"Alt Heidelberg du feine..."
Medaillen erzählen, wie Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XIV. die Pfalz mit Feuer und Schwert überzog





Das Heidelberger Schloss erhebt sich 80 Meter über dem Neckar und dominiert die Altstadt. Die nur noch als Torso erhaltene Residenz der Kurfürsten von der Pfalz gehört zu den bedeutendsten Bauwerken der Renaissance nördlich der Alpen.



Die Medaille von 1693 mit dem Bildnis des Ludwig der Große genannten französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. zeigt auf drastische Weise, wie seine Soldaten in der Heidelberger Gruft die Särge der Kurfürsten ausrauben und schänden.



Mit der Darstellung plündernder und mordender Soldaten mahnt die Medaille von 1688 DENCK TEVTSCHLAND AN DEN FRIEDENBRVCH DIE HVLFE DVRCH TREV u. EINTRACHT SVCH. Die Allegorie auf der Rückseite fordert die Deutschen zu entschlossenem und gemeinsamem Handeln gegen die Franzosen auf.



Das von einem Löwen bewachte Wappen der Kurfürsten von der Pfalz aus dem Jahr 1583 schmückt die Fassade des Heidelberger Schlosses.



Das 1591 unter Pfalzgrafen (Kurfürsten) Johann Casimir gebaute Heidelberger Weinfass wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört. Die achteckige Medaille von 1667 zeigt das zweite Fass und dazu das hoch über dem Neckar gelegene Heidelberger Schloss vor seiner Zerstörung. Die lateinische Inschrift IMAGUNEM VIDES PALATINI CADI QUO MAIOR HAUD ULLUS NEC EXPOLITIOR (etwa: Du siehst ein Bild des pfälzischen Fasses, ein größeres und schöneres gibt es nicht" verkündet den Ruhm Bauherrn. Auf der Rückseite ist halten zwei Engel ein Banner mit dem Motto Karl Ludwigs DOMINVS PROVIDEBIT - Der Herr wird vorsorgen. (Foto: Landesmuseum Württemberg Stuttgart)



Das Große Fass, das im Heidelberger Schloss viel Bewunderung findet, ist das vierte seiner Art. Die Oberseite war begehbar und als Tanzboden ausgebaut. Die Ausgabe von 1727 unterstreicht seine Monumentalität durch die Treppen, auf der man das Dach erklimmen konnte. (Fotos/Repros: Caspar)

Das Heidelberger Schloss ist eine der berühmtesten Ruinen Deutschlands und zugleich das Wahrzeichen der Stadt. Das Bauwerk entstand ursprünglich als wehrhafte Burg an strategisch günstiger Lage oberhalb des Neckartals und wurde in der Renaissance zu einer prachtvollen Residenz der Kurfürsten von der Pfalz ausgebaut. Seit den schweren Zerstörungen 1689 und 1693 im Pfälzischen Erbfolgekrieg durch Soldaten des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. wurde das Schloss nur teilweise restauriert. 1764 fügte ein schwerer Brand nach einem Blitzschlag dem Schloss weiteren schweren Schaden zu. Die weitläufige Ruine wurde als Steinbruch für das neue Sommerschloss der Kurfürsten von der Pfalz in Schwetzingen und Hausbauten in Heidelberg verwendet. Erst Ende des 18. Jahrhunderts haben Dichter und Maler die Umfassungsmauern als Sinnbild für Vergänglichkeit entdeckt.

In der Epoche der gegen Frankreich geführten Befreiungskriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam das Heidelberger Schloss als patriotisches Monument herausragendes Kunst- und Architekturdenkmal zu Ehren, die Romantiker kamen bei seinem Anblick ins Schwärmen. Das von Simon Anton Zimmermann vertonte Lied des Dichters Victor von Scheffel machte die Runde: "Alt Heidelberg du feine / Du Stadt an Ehren reich / Am Neckar und am Rheine / Kein andre kommt dir gleich / Und stechen mich die Dornen / Und wird mir's da zu kalt / Geb ich dem Ross die Sporen |: / Und treibs ins Neckartal."

Der Staat bin ich

1640 als Fünfjähriger nach dem Tod seines Vaters Ludwig XIII. auf den Thron gelangt, konnte Ludwig XIV. zunächst nur unter Vormundschaft regieren. Erst 1661 ließ er seine Minister und die Welt wissen, dass er "absolut" zu herrschen gedenke und niemand neben sich duldet. "Der Staat bin ich" soll der selbstverliebte Alleinherrscher gesagt haben. Erbarmungslos schlug der von mit ungeheurer Machtfülle ausgestattete, durch keine Schranken gehemmte Monarch alles nieder, was sich ihm entgegen stellte, auch Widerstand in der eigenen Verwandtschaft, die nach seiner Krone trachtete. Als junger Mann hatte er mit Aufständen gegen seine Steuer- und Kriegspolitik zu tun. Während das Volk bis hinein in die begüterten Schichten von skrupellosen Steuereintreibern und auf anderem Weg ausgesaugt wurden, behielten Adel und Kirche, die beiden ersten Stände, ihre Privilegien und mussten sich nicht an den enormen Staatsausgaben für Kriege, Prunkbauten und das kostspielige Leben am königlichen Hof beteiligen, sondern profitierten von ihm und ihrer Nähe zum Herrscher.

