Die Räuber stiegen durch die Hintertür ein
Dem Bayerischen Hauptmünzamt München kam 1906 für wenige Tage ein Sack mit frisch geprägten Goldmünzen abhanden







In der MONETA REGIA, der königlich-bayerischenen Münze im Herzen von München, fiel 1906 ein ganzer Sack mit frisch geprägten Goldmünzen zwei Dieben in die Hände, doch schon bald kam die Polizei ihnen auf die Schliche, und die Strafe ließ nicht lange auf sich warten.



Prinzregent Luitpold, der auf einer Medaille von 1909 zur Hundertjahrfeier der Königlich-bayerischen Münze in Müchen dargestellt ist, schäumte, als er von dem durch Schlamperei verursachten Goldklau hörte und ordnete eine strenge Untersuchung an.



Die Medaille von 1986 zeigt den aus der Renaissance stammenden Arkadenhof der Münchner Geldfabrik. Das Gebäude am Hofgraben 4 ist seit 1986 Sitz des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Das Hauptmünzamt ist heute in einem Neubau an der Zamdorfer Straße tätig.



Wer Zehnmarkmünzen mit dem Bildnis König Ottos von 1906 D besitzt, hat vielleicht Stücke aus der Beute von Ruff und König in Händen. Ansehen wird man das den Goldfüchsen natürlich nicht.



Die Spottpostkarte von 1906 vergleicht die "Die Normalleistung eines bayrischen und eines preussischen Soldaten". (Fotos/Repros: Caspar)

Im Jahr 1906 hatten die Leute im Deutschen Reich ordentlich zu lachen. Der Raub der Stadtkasse der damals noch selbstständigen Stadt Köpenick machte den "Hauptmann von Köpenick" zu einer berühmten, in allen Witzblättern gefeierten Figur. Sogar Kaiser Wilhelm II. soll sich amüsiert und gesagt haben, da sehe man, was eine preußische Uniform alles ausrichten kann. Nach Verbüßung seiner durch eine kaiserliche Gnadenerweisung verkürzten Haft tingelte der vielfach vorbestrafte Wilhelm Voigt durch die Lande und erwarb sich auf Jahrmärkten durch Verkauf von Postkarten und manch andere Geschäfte ein kleines Vermögen, das allerdings durch Geldentwertung im und nach dem Ersten Weltkrieg wieder wegschmolz. Voigt avancierte zum Medienstar und zum Romanhelden und kam zu Theater- und Filmehren.

"Soldatische Normalleistung"

Ganz anders erging es einem echten Soldaten, der im gleichen Jahr das Königlich Bayerische Hauptmünzamt in München kurzzeitig durch einen frechen Raubzug um 130 030 Mark erleichtert hatte. Die Aufsehen erregende Tat ist ein Lehrstück zum Thema "Gelegenheit macht Diebe". Karikaturisten nutzten den Coup weidlich aus, sich wechselseitig über Bayern und Preußen lustig zu machen. Eine zeitgenössische Postkarte stellte die "Normalleistung eines bayerischen und eines preussischen Soldaten" gegenüber. Links schleppt der Bayer, frohgemut eine Zigarre rauchend, einen dicken Sack mit Goldmünzen fort. Rechts sieht man den Hauptmann von Köpenick in seiner schäbigen Uniform mit gezücktem Säbel. Hinter ihm tragen schweißtriefende Soldaten die magere Beute aus der Köpenicker Stadtkasse davon. "A boarischer Soldat, der is so viel stark, / der kripst ganz alloa 130,000 Mark - In Preuss'n, da is mit'n ,Schmalz' nöt weit her, / Da brauchas zu Viertausend 12 Mann Militär!" lautet die Botschaft der Bildergeschichte.

Beutel mit Zehnmarkstücken im Holzschrank

Prinzregent Luitpold, der für den geisteskranken König Otto von Bayern regierte, sollen die Zornesadern angeschwollen sein, als er von dem peinlichen Vorfall hörte. Die zum Rapport bestellte Münzdirektion hatte, im Gegensatz zur spottlustigen Öffentlichkeit, nichts zu lachen. Ermittlungen nach dem Münchner Raubzug ergaben, dass der Münzarbeiter Wilhelm Ruff und der Soldat Wilhelm König für den Diebstahl offensichtlich innerbetriebliche Schlampereien ausgenutzt hatten.

