Streng bewacht und genau geprüft
Der nach 1871 im Spandauer Juliusturm verwahrte Reichskriegsschatz wurde 1913 wegen drohender Kriegsgefahr verdoppelt



Im Jahr 1806 fiel Spandau mit weiteren Festungen im preußischen Krieg an Napoleon I., was dem Kaiser der Franzosen die Prägung dieser Medaille wert war.



Nach der Reichseinigung von 1871 wurden vor allem aus französischem Gold in Berlin Münzen zu 20, 10 und fünf Mark mit dem Kopf Kaiser Wilhelms I. geprägt. Das Zwanzigmarkstück mit dem Brustbild von Wilhelm II. wurde 1913, 1914 (Foto) und 1915 in unterschiedlich hoher Auflage hergestellt. Der Jahrgang 1915 kam nicht mehr zur Ausgabe.



Das Ende 1871 erlassene Gesetz über die Bildung des Reichskriegsschatzes sagte über dessen Ziel, Inhalt und Aufbewahrung wenig aus. Die gewaltige Summe von 40 Millionen Talern oder 120 Millionen Mark sollte aus den Kontributionen genommen werden, die Frankreich auferlegt wurden.



In der Königlichen Münze zu Berlin, und nicht nur dort, wurden Goldmünzen mit besonderer Sorgfalt auf Gewicht und Klang geprüft.



Wer wollte, konnte die von Kurt Hermann Hosaeus gestaltete Eisenmedaille von 1916 als Beweis für Spendenfreude auch an einer Kette oder Schnur um den Hals tragen. Sie wurde nur gegen Verkauf von Gold abgegeben. Daneben haben Verbände und Vereine bereits 1914 Medaillen mit dieser Losung herstellen lassen. Eheringe wurden nur dann angekauft, wenn sie von Verstorbenen stammten.



Dem Münzkabinett im damaligen Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin, heute Bode-Museum, drohte 1917 ein furchtbarer Verlust, als die Reichsbank Goldmünzen einforderte. Die Medaille kam zur Eröffnung 1904 heraus.





In winzigen Auflagen wurden 1917 und 1918 das sächsische und das bayerische Drei-Mark-Stück zum Reformationsjubiläum beziehungsweise zur Goldenen Hochzeit des Königspaars Ludwig III. und Marie Therese geprägt.



Mit der Jahreszahl 1919 datiert, stellt dieser Fünfziger mit dem Kaiseradler einen Anachronismus dar. Sammler kennen die in riesigen Mengen bis 1922 hergestellten Ersatzmünzen zu fünf und zehn Pfennigen ebenfalls mit dem Kaiseradler. (Fotos/Repros: Caspar

Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 und der Ausrufung des preußischen Königs Wilhelm I. zum deutschen Kaiser am 18. Januar 1871 in Versailles wurde im neuen Deutschen Reich die Mark als Einheitswährung aus der Taufe gehoben. Die vom neuen Kaiserreich dem unterlegenen Frankreich abverlangten Reparationsleistungen in Höhe von fünf Milliarden Francs kurbelten die deutsche Wirtschaft stark an. Es kam zu zahlreichen Firmen- und Bankengründungen, was dieser Periode den Namen Gründerzeit verschaffte. Um für einen durchs möglichen neuen Krieg mit Frankreich gewappnet zu sein, wurde vor 150 Jahren der Juliussturm der Spandauer Zitadelle unweit von Berlin als Tresor für den aus Goldmünzen im Wert von 120 Millionen Mark bestehenden Reichskriegsschatz bestimmt.

