Botschaften auf der "dritten Seite"
Die im 16. Jahrhundert eingeführten Randschriften von Münzen und Medaillen enthalten interessante Informationen





In der Alten Münze zu Stolberg im Harz ist neben anderen Prägegeräten auch eine Rändelmaschine aus dem Jahr 1763 ausgestellt, die Grafik aus der französischen Encyclopédie von 1750 und danach zeigt, wie ein solches Gerät bedient wurde.



Seit der Barockzeit hat man die "dritte Seite" der Münzen und Medaillen oft zur Übermittlung von Botschaften und Jahreszahlen, aber auch als Echtheitsmerkmal verwendet. Während die Kanten anfangs lateinische Widmungen tragen, findet man sie auf deutschen Münzen seit dem 19. Jahrhundert auch in deutscher Sprache.





Grafiken aus der Zeit um 1900 zeigen die Bedienung von Rändelmaschinen, die mittels Treibriemen bewegt werden, darunter ein solches Gerät im Besitz des Dresdner Münzkabinett.





DDR-Münzen wie diese "Aluchips" sind am Rand lediglich mit Kerben und Sternen gezeichnet, die Gedenkmünzen der Bundesrepublik besitzen stets wechselnde Randschriften.



Um Zwanzigcentstücke von anderen Kleinmünzen unterscheiden zu können, hat man ihnen am Rand sieben Einkerbungen verpasst. Blinde und Sehschwache sind für diesen Service dankbar.(Fotos/Repros: Caspar)

Münzen wurden schon im Altertum am Rand markiert, natürlich noch ohne Sterne, Arabesken oder Inschriften, wie wir sie auf unserem heutigen Hartgeld finden. Solche Randmarkierungen waren und sind wichtig, um auf den ersten Blick feststellen zu können, ob eine Münze echt ist, ob man sie befeilt oder beschnitten, also im Wert vermindert hat. Randschriften sind Kinder des 16. und 17. Jahrhunderts. Prägebedingt kommen sie anfangs in erhabener Form vor, das heißt die Buchstaben und Zahlen ragen aus dem Rand hervor. Ob erhaben oder bald schon, vertieft waren und sind Rändelungen aller Art ein sicheres Mittel, um hochwertige Silber- und Goldmünzen vor betrügerischer Gewichtsverminderung zu schützen. Außerdem war es schon immer für Fälscher schwierig, diese Markierungen so nachzuahmen, dass keiner misstrauisch wird.

Noch im 18. Jahrhundert war die Rändelung eine mühsame Handarbeit. Stück für Stück mussten die Münzen in ein Gerät mit Kurbel gelegt werden, das ihnen die Randschriften oder Muster verpasste. Das Verfahren verteuerte den Herstellungsprozess und machte den Einsatz effektiverer Rändelmaschinen erforderlich. Sie wurden im 19. Jahrhundert erfunden und können manchmal in Münzkabinetten und Museen betrachtet werden. Heute werden sämtliche Münzen gerändelt. Indem sie am Rand einen Wulst erhalten, lassen sie sich exakter prägen als wenn sie diesen nicht besitzen. Die kleine Erhebung hilft außerdem, Münzen besser zu stapeln und gleichzeitig die Bilder auf beiden Seiten vor Abrieb zu schützen. Wie die Geräte funktionierten, ob manuell oder maschinell angetrieben, kann man in der münztechnischen Literatur erfahren, viele Randschriften werden auch in Münz- und Medaillenkatalogen zitiert.

Einigkeit und Recht und Freiheit

So liest man Angaben in vertieften Buchstaben über den Wert von Talern und Doppeltalern wie XIV EINE FEINE MARK, DREY EIN HALB GULDEN oder EIN GEDENK THALER, aber auch GOTT MIT UNS, GOTT SEGNE SACHSEN oder GOTT SEGNE DEN BERGBAU. Auf Geldstücken der Weimarer Republik finden wir das Motto aus dem Deutschlandlied des Heinrich Hoffmann von Fallersleben EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT, doch kommen auch Inschriften wie NAVIGARE NECESSE EST (Seefahrt tut Not, Bremerhaven 1927), EHRT EURE DEUTSCHEN MEISTER (Albrecht Dürer 1928) und ALLEN GEWALTEN ZUM TRUTZ SICH ERHALTEN (Johann Wolfgang von Goethe 1932) vor. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Münzen mit Inschriften wie EIN FESTE BURG IST UNSER GOTT (Martin Luther 1933) sowie in Groß- und Kleinbuchstaben "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" (Garnisonkirche 1934, Hindenburg 1936-1939) sowie "Ans Vaterland ans teure schließ dich an" (Friedrich von Schiller, 1934) geprägt. Erwähnt sei, dass das demagogisch verwendete Motto "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" dem 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 entnommen ist.

