Korsika - Paris - Waterloo - Sankt Helena
Der vor 200 Jahren verstorbene Kaiser Napoleon I. wurde durch zahllose Medaillen geehrt



Die englische Karikatur verspottet Napoleon I. als Bäcker neuer Fürstentümer. Der darob zutiefst erboste Kaiser hätte die frechen Zeichner am liebsten aufgehängt.



Die Stiftung der Ehrenlegion 1804 wird auf dieser Medaillen gefeiert. Militärische Niederlagen hatten auf solchen Geprägen keinen Platz.



Die Medaille von 1804 feiert die antiken Göttinnen Clio (Geschichtsschreibung) und Moneta (Münzprägung). Auf der kleinen Medaille von 1812 ist eine Spindelpresse zu sehen, auf der solche Prägungen entstanden.





Beim Brand von Moskau im September 1812 blieb im Wesentlichen nur noch der Kreml übrig. Der Rückzug der von ihrem Kaiser im Stich gelassenen Grande Armée aus dem eisigen Russland wurde auf das Wirken unkalkulierbarer Naturgewalten zurückgeführt.



Auch als Toter war der Kaiser der Franzosen für Medailleure wichtig. Die Medaille von 1840 zeigt die Ankunft des Ex-Kaisers auf einem Raddampfer unter der Brücke von Rouen.



Um den tonnenschweren Sarkophag im Pariser Invalidendom künden Siegesgöttinnen, Reliefs und Inschriften vom Ruhm des "Unsterblichen", wie viele Franzosen auch heute Napoleon I. nennen. Foto: Wikipedia



Seine Getreuen hefteten sich diese ovale Medaille mit dem Bildnis des 1821 verstorbenen Kaisers an die Brust. (Fotos/Repros: Caspar)

Binnen weniger Jahre brachte es der am 15. August 1769 in Korsika geborene Leutnant Napoleon Bonaparte zum General, Ersten Konsul und zum Kaiser der Franzosen und zeitweilig mächtigsten Mann in Europa. Doch dauerte es nach der spektakulären Krönung am 2. Dezember 1804 nur zehn Jahre, bis sein Traum, Europa wie Karl der Große unter seinem Zepter zu vereinen, ausgeträumt war. Nach einer Serie blutiger Eroberungskriege sowie seiner Entmachtung 1814 und endgültigen Verbannung 1815 starb der Emporkömmling am 5. Mai 1821, vor 200 Jahren, im Exil auf der fernen Insel Sankt Helena mit knapp 52 Jahren. Im Triumphzug wurden 1840 seine sterblichen Überreste nach Frankreich für ein ehrenvolles Begräbnis im Pariser Invalidendom zurück geführt. Zahlreiche Medaillen aus der Epoche Napoleons I. und danach bilden ein interessantes Sammelgebiet, für das das dreibändige, auch als Nachdruck verfügbare Standardwerk von L. Bramsen "Médaillier des Napoléon le Grand" (Paris 1903-1913) und weitere Publikationen alle notwendigen Angaben liefern.

Für die einen ist der Kaiser der Franzosen ein genialer Staatsmann und Kriegsherr, und für andere ist er bis heute als Usurpator und Kriegsverbrecher in Erinnerung. In Frankreich wurde das Jahr 2021 zum Année Napoléon ausgerufen, doch sind die Gedenkfeiern von der Corona-Pandemie überschattet. Der Blick auf ihn ist dort anders als hierzulande, und das hat mit dem wirklichen oder vermeintlichen Ruhm zu tun, den er der Grande Nation einbrachte beziehungsweise mit den Leiden, die er unbarmherzig den von ihm unterworfenen und ausgebeuteten Ländern zufügte. Unabhängig davon aber wird man sich an seinem 200. Todestag daran erinnern, dass das napoleonische Frankreich half, feudale Strukturen im alten Europa und namentlich im Römisch-deutschen Reich und in anderen Ländern aufzubrechen und dem Kontinent den Weg in die Moderne zu ebnen.