Ungeachtet des Frankfurter Friedens von 1871 standen sich Frankreich und Deutschland weiterhin feindlich gegenüber. Beide Staaten rüsteten nicht nur auf, sondern bauten auch neue Festungen. Das Fort Hahneberg bei Spandau war eine solche für einen neuen Krieg mit dem "Erbfeind" Frankreich eingerichtete und für den Schutz der Reichshauptstadt Berlin bestimmte Anlage. Beim Besuch der Spandauer Zitadelle wird manchmal gefragt, warum der Juliusturm mit einer ungewöhnlich starken Tresortür gesichert ist, und man erfährt, dass in dem dicken Gemäuer aus dem späten 16. Jahrhundert der so genannte Reichskriegsschatz eingelagert war. Ein Gesetz von 1871 legte eine Goldreserve von 40 Millionen Talern beziehungsweise 120 Millionen Mark fest. Obwohl das Deutsche Reich im Krieg gegen Frankreich siegreich war, hat man mit einem neuen Krieg gerechnet, in dem das in eine Republik umgewandelte Nachbarland nach Revanche strebt.

Bereit sein für die Mobilmachung

Der Schatz im Juliusturm war gedacht, um bei Kriegsgefahr für die Aufstellung und Bezahlung der Truppen schnell Geld zur Verfügung zu haben und jenseits langwieriger Genehmigungsverfahren im Reichstag flüssig zu sein. Der Gesetzestext lässt sich über die Bestimmung der 120 Millionen Mark nicht näher aus, sondern spricht lediglich von Ausgaben "nur für Zwecke der Mobilmachung". Aus der Vergangenheit wusste man, dass die Aufstellung, Ausrüstung, Verpflegung und Löhnung der Soldaten im Vorfeld eines Krieges mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, und denen wollte Preußen, die dominierende Kraft im Deutschen Reich, durch einen stets griffbereiten Sonderfonds in Form von Goldmünzen ein für allemal aus dem Weg gehen.

Die für den Reichskriegsschatz verwendeten Goldstücke zu 20 und zu zehn Mark waren in einem großen Kraftakt von der Königlichen Münze in Berlin mit dem Kopf von Kaiser Wilhelm I. geprägt worden. Das Geld wurde in 1200 Kisten mit je 100 000 Mark verpackt und sicher im Juliusturm verwahrt und von Soldaten streng bewacht. Ein Hereinkommen war unmöglich, nie hat etwas von der ungeheuren Summe gefehlt. Gelegentlich spekulierte die damalige Presse über Sinn und Zweck eines solchen Schatzes und monierte, dass das Gold eigentlich totes Kapital ist, das keine Zinsen bringt. "Gold, in welcher Form und welchen Verhältnissen es immer erscheinen mag, behält seinen Werth, aber gleichwohl schrumpft der Schatz ein, wie Alles, was man abseits trägt im Strom des Lebens", heißt es in einem Zeitungsbeitrag aus dem Jahr 1880, der in einer stadtgeschichtlichen Ausstellung neben dem Juliusturm gezeigt wird. Ein einfaches Rechenexempel lehre, dass diese 120 Millionen Mark seither bereits 30 Millionen Zinserträge gebracht hätten. "Ach wir Armen! Was hätte sich mit dreißig Millionen Alles schaffen lassen", heißt es weiter. Der Beitrag endet mit Blick auf Reichskanzler Otto von Bismarck und den preußischen Generalfeldmarschall und Chef des Generalstabs Helmuth von Moltke mit diesem Stoßseufzer: "So lange die Culturvölker die stehenden Heere fort und fort wachsen lassen, so lange in Ost und West die Kriegsfurie lauert, mögen Bismarck und Moltke Recht behalten mit dem Ausspruche: In Bereitschaft sein, ist Alles".

