Prägedruck mit der "Schraube"
Johann Wolfgang von Goethe übersetzte Erinnerungen des italienischen Goldschmieds und Medailleurs Benvenuto Cellini



Die figurenreiche Saliera, ein Vorläufer des Salzstreuers, wurde von Benvenuto Cellini für König Franz I. von Frankreich geschaffen. In der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien ist die Goldschmiedearbeit ein besonderes Highlight.





Die Engelsburg war 1527 beim Sacco di Roma Zufluchtsort von Papst Clemens VII. und Arbeitsstätte von Benvenuto Cellini.



Die niederländische Allegorie aus der Barockzeit, hier ein Ausschnitt, zeigt die an einer Spindelpresse gelehnte Göttin Moneta, wie sie Münzen in ein vor ihr ausgebreitetes Tuch wirft, unten schaut Chronos, der Zeit, zu.



Barocke Putten machen sich auf der sächsischen Medaille von 1719 an einer Spindelpresse zu schaffen.



An der Fassade eines Hauses in der Berliner Wallstraße schaut der italienische Goldschmied Benvenuto Cellini freundlich auf die Passanten herab. Das Pendant stellt einen Zeitgenossen, den berühmten Uhrenkonstrukteur Peter Henlein, dar.



Die Medaille mit dem Bildnis des aus der Familie Medici stammenden Papst Clemens VII. wurde von Benvenuto Cellini geschaffen. Sie ist mit AN X, dem zehnten Jahr seines Pontifikats, also 1533. An der Spitze der katholischen Kirche stehend, musste sich der Pontifex maximus der Truppen des römisch-deutschen Kaisers und der Herausforderungen der Lutherschen Reformation erwehren.



Das Dichterross Pegasus auf der Rückseite der von Cellini dem Kardinal Pietro Bembo gewidmeten Medaille in Goethes Besitz diente 1816 dem Berliner Bildhauer und Grafiker Johann Gottfried Schadow als Vorbild für eine Goethe-Medaille.



Papst Clemens VII. brauchte Unmengen solcher in Rom geprägter Silbermünzehn im Wert von zwei Giulii, um Kriege zu führen und sich seiner Feinde zu erwehren.



Das Funktionieren einer von Leonardo da Vinci für die Münze in Rom gebauten aufklappbaren Prägebüchse zeigen dessen in der Pariser Nationalbibliothek befindliche Zeichnung und die Silbermedaille aus dem Jahr 1978. Links ein bronzener Münzpräger am Amboss in der mecklenburgischen Stadt Gadebusch.(Fotos/Repros: Caspar)

Dreiste Diebe stahlen im Mai 2003 unter spektakulären Umständen aus dem Kulturhistorischen Museum in Wien eines der schönsten Zeugnisse der Goldschmiedekunst der Renaissance, das von dem italienischen Goldschmied, Bildhauer, Medailleur und Münztechniker Benvenuto Cellini (1500-1571) geschaffene goldene Salzfass. Die wegen ihres hohen Bekanntheitsgrades unverkäufliche Kostbarkeit mit einem Versicherungswert von 50 Millionen Euro wurde nach einem Hinweis aus dem Kreis der Täter von der Polizei nahezu unbeschädigt in einem Wald in Niederösterreich gefunden. Durch den Raub und die Rückkehr der "Saliera" kam der Name eines Künstlers in die Nachrichten, der als Stempelscheider und Medailleur zeitweilig im Dienst der päpstlichen Münze in Rom stand. Von seinen Gegnern bei seinem Gönner Papst Clemens VII. verleumdet, in verschiedene Händel verstrickt und von Häschern verfolgt, zog es den Künstler 1540 an den französischen Hof. Dort war er für König Franz I., den Auftraggeber des Salzfasses, als Architekt, Goldschmied, Festungsbauer und Bildhauer tätig. Lange hielt es Cellini jedoch nicht in Frankreich aus, und so kehrte er 1545 nach Italien zurück, wo er für den Rest seines Lebens blieb.

Wenn Cellini nicht als Bildhauer, Goldschmied oder Stempelschneider arbeitete, schrieb er Bücher. So sind zwei Traktate von ihm über Goldschmiedekunst und Bildhauerei sowie eine Autobiographie aus den Jahren 1558 bis 1562 erhalten, die der Dichter und Weimarer Minister Johann Wolfgang von Goethe 1803 in deutscher Übersetzung veröffentlichte. Dem Werk sind im Anhang Goethes Bemerkungen über zeitgenössische Künstler sowie über Cellinis Methoden zur Herstellung von Metallgüssen, Treibarbeiten und Edelsteinfassungen angefügt. Außerdem enthält die Übersetzung Anmerkungen über die Bildhauerei und Zeichenkunst, aber auch über die Fertigung von Münzstempeln mit Hilfe von eingeschlagenen Punzen und Verfahren zur Ausprägung der Medaillen.