Der Vorarbeiter Eichstätter hatte einen Berg frisch geprägter Goldmünzen zu zehn Mark mit dem Bildnis des wegen seiner Geisteskrankheit nur de facto regierenden Königs Otto von Bayern nicht im Tresor, sondern, weil der Feierabend nahte, nur in einem Holzschrank verstaut. Als Eichstätter am nächsten Tag den Beutel holen wollte, war er weg. Der Schreck war riesengroß, die Aufregung ebenso, denn die Sache machte sofort die Runde. Die Kriminalpolizei schloss bei der Untersuchung auf ortskundige Diebe, was den Kreis der Täter einschränkte. Sie konnten durch die streng gesicherte Vordertür der Münzstätte nicht gekommen sein, sondern nahmen den Weg von hinten über den Pfisterbach, der wegen Wartungsarbeiten gerade kein Wasser führte. Von hier aus war es für die Diebe ein Leichtes, durch Holztüren und eine Glastür ins Innere der Prägeanstalt zu gelangen.

Zuchthaus für die die beiden Spezis

Beschädigte Türschlösser und andere Spuren wiesen den Weg zum Vorarbeiter Eichstätter. Er musste mangelnde Vorsicht eingestehen und bekannte, dass er den Goldsack in jenem Holzschrank gelassen hatte. Da nur Mitarbeiter der Münze als Täter infrage kamen, fanden bei ihnen Hausdurchsuchungen statt. Eichstätter lenkte die Polizei auf Ruff, der sich bei der Durchsuchung verdächtig verhielt und verhaftet wurde. Das Geld aber fand man bei ihm nicht. Die Polizei ermittelte, dass sich der Soldat Wilhelm König zur Tatzeit unerlaubterweise aus seiner Kaserne entfernt hatte. Da er ein "Spezi" von Ruff war und kein Alibi hatte, wurde auch er verhaftet. In die Enge getrieben, gaben Ruff und König ihr Leugnen auf. Von den 130 030 Mark konnten 121500 Mark wieder beschafft werden. Das Gericht verurteilte den Anstifter Ruff zu viereinhalb Jahren Gefängnis und seinen Gehilfen König zu vier Jahre und zwei Monaten.

Die Räuber mussten sich nach ihre Entlassung als vorbestrafte Schwerverbrecher weiter. In München brodelte die Gerüchteküche. Schlamperei und ungesicherte Türen - das war für die Gazetten ein gefundenes Fressen. Und als man noch über den oder die Täter spekulierte, kam, wie so oft, "Kommissar Zufall" der Polizei zu Hilfe. Es wurde ruchbar, dass sich der Soldat Wilhelm König unerlaubterweise aus der Kaserne entfernt hatte. Ein Unteroffizier, der ihm einen Eilbrief hatte übergeben wollen, erwischte ihn, wie er völlig verdreckt wieder in seine Unterkunft zurück schleichen wollte. Und da König ein "Spezi" von Ruff war, das Alibi des Soldaten, er sei bei seiner Liebsten in Schwabing gewesen, nicht stimmte und man eins und eins zusammen zählte, wurde auch König verhaftet. Der Soldat konnte beim Verhör nicht plausibel machen, woher der Schmutz an Uniform und Schuhen kommt und warum die Partikel mit denen vom Münzbach überein stimmen.

Angriff auf ein königliches Regal

In die Enge getrieben, gaben Ruff und König ihr Leugnen auf. Von den 130 030 Mark wurden 121500 Mark wieder beschafft. Es kam zur Gerichtsverhandlung. Der Anstifter Ruff bekam viereinhalb Jahre Gefängnis, sein Gehilfe König vier Jahre und zwei Monate. Kränze hat man beiden nicht geflochten, wie es beim Hauptmann von Köpenick der Fall war. Die beiden Münzenräuber mussten sich nach der Entlassung als vorbestrafte Schwerverbrecher, die sich an einem königlichen Regal, der Herstellung von Münzen, vergangen hatten, durchs Leben schlagen, und das dürfte in der Kaiserzeit schwerer gewesen sein als bei einem vergleichbaren Coup heute. Man darf davon ausgehen, dass aufgrund des unerhörten Vorfalls in der Münchner Münze und anderen Prägeanstalten die Sicherheitsvorkehrungen verschärft wurden.

Am 14. April 1974 wurde im Bayerischen Fernsehen das Volksstück "Goldfüchse" gesendet, in dem Autor Willi Purucker die Geschichte vom Überfall auf die Münchner Münzanstalt dargestellt hat. Der 100-Minuten-Film wurde danach auch in der ARD wiederholt.

29. August 2021

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