Stichproben einmal im Jahr

Errichtet im 16. Jahrhundert nach Plänen italienischer Festungsbauer, diente die Spandauer Zitadelle den Kurfürsten von Brandenburg und Königen von Preußen als Bollwerk zum Schutz der eigenen Person und ihrer Haupt- und Residenzstadt Berlin, war aber auch als gefürchtetes Staatsgefängnis sowie in Kriegs- und Krisenzeiten Depot der Kronjuwelen und von wichtigen Archivalien der Monarchie. Die Wachmannschaft hütete den Reichskriegsschatz wie ihren Augapfel. "Zweimal im Jahr öffnet sich das streng bewachte Thor des Turmes, und zwar einzig den beiden zur Prüfung des Schatzes bestimmten Mitgliedern der Reichsschuldentilgungskommission, denen sich die geheimnisvolle Thür aber auch nur gefügig zeigt, wenn sie gleichzeitig die in ihrem Besitz befindlichen, übrigens sehr zierlichen Schlüssel in das Schloss stecken", heißt es in dem 1895 veröffentlichten Buch "Berlin in Wort und Bild" von Paul Lindenberg, dem wir unter anderem interessante Beobachtungen über die Herstellung des Hartgeldes in der Preußischen Staatsmünze sowie von Geldscheinen in der Reichsdruckerei verdanken. "Nachdem die Zeit der Öffnung genau in dem Protokoll vermerkt wurde, betreten die Beamten die Rotunde, in welcher die Millionen aufbewahrt sind, zerlegt in zwölf Abteilungen, deren jede wieder in zehn Unterabteilungen zerfällt, so dass jede der letzteren eine Million Mark umfasst. Jede dieser Einzelmillionen ist wiederum in zehn Beutel zu je einhunderttausend Mark verteilt, die in besonderen Kästen liegen".

Bei den Kontrollen wurden Stichproben vorgenommen, indem "irgend eine" der Unterabteilungen durchgezählt und auf Richtigkeit ihrer Summe geprüft wird. Wenn das ohne Beanstandung geschehen war, gingen die Prüfer davon aus, dass alles seine Richtigkeit hat. "Neben diesem Reichskriegsschatz, der in Gold ein Gewicht von nahe 48 000 Kilogramm hat, befinden sich im Juliusturm auch noch drei andere Reichsfonds, für die Invalidenversorgung, für den Festungsbau und die Errichtung des Reichstagsgebäudes, die in ähnlicher Weise revidiert werden, nur dass es sich hier um Wertpapiere handelt, welche auf das genaueste mit den Angaben der Inventarbücher verglichen werden." Nach der Bestandsprüfung sank der Turm wieder in seine Einsamkeit zurück, "die nur durch den Schritt der Militärposten und durch den Schall des Ablösungskommandos unterbrochen wird".

Vermehrte Nachfrage nach Zahlungsmitteln

Ein Jahr vor dem Ersten Weltkrieg wurde die goldene Reichsreserve mit Blick auf künftige bewaffnete Auseinandersetzungen auf 240 Millionen Goldmark verdoppelt. In der Begründung zum Gesetz über die Änderung des Finanzwesens vom 3. Juli 1913, nachzulesen in dem Buch von Karl-Dieter Seidel "Die deutsche Geldgesetzgebung seit 1871. Münzen - Papiergeld und Notenbanken mit den Münzverträgen der deutschen Staaten im 19. Jahrhundert" (Verlag Egon Beckenbauer München 1973), ist von der Befriedigung eines außerordentlichen Bedarfs an Silbermünzen bis zur Höhe von 120 Millionen Mark sowie der Ausgabe von Reichskassenscheinen zu fünf und zehn Mark in gleicher Höhe die Rede. "Beide Maßnahmen verfolgten den Zweck, dem Finanzwesen des Reichs gegenüber den in kritischen Zeiten gesteigerten Ansprüchen eine größere Widerstandsfähigkeit zu verleihen."

