"Das macht nach Adam Ries"
Rechenpfennige, Jetons und Reklamemarken aus unedlem Metall sind interessante historische Dokumente der Kulturgeschichte



Ein Rechenmeister führt auf dem Rechenpfennig mathematische Operationen aus, daneben schmückt der Markuslöwe von Venedig eine Messingprägung.





Auf diesen Rechenpfennigen sind Utensilien, die Münzarbeiter benutzen, wenn sie Metall schmelzen, prüfen und wiegen müssen, sowie die Geldherstellung am Amboss im 16. Jahrhundert.



Anlässlich der Errichtung eines von Robert Henze geschaffenen Adam-Ries-Denkmals 1898 in Annaberg zum 400. Geburtstag des berühmten Rechenmeisters wurde eine Medaille mit seinem Bildnis und Wappen geprägt.



Die mit einem kaiserlichen Privileg gegen Raub- und Nachdrucke geschützten Rechenbücher sind mit dem Bildnis ihres Verfassers, Adam Ries, beziehungsweise Holzschnitten geschmückt, auf denen er das Rechnen auf Linien praktiziert.



Solche Jetons aus wurden 1790 anlässlich der Krönung von Kaiser Leopold II. als König von Ungarn und von Böhmen in Posen unters Volk geworfen.



Kaiser Franz Joseph von Österreich soll auf Nürnberger Rechen- und Spielpfennigen aus dem 19. Jahrhundert Glück bringen.





Das Halfpennystück macht mit einer Spindelpresse auf das Angebot einer auf Herstellung von Medaillen und Provinzialmünzen spezialisierten Firma in Birmingham aufmerksam. Das Pennystück von 1813 gewährt einen Blick in eine Fabrikhalle, in der Messer, Sensenblätter und ähnliche Werkzeuge geschmiedet werden. (Fotos/Repros: Caspar)

Die oft gestellte Frage, ob es sich lohnt, Ausschau nach Rechenpfennigen, Jetons und ähnlichen Objekten zu halten, ja sie gezielt zu sammeln, kann mit einem klaren "Ja" beantwortet werden. Die Marken und Kupons aus Kupfer, Messing und anderen Materialien fungierten oft als eine Art Ersatzgeld, mit dem man Lebensmittel, Getränke und andere Erzeugnisse sowie Dienstleistungen bezahlen konnte, wenn man kein kurantes Geld bei der Hand hatte. Manche Gepräge dienten auch zur Legitimation und gestatteten das Betreten von Gebäuden. Andere hat man bei Glücksspielen verwendet und schmückte sie mit der antiken Glücksgöttin Fortuna. Wenn römisch-deutsche Kaiser und andere Herrscher gekrönt wurden oder wenn diese die Huldigung ihrer Untertanen entgegen nahmen, hat man die nach dem französischen Wort "jeter" für "auswerfen" benannten Jetons wegen des besonderen Anlasses auch in Silber und manchmal sogar in Gold ausgeprägt, was ihnen bis heute größere Wertschätzung sichert als sie bei den üblichen Rechenpfennigen zu beobachten ist.

Der junge Johann Wolfgang von Goethe hat 1764 gesehen, wie bei der Krönung von Kaiser Joseph II. in Frankfurt am Main kleine, dukatengroße Münzen, genauer gesagt Medaillen, unters Volk geworfen wurden. In "Dichtung und Wahrheit" (Erster Teil, 5. Buch) berichtet der Dichter: "Aller Augen warteten auf den Erbschatzmeister, der das Geld auswerfen sollte. Auch er bestieg ein schönes Ross, dem zu beiden Seiten des Sattels anstatt der Pistolenhalftern ein Paar prächtige, mit dem kurfürstlichen Wappen bestickte Beutel befestigt hingen, kaum hatte er sich in Bewegung gesetzt, als er in diese Taschen griff und rechte und links Gold- und Silbermünzen freigebig ausstreute, welche jedes Mal in der Luft als ein metallner Regen gar lustig glänzten. Tausende Hände zappelten augenblicklich in die Höhe, um die gaben zu empfangen; kaum aber waren die Münzen niedergefallen, so wühlte die Massen in sich selbst gegen den Boden und rang gewaltig um die Stücke, welche zur Erde gekommen sein. Da nun diese Bewegung von beiden Seiten sich immer wiederholten, wie der Geber vorwärts ritt, so war es für die Zuschauer ein sehr belustigender Anblick. Zum Schlusse ging es am allerlebhaftesten her, als er die Beuten selbst auswarf und ein jeder noch diesen höchsten Preis zu erhaschen trachtete."

Zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt

Bilden diese Prägestücke schon wegen des historischen Hintergrunds und des Materialwerts ein attraktives Sammel- und Forschungsgebiet, so spielen unverständlicherweise die seit der frühen Neuzeit hergestellten Rechenpfennige in Münzsammlungen und im Handel nur ein Mauerblümchendasein. Man beachtet sie in der Regel wenig und nimmt sich auch kaum die Zeit, sich mit ihnen näher zu beschäftigen. Das verwendete Material und oft auch die Gestaltung muten billig an. Die Hersteller mussten keine sonderliche Mühe auf die Jetons und ähnliche Gepräge verwenden, denn sie waren keine regulären Geldstücke, die Macht und Größe eines Staates repräsentieren, sondern "nur" zum alsbaldigen Ge- und Verbrauch bestimmt.

Mit der Herstellung von Marken und Zeichen waren in alten Zeiten so genannte Pfennigschläger beschäftigt. Hauptsächlich in Nürnberg ansässig, produzierten sie in großen Mengen groschengroße Gepräge mit interessanten Bildern und Inschriften. Auf manchen Stücken sind wirkliche beziehungsweise Fantasiewappen sowie Porträts und Buchstaben zu erkennen, und es gibt auch Ausgaben, auf denen das vor langer Zeit populäre Rechnen auf Linien gezeigt wird. Durch diese Methode war es möglich zu addieren, subtrahieren, multiplizieren und andere Operationen ausführen. Das Verfahren wurde von dem in der sächsischen Bergstadt Annaberg ansässigen Rechenmeister Adam Ries propagiert. Seine Lehrbücher wie "Rechenung auff der Linihen" (1518) oder "Rechenung auff der Linihen und Federn" (1522) erreichten beachtliche Auflagen und wurden lange nach seinem Tod immer wieder neu gedruckt.

In ihnen wird die Nutzung von Rechenbrettern und Rechenpfennigen sowie die Vorteile des schriftlichen Rechnens erläutert und gezeigt, wie man mathematische Operationen schnell und sicher bewerkstelligen kann. Die Traktate waren auch deshalb so beliebt, weil Adam Ries sie in deutscher statt in lateinischer Sprache abfasste und daher von einem großen Teil der Bevölkerung verstanden wurden. Angesprochen waren Kaufleute, Wechsler, Steuereintreiber, Beamte, Gelehrte, Lehrer, Handwerker und andere Personen, die mit Zahlen zu tun hatten. Um die Richtigkeit einer Berechnung zu bekräftigen, sagte man damals "das macht nach Adam Ries". Das geflügelte Wort wird heute manchmal als Bestätigung einer korrekten Berechnung angewandt und hat zur Folge, dass der für den sächsischen Bergbau tätigen Mathematiker unvergessen ist. Wie ein Blick in seine Rechenbücher zeigt, nannte er sich Adam Ries und nicht Riese, wie man manchmal liest.

Kupfer- und Messingtoken als Kleingeldersatz

Vor über 200 Jahren taten sich englische Fabrikanten mit oft recht originell gestalteten Kupfer- und Messingmarken hervor, mit denen Reklame für eigene Erzeugnisse gemacht wurde. Da viele Briten mit kleiner Münze bezahlen wollten und mussten, sprangen Privatleute und Firmen angesichts des allgemeinen Kleingeldmangels ein und produzierte so genannte Token im Wert zwischen einem ganzen und einem viertel Penny. Für die Zurückhaltung der staatlichen Münzprägung gab es manche Gründe, so das Desinteresse der Administration an der Bereitstellung von Kleinmünzen und die veraltetet Prägetechnik, derer sie sich bediente. Erschwerend wirkte sich auf den allgemeinen Geldumlauf auch aus, dass England infolge der napoleonischen Kriege um 1800 vom internatonalen Handel abgeschnitten war.