Bei den Gedenkmünzen der Bundesrepublik Deutschland wird großer Wert auf Randschriften gelegt, die zum Anlass der jeweiligen Ausgabe passen. Die für die Emissionen zuständigen Gremien verwenden viel Sorgfalt und Recherche für die Wahl eines passenden Mottos. Ein paar frühe Beispiele seien erwähnt: SEID EINIG EINIG EINIG (5 DM Friedrich von Schiller 1955), SCHILD DES REICHES (5 DM Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden 1955), NUR DAS MACHT GLUECKLICH WAS GUT IST (5 DM Johann Gottlieb Fichte 1964), GESEGNET SEI WER DIE SCHRIFT ERFAND (5 DM Johannes Gutenberg 1968), DER FREIE NUR IST TREU (5 DM Theodor Fontane, 1969), CITIUS ALTIUS FORTIUS (10 DM Schneller weiter höher, Olympiade 1972). Die DDR begnügte sich mit Wertangaben beziehungsweise Sternen und Rillen auf ihren Münzen und ging damit dem Risiko aus dem Weg, jedesmal eine neue Inschrift erfinden und neue Rändeleisen herstellen zu müssen. Das half Kosten zu sparen und verminderte auch das Risiko, durch eine falsche oder fehlerhafte Randschrift in die Kritik zu kommen. Bisweilen kommen DDR- und andere Münzen mit fehlerhaften Randschriften vor. Das macht gewöhnliche Stücke zu numismatischen Sonderlingen und verschafft ihnen höhere Preise.

Von originell bis banal

Wer deutsche DM- beziehungsweise Euro-Münzen aus Silber sammelt, liest unterschiedliche, manchmal originell formulierte und auch banale Randschriften. Ihre Auswahl ist nicht immer einfach, denn sie müssen zu der durch jeweilige Ausgabe geehrten Personen oder Ereignisse passen und dürfen weder zu lang noch zu kurz sein. Das letzte Wort hat die Bundesregierung in Bezug auf das Motiv und alle Inschriften. Beim Betrachten der dritten Seiten von Münzen findet man manche mehr oder weniger originelle Randschriften wie WIR SIND DAS VOLK WIR SIND EIN VOLK (10 DM Zehnter Jahrestag der deutschen Einheit 2000); IM ZEICHEN DER EINIGUNG EUROPAS (10 Euro Übergang zum Euro 2002); FREISTÄTTE FÜR KUNST UND WISSENSCHAFT (10 Euro Berliner Museumsinsel 2002); OHNE DAS SCHÖNE WAS SOLL DER GEWINN ( 10 Euro Eduard Mörike 2004); NICHT AUFHÖREN ZU FRAGEN (10 Euro Albert Einstein 2005); ERNST IST DAS LEBEN HEITER DIE KUNST (10 Euro Friedrich Schiller 2005); DIE WELT ZU GAST BEI FREUNDEN (10 Euro Fußball-WM 2006); DER MENSCH BILDE SICH IN ALLEM SCHÖN (10 Euro Karl Friedrich Schinkel 2006); MOZART - DIE WELT HAT EINEN SINN (10 Euro Wolfgang Amadeus Mozart 2006); WER RUDERT SIEHT DEN GRUND NICHT (10 Euro Wilhelm Busch 2007); DER GESHCMIEDETE HIMMEL IM HERZEN EUROPAS (10 Euro Himmelsscheibe von Nebra 2008); SPORT BEWEGT DIE WELT (10 Euro Leichtathletik-WM 2009); LEBEN OHNE ZU BESITZEN (10 Euro Marion Gräfin Dönhoff 2009); ZAUBER DER ZERBRECHLICHKEIT (10 Euro Johann Friedrich Böttger 2010); MICH MEINEN MITBÜRGERN NÜTZLICH ERWEISEN (10 Euro, Friedrich der Große 2012); LUST HABEN WIR KÜNSTLER NUR ZU UNSERER ARBEIT (10 Euro Johann Gottfried Schadow 2014); DIE POLITIK IST DIE LEHRE VOM MÖGLICHEN (10 Euro Otto von Bismarck 2015); BÜRGERSINN BÜRGERFLEISS BÜRGERSTOLZ (10 Euro Tausend Jahre Leipzig 2015); DU MUSST ALLES SELBER SEIN (20 Euro Otto Dix 2016); FRIEDEN DU LEISESTE ALLER GEBURTEN (10 Euro Nelly Sachs 2016); RUNDUM INFORMIERT - RUNDUM INFORMIERT (20 Euro Ernst Litfaß 2016); ETWAS BESSERES ALS DEN TOD FINDEST DU ÜBERALL (20 Euro Bremer Stadtmusikanten 2017); EDLE EINFALT UND STILLE GRÖSSE (20 Euro Johann Joachim Winckelmann 2017); HERAUS MIT DEM FRAUENWAHLRECHT (20 Euro 100 Jahre Frauenwahlrecht 2019) und WAHRE KUNST BLEIBT UNVERGAENGLICH (20 Euro Ludwig van Beethoven 2020) sowie EIN GEFUEHL WAS RECHT UND UNRECHT IST (20 Euro Sophie Scholl 2021) und DIE NATUR IST DIE BESTE APOTHEKE (20 Euro Sebastian Kneipp 2021).