Mit der Maßnahme sollten, wenn Krieg in Sicht ist, "sofort greifbare Mittel des Reichs" vermehrt werden können. Man sah voraus, dass die Nachfrage an Zahlungsmitteln zunehmen und der Bedarf an Hartgeld beträchtlich ansteigen wird. Das betraf vor allem die Löhnung der Landtruppen und Marine. Erwähnt wurde auch, dass deren Soldaten sehr viel Ersparnisse mit ins Feld, also in den Krieg, mitnehmen werden. Solche Geldbewegungen seien während der jüngsten Balkanwirren, gemeint die Balkankriege von 1912 und 1913 im Vorfeld des Ersten Weltkriegs, von der Reichsbank beobachtet worden. Um Panik zu vermeiden, schlugen die Gutachter eine "Kräftigung des Goldvorrats" vor. "Ein auf das Doppelte vermehrter Reichskriegsschatz würde mithin die Möglichkeit bieten, 720 Millionen Mark mehr in Noten zu Zahlungen für Heer und Marine sowie für den allgemeinen Verkehr verfügbar zu machen." Die Gefahr einer Inflation der Volkswirtschaft sei nicht zu "besorgen", schließt das Gutachten, auf dessen Grundlage ein Gesetz vom 4. August 1914, gleich nach Kriegsbeginn, die Ausgabe von Reichskassenscheinen und Reichsbanknoten festlegte.

Die anvisierte Verdopplung der Goldreserve in Gestalt des Reichskriegsschatzes kam aufgrund der Kriegsereignisse nicht mehr zustande, denn Gold wurde mit Kriegsbeginn am 1. August 1914 nach und nach eingezogen. Die letzten deutschen Goldmünzen tragen die Jahreszahl 1915. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. und der anderen deutschen Bundesfürsten im Jahr 1918 musste die neue Regierung den Reichskriegsschatz im Rahmen des Versailler Friedensvertrags an Frankreich abliefern. Nicht einmal zehn Jahre hatte die schwere Tresortür ihre Aufgabe erfüllt, ein Millionenvermögen vor fremdem Zugriff zu schützen.

Schwere Tresortür schützt Eingang

Wie man auf einem kleinen Messingschild am Eingang zum Juliusturm lesen kann, wurde die Tresortür im Jahr 1910 eingebaut. Sie wiegt 3000 Kilogramm und ist das älteste Portal dieser Art in der Region. Als man 1987 in beiden Teilen Berlins die Siebenhundertfünfzigjahrfeier der Stadt beging, wurde die Tür restauriert und wieder funktionstüchtig gemacht. Wer sie passiert, gelangt in das Innere des Juliusturms und kann dort über 145 Treppenstufen auf die Aussichtsplattform steigen und einen wunderbaren Rundblick auf Spandau und seine Zitadelle genießen. In einer Ausstellung neben dem Juliusturm wird die Geschichte der berühmten Renaissancefestung am Rande von Berlin, aber auch die weiterer Festungen in der Mark Brandenburg erzählt.

Reichsgoldmünzen waren die ersten Nominale, die im Münzgesetz von 1871 ausdrücklich genannt wurden. "Bis zum Erlaß eines Gesetzes über die Einziehung der groben Silbermünzen erfolgt die Ausprägung der Goldmünzen auf Kosten des Reiches für sämmtliche Bundesstaaten auf den Münzstätten derjenigen Bundesstaaten, welche sich dazu bereit erklärt haben. Der Reichskanzler bestimmt unter Zustimmung des Bundesrathes die in Gold auszumünzenden Beträge, die Vertheilung dieser Beträge auf die einzelnen Münzgattungen und auf die einzelnen Münzstätten und die den letzteren für die jeder einzelnen Münzgattung gleichmäßig zu gewährende Vergütung. Er versieht die Münzstätten mit dem Golde, welches für die ihnen überwiesenen Ausprägungen erforderlich ist". Das Gesetz erklärte ferner, dass die Modalitäten der Ausprägung der Reichsgoldmünzen vom Bundesrat erarbeitet und vom Reich beaufsichtigt wird. "Dieses Verfahren soll die vollständige Genauigkeit der Münzen nach Gehalt und Gewicht sicherstellen. Soweit eine absolute Genauigkeit bei dem einzelnen Stücke nicht innegehalten werden kann, soll die Abweichung in Mehr oder Weniger im Gewicht nicht mehr als zwei ein halb Tausendtheile seines Gewichtes, im Feingehalt nicht mehr als zwei Tausendtheile betragen".