Sagenhafter Aufstieg an die Spitze des Staates

Napoleon Bonaparte hatte einen sagenhaften Aufstieg hinter sich, als er sich am 2. Dezember 1804 in der Pariser Kirche Notre Dame feierlich zum Kaiser der Franzosen krönte. Er trug jetzt zwar eine Krone und verglich sich mit Karl dem Großen, dem Einiger Europas. Doch richtig anerkannt war er ungeachtet seiner militärischen Erfolge und Eroberungen und der Modernisierung seines Landes in der europäischen Fürstenriege nie. Man sah in ihm einen rücksichtslosen Emporkömmling und Blutsäufer. Da half es auch nicht, dass er seine Familienangehörige mit den alteingesessenen Dynastien verheiratete und er selber 1810 die österreichische Kaisertochter Marie Louise ehelichte und mit ihr einen mit dem Titel eines Königs von Rom bedachten Sohn hatte.

Napoleon Bonaparte wurde schon vor seiner Kaiserkrönung im Dezember 1804 prachtvoll auf geprägtem Metall im Stil einer "Histoire métalique" gefeiert. Auf ihnen ist er mit seinem glatten, makellosen Profil präsent, der Lorbeerkranz im Haar erinnert an Darstellungen der römischen Kaiserzeit. Einige Motive sind antiken Skulpturen und Münzen nachempfunden. Die Signatur DENON DIR. (Denon direxit) unterstreicht, dass der Direktor des Louvre und der Pariser Medaillenmünze, Baron Dominique Vivant Denon, der führende Kopf und Inspirator der Medaillenfolge war. Hingegen zeichneten die ausführenden Stempelschneider Andrieu, Brandt, Brenet, Droz, Galle, Gayrard, Jaley, Jeuffroy und viele andere mit ihrem Namen und dem Zusatz F. (fecit). Die Graveure erhielten pro Stempel mehrere tausend Francs Lohn, hingegen hat man die Zeichner der Entwürfe mit weniger als hundert Francs abgespeist. Der ehemalige königliche Kammerherr und Diplomat Denon war zu Recht davon überzeugt, dass Medaillen "die einzigen Zeugnisse des Ruhms (sind), die alle Jahrhunderte überdauern".

Propaganda wie bei den alten Römern

Mit diesem Ziel entstand unter Denons Regie und in engem Kontakt mit seinem kaiserlichen Auftraggeber eine bedeutende Medaillenserie, aus der immer wieder interessante Stücke vom Münzhandel angeboten werden, und zwar als Originale als auch von der Pariser Administration de la Médaille herausgegebenen Nachprägungen. Auffällig ist, dass Gold- und Silbermünzen nicht als Propagandamittel eingesetzt wurden, wie man sie etwa aus deutschen Monarchien kennt. Vorschläge aus der Zeit vor 1800 in Preußen, Gedenktaler zur Erinnerung an bedeutende Ereignisse und Gestalten zu prägen, wurden Jahrzehnte später nicht dort, sondern in Bayern unter den Königen Maximilian I. und dann verstärkt unter Ludwig I. realisiert. Auch diese Gedenkmünzen sind beliebte, vom Handel regelmäßig angebotene Sammelstücke.

Alle wichtigen Haupt- und Staatsaktionen Napoleons, wie man damals sagte, die von ihm gewonnenen Schlachten von Bedeutung und andere Ereignisse wie die Besetzung europäischer Throne durch Angehörige des Bonaparte-Clans sowie die Rangerhöhung von Monarchen, die dem Kaiser hörig waren, wurden durch exzellente Gepräge verherrlicht. Man wusste, welch große Rolle kaiserliche Propaganda bei den römischen Caesaren spielte. Da lag es nahe, ihnen durch künstlerische Höchstleistungen und eine ausgeklügelte Emblematik nachzueifern. Niederlagen und Rückzüge waren natürlich nicht die Prägung von Medaillen wert, dies taten die Gegner des Kaisers der Franzosen. Nach seinem Sturz und der Verbannung erst nach Elba (1814/15), der historischen Niederlage in der Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 und der darauf folgenden Deportation auf einem britischen Schiff auf die winzige Insel Sankt Helena im Südatlantik verschwand der Name des durch zu enge Anlehnung an das bisherige Regime kompromittierten Denon von den Medaillen. Dies zeigt beispielsweise der Vergleich einer ganz dem Stil des Klassizismus verpflichteten Prägung von 1804 mit ähnlichen Geprägen aus der Zeit der Restauration nach 1814/15. Clio, die Göttin der Geschichtsschreibung, und Moneta, die Göttin der Münzprägung, stehen auf der Medaillenrückseite von 1804 an einer langarmigen Spindelpresse. Die hier sichtbare Signatur DENON D. entfiel auf Prägungen der Zeit nach Napoleons Entmachtung.