Dichter und Sammler

Goethe hatte eine hohe Meinung von Cellini und besaß auch einige von seinen Medaillen sowie solche von Zeitgenossen. Seinem Freund Johann Heinrich Meyer schrieb der Dichter 1796, als er sich gerade mit der Übersetzung von Cellinis Erinnerungen beschäftige: "Vielleicht, da es gewiß auch Sammlungen neuerer Münzen in Rom gibt, kommt Ihnen von Cellinischen Münzen etwas unter die Augen. Außer einigen größeren Stücken hat er auch gewöhnliche Münzen für Clemens VII. meist geschnitten. Es sind auch Münzen von Herzog Alexander (Medici) von Florenz von ihm da". Leider konnte Meyer nichts über die Münzen von Cellini (gemeint sind wohl auch Medaillen) in Erfahrung bringen, und auch Nachfragen im Vatikanischen Museum führten zu nichts. Nach der Veröffentlichung der Übersetzung notierte Goethe sein Interesse an den "Cellinischen Münzen" und "ob nicht anderes, was mich in jene Zeiten versetzen könnte, noch zu haben wäre".

Der Dichter beschloss, sich mit Hilfe von Freunden und Nutzung damaliger Kunstauktionen eine Kollektion von Papstmedaillen zuzulegen. Diese Suite liegt mit weiteren numismatischen Sammelstücken im Weimarer Museum. Alle diese Stücke wurden von Jochen Klauß in dem Buch "Die Medaillensammlung Goethes, hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst und der Stiftung Weimarer Klassik" publiziert (2 Bände, Berlin 2000, ISBN3-7861-2369-1) publiziert. In der Edition finden sich zahlreiche Tagebucheinträge und Briefstellen, die Goethes Interesse speziell an Cellini unterstreichen und belegen, dass er viele Freunde in die Suche nach Belegstücken einbezog.

Künstler von renaissancehaftem Zuschnitt

Zu dem aus der Familie Medici stammenden Papst Clemens VII., der von 1523 bis 1534 regierte, hatte der Künstler, ein Mann von wahrhaft renaissancehaftem Zuschnitt, direkten Zugang. Die beiden so unterschiedlichen Männer mochten sich, und der Heilige Vater hat immer wieder aufkommende Verdächtigungen in Bezug auf die Ehrlichkeit seines Schützlings abgewehrt, wenn man Cellinis Erinnerungen trauen darf. Der Künstler empfand es als besonderen Vertrauensbeweis, dass ihn das durch kaiserliche Truppen in Bedrängnis geratene Kirchenoberhaupt zu sich bat und ihn in einer gefährlichen Zeit beauftragte, Edelsteine aus seinen Juwelen zu brechen und Gold einzuschmelzen. Damit wollte sich der in der Engelsburg von Soldaten Kaiser Karls V. während des berüchtigten Sacco di Roma im Jahre 1527 belagerte Pontifex maximus offenbar sein Leben erkaufen.

Die filmreife Szene ist im Ersten Buch, siebentes Kapitel der Goetheschen Übersetzung beschrieben. Darin wird erzählt, dass Cellini jeden Edelstein in Papier wickelte und sie in die Gewänder des Papstes und eines Vertrauen einnähte. "Sie gaben mir das Gold, das ungefähr zweihundert Pfund betrug, mit dem Auftrag, es auf das heimlichste zu schmelzen. Ich ging hinauf zum Engel, wo mein Zimmer war, das ich verschließen konnte, erbaute sogleich einen Windofen und richtete unten einen ziemlich großen Aschenherd ein; oben lag das Gold auf Kohlen und fiel, sowie es schmolz, in den Herd hinunter", beschreibt Cellini das ihm aufgenötigte Werk der Zerstörung. "Sobald das Gold geschmolzen war, trug ich es zum Papste. Er dankte mir aufs beste und befahl dem Kavalier, dass er mir 25 Scudi geben solle, entschuldigte sich sogleich, dass er gegenwärtig nicht mehr entbehren könne."