Die Vorschrift erlegte den Münzstätten und ihren Kontrollorganen eine hohe Verantwortung auf und sorgte dafür, dass die neuen Goldmünzen und natürlich auch die Silbermünzen stets den gleichen Standard besitzen und jedwede Manipulation ausgeschlossen ist. Laut Münzgesetz sollte das Mischungsverhältnis bei den Reichsgoldmünzen 900 Tausendteile Gold und 100 Tausendteile Kupfer betragen. "Es werden demnach 125,55 Zehn-Mark-Stücke, 62,775 Zwanzig-Mark-Stücke je Ein Pfund wiegen". Zugleich berechnete das Gesetz das Zehn-Mark-Stück zum Wert von 3 1/3 Taler oder 5 Gulden 50 Kreuzer süddeutscher Währung, 8 Mark 5 ½ Schilling lübischer und hamburgischer Kurantwährung sowie 3 1/93 Taler Gold Bremer Rechnung.

Gold gab ich für Eisen

Ein Teil des Reichskriegsschatzes wurde um 1900 kurzfristig zur Finanzierung einer deutschen Militärexpedition verwendet, die nach China entsandt wurde, um den so genannten Boxeraufstand niederzuschlagen. Ein Jahr vor dem Ersten Weltkrieg hat man den Reichskriegsschatz von 120 Millionen auf 240 Millionen Mark aufgestockt. Vielleicht auch zu diesem Zweck wurden viele Millionen Goldmünzen mit dem Kopf von Kaiser Wilhelm II. in Berlin hergestellt. Sie sind preiswerter als die in kleiner Auflage geprägten Goldstücke anderer deutscher Bundesfürsten und Freien Städte zu haben, die nur sporadisch ihr Münzrecht wahrnahmen. Nach dem Ersten Weltkrieg musste das Deutsche Reich seine Goldreserve im Rahmen des Versailler Vertrags an Frankreich übergeben. Aus diesem Bestand dürfte manches Stück in Händler- und Sammlerhand gelangt sein. Verkaufsfördernde Angebote etwa der Art, wonach Goldmünzen "aus dem Reichskriegsschatz" stammen sollen, sind mit Vorsicht zu genießen, denn den Beweis, dass dem so ist, kann niemand antreten.

Während nach Kriegsbeginn die Produktion von Goldmünzen zurück ging und die Stücke mit den Jahreszahlen 1914 und 1915 kaum oder überhaupt nicht mehr zur Ausgabe gelangten, wurde die Bevölkerung in der Presse aufgefordert, ihre Zwanzig-, Zehn- und wo es sie noch gab an goldenen Fünfmarkstücke zum Nennwert gegen Papiergeld einzuwechseln. Mit Blick auf einen bewaffneten Konflikt hatte das Deutsche Reich bereits im Juli 1914 Gold für über hundert Millionen Mark eingezogen und es durch Papiergeld ersetzt. Zur Belohnung für die Ablieferung bekam man Eisenmedaillen mit der Aufschrift "Gold gab ich zur Wehr / Eisen nahm ich zur Ehr" und konnte sich eiserne Ringe an den Finger stecken. Außer den Goldmünzen wurden nach und nach auch Silbermünzen eingezogen und, zunächst kaum spürbar für die Bevölkerung, durch Papiergeld ersetzt. Doch war es zunächst möglich, sogar noch 1917 und 1918 silberne Gedenkmünzen zu prägen, wenn auch nicht mehr in den geplanten Quantitäten, sondern in winziger Stückzahl.

