Die von Kaiser Karl dem Großen um 800 initiierte Münzreform hatte nicht lange Bestand, denn schon bald waren große und kleine geistliche und weltliche Fürsten im Besitz des Münzrechts, und vom 13. Jahrhundert kamen Freie und Reichsstädte hinzu, die mit diesem einträglichen und prestigeträchtigen Privileg "begnadet" wurden. Das Durcheinander im Münz- und Geldwesen rief nach Reformen, denn geordnete Verhältnisse auf diesem wichtigen, wir würden heute sagen systemrelevanten Gebiet waren dringender denn je.
Nach manchen vergeblichen Anläufen kam eine 1521 auf dem Nürnberger Reichstag eingesetzte Kommission 1524 in Esslingen zu einer Übereinkunft, die als Esslinger Münzordnung in die Geschichte einging. Mit ihr begann die neuzeitliche Periode der deutschen Münzgeschichte. Seit 1521 verhandelt, legte das Regelwerk die Gleichberechtigung des silbernen Guldengroschens, den man nun Thaler oder Taler nannte, mit dem Goldgulden fest. Angesichts des allgemeinen Goldmangels war ein silbernes Äquivalent dringend notwendig geworden. Der 1486 in Tirol von Erzherzog Sigmund des Münzreichen aus der Taufe gehobene, anfangs Guldengroschen genannte Taler sollte 29,93 Gramm wiegen und einen Feingehalt im Gewicht von 27,41 Gramm enthalten. Festgelegt wurde die Prägung von ganzen und halben Talern sowie Vierteltalern (Ortstalern), Zehnern (1/10 Taler) Groschen (1/21 Taler), Halbgroschen und Gröschlein im Wert von 1/42 und 1/84 Talern. Hinzu kamen Pfennige und Heller.
Reformen in turbulenten Zeiten
Die nach der Esslinger Reichsmünzordnung hergestellten Münzen sollten das Wappen des jeweiligen Münzstandes auf der einen sowie Namen und Titel des jeweiligen Kaisers und den doppelköpfigen Reichsadler auf der anderen Seite zeigen. So gut alles ausgedacht war, so wenig haben sich Münzen prägende Fürsten und Städte nach der Esslinger Münzordnung gerichtet, von einigen Ausnahmen abgesehen. Da die auf süddeutschen Vorschlägen beruhende Münzordnung zu wenig die Belange der norddeutschen Münzstände berücksichtigte, war ihr kein Erfolg beschieden, weshalb 1551 und 1559 in Augsburg zwei weitere Reichsmünzordnungen beschlossen wurden. Zwischen der Esslinger und den späteren Regelwerken lagen turbulente Jahrzehnte. Sie waren von der Lutherschen Reformation und Religionskriegen, von blutigen Bauernunruhen und der Abwehr der nach Europa vordringenden Türken, aber auch durch einen Aufschwung von Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst geprägt. Begleitet wurde das Auf und Ab in der Geschichte der frühen Neuzeit durch den Buchdruck als neues, sich rasant entwickelndes Medium, mit dem sich die verfeindeten Lager mit Worten und Bildern heftig attackierten.
Grundlage aller Berechnungen war die Kölnische Mark, und so heißt es gleich im Paragraph 1 der Reichsmünzordnung, "daß solch gemein Reichs Müntz im Namen, Stuck und Gehalt, auff ein fein Marck Silbers Colonischen Gewichts gesetzt und ausgetheilt werden soll." Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die Kölnische Mark im Gewicht von rund 233 Gramm die Grundlage aller Berechnungen für das Münzwesen.. Der 1753 geschaffene und in Österreich sowie vielen süddeutschen und benachbarten Ländern umlaufende Konventionstaler stellte ausdrücklich fest, dass zehn Stück von ihm auf die kölnische Mark gehen. Erst 1857 wurde sie durch das Vereins- oder Zollpfund von 500 Gramm ersetzt. Mit dem von ihm anno 1750 geschaffenen Reichstaler stellte König Friedrich II. von Preußen dem Konventionstaler eine Konkurrenzmünze an die Seite.
Belegstücke in der Fahrbüchse
Zurück ins 16. Jahrhundert. Wichtig war die Festlegung in allen Münzordnungen, dass die in zahllosen Geldschmieden hergestellten Sorten auf Probationstagen auf ihre Qualität, das heißt nach des Reiches Schrot und Korn überprüft werden sollen, also Gewicht und Feingehalt. Die Münzmeister mussten Belegstücke in so genante Fahrbüchsen tun und über die Einlagen Buch führen. Der Inhalt der versiegelten Behälter wurde bei den von den Kreiswardeinen vorgenommenen Prüfungen, auch Valvationen genannt, gesichtet und bewertet. Bei den Sitzungen wurde immer wieder festgestellt, dass die Probestücke nicht den Vorschriften entsprechen, weshalb ganze Partien verboten wurden. In extremen Fällen hat die Obrigkeit die Prägestätten geschlossen und die verantwortlichen Mitarbeiter zur Verantwortung gezogen. Sie wurden mit Geldbuße und Landesverweis belegt, aber in besonders schweren Fällen auch an Leib und Leben bestraft. Dazu wurden in den damaligen Gesetzen, allen voran die nach Kaiser Karl V. benannte "Carolina" aus dem Jahr 1532, drakonische Strafen an Leib und Leben angedroht.