Wein- und Druckerpressen als Vorbild

Bei so viel Nähe war es folgerichtig, dass Cellini seinen Gönner auch auf Medaillen porträtierte. Zwei unterschiedliche Stücke in Goethes Sammlung liegende Exemplare mögen dem Dichter besonders lieb gewesen sein, weil er die Beziehungen zwischen Papst und Medailleur besser als alle anderen Sammler kannte und auch wusste, wie die eine oder andere Arbeit entstanden ist. Interesse verdienen Cellinis Aufzeichnungen darüber, wie der Künstler den zur Anfertigung von Medaillen nötigen Prägedruck erzeugt hat. Ihm stand eine "Schraube" zur Verfügung, unter der man sich eine Art Spindelpresse vorstellen muss. Dieses Gerät zog im späten 16. und danach in Münzschmieden und Medaillenprägeanstalten ein und erlaubte das saubere Prägen von Münzen und Medaillen auch mit großem Durchmesser und hohem Relief. Wer das Gerät erfunden hat, ist unbekannt. Möglich ist, dass Weinpressen oder Druckerpressen Pate standen. Auch dort wird eine in einem Gewinde befindliche starke Schraube aus Holz oder Metall mit Hilfe von Schwungarmen nach unten und nach oben bewegt, wobei starke Drücke erzeugt wurden.

Cellinis Aufzeichnungen über die "Schraube" sind recht vage. Die Technologie war neu und sollte sicher vor Spionen geschützt werden. Dass man im frühen 16. Jahrhundert nach effektiven Prägemethoden suchte, zeigen Leonardo da Vincis (1452-1519) Entwurf für eine "Prägebüchse" für die Hammerprägung und ein riesiger Prägeapparat, bei dem ein schweres Gewicht auf den Oberstempel fällt. Bei dieser Methode konnte es sehr schnell passieren, dass die mühsam geschnittenen Stempel bei dem plötzlichen Aufprall zersprangen und/oder durch Verrutschen unsaubere Prägebilder entstanden. Cellini nutzte neben einem Prägeapparat, in den man Eisenkeile in eine Fassung einschlug und damit Druck erzeugte, auch die Kraft einer (Spindel-)Presse mit eisernen Schwungarmen, die eine Länge von mindestens sechs Ellen haben soll, wie er schrieb. Vier Männer seien nötig, um die Eisenarme zu bewegen. "Den Prägedruck mit einer Schraube zu übertragen verursacht zwar mehr Kosten, ergibt aber bessere Resultate und schont vor allem deine Werkzeuge vor rascher Abnutzung."

Der Frieden zündet Waffen an

In den 1974 von Ruth und Max Fröhlich in Basel unter dem Titel "Abhandlungen über die Goldschmiedekunst und die Bildhauerei" edierten "Trattati" des Benvenuto Cellini werden die vom Künstler beschriebenen Arbeitsmethoden kommentiert. Cellini warb darin für die Anwendung der Schraube. "Obgleich das Verfahren kostspielig erscheinen mag, möchte ich doch behaupten, dass es von geringerem Kostenaufwand ist, weil mit zwei Schraubenumdrehungen deine Medaille bestens ausgeprägt ist, während du mit hunderten Hieben vorher kaum eine gute fertig stellst." Als unvorteilhaft empfand es der Goldschmied, wenn die Medaillen vor der eigentlichen Prägung in den ungefähren Konturen ihres späteren Reliefs vorgegossen werden. Bei der Arbeit mit der Schraube würde man diesen aufwendigen und teuren Arbeitsgang einsparen.

Schaut man sich die wenigen in der Weimarer Sammlung liegenden Cellinischen Medaillen an, so wird man unschwer erkennen, warum Goethe sie so sehr liebte. Besonders gut gelungen ist eine Gussmedaille mit dem Brustbild des Kardinals Bembo von 1539/40. Der aufsteigende Pegasus auf der Rückseite diente 1816 als Vorlage für eine Medaille, die der Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow zu Goethes Ehren schuf. Eine andere Cellini-Medaille von 1534 zeigt Papst Clemens VII. nach links gewandt und rückseitig eine als Pax (Frieden) aufgefasste Frau, die einen Waffenhaufen mit einer Fackel anzündet. Neben ihm ist der Genius des Krieges angekettet. Die Medaille unterstreicht die Friedenssehnsucht des Papstes und seiner Zeitgenossen nach den langen Jahren des Krieges und der Unsicherheit. Sie wurde von Clemens VII. mit großem Wohlgefallen angenommen. "Sind die Alten jemals so gut in Münzen bedient gewesen?" soll der Heilige Vater laut Cellini einen Herrn in seiner Umgebung gefragt haben. "Die Medaillen seien sehr schön und gefielen ihm wohl, nur möchte er noch eine andere Rückseite haben, wenn es anginge. Ich versetzte, dass solches gar wohl geschehen könne, und er bestellte sich die Geschichte Mosis, der Wasser aus dem Felsen schlägt", so die Szene in der Goetheschen Übersetzung.

11. Mai 2021

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