Vom Tod im Tiegel verschont

Ernste Gefahr drohte dem Berliner Münzkabinett 1917, im vierten Jahr dieses bis dahin schrecklichsten aller Kriege. Dessen Mitarbeiter mussten antike, mittelalterliche und neuzeitliche Goldmünzen aussortieren und der Reichsbank zum Einschmelzen zur Verfügung stellen. Die Sammlung war nicht die einzige, die solche Weisungen erhielten. Ähnliche Forderungen gingen auch an andere Kabinette und Museen Der damalige Direktor des Berliner Münzkabinetts, Julius Menadier, stellte, unterstützt vom Generalsdirektor der Königlichen Museen, Wilhelm von Bode, die Unsinnigkeit dieser Maßnahme dar, erreichte aber nur, dass die antiken Goldmünzen verschont wurden. Am Ende wurden 6543 mittelalterliche und neuzeitliche Gepräge im Gewicht von 49 Kilogramm und einem Wert von 127 406,76 Mark der Sammlung entnommen und der Reichsbank zugestellt.

Zum Glück erlitten die Goldmünzen nicht den ihnen vorbestimmten Tod im Tiegel. Denn angesichts ihres immensen wissenschaftlichen und kunsthistorischen Werts und des großen Schadens, den das Kabinett erleiden würde, wenn es diesen Bestand verlieren würde, hatte die Reichsbank ein Einsehen. So konnte Menadier die versiegelten Kisten am 7. Dezember 1918, einen Monat nach dem Sturz der Monarchie, wieder in Empfang nehmen und zahlte den bereits erhaltenen Goldpreis an die Reichsbank zurück. Nicht auszudenken, wenn die einzigartigen Museumsstücke wie ordinäre Zehn- und Zwanzigmarkmünzen eingeschmolzen worden wären! Da man in Sammelstelle erkannt hatte, dass unter den eingelieferten Münzen und Medaillen manche numismatische Kostbarkeiten sind, hat man speziell nach ihnen Ausschau gehalten. Die mit vielen Raritäten bestückte Münz- und Medaillensammlung der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main führt ihre Anfänge auf diese kriegsbedingte Sammeltätigkeit zurück.

Große Not an Edelmetallen

Unverkennbar war während des Ersten Weltkriegs in dem weitgehend von ausländischen Lieferanten abgeschnittenen deutschen Kaiserreich die Not an Edelmetallen. Außer für die Münzprägung und Schmuckherstellung wurde Silber nach einer Stellungnahme des Reichschatzamtes in beträchtlichen Mengen für Kriegshandlungen und andere Zahlungen im Ausland benötigt. "Für die Türkei haben bis jetzt 20 000 kg Feinsilber, für die Kämpfe in Persien 70 380 kg Feinsilber bereitgestellt werden müssen, da in diesen Kriegsgebieten papierne Geldzeichen entweder überhaupt nicht oder nur mit einem starken Disaigio genommen werden. Auch für die Besoldung der eigenen Beamten der gesandtschaftlichen Vertretungen und konsularischen Missionen in der Türkei [die an der Seite des Deutschen Reichs kämpfte, H. C.] war Silber verfügbar zu machen", stellte der Berichterstatter fest und fügte hinzu: "Für die Türkei stehen weitere hohe Ansprüche von Hartgeld bevor, das zu einem wesentlichen Teile in Silber zu beschaffen sein wird".

Selbstverständlich legte nicht nur die Finanzverwaltung ihre Hand auf das begehrte Silber, denn auch die Kriegswirtschaft benötigte große Mengen davon. In diesem Zusammenhang wurden Gasmasken sowie pharmazeutische und photographische Zwecke erwähnt, "die namentlich für die Luftschiffahrt von der größten Bedeutung sind. Auch die Herstellung der Eisernen Kreuze nimmt viel Silber weg, so daß bereits eine andere Legierung des Silbers zur Ersparung des Silbers erwogen werden muß". Auf die Silberindustrie, gemeint war wohl Schmuckindustrie, musste ebenfalls Rücksicht genommen werden, weil deren Erzeugnisse im Ausland "zu hohen Preisen" abgesetzt werden konnten, und man keine Entlassungen vornehmen wollte.

