Viele Seltenheiten zu moderaten Preisen
Über die berühmte Sachsensammlung Otto Merseburger berichtet ein hochinteressanter Katalog von 1894, der 1983 nachgedruckt wurde



Im Unterschied zu heutigen Auktionskatalogen ist der Merseburger-Katalog von 1894 mit nur zwei Tafeln äußerst sparsam illustriert.





Ein Leipziger Goldgulden Herzog Albrecht des Beherzten aus dem späten 15. Jahrhundert wurde im Merseburger-Katalog für 15 Mark angeboten, das war weniger als ein goldenes Zwanzigmarkstück (Nr. 344). Der erste, im Jahr 1500 geprägte und mit RRR gekennzeichnete Guldengroschen (Nr. 340) konnte für 300 Mark gekauft werden.



Wer die mit RR bezeichnete Silbermedaille von 1693 auf die Verleihung des englischen Hosenbandordens an den sächsischen Kurfürsten Johann Georg IV. (Nr. 1310) kaufen wollte, musste 120 Mark bezahlen.



Die Medaille von 1702 auf die Einführung der Straßenbeleuchtung in Leipzig (Nr. 2446) wird im Katalog von Merseburger als selten R bezeichnet und mit 40 Mark bewertet.



Die siebenteilige Serie der Planetenmedaillen von 1719 aus Silber - hier Nummer 2 mit dem Kriegsgott Mars - sollte mit dem Hinweis "neuere Abschläge" für 300 Mark den Besitzer wechseln. Die Serie in Bronze mit vier Originalen und drei neueren Abschlägen wurde mit 100 Mark berechnet, das war etwa der Monatslohn eines ungelernten Eisenbahnarbeiters.







Ein undatierter Schmetterlingstaler aus der Zeit Augusts des Starken aus der Sammlung Merseburger wurde für 90 Mark (Nr. 1574) angeboten.



Wesentlich preiswerter waren mit je vier Mark die Medaillen von 1719 zu haben, die mit Engeln an der Spindelpresse und am Amboss anlässlich der Hochzeit des Kurprinzen Friedrich August (II.) die Münzprägung in Sachsen feiern. (Fotos/Repros: Caspar)



Die wohl bedeutendste private Sachsen-Sammlung wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von dem Leipziger Maler und Verleger Otto Merseburger (1822-1898) angelegt. Seine phänomenale Kollektion mit großen Seltenheiten wurde 1894, also noch zu Lebzeiten ihres Besitzers, von der Leipziger Münzhandlung Zschiesche & Köder zu Festpreisen verkauft. Erhalten blieb ein leider nur mit zwei Bildtafeln ausgestatteter Katalog, der den großen Reichtum dieser Sammlung dokumentiert. Da das Original dieses Nachschlagewerks selten ist, wurde es 1983 vom damaligen VEB Verlag für Verkehrswesen Berlin als Reprint publiziert, so dass das knapp 200 Seiten starke Buch mit 4689 Nummern und noch viel mehr einzelnen Stücken heutigen Sachsen-Sammlern zur Verfügung steht. Da sich die Forschung inzwischen fortentwickelt hat, wird in der Regel nach neueren Sachsenkatalogen zitiert, aber auch "der Merseburger" leistet bis heute mit seinen knappen Beschreibungen gute Dienste.

Wie das von Otto F. Müller, einem Freund von Otto Merseburger, verfasste Vorwort zum Katalog von 1894 und eine Einführung von Gert Oswald für den Nachdruck von 1983 betonen, hatte sich der als Porträtmaler bekannte und geschätzte Verleger vom Briefmarken- zum Münzen- und Medaillensammler gewandelt und suchte, einmal auf den Geschmack gekommen, mit großem Eifer alles, was die sächsischen Fürsten der ernestinischen und albertinischen Linie geprägt haben und was sich generell auf Sachsen, seine Geschichte und seine Persönlichkeiten bezieht. Als Verleger in Leipzig tätig, hatte Merseburger für sein Steckenpferd traumhafte Bedingungen und konnte aus dem Vollen schöpfen, denn die Preise selbst für große Raritäten waren verglichen mit heutigen Verhältnissen moderat. Manche Stücke bekam er zum ungefähren Metallpreis, mitunter konnte er ganze Sammlungen und auch Münzfunde kaufen. Er hielt nach Dubletten Ausschau, die große Kabinette abstießen, um mit dem eingenommenen Geld Lücken zu schließen.

Mit Hochdruck und zäher Ausdauer

Obwohl Merseburger einen riesigen Schatz an sächsischen Münzen, Medaillen, Marken und Zeichen besaß, hat es ihn bis auf eine Ausnahme nie getrieben, sein Wissen und seine Empfindungen als Sammler anderen Leuten mitzuteilen. Lediglich hat er sich in den "Blättern für Münzfreunde" über einen Doppelschilling der Münzstätte Dornburg geäußert. Am 1889 gefeierten achthundertjährigen Jubiläum des Herrscherhauses Wettin hat er sich in Leipzig mit einer Ausstellung von Stücken aus seiner Sammlung beteiligt.

Otto Merseburger sammelte mit Hochdruck und zäher Ausdauer, wie Müller schreibt. Mit Blick auf die günstigen Bedingungen, als nach 1871 die Reichsmark geschaffen wurde und große Mengen alter Münzen in den Schmelztiegel wanderten, notiert der Bearbeiter des Katalogs: "Die damals noch so billigen Preise der Münzen und die mit der Einführung der neuen Reichswährung verbundene Einziehung des alten Geldes und vermeintlich überflüssigen Silbers unterstützten die Absicht Merseburgers außerordentlich, es gelang ihm, namentlich auch weil er mit den Mitteln nicht kargte, in kurzer Zeit einen tüchtigen Grund zu legen. Darauf baute er dann rüstig weiter, sein Name als fleißiger und findiger Sammler ging bald über die Mauern der münzfreundlichen Stadt Leipzig hinaus, und die Schubfächer seiner Schränke füllten sich mehr und mehr."