Desaster im eisigen Russland

Betrachtet man Napoleons Medaillen an, dann sieht man, dass man es auf ihnen mit der Wahrheit nicht immer genau nahm. Völkerrechtsverletzungen werden als Befreiungstaten, das Diktat schmachvoller Friedensverträge als Gunstbezeugung, die Absetzung alteingesessener Dynastien und die Thronbesteigung von Verwandten und Vertrauten als Sieg der Vernunft und historische Notwendigkeit verherrlicht. Kleine Siege, die heute keiner mehr kennt, wurden durch Medaillen aufgewertet.

Als der Kaiser im Sommer 1812 mit seiner Grande Armée in Russland einfiel, ließ er sich auf ein gefährliches Abenteuer ein. Er glaubte, mit dem Zarenreich ein leichtes Spiel zu haben. Zwar besetzte er, von einem Sieg zum anderen eilend, die alte Hauptstadt Moskau und machte sich im Kreml breit. Doch da Zar Alexander I. sowie der Hof und das Militär bis auf wenige Personen abgezogen waren, fand Napoleon nur leere Räume vor. Katastrophal wirkte sich der Brand von Moskau aus, der am 2. September, dem Tag der Ankunft der Armee, gelegt wurde und vier Tage wütete. Zwei Drittel der Wohnhäuser in Moskau und fast die Hälfte der Kirchen und Klöster wurden Raub der Flammen. In ihnen kamen an die 2000 russische Verwundete ums Leben, die nicht rechtzeitig evakuiert werden konnten. Bei dem Brand waren unzählige historische Bauten vernichtet. Verschont blieb nur Kreml. Das Feuer machte den Okkupanten das Leben schwer und zwang sie zum Rückzug durch das eisige Russland.

Vom traurigen Schicksal der Soldaten, die an Hunger, Kälte und Krankheit krepierten, ist auf den Medaillen zu dem Russlandfeldzug nichts zu sehen. Der Kaiser machte sich nach dem Desaster mit dem Pferdeschlitten in Richtung Frankreich aus dem Staub. In einem Bulletin räumte er ein, das "Unternehmen" sei nicht gelungen, Schuld sei das Wetter gewesen. Wie zum Hohn für alle, die ihre Angehörigen in Russland unter schrecklichen Bedingungen verloren hatten, oder als Invaliden zurück kamen, erklärte der Kaiser, seine Gesundheit sei niemals besser als jetzt. Von den über 600 000 in Russland eingefallenen Soldaten kamen nur zwischen 20 000 und 80 000 krank und erschöpft in die Heimat zurück. Das französische Desaster war so groß, dass sich von Napoleons Gnaden abhängige Völker und Regierungen entschlossen, die Fremdherrschaft abzuschütteln.

Ewig bleibt der Code civil

Napoleons Gemahlin Marie Louise verließ 1814 samt Sohn, dem so genannten König von Rom, ihren Mann und ließ ihn auch im Exil allein. Da sie die Tochter des römisch-deutschen (bis 1806) und österreichischen Kaisers Franz I. war, konnte man sie nicht irgendwohin ins Abseits verbannen, sondern überließ ihr auf dem Wiener Kongress 1814/15 die italienischen Herzogtümer Parma und Piacenza sowie Guastalla. Um ihren Erstgeborenen, den am Hof bei seinem Großvater Franz I. in Wien als Herzog von Reichstadt leben Sohn Joseph Karl Franz, kümmerte sie sich kaum. Der auf Medaillen und einigen Fantasieprägungen als Napoleon II. dargestellte junge Mann starb im Jahr 1840. Hitler ließ 1940 den Sarg mit seinen Gebeinen als Reverenz an die im besetzten Frankreich nicht unwichtigen Bonapartisten aus der Wiener Kapuzinergruft nach Paris bringen und neben dem monumentalen Sarkophag seines Vaters im Invalidendom neu aufstellen.