Sieben Kerben bei Zwanzigcentmünzen

Unsere kleine Auswahl zeigt, dass Münzen und natürlich auch Medaillen mehr zu bieten haben als Bilder und Daten auf der Vorder- und Rückseite. Sich mit den Botschaften auf den Randkanten zu beschäftigen und Belege zu suchen, kann Spaß machen und geistigen Gewinn bringen. Darüber, ob in jedem Fall die Randschriften glücklich gewählt wurden und ein ganzes Leben in wenige Worte fassen, lässt sich trefflich streiten. Bei den Randschriften beziehungsweise Markierungen der kleinen Eurowerte ist der Spielraum gering, dazu gab es bei der Umstellung vor 20 Jahren klare Vorgaben. Die beiden höchsten Werte sind sogenannte Bicolormünzen. Bei dem aus zwei unterschiedlich gefärbten Metallen bestehenden Zweieurostück wird um einen Rundling, die "Pille" aus goldfarbigem Messing, ein "Ring" aus silberglänzendem Kupfernickel gelegt. Das Eineurostück ist außen gold- und innen silberfarben. Unter starkem Prägedruck entsteht bei beiden Werten ein zusammenhängendes Metallgebilde. Viele Länder benutzen schon lange solche Metallkombinationen, die nicht nur gut aussehen, sondern auch schwer nachzuahmen sind. Die mittleren Nominale zu zehn, 20 und 50 Cent bestehen aus einem im deutschen Münzwesen neuartigen Material, der gelbglänzenden und gegen Abnutzung besonders resistenten Legierung "Nordic Gold", die in Finnland entwickelt wurde. Die kleinen Werte zu einem, zwei und fünf Cent sind kupferplattierter Stahl.

Das besonders häufig verwendete Zwanzigcentstück besitzt am Rand sieben Einbuchtungen, die vor allem Blinden und Sehschwachen bei der Identifizierung helfen, während andere Nominale an Rillen und Kerben zu erkennen sind. Bis auf die beiden Werte zu einem und zwei Euro sind alle neuen Münzen nickelfrei, womit vor allem die Forderungen von Medizinern und Verbraucherverbänden wegen möglicher Allergiegefahr berücksichtigt wurden. Weil die Münzen zu zwei Euro einen ziemlich hohen Wert darstellen, besitzen sie einen Riffelrand, der bei den deutschen Ausgaben die Inschrift EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT trägt. Betrüger schaffen es kaum, diese Randschrift und die eingeprägten Sterne auf ausländischen Ausgaben korrekt nachzuahmen, weshalb gefälschte Werte meist ohne diese oder nur mit verstümmelten Randschriften beziehungsweise Randmarkierungen vorkommen.

Kerbrand statt Laubrand

Hin und wieder kommt es vor, dass besondere Randmarkierungen und Randschriften helfen, originale Prägungen von Nachprägungen oder Kopien zu unterscheiden. So werden von der Monnaie de Paris nachgeprägte Medaillen durch Einschlag von Randpunzen markiert. Ein 1755 geprägter Taler mit dem Porträt des preußischen Königs Friedrich II., des Großen, wurde bis auf drei von Beamten der Berliner Münze gerettete Originale wieder eingeschmolzen. Diese Stücke, die dem Monarchen als "zu steif" erschienen und deshalb abgelehnt wurden, sind am Laubrand zu erkennen. Sechzehn nachträglich im Jahr 1787 mit Genehmigung des Etats- und Kriegsministers Friedrich Anton von Heinitz hergestellte Nachprägungen weisen zur besseren Unterscheidung einen Kerbrand auf. Die Münze mit dem Laubrand, die dem König vorlag, gelangte aus der Sammlung von Peter Philipp Adler in das Berliner Münzkabinett, das diese Rarität in seiner ständigen Ausstellung im Bode-Museum auf der Museumsinsel zeigt. Sollten die seltenen Kerbrand-Stücke vom Münzhandel angeboten werden, dürften sie aus der Nachprägeaktion von 1787 stammen. Hingegen dürften die Taler mit dem Laubrand in festen Museumshänden sein.

2. Januar 2021

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