Scharfes und geübtes Auge

Wo sächsische Münzen verkauft wurden, habe der an Kunst interessierte und an den Malerakademien in Dresden und München ausgebildete Merseburger nicht gefehlt, heißt es in Müllers Vorwort weiter. Merseburger habe die Kunst auch in seinen Sammlungen weiter gepflegt, "und so zeichnen sich seine Münzen durch ihre gute Erhaltung und ihre Schönheit aus." Er habe ein scharfes und geübtes Auge gehabt, was die große Menge der vorhandenen vorzüglichen Denk- und Schaumünzen erklärt. "So ist seine Sammlung alten und neuen Geldes in allen Metallen, der Denk- und Schaumünzen, der Marken und Jettons, der Porträtmedaillen, der Münz- und Kammermeisterpfennige bis auf über 11 000 Nummern angewachsen. [...] Dass die sämmtlichen Prägungen eines Jahrganges, die Doppelthaler, Thaler, Halb- und Ortstaler, Achtelthaler, Groschen, Sechser, Dreier, Pfennige und Heller wenn irgend möglich beschafft wurden, war für Merseburger selbstverständlich, und wenn er Alles glücklich zusammen hatte, dann - griff er eben zu neuen Folgen".

Des Sammlers Ehrgeiz war es, nicht nur die numismatischen Hinterlassenschaften der sächsischen Land- und Markgrafen, der Kurfürsten und Könige in seinen Besitz zu bekommen, sondern auch die der sächsischen Nebenlinien, die heute nur noch Spezialisten kennen, sowie solche der großen und kleinen Städten, die sich mit Münzen und Medaillen ein numismatisches Denkmal errichtet haben. In dem Katalog finden sich neben den regulären Münzen und Medaillen auch Abschläge in abweichenden Metallen sowie Probemünzen und andere Sonderlinge.

Seltenheiten für ein paar hundert Mark

Die Hoffnung im Vorwort, das vorliegende Verzeichnis möge sich ob seiner qualitativen als auch quantitativen Reichhaltigkeit als ein sehr brauchbares Nachschlagebuch auch für spätere Zeiten erweisen und den Namen Merseburger in verdienten Ehren erhalten, gingen in Erfüllung. Kein Sachsen-Katalog, der nicht den Katalog Merseburger zitieren würde, der Goldmarkpreise zwischen wenigen Pfennigen, ein- bis zweistelligen Markbeträgen und in wenigen Fällen bei besonderen Raritäten wie Mehrfachdukaten oder "dicken" Mehrfachtalern schon mal bis 300 Mark (M) und mehr nennt. Während für Engelgroschen aus der Zeit Friedrichs des Weisen eine bis drei Mark verlangt werden, berechnet der Katalog für den allerersten Klappmützentaler aus dem Jahr 1500 mit 300 Mark und alle weiteren je nach Erhaltung 45 Mark und weniger und für einen Leipziger Goldgulden 50 Mark. Für einen doppelten "nicht beschriebenen" und mit RRRR klassifizierten Klappmützentaler musste man 600 Mark hinblättern, und das konnten nur ganz wenige Enthusiasten tun.

Bei den uns heute lachhaft anmutenden Preisen ist zu beachten, dass in der Kaiserzeit ein ungelernter Eisenbahnarbeiter in der Woche 23,70 Mark und gelernt 34,56 Mark bekam, ein Buchdrucker bekam einen Wochenlohn von 31,65 Mark, ein gelernter Maurer 40 Mark, ein ungelernter Hilfsarbeiter 27 Mark, ein Schlosser 21,40 M, ein Maurer 24,35 M und ein Tischler 22,25 M. Höhere Staatsbeamte, die ein Jahresgehalt von 6000 Mark bekamen, und ähnliche Großverdiener sowie Millionäre konnten sich, wenn sie denn Münzsammler waren, die teuren, von Merseburger bisweilen mit R, RR, RR und sogar RRRR gekennzeichneten Raritäten leisten, so genannte "kleine Leute" waren froh, wenn sie von ihrem geringen Einkommen ein paar Mark erübrigen konnten, um Groschen oder häufige Taler zu kaufen, für die Pfennige oder auch mehrere Mark verlangt wurden.

Kommt her, es ist alles bereit

Dass sich der 72jährige Otto Merseburger angesichts der "Gebresten des Alters", wie Otto F. Müller schreibt, schon zu Lebzeiten von seinen Schätzen trennte, muss für ihn eine schwere Entscheidung gewesen sein. Nur wenige Jahre hatte der Maler, Verleger und Sachsensammler noch zu leben. Er starb am 14. November 1898 in seiner Heimatstadt Leipzig und ist den Münzfreunden dort und darüber hinaus bis heute ein Begriff. Der mit dem Sammler befreundete Bearbeiter des Katalogs und sagt "uns Jüngern des Heiligen Eligius" mit den Worten des Evangelisten Lucas "Kommt, denn ist alles bereit". Wie erfolgreich der Sammlung Merseburger war, wissen wir nicht, er dürfte sich über längere Zeit erstreckt haben. Gelegentlich wird in heutigen Auktionen das eine oder andere Stück als aus dieser ungewöhnlich reichhaltigen Kollektion stammend bezeichnet. 15. April 2021

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