Zu Napoleons herausragenden politischen Leistungen mit weitreichenden rechtlichen Folgen gehört der Erlass des Code civil, der 1804 durch eine Medaille gewürdigt wurde. Für viele Staaten, darunter auch deutsche Fürstentümer, wurde die damals geradezu revolutionäre Paragrafensammlung zum Vorbild für eigene Gesetzestexte. In Erfüllung ging, was sein Urheber vorausgesagt hatte: "Was ewig bleiben wird, ist mein Code civil". Solange Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts über andere Länder herrschte, wurde auch dort der Code civil eingeführt und angewandt, mit dem sich sein Urheber positiv in das Buch der Geschichte einschrieb. Geltung hatte das Gesetzeswerk auch in ehemals deutschen Gebieten links des Rheins, die Frankreich annektiert hatte. Außerdem übernahmen einige deutsche Fürstentümer die neue französische Rechtsordnung. Nachdem Napoleon von der Bühne abgetreten war, wurden in Frankreich und anderen Ländern die alten Feudalverhältnisse restauriert. Doch nahm man nicht überall von den Prinzipien des Code civil Abstand. Vor allem in West- und Südeuropa sowie in Nord- und Südamerika und in Afrika orientierte man sich an französischen Rechtsnormen mit all ihren Vor- und Nachteilen. In Deutschland gab es unterschiedliche Haltungen zu diesem Thema. Da der Zug der Zeit nicht aufzuhalten war, übernahm das Bürgerliche Gesetzbuch aus dem Code civil manche Paragraphen.

Gefangener am Ende der Welt

Als der Kaiser nach einer Serie militärischer Niederlagen in den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 und seiner Absetzung und Verbannung auf die Insel Elba mit der "Herrschaft der hundert Tage" sein Comeback durch die Niederlage seiner Armee in der berühmten Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 endgültig verspielt hatte, begab er sich in britische Gefangenschaft in der Hoffnung, man werde ihm eine respektvolle Behandlung als Kaiser der Franzosen zukommen lassen, und sein Exil werde nicht lange dauern. Doch die Sieger wollten diesmal sichergehen und deportierten den aus dem Himmel der Macht in den Abgrund der Machtlosigkeit gefallenen, aber immerhin am Leben gelassenen Herrscher mit dem Schiff HMS Northumberland auf die Insel Sankt Helena, wo ihm das Longwood House als Wohnsitz zugewiesen wurde.

Hier gelang dem Ex-Kaiser so etwa wie einen kleinen Hofstaat zu halten. Auf dem Eiland am Ende der Welt diktierte der zum Nichststun verurteilte, misstrauisch von britischen Soldaten und dem Inselgouverneur Hudson Lowe schäbig behandelte Gefangene seine Memoiren. Lowe hatte panische Angst, der Ex-Kaiser könnte sich wie 1814 von der Insel Elba im Mittelmeer heimlich davon machen, was angesichts seines angegriffenen Gesundheitszustandes und der Abgeschiedenheit ein Ding der Unmöglichkeit gewesen war. Napoleons Unterkunft war alles andere als kaiserlich. Das einfache Landhaus war nass und von Schimmel befallen, außerdem soll es voller Ratten gewesen sein. Auf einer Anhöhe gebaut, waren das Gebäude und seine wenigen Bewohner ungeschützt den Unbilden der Witterung im Südatlantik ausgesetzt.

Mit dem Inselkommandanten kam der Ex-Kaiser nicht gut aus, er ging ihm aus dem Weg und machte sich über dessen Ängste vor einer möglichen Flucht lustig. Wenn es möglich war, kümmerte sich der Gefangene um seinen Garten, litt an zunehmender Krankheit und Depression und starb verbittert am 5. Mai 1821. Vor einigen Jahren wurden in Paris seine Aufzeichnungen aus der Zeit seiner Verbannung versteigert. Darin bekundet er seinen Wunsch, in der Heimat bestattet zu werden, was knapp 30 Jahre später erfolgte. Der Leichnam des Ex-Kaisers wurde vier Tage später in einem vierfachen Sarg beigesetzt. Dass er vergiftet wurde, ist ein langlebiges Märchen, denn tatsächlich starb er an fortgeschrittenem Magenkrebs. Forscher kamen vor einigen Jahren zu dem Schluss, dass er auch bei einer Rückkehr angesichts des todbringenden Tumors nicht mehr die Möglichkeit gehabt hätte, erneut entscheidend in das Rad der Geschichte einzugreifen.

3. März 2021

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