Da der Stand der Metallverarbeitung und der Prägetechnik niedrig war, konnte bei "kreativer" Auslegung der Vorschriften viel zusätzlicher Profit erwirtschaftet werden. Fürsten und Städte als Auftraggeber oder Besitzer der Münzstätten an dem Münzbetrug sahen ihren Untergebenen nicht selten den Münzbetrug nach und reagierten erst, wenn der Skandal nicht mehr zu vertuschen war. Da das Gewicht und der Feingehalt der einzelnen Sorten von Münzstätte zu Münzstätte leicht differierten, haben Aufkäufer die schweren Stücke eingesammelt und eingeschmolzen, während die durch Beschneiden leichter gemachten Münzen weiter im Umlauf blieben. In der Zeit der Kipper und Wipper zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) und dann noch einmal am Ende des 17. Jahrhunderts nahm die Geldverschlechterung solche Ausmaße an, dass die kaiserliche Zentralgewalt sowie die Fürsten und Städte einschreiten mussten. Sie taten das allerdings erst, als sie genug Geld verdient hatten und die zurück in die Staats- und Stadtkassen fließenden minderwertigen Münzen sie zum Handeln zwangen.
Maßstab war die kölnische Mark
Kaiser und Reich hatten allen Grund, mit ihren Münzordnungen gegen das "betriegliche pregen aller Reichsmüntzen" vorzugehen. Die in Augsburg beschlossene Reichsmünzordnung von 1551 brachte frischen Wind in die Münz- und Geldverhältnisse des Reiches. Sie berücksichtigte, dass inzwischen unzählige verschiedenartige Kleinmünzen wie Kreuzer und Batzen im Umlauf waren und bestimmte deren Wertverhältnisse. Auf dem Augsburger Reichstag von 1548 erging der Auftrag, eine neue Reichsmünzordnung auszuarbeiten. Jetzt sollte der Guldiner beziehungsweise Reichstaler 72 Kreuzer oder 18 Batzen gelten, und acht Stück sollten von dieser hochwertigen Silbermünze auf die kölnische Mark gehen. Unterteilt wurde sie in Halb- und Viertelstücke sowie weitere Werte. Die alten Taler wurden mit 68 Kreuzern zu niedrig bewertet, was zu neuem Verdruss führte.
Die Augsburger Münzordnung von 1551 ließ sich nicht umsetzen, weshalb an einer neuen gearbeitet wurde. Neu eingeführt wurde durch die Reichsmünzordnung von 1559 der Guldiner oder Guldentaler 60 Kreuzern, doch wurden weiterhin die höherwertigen Reichstaler und ihre Teilstücke im täglichen Geldverkehr verwendet. Im Bereich des Münzgoldes hat man den alten Goldgulden durch den Dukaten ersetzt und im Übrigen zahllose Goldmünzen eingeschmolzen, um aus ihnen neue zu machen oder aus dem Edelmetall für Schmuckstücke anzufertigen.
Heilloses Durcheinander bei kleinen Werten
Ein heilloses Durcheinander gab es vor allem bei den Kleinmünzen, denn bei ihnen ließ sich am meisten Profit herausschlagen. Da sich der gute alte Taler nicht so ohne weiteres durch den leichteren und billigeren Guldentaler verdrängen ließ, wurde er 1566 durch einen Zusatz zur Augsburger Münzordnung 1551 wieder zugelassen. Im Abschied des Reichstags zu Speyer 1570 wird gefordert, mit Mandaten gegen schlechte goldene und silberne Münzen vorzugehen. Künftig sollten diese Stücke weder angenommen noch ausgegeben werden. Reichs- und Münzstände sowie Münzgenossen sollten die betreffenden Münzen einsammeln und nach ihrem richtigen Wert in gute Reichssorten aufwechseln. Kurfürsten, Fürsten und Stände, Städte und Obrigkeiten wurde befohlen, "allenthalben in ihren Steten, Landen und Gepieten, sonderlich auf den Jahrmärkten ernstlich Aufmerkens zu haben und zu inquiriren, damit kein Reichs güldene und silberne Müntz, noch auch rohe Silber aus dem Reich zu Wasser und zu Lande verführt, noch auch verpotene güldene und silberne Müntzsorten eingeführt" werden. Verstöße gegen dieses Gebot sollten mit "ernstlicher Straff" belegt werden, und konfiszierte Münzen sollten von der Obrigkeit "verwahrlich" genommen werden.
Das alles hörte sich in der Theorie gut an, doch sah die Praxis anders aus, denn sonst hätten solche Edikte nicht immer wiederholt und verschärft werden müssen. Im ausgehenden 17. Jahrhundert gab es unter dem Eindruck verheerender Münzverhältnisse weitere Vereinbarungen, die sich im deutschen Norden als Zinnaer und Leipziger Münzfuß bewährt haben. Ungeachtet aller Strafandrohungen konnten Manipulationen nie ganz verhindern. Dieses Ziel wurde erst in der zweiten Hälfte des 18. und dann vor allem im 19. Jahrhundert durch deutschlandweite Reformen und Verträge erreicht.
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23. Juni 2021
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