Dieses zum Himmel schreiende Oben und Unten steigerte die Volkswut und spielte der gegen den König gerichteten "Fronde" in die Hände. Einhundert Jahre später gipfelte die Volkswut auf blutige Weise in der Revolution von 1789, weil sich seit Ludwig XIV. an den Verhältnissen prinzipiell nicht verändert hatte. Wer sich ihm in den Weg stellte, hatte mit Ungnade, Haft und Todesstrafe zu rechnen. Der Monarch brachte sein Land mit Waffengewalt und Diplomatie, mit Feuer, List und Tücke und durch Zahlung von Bestechungsgeldern an andere Fürsten an die Spitze Europas.

Niemand war vor Rache sicher

Der Sonnenkönig wählte unser Zentralgestirn zum Symbol, bis zu seinem Tod am 1. September 1715 prägte er eine ganze Epoche. Überaus prunkvoll in Versailles residierend und von einem Heer von Hofschranzen und Dienern umkreist, überzog der sein langes Leben um Macht und Ansehen fürchtende, dabei von vielen Krankheiten geplagte Herrscher sein Land mit einem Heer von Polizisten und Spitzeln. Niemand war vor Verfolgung und Rache sicher, selbst Personen in der eigenen Familie taten gut, sich mit dem Allerchristlichsten König gut zu stellen, wie sein offizieller Titel lautete. Seinetwegen musste tausende Hugenotten das Land verlassen und fanden in protestantischen Ländern eine neue Heimat. Der Exodus hatte für Frankreich erhebliche wirtschaftliche und kulturelle Folgen. Als Ludwig XIV. 1715 starb, war das Land bankrott. Die wirtschaftliche Not zu lindern, wurde massenhaft Papiergeld ausgegeben, das aber von den Bewohnern abgelehnt wurde.

Fragwürdige Erbansprüche vortäuschend, überzog er Frankreichs Nachbarstaaten mit Krieg und eignete sich alles an, was ihm und seinen Söldnern in die Hand fiel. In ihren Briefen kommentiert Liselotte von der Pfalz, die Schwägerin des Sonnenkönigs, die Erfolge und Misserfolge der Franzosen im Spanischen Erbfolgekrieg und bei früheren Kriegen und Schlachten. Sie kommt nicht darüber hinweg, was französische Soldaten in ihrer alten Heimat, der Kurpfalz und den Städten Mannheim und Heidelberg, antun, und sie bittet zu Gott, dass die Mordbrennereien nicht ungesühnt bleiben. Dass die Plünderungen und Mordbrennereien in der Pfalz vom König damit begründet wurden, er wolle nur Liselottes Erbansprüche durchsetzen, hat die Briefschreiberin besonders in Rage versetzt. Sie sieht ihren guten Namen missbraucht, "um die armen Leute ins äußerste Unglück zu stürzen. Und wenn ich darüber schreie, weiß man mirs gar groben Undank und man protzt mit mir darüber. Sollte man mir aber das Leben darüber nehmen wollen, so kann ich doch nicht lassen, zu bedauern und zu beweinen, dass ich sozusagen meines Vaterlands Untergang bin." Der Beschuss von Mannheim, "welches der Kurfürst, mein Herr Vater selig, mit solchem Fleiß hat bauen lassen; das macht mit das Herz bluten, heißt es in einem ihrer Briefe.

Barocke Histoire métallique

Zahlreiche Münzen und Medaillen erinnern an Kriege und Mordbrennereien vor und nach 1700, aber auch an Friedensschlüsse und andere so genannte Haupt- und Staatsaktionen wie Geburten, Hochzeiten und Todesfälle in der Herrscherfamilie sowie Krönungen, Ordensverleihungen, die Errichtung von Denkmälern und den Bau von Kirchen. Auf den Medaillen erscheint der König von Frankreich als unbesiegbarer Feldherr, als treusorgender Vater des Vaterlandes sowie als frommer Christ und als Stifter wissenschaftlicher und kultureller Institutionen. Diese barocke "Histoire métallique" trug den Ruhm des damals in vieler Hinsicht tonangebenden und dabei gefürchteten allerchristlichsten Königs in alle Himmelsrichtungen und stellt auch heute ein interessantes, freilich schwer zu komplettierendes Sammelgebiet dar.

