmitten eines Landschaftsparks bot jungen, innovativen Architekten, Malern, Bildhauern, Designern, Kunstgewerblern, Bühnenbildnern und Gartengestaltern einzigartige Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten und strahlte durch ihre Schöpfungen, aber auch mit Ausstellungen und Publikationen weit ins Deutsche Reich hinaus. Neue Formen und Ideen im Bauwesen, Gewerbe und Industriedesign gingen von der Mathildenhöhe und damit auch von Ernst Ludwig aus, der sich, ungewöhnlich für seinen fürstlichen Stand, auch für technische Aufgaben wie den Automobilbau und die Luftfahrt interessierte. Das nach Plänen von Joseph Maria Olbrich erbaute Ernst-Ludwig-Haus mit den Kolossalfiguren "Kraft und Schönheit" beiderseits des Eingangs bildete den Mittelpunkt der Mathildenhöhe und diente als Atelier- und Festgebäude. Die Inschrift über dem Eingang verkündet "SEINE WELT ZEIGE DER KÜNSTLER - DIE NIEMALS WAR NOCH JEMALS SEIN WIRD".

Die von Mitgliedern der Kolonie bewohnten und nach prominenten Künstlern benannten Häuser sind um das Atelierhaus gruppiert. Alle diese Gebäude und der Landschaftspark wurden vor einigen Jahren auch mit Blick auf eine Nominierung für das Weltkulturerbe der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur saniert und restauriert. In dem zu einem Museum umgestalteten Ernst-Ludwig-Haus wird die Geschichte der Künstlerkolonie dokumentiert.

Kaiser bemäkelte seinen Cousin

Selbstverständlich blieb das "artfremde Treiben" des hessischen Großherzogs am Hof seines kaiserlichen Cousins Wilhelm II. nicht unbemerkt. Der erzkonservative Kunstgeschmack des Reichsoberhauptes, der verächtlich alles mit "Rinnsteinkunst" abtat, was ihm missfiel, vor allem wenn sie mit neuen Formen und Farben brennende soziale Fragen gestaltete und kritisch hinterfragte, kollidierte mit den aufgeklärten Ambitionen des hessischen Verwandten. Kaiser Wilhelm II. hielt Ernst Ludwig für einen schlechten Patrioten, ja für einen "roten Großherzog", weil dieser einen nach England tendierenden europäisch-liberalen Kurs verfolgte und ihm nationalistisches Säbelrasseln und Hetzreden zuwider waren, die der Kaiser so liebte. Gegen dessen Kriegskurs und imperialistisches Großmachtgehabe konnte der Großherzog von Hessen-Darmstadt aufgrund seiner nebengeordneten Stellung im Machtgefüge der Kaiserzeit allerdings nichts unternehmen.

Obwohl das Großherzogtum Hessen-Darmstadt recht klein war, hat es vor und in der Kaiserzeit eine stattliche Münzprägung hervorgebracht. Anfänglich wurden Zwei- und Fünf-Mark-Stücke unter Großherzog Ludwig III., der von 1848 bis 1877 regierte, in der landeseigenen Münzanstalt Darmstadt hergestellt, erkennbar am Buchstaben H. Dazu kamen Goldmünzen zu zehn und zwanzig Mark mit den Köpfen von Ludwig III. beziehungsweise Ludwig IV., der 1877 die Regierung antrat. Da sich der Betrieb einer großherzoglich-herzoglichen Münzstätte nicht lohnte, wurde sie 1882 aufgehoben. Die danach geprägten Münzen mit Bildnissen der hessischen Großherzöge Ludwig IV. und Ernst Ludwig kamen aus Berlin.

Gottes Wort bleibt in Ewigkeit

Der 400. Geburtstag des Landgrafen Philipp von Hessen war Anlass zur Herausgabe einer ungewöhnlichen Gedenkprägung. Philipp stand 1546/7 im Schmalkaldischen Krieg an der Seite sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich, der auch als Gründer der Universität in Jena in Erinnerung ist. Bereits 1527 hatte sein Verbündeter, Landgraf Philipp von Hessen, 1527 die Universität Marburg als evangelische Hochschule gegründet. Ihr widmete die Weimarer Republik 1927 eine silberne Dreimarkmünze. Auf den Gedenkmünzen von 1904 sind Ernst Ludwig und Philipp der Großmütige im Doppelbildnis dargestellt. Der Entwurf stammt von dem Darmstädter Theologen, Bildhauer, Maler und Grafiker Daniel Greiner, einem Mitglied der jetzt mit dem "Unesco-Adel" ausgezeichneten Mathildenhöhe. Der Stempel der Münze mit der Inschrift VERBUM DNI (DOMINI) MANET IN AETERNUM (Gottes Wort bleibt in Ewigkeit) wurde von dem Berliner Medailleur und Graveur Otto Schultz geschnitten.