Silber wurde nach und nach zu einem teuren Material und verlor seine Bedeutung als Münzmaterial. Sein Preis stieg von 75 bis 80 Mark pro Kilogramm zu Kriegsbeginn auf 175 Mark und mehr Mitte 1917 an. Das alles hatte zur Folge, dass Silbermünzen offiziell und auch ohne Genehmigung zum Zwecke der Silbergewinnung eingeschmolzen wurden. "Unter diesen Umständen glaubt die Finanzverwaltung es nicht verantworten zu können, Silber für eine Verwendung zur Verfügung zu stellen, bei der es irgend welchen wirtschaftlichen Nutzen nicht haben kann", heißt es in der Vorlage mit Blick auf die vom Königreich Sachsen beantragte Reformationsmünze von 1917 mit dem Bildnis des Kurfürsten Friedrich des Weisen. "Die Denkmünzen würden nicht dem Verkehr dienen, da sie als Andenken aufgehoben werden. Dies muß auch gelten, wenn die Prägemenge erheblich herabgesetzt würde. Jedes Kilogramm Feinsilber ist heute wichtig. Außerdem würde der Zweck der Denkmünzprägung bei einer so geringen Prägemenge völlig verfehlt". Die Finanzveraltung könne sich auch mit einer "aufgeschobenen Prägung" nicht einverstanden erklären, "einmal weil die spätere Prägung gerade vom Standpunkt der Reformationsfeier nicht die ihr beigelegte Bedeutung haben könnte, sodann aber wohl nicht abzusehen ist, wann auf dem Silbermarkte einigermaßen normale Verhältnisse wiederkehren werden. Es ist im Gegenteil damit zu rechnen, daß wir uns längere Zeit nach dem Kriege den Luxus von Denkmünzen nicht gestatten werden können".

Fünfziger aus geschwärztem Silber

Wie ein Blick auf die deutsche Münzemission während des Ersten Weltkriegs zeigt, unterlagen die Silbermünzen zu 50 Pfennig keinerlei Einschränkungen. Den Katalogen können wir enorme, zwischen 1914 und 1918 hergestellte Mengen entnehmen. Ihnen gegenüber fallen die wenigen Gedenkmünzen von 1916, 1917 und 1918 nicht ins Gewicht. Auf Vorrat wurden weitere Fünfziger mit der Jahreszahl 1919 und dem Kaiseradler geprägt. Dabei waren rund um den 9. November 1918 alle deutschen Bundesfürsten mit Wilhelm II., dem deutschen Kaiser und König von Preußen, an der Spitze im Orkus der Geschichte verschwunden und Deutschland eine Republik. Da die Silberfünfziger gehamstert wurden und man lieber mit Papier oder ersatzweise ausgegebenem Kleingeld aus Eisen oder Zink bezahlte, wurden sie in den Prägeanstalten nicht wie üblich hellglänzend gebeizt, sondern geschwärzt, um sie wenig ansehnliches erscheinen zu lassen. Ob hell oder dunkel - die kaiserzeitlichen Silbermünzen wurden per Verordnung ab 1. Januar 1921 außer Kurs gesetzt und eingezogen. Inzwischen hatte sich ein florierender Schieberhandel mit ihnen entwickelt, und es waren bereits große Mengen ins Ausland abgewandert, wie es in der eingangs erwähnten Dokumentation von Karl-Dieter Seidel heißt. Zu diesem Zeitpunkt hielt man es für undenkbar, dass das Deutsche Reich in absehbarer Zeit die Silbermünzenprägung wieder aufnimmt. Wie Sammler wissen, begann diese 1924 und 1925 mit der Ausgabe von Kurs- und Gedenkmünzen zu 1, 2, 3, und 5 Mark. Zwar wurde damals auch an eine Goldmünzenprägung gedacht, doch hat man nur wenige Probestücke zu 20 Mark geprägt, die sehr teuer sind.

Siehe auch Eintrag auf dieser Internetseite Rubrik Museen und Ausstellungen vom 4. Mai 2021

6. Mai 2021

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