Über Verwüstungen, Plünderungen und Morde in der Pfalz, die im späten 17. Jahrhundert auf das Konto der von Ezéchiel du Mas, Comte de Mélac, geführten Soldaten des Sonnenkönigs gehen, wird bis heute in Heidelberg erzählt. Der machtgierige Herrscher fühlte sich berechtigt, in das Kurfürstentum einzufallen, weil einer seiner Brüder mit Liselotte von der Pfalz verheiratet war. Nach dem Tod von Kurfürst Karl im Jahr 1684 und dem Wechsel der Kurwürde auf die Linie Pfalz-Neuburg erhob der Sonnenkönig Ansprüche auf pfälzische Gebiete, was aber der in Regensburg tagende Reichstag ablehnte. Im darauf folgenden Erbfolgekrieg wurde Heidelberg, die Haupt- und Residenzstadt der Kurfürsten von der Pfalz, von Truppen des Mordbrenners Melac belagert. Das Schloss wurde bis auf die Außenmauern zerstört, außerdem haben die Franzosen viele Städte und Dörfer in der Rheinebene dem Erdboden gleichgemacht und dabei furchtbare Blutbäder angerichtet.

Deutschland denke an den Friedensbruch

Heidelberg wurde 1688 und 1693 von französischen Truppen eingenommen und dabei komplett verwüstet. Die Soldaten plünderten, was ihnen in die Hände fiel, und sie scheuten sich auch nicht davor, die Särge in der kurfürstlichen Gruft aufzubrechen und nach kostbaren Grabbeigaben zu durchwühlen. Die grausige Szene wird auf einer Medaille von 1693 mit dem Kopf von Ludwig XIV. drastisch geschildert. Eine andere Medaille zeigt unter dem Motto "Denck Deutschland an den Friedensbruch", wie sich französische Truppen über die Festung Philippsburg sowie Heidelberg und Koblenz hermachen und die Bevölkerung plündern und morden. Weitere Medaillen dokumentieren die Beschießung und Einnahme von Mainz, Bonn und anderen Städten und feiern den König von Frankreich als unbesiegbaren Triumphator. Nicht immer haben sich die Bewohner verteidigt, manche Städte ergaben sich freiwillig. Allerdings wurde ihre Hoffnung auf Schonung und Milde enttäuscht, denn es gehörte zur damaligen Kriegführung auf allen Seiten, den Gegner auszurauben und beim Rückzug nur noch verbrannte Erde und viele Tote zu hinterlassen.

Doch nicht nur solch grausige Geschichten erwährt man in der nach der Corona-Pandemie nun wieder zum Leben erwachten ehemaligen Residenzstadt, sondern auch was es mit dem berühmten Heidelberger Fass auf sich hat, von dem in der Barockzeit verschiedene Medaillen hergestellt wurden. Eine Prägung von 1727 zeigt nicht nur die Ansicht des über 200 000 Liter fassenden, reich mit Figuren geschmückten Weinbehälters, sondern lobt auch Kurfürst Carl Philipp, der das Fass "nach des Feinds Gefahr" wie Phoenix aus der Asche aufsteigen ließ. Zu sehen ist auf der Medaille zwei seitliche Treppen, über die man auf eine Plattform oberhalb des Fasses klettern und dort, wie die Fama erzählt, sogar tanzen konnte. Da das Fass nicht dicht, war, musste schon bald ein neues gebaut werden. Dieses nach dem Kurfürsten Karl Theodor benannte Fass versetzt heute bei Führungen Schlossbesucher aus dem In- und Ausland zu Entzücken. Erfasst sind die Medaillen der Pfalzgrafen und Kurfürsten von der Pfalz in einem zweibändigen Werk, das Anneliese Stemper, eine Mitarbeiterin des Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg, 1997 in der Wernerschen Verlagsgesellschaft Worms verbunden mit Darlegungen über die wechselvolle, von Glanz und Elend geprägte Geschichte der Region und die Nutzung von geprägtem Metall als Mittel zur fürstlichen Selbstdarstellung veröffentlicht hat (ISBN 3-88462-133-5).

In der numismatischen Literatur unter dem Stichwort "Pax in nummis" verzeichnet, feiern zahlreiche Medaillen den König von Frankreich und andere Potentaten als unbesiegbaren Heerführer und Eroberer, der fremde Städte und Festungen beschießen lässt und über seine Gegner hinweg reitet. Viele Siege waren blutig und teuer erkauft und nur von zeitweiliger Dauer. Beim Anblick der Gedenkmünzen und Medaillen zeigt sich die große Bedeutung geprägten Metalls für die Verewigung wichtiger Zeitereignisse, die Verherrlichung der handelnden Personen und die Verteufelung der gegnerischen Seite. Da sie in der Regel mit lateinischen Inschriften versehen waren und das Lateinische überall verstanden wurde, fanden die von talentierten Künstlern geschaffenen Arbeiten überall Aufmerksamkeit und Nachahmung.

5. Juni 2021

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"