Das Embargo betraf auch den Import von Edelmetallen aus Übersee. Die von privater Seite herausgegebenen Gepräge hatten den Vorteil, dass man mit ihnen bezahlen konnte, zugleich machten die Hersteller den Kunden ihre Erzeugnisse schmackhaft machten. Wir kennen das unter anderem aus der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg, in der zahllose Geldscheine mit immer größeren Zahlen auch zu Reklamezwecken eingesetzt wurden. Die englischen Token bilden sehr gut Kultur- und Wirtschaftsgeschichte zu Beginn des Industriezeitalters ab, als England die viel bewunderte "Werkstatt der Welt" war. Wir erkennen Szenen aus dem Bergbau und der Metallverarbeitung, aber auch aus der Textilindustrie und der Landwirtschaft. Dargestellt sind Schiffe mit geblähten Segeln und Kutschen sowie Waagen als Sinnbild des Handels. Auf den Kupfer- oder Messingtoken kommen Gebäude und Brücken vor, aber auch Porträts und Wappen. Nicht zu übersehen sind Fabriken mit rauchenden Schloten sowie Innenansichten von Gewerberäumen samt dort tätigen Arbeitern, ergänzt durch Errungenschaften der Technik wie Luftballons und mechanische Webstühle.

Einsichten in das Wirtschaftsleben

Begonnen hatte die Ausgabe der Marken in Mitte des 17. Jahrhunderts, als Handwerker, Händler und Gastwirte, aber auch Stadtverwaltungen dem Kleingeldmangel abzuhelfen versuchten. Diese Stücke aus Kupfer oder Messing mit Wertangaben wie HALF PENNY oder A NORWICH FARTHING sowie Ortsangaben und dem Namen der Herausgeber haben die Größe von Pfennigen. Sie besitzen ein einfaches Design, das sich mühelos nachahmen ließ und auch nachgeahmt wurde. Da diese Token oft abgegriffen vorkommen, kann man von langem Umlauf und Gebrauch ausgehen. Für Historiker sind sie wichtig, weil sie interessante Einsichten in das Wirtschaftsleben der damaligen Zeit vermitteln und zeigen, wer alles womit gehandelt oder zum Besuch seines Ladens eingeladen hat.

Sammler, die auf münztechnische Motive spezialisiert sind, finden auf einigen Token die damals gebräuchlichen Spindelpressen, mit denen man große Silber- sowie Goldmünzen und Medaillen kräftesparend und präzise prägen konnte. Selbstverständlich ist Britannia, die Symbolfigur Englands, auf verschiedenen Geprägen verewigt. Da die Token während und nach der französischen Revolution von 1798 hergestellt wurden, spiegelt sich der Geist der neuen Zeit auf manchen Stücken ihnen wider. So hat man das Bild eines Galgens mit der Losung "Freiheit statt Sklaverei" verbunden, und auf anderen Stücken ist die von den Jakobinern in Frankreich getragene Freiheitsmütze zu erkennen.

Obwohl die Token auf einfache Weise hergestellt wurden, ist der Stempelschnitt häufig sorgfältig ausgeführt. Es müssen wahre Könner ihres Faches am Stempelschnitt beteiligt gewesen sein. Das allerdings hat Fälscher nicht davon abgehalten, die Marken, die ja einen gewissen Geldwert besaßen, nachzuahmen und in Umlauf zu setzen. Manche Token waren nicht als Geldersatz gedacht, sondern stellten Reklamemedaillen von Kunst- und Münzhändlern dar, die auf ihre Bestände aufmerksam machten und Kunden in ihre Läden lockten. Als die englische Regierung erkannt hatte, dass es dem Land schadet, wenn man ihm staatliches Kleingeld vorenthält, ging sie zur Herstellung von offiziellem Kleingeld aus Kupfer über. Das hatte zur Folge, dass der Bedarf an privaten Token zurück ging. Besitzer dieser Ersatzmünzen hatten oft Probleme, sie bei den Herausgebern, sofern sie bankrott gemacht hatten, einzulösen und so in kurantes Geld zu verwandeln. Das mag ein Grund sein, dass diese interessanten Zeitzeugnisse in größerer Zahl erhalten sind.

12. Februar 2021

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