Wie Philipp gegen Karl V. opponierte, so tat der "rote" Großherzog manches, was Kaiser Wilhelm II. und seiner militanten Clique nicht gefiel. Ernst Ludwig war wie jener Landgraf Philipp in der deutschen Fürstenriege eine bemerkenswerte Ausnahmeerscheinung. 1868 in Darmstadt geboren, erhielt der Prinz die übliche militärische Ausbildung. Doch im Gegensatz zu seinem Vater Großherzog Ludwig IV., der von 1837 bis 1892 lebte und 1877 den Thron bestieg, war Ernst Ludwig alles andere als ein begeisterter Soldat. Militärischen Dinge interessierten ihn weniger als Fragen von Kunst und Kultur. Über seine Mutter Alice, die zweite Tochter von Queen Victoria, mit dem englischen Königshaus und dem preußischen Königs- beziehungsweise Kaiserhaus verwandt, galten seine Neigungen der Literatur, dem Theater, der Musik sowie der bildenden Kunst und der Architektur. Darin ähnelte Ernst Ludwig einigen Vorfahren auf dem hessischen Thron, die wie er literarisch tätig waren und komponierten.

Interessiert an Technik, Malerei und Architektur

Großherzogin Alice, Ernst Ludwigs Mutter, war eine Schwester der englischen Prinzessin Victoria, die den preußischen Thronfolger Friedrich geheiratet hatte. Dieser ging als so genannter 99-Tage-Kaiser Friedrich III. in die Geschichte ein, weil er 1888, schon vom Krebstod gezeichnet, als Nachfolger von Wilhelm I. nur 99 Tage deutscher Kaiser und König von Preußen war. Zwar war der älteste Sohn dieses Paares, Kaiser Wilhelm II., eng mit dem Erbprinzen und - ab 1892 - Großherzog Ernst Ludwig verwandt, aber die beiden Männer hätten nicht unterschiedlicher sein können. Der Hesse war im Gegensatz zu Wilhelm II. ein begeisterter Anhänger der Musik von Richard Wagner und ähnelte damit anderen gekrönten Häuptern seiner Zeit, zum Beispiel dem bayerischen König Ludwig II., der 1886 unter mysteriösen Umständen im Starnberger See ertrank. Auch der Komponist Max Reger, der in Darmstadt auftrat und dessen Musik dort gern gespielt wurde, erfreute sich großherzoglicher Förderung.

Noch mehr als für Musik interessierte sich Ernst Ludwig für Malerei und Architektur, die um 1900 einen fundamentalen Wandel erlebte. Aus Frankreich, England und Österreich kommend griff der "Jugendstil", benannt nach der Münchner Kunstzeitschrift "Jugend", um sich. Bereits in seinem ersten Regierungsjahr 1892 entschied sich Ernst Ludwig für eine neue Art, das Hessische Landesmuseum zu bauen. Indem der aus Darmstadt stammende Architekt Alfred Messel mit der Ausführung beauftragt wurde, legte der Großherzog konventionelle, an Renaissance-Paläste oder barocke Schlösser erinnernde Ideen ad acta und sorgte für einen avantgardistischen Museumsbau.

Auflagezahl 1917 drastisch reduziert

Als Ernst Ludwig 1917 sein fünfundzwanzigjähriges Regierungsjubiläum feierte, hat der für Münzangelegenheiten zuständige Bundesrat nicht die beantragte Prägemenge von 100 000 Exemplaren für Drei-Mark-Stücke genehmigt. Stattdessen wurde in Berlin wegen der Silberknappheit im vierten Jahr des Ersten Weltkriegs die Auflage drastisch auf 1333 Stück reduziert. Der Stempel für das Porträtstück mit einem Lorbeerkranz am Hals und den Jahreszahlen 1892 und 1917 zwischen kleinen Sternen wurde von dem Berliner Münzgraveur Reinhard Kullrich nach einem Modell des Darmstädter Bildhauers und Medailleurs Heinrich Jobst geschnitten.

In der Novemberrevolution 1918 verloren Ernst Ludwig und alle anderen deutschen Fürsten ihre Kronen. In der Zeit der Weimarer Republik und der NS-Zeit hielt er sich mit politischen Aktivitäten zurück. Als er am 9. Oktober 1937 auf Schloss Wolfsgarten starb haben viele Landsleute seinen Tod ehrlich betrauert.

26